Im Körper zu Hause sein

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1Sicherheit

Wir Menschen haben ein existenzielles Bedürfnis, uns sicher zu fühlen.

Inmitten von Körperprozessen, die ständige Veränderung bedeuten, und einem äußeren Lebensprozess, der uns unablässig mit Neuem konfrontiert, leben wir mit Gehirnen, die darauf aus sind, Sicherheit inmitten dieser Bewegung zu finden, indem wir Festigkeit und Beständigkeit suchen. Wir suchen Sicherheit genau da, wo sie nicht ist. Wir versuchen, Beziehungen, Gegenstände und Umstände zu sichern, indem wir festhalten, festmachen, kontrollieren und bestimmen. Unser »kleiner Geist« kann sich keine andere Art der Sicherheit vorstellen.

Mitten in einer Bewegung des Lebens, in der sich alles ständig verändert (bis hin zur Bewegung und Veränderung auf Zellebene), sind wir damit beschäftigt, Sicherheit zu finden, indem wir die Dinge beständiger machen, als sie sind. Im Wissen um die Vergänglichkeit versuchen wir, sie zu verleugnen und zu vergessen. Nur selten gelingt es uns, z. B. im Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit zu leben »und jeden Tag zu feiern, als wäre es der letzte«.

Viele Meditationslehrer haben uns bereits darauf hingewiesen, wie hilfreich und unterstützend es ist, sich mehr mit der Realität unseres Lebens zu verbinden – so, wie es ist: bewegt, im Fluss, oft unabsehbar. Und gleichzeitig fällt es uns schwer. Wir bewegen uns ständig in diesem Dilemma zwischen der Suche nach Sicherheit und der Wahrnehmung von Veränderung und Bewegung, von der wir nicht wissen, wohin sie führt.


In diesem Kapitel finden Sie Übungen, die unser KörperSein zurückführen zur Wahrnehmung der Sicherheit, die im jeweiligen Moment vorhanden und spürbar ist. Übungen, die unseren Körper einladen, den sicheren Boden unter den Füßen zu spüren, das Dach über dem Kopf, den eigenen Raum, die Möglichkeit, sich zu entspannen und zu ruhen, wenn es guttut. Und die damit uns als KörperSein einladen, dem zu vertrauen, was im Moment da ist, was spürbar ist, uns hält und trägt. Und darüber hinaus sind Sie eingeladen, sich mit der Vergänglichkeit mehr anzufreunden.

Je mehr wir die momentane Sicherheit als Körper, im Körper spüren können, desto eher ist es möglich, die Bewegung der Veränderung wahrzunehmen, die immer gleichzeitig wirksam ist, und uns auch mit ihr vertraut zu machen.

Doch zunächst noch eine kleine Erläuterung zum Sprachgebrauch:

Was ist mit KörperSein gemeint?

Die Verbindung von Körper und Geist, das Verhältnis, das Körper und Bewusstheit zueinander haben, ist Gegenstand sowohl philosophischer Betrachtung als auch neurowissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei unterscheiden sich die Herangehensweisen in der westlichen und der östlichen Kultur fundamental und sind in ihrer Unterschiedlichkeit nicht einfach zu erfassen.

Während die westliche Sicht sich aus einer historisch tradierten Trennung von Körper und Geist zu einer Erfassung der Verbindung zwischen beiden hinbewegt – wobei sowohl »Körper« als auch »Geist« eher als »Objekte« gesehen werden, als feststehende Entitäten -, begreift die östliche Sicht die Verbindung zwischen Körper und Geist eher als ein fließendes Ereignis, eine Verbindung, deren Verschmelzung erreicht werden kann (und soll) (Yuasa 1987).

Die Tendenz, Erlebtes konzepthaft zu verfestigen und zu verobjektivieren, die sich auch in der Struktur westlicher Sprachen ausdrückt, lässt Trennungen immer wieder da erscheinen, wo sie im lebendigen Prozess nicht sind. Dazu kommt die Tendenz, das eigene »Ich«, den Sitz des Bewusstseins, im Gehirn zu verorten und den Körper mit seinen Organen und Systemen als ein Anhängsel des Bewusstseins zu erleben.

In der westlichen Herangehensweise, auch im therapeutischen Kontext, entwickelt sich allmählich ein anderes Verständnis der Verbindung zwischen Körper und Geist, die dann als »Embodiment« bezeichnet wird (s. auch Hammer 2015).

Im Zapchen als Übungsweise spiegelt sich die Herangehensweise von »Somatics«, oder wie Julie Henderson es beschreibt: »In den letzten Jahren tat sich ein Gebiet auf, in dem das Studium des Menschseins Beziehung und Physiologie, Berührung und Neurochemie, Prozess und funktionelle Anatomie beinhaltet. Dieses neue Studiengebiet wird allgemein »Somatics« genannt. Es erforscht so direkt wie möglich das Mysterium, Körper zu sein, der bewusst ist, und Bewusstheit, die Körper ist. Die praktische Bedeutung dieser seltsamen Verbindung wird sowohl subjektiv als auch objektiv erforscht, wobei wir unsere Tendenz, den einen oder anderen Aspekt des Mysteriums außer Acht zu lassen, im Auge behalten« (Henderson 2012, S. 10).

Der Ausdruck KörperSein (der ja schon durch seine Schreibweise ausdrückt, dass es sich nicht um ein gebräuchliches Wort handelt, sondern um eine Neudefinition) meint, dass wir uns mit diesem Mysterium befassen: ein Körper zu sein, der bewusst ist, und Bewusstheit, die Körper ist. Dass wir als Körper intelligent und bewusst antworten auf die Art und Weise, in der wir als Körper angesprochen und berührt werden. Und dass Erfahrungen nicht nur im Geist, sondern immer auch im gesamten KörperSein gespiegelt und beantwortet werden.

1.1Kontakt zum Boden


Zunächst sind Sie zu Übungen eingeladen, die den Kontakt zum Boden unterstützen. Denn immer dann, wenn wir spüren können, dass wir jetzt im Moment sicheren Kontakt zum Boden haben, erhöht dies insgesamt die Wahrnehmung von Sicherheit. Zu spüren, dass und wie ich stehe, sitze oder liege, gibt eine Orientierung darüber, wo ich bin und dass ich von der Erde getragen bin und mich »niederlassen« kann. Im Zapchen nennen wir das den Beginn von »resting down«, auf Deutsch müsste man sagen »herunterruhen«. Ein Herunterruhen, das uns als Geist und Körper allmählich zu einem tieferen Vertrauen ins Sein führt.

Beginnen wir mit den Füßen:

Übung: Füße spüren

Kommen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit allmählich mehr zu Ihren Füßen.

Spüren Sie den Kontakt der Füße zum Boden und laden Sie Ihre Füße ein, sich in diesem Kontakt mehr und mehr auszubreiten.

Ihre Fußsohle spürt den Kontakt zum Boden an vielen Stellen. Lassen Sie die Wahrnehmung dieser Berührungsstellen zum Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit werden.

Stellen Sie sich vor, dass Sie beim Einatmen den Atem aus dem Boden durch die Füße strömen lassen, beim Ausatmen lassen Sie den Atem in den Boden strömen.

Spüren Sie mehr und mehr, wie Ihre Füße vom Boden gehalten und unterstützt werden, und erlauben Sie, dass Ihr Körper sich nach und nach mehr auf diese Unterstützung verlässt.

Nach einiger Zeit schütteln Sie Beine und Füße aus und legen sich auf den Boden für ein kleines Nickerchen. Vielleicht können Sie wahrnehmen, wie Ihr Körper sich insgesamt mehr auf die Unterstützung des Bodens verlässt und sich tragen lässt.

Diese Übung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Aspekt der Wahrnehmung, der für uns im Hintergrund immer vorhanden ist. Füße berühren (häufig) den Boden. Die Sicherheit, die unser KörperSein erlebt, wenn wir dieser Wahrnehmung mehr Raum geben, kann nicht durch Gedanken ersetzt oder erzeugt werden. Sie können das leicht ausprobieren, indem Sie sich einmal auf den Gedanken »Meine Füße haben Kontakt zum Boden« konzentrieren und dann mit Ihrer Aufmerksamkeit wechseln zu den direkten sensorischen Empfindungen, den der Kontakt auslöst.

Julie Henderson zitierte in einem der Zapchen-Trainings einen tibetisch-buddhistischen Lehrer etwa folgendermaßen: Wir leben ständig, als würden wir uns auf einer heißen Herdplatte bewegen – so wenig Kontakt zum Boden wie möglich und dann schnell wieder nach oben kommen.

Dieser Tendenz, unsere Muskeln unnötig anzuspannen und unsere Körperenergie nach oben zu ziehen, können wir durch einfache Übungen und Aufmerksamkeitsverlagerung allmählich etwas entgegensetzen. Und wir können damit einen sicheren Anker in unserem Leben finden: den Kontakt zum Boden, den Kontakt zur Erde.

Übung: Füße rollend abheben

Im Stehen rollen Sie die Füße von der Ferse ausgehend abwechselnd so ab, dass das Gewicht auf dem Fußballen liegt. Zunächst den einen, dann den anderen Fuß, immer abwechselnd. Während Sie den Fuß bis zum Fußballen abrollen, geben Sie Ihr Gewicht in die Bewegung, sodass Sie den Druck des Fußes auf den Boden spüren können.

Kommen Sie wieder zu einem ruhigen Stand, spüren Sie den Fluss Ihres Atems. Schütteln Sie die Beine und Füße aus.

Bei dieser Übung wird nicht nur die Empfindungsfähigkeit der Fußsohle gesteigert, Sie massieren auch ein im Qigong beschriebenes Energietor, das man die sprudelnde Quelle nennt. Meine Kollegin Marlies Winkler, die außer Zapchen auch Qigong und Tai-Chi unterrichtet, hat uns darauf hingewiesen und die Bedeutung der Übung noch einmal neu vor Augen geführt.

Übung: Den eigenen Stand finden (hängen lassen und aufrichten)

 

Stehen Sie aufrecht, die Füße etwa schulterbreit auseinander, Knie locker. Lassen Sie den Kopf auf die Brust sinken, dann lassen Sie sich allmählich vom Gewicht des Kopfes und nach und nach auch vom Gewicht der Arme nach unten ziehen ins »ehrgeizlose Hängenlassen«. Ehrgeizlos heißt, dass es keine Rolle spielt, wie weit Sie nach unten kommen, es soll sich »gemütlich« anfühlen. Der Kopf hängt locker im Nacken.

Bleiben Sie in dieser Haltung, solange sie angenehm ist, und dann richten Sie sich allmählich, Wirbel für Wirbel, bewusst wieder auf. Helfen Sie zum Schluss Ihrem Kopf beim Aufrichten mit den Händen, sodass der Nacken sich nicht anstrengen muss. Spüren Sie Ihren Stand, Füße auf dem Boden, der Atem fließt in seinem eigenen Rhythmus.

Unsere eigene Anspannung beim Stehen verhindert manchmal, dass wir den »Boden unter den Füßen« spüren. Diese Übung hat viele mögliche Effekte. Hier ist besonders wichtig, dass wir lockerer und entspannter, mit mehr Kontakt zum Boden, stehen können, wenn wir unseren Körper einladen, »seinen eigenen Stand« zu finden.

Und wenn wir den Kontakt zum Boden besser spüren, können wir uns auch nach oben »zum Himmel hin« leichter öffnen. Genährt von Himmel und Erde kann unsere Wahrnehmung mehr und mehr von dem einschließen, was im Moment an Sicherheit gegeben ist.

Übung: Trampeln

Ja, trampeln Sie. Mit beiden Füßen, mit viel Vergnügen und solange es Freude macht. Danach stehen Sie aufrecht und spüren Sie den Kontakt zum Boden.

Wenn wir auf eine Art trampeln, bei der wir uns wohlfühlen, steigern wir den Energiedurchfluss durch den Körper und – das ist hier vor allem wichtig – durch die Füße. Damit sind die Füße »präsenter« im Kontakt zum Boden, und die Verbindung wird spürbarer.

Übung: Choo-Choo-Stampfen

Diese Übung zu erklären ist schwieriger, als sie vorzumachen. Am einfachsten geht es vielleicht so: Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Lokomotive. Winkeln Sie die Arme an, ballen Sie die Fäuste. Beginnen Sie eine Hin- und Herbewegung der Arme, als wären Sie eine Dampfmaschine. Machen Sie tsch, tsch, tsch, tsch wie eine Dampfmaschine.

Wenn die Lok jetzt starten darf, machen Sie kleine Schritte, bei denen Sie das kräftige Auftreten mit der Ferse betonen. Lassen Sie die Energie der Lokomotive laut sein. Achten Sie darauf, ob Ihr Körper das mag. Achten Sie vor allem auf die Rückmeldung der Gelenke.

Habe ich schon erwähnt: Tun Sie nur, was Ihnen guttut? Wenn nicht, dann hier: Tun Sie nur, was Ihnen guttut, Ihnen Freude bereitet, Ihnen Spaß macht. Und genau so lange, wie Sie es mögen. Achten Sie auf die Signale, die Ihnen Ihr Körper gibt, wann es genug ist – auch wenn vielleicht der kleine Geist das nicht wahrhaben möchte. Mit dem sogenannten »kleinen Geist« ist der Anteil unserer Bewusstheit gemeint, der gerne Dinge fixiert, kontrolliert, eng macht und kritisiert. Der sich aufgrund früherer – vielleicht schwieriger – Erfahrungen kaum vorstellen kann, dass Dinge gelingen, mühelos sind, und dass sich einfache Lösungen finden lassen durch Vertrauen ins Leben. Und der uns womöglich anspornen möchte, durch Anstrengung etwas zu erreichen, was sich nur mit entspannter Haltung und hohem Respekt für unsere Grenzen entwickeln kann.

Übung: Dankbar die Füße massieren

Widmen Sie Ihren Füßen Zeit. Mit oder ohne Creme oder Massageöl massieren Sie Ihre Füße und lassen Sie in die Berührung Ihre Dankbarkeit einfließen für all das, was die Füße tagein tagaus für Sie tun. Spüren Sie den Kontakt zur Haut und zu den tieferen Strukturen der Füße.

Sie können die Bedeutung der Dankbarkeit spüren, die in die Art der Berührung einfließt, wenn Sie zunächst einen Fuß »einfach so« massieren und dann den anderen – bewusst, dankbar und präsent in der Berührung. Manchen Menschen scheint es dann so, als würde der Fuß, der ohne bewusste Dankbarkeit massiert wurde, sich beschweren. Kürzlich sagte eine Teilnehmerin einer Übungsgruppe: »Jetzt melden sich nicht nur die Füße, alles an und in meinem Körper möchte Wertschätzung und Dankbarkeit erleben, sogar die Organe.« – Aber probieren Sie es selbst aus.

Übung: Knöchelgelenke weiten

Sie können auch die Füße in den Knöchelgelenken leicht hin und her bewegen und damit dazu einladen, dass in den Knöchelgelenken mehr Raum entsteht. Seien Sie dafür innerlich mit Ihren Knöchelgelenken in Kontakt und lassen Sie sich sozusagen von den Knöchelgelenken zeigen, was gerade guttut.

Diese Übung können Sie auch im Sitzen machen und die Knöchelgelenke mit den Händen bewegen, indem Sie jeweils einen Fuß in eine Hand nehmen und achtsam und freundlich den Fuß bewegen. Die Aufmerksamkeit bleibt beim Knöchelgelenk.

Und immer wieder kommen Sie zum ruhigen Stehen oder Sitzen, nehmen Sie den Kontakt der Füße oder den Kontakt des Pos zum Boden wahr und spüren Sie, wie Sie stehen oder sitzen und wie der Atem fließt. Lassen Sie alles, wie es ist. Laden Sie Ihre Wahrnehmung ein, freundlich zu sein.

Lassen Sie sich Zeit.

Und nach den Füßen laden wir dann den ganzen Körper ein.

Übung: Sitzen und den Boden spüren

Setzen Sie sich in bequemer Haltung, einfach so, im Schneidersitz oder im Lotussitz oder auch aufrecht auf einem Stuhl. Spüren Sie all die Bereiche, in denen Ihr Körper den Boden berührt. Lassen Sie diese Wahrnehmung zum Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit werden. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit in diese Bereiche »hineinsinken«.

Laden Sie Ihren Körper ein, sich mehr und mehr auf das Getragensein durch den Boden zu verlassen. Lassen Sie sich »sinken« und genießen Sie die Schwere. Genießen Sie bewusst die Wirkung, die das auf Ihren Körper hat.

Übung: Sich im Liegen sinken lassen

Legen Sie sich auf den Boden, machen Sie es sich so gemütlich wie möglich. Spüren Sie dabei auch, welche Bereiche des Körpers direkt den Boden berühren. Mit Ihrem Ausatmen laden Sie Ihren Körper ein, sich nach und nach »in den Boden sinken zu lassen«.

Erlauben Sie Ihrem Körper, das Getragensein mehr und mehr anzunehmen, und spüren Sie die direkte Verbindung zu der Kraft, die Sie trägt.

Beide Übungen, im Sitzen und im Liegen sich sinken zu lassen, verstärken das Vertrauen in die Sicherheit des Bodens, der uns trägt. Die Tendenz, sich ganz alleine halten zu wollen – die ja an sich ein Unding ist –, lässt nach und kann allmählich einer vertrauensvolleren Haltung weichen.

Keine dieser Übungen ist ein Wundermittel, das nach kurzer Anwendung unendliche Effekte zeigt. Es geht vielmehr um ein langsames und allmähliches Gewöhnen an neue Wahrnehmungen, an veränderte Körperzustände, an ein erweitertes Wohlgefühl. Und wie alle Gewohnheitsveränderungen braucht es die Wiederholung, die Übung und die Integration des neu Gelernten.

Und hier auch noch einmal der Hinweis, dass »Nickerchen machen« eine wunderbare Übung ist, um die Integration des Erfahrenen und Gelernten zu unterstützen.

Julie Henderson sagt das so: »Das Nickerchen ist vielleicht die wichtigste Übung in diesem Buch. Der Grund, weshalb ein Nickerchen so wichtig, ja sogar wesentlich ist, ist der, dass ohne das Einnicken die anderen Übungen nur Arbeit, Aufgaben und Anstrengung sind. Wir tun sie, aber wir lernen nicht aus ihnen. Sie bilden dann nur einen weiteren Teil unseres Stressprogramms, anstatt der Ausweg aus unserem gewohnten Stress zu werden. Wann immer wir also eine Übung gemacht haben – irgendeine Übung –, benötigen wir anschließend ein kleines Nickerchen, damit der Körper das, was er aus der Übung möglicherweise gelernt hat, verinnerlichen kann« (Henderson 2012, S. 31).

Übung: Da-Sein

Stehen Sie aufrecht, lassen Sie den Körper seine Haltung finden – vielleicht, indem Sie sich zunächst hängenlassen und dann wieder aufrichten. Im Stehen nehmen Sie Ihren Kontakt zum Boden wahr, erspüren Sie den Atemfluss und für eine kleine Zeitspanne erlauben Sie, dass alles so ist, wie es ist.

Sie sind entspannt oder angespannt, der Atem fließt in seinem ureigenen Rhythmus, Sie spüren den Kontakt zum Boden. So perfekt oder unperfekt, so müde oder wach, so fröhlich oder traurig Sie gerade sind, der Boden trägt.

Es kann hilfreich sein, diese Übungen immer und immer zu wiederholen, bis wir allmählich verstehen, dass das Getragenwerden durch den Boden von keiner Bedingung abhängig ist. Wir erfahren die Unterstützung der Erde, den Halt der Erde, unabhängig von unserem momentanen Zustand, von unserer Befindlichkeit und auch unabhängig davon, ob wir gerade mit uns selbst zufrieden sind oder nicht.

Übung: Aufstehen und hinlegen

Oder hinlegen und aufstehen. Also: Kommen Sie aus dem Stand nach unten auf den Boden und strecken Sie sich lang aus. Dann kommen Sie vom Boden wieder hoch in den Stand. Wiederholen Sie das, sooft Sie mögen.

Ja, das ist die Übung, die man macht, wenn man die sogenannten »Niederwerfungen« im tibetischen Buddhismus macht. Aufstehen und hinlegen und aufstehen und hinlegen und dabei jeden Aspekt der Bewegung spüren. Viele kleine Videos im Internet zeigen die verschiedensten Variationen.

Lassen Sie auch hier die Vorannahmen über die Übung los, spüren Sie das »auf den Boden kommen«. Strecken Sie sich auf dem Boden lang aus und spüren Sie den Kontakt des ganzen Körpers zum Boden. Dann kommen Sie wieder hoch, spüren Sie die Bewegung, spüren Sie das aufrechte Stehen. Erlauben Sie sich, jeden Teil des Aufstehens und Hinlegens zu spüren, die Bewegung, das Ankommen, die Momente der Ruhe, dann wieder die Bewegung. Machen Sie sich vertraut damit.

Vertrauen Sie sich allmählich dem Boden an, lassen Sie sich sinken, wieder und wieder und wieder.

Ein Teil dieser Übungen sind offensichtlich solche, die man allein für sich macht. Aber auch diese Übungen entfalten ihre Kraft stärker in einer Gruppe, in der wir die Erfahrung mit anderen teilen. Ein anderer Teil lässt sich leicht in Partnerübungen verwandeln und bringt noch ganz neue Aspekte dazu:

Übung: Gegenseitig die Füße massieren

Lassen Sie sich zum Beispiel die Füße massieren und massieren Sie dann die Füße des Partners oder der Partnerin.

Übung: Rücken an Rücken sitzen

Machen Sie die Übung des Sitzens Rücken an Rücken und erlauben Sie die Wahrnehmung, wie Sie beide beginnen, dem Boden mehr zu vertrauen.

Übung: Nickerchen Rücken an Rücken

Legen Sie sich Rücken an Rücken und lassen Sie sich beide allmählich mehr in den Boden hinein sinken, um dann gemeinsam in ein Nickerchen zu gleiten.

Und das alles mit möglichst großem Genuss!

Ihnen werden selbst wahrscheinlich Übungen einfallen, die Ihre Wahrnehmung von »Boden unter den Füßen« und dem Gehaltensein durch die Erde unterstützen. Seien Sie erfinderisch. Alles, was die direkte Erfahrung von Getragensein unterstützt, hilft uns, allmählich einen Anker zu finden in den Stürmen des Alltäglichen.

»Ich bin hier, der Boden trägt mich, der Atem fließt.«

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