Mit schwarzen Flügeln

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7

Es musste geschehen sein, kurz nachdem Zach die Wohnung verlassen hatte. Anders wäre die Zeit knapp geworden, selbst für einen Profi wie Enki.

Aber letztlich war es egal, wie er es getan hatte. Schlussendlich war es passiert und keine Macht der Welt konnte es ungeschehen machen. Alle Gebete und der feste Glauben an ihren Gott konnten sie nicht vor diesem Ende bewahren.

Sweet Molly war tot.

Die Einsatzkräfte der Polizei trugen ihre Leiche auf einer Bahre aus dem Hauseingang nach draußen. Um sie vor den neugierigen Blicken der Anwohner und der Schaulustigen am Straßenrand zu schützen, hatte ihr jemand ein weißes Laken übergeworfen, jedoch weichte der dünne Stoff an mancherlei Stelle blutrot durch. Sanft versuchten Schneeflocken sie zu bedecken.

Schwarz wie Ebenholz, weiß wie Schnee, rot wie ...

Zach führte den Gedanken nicht zu Ende.

Er stand etwas abseits der Zaungäste und beobachtete die Szenerie wie ein Traumgebilde. Irgendwie wollte sein Kopf nicht akzeptieren, dass sie nicht mehr da war. Ihr Leben war vorbei. Nie mehr konnte er mit ihr streiten, lachen, trinken. Ihre letzte gemeinsame Nacht kam ihm unwirklich vor. Bis heute hatte er eigentlich nicht an ihrer Sicherheit gezweifelt. Keiner hätte es je gewagt, die Hand gegen sie zu erheben.

Doch wegen ihm ... Weil er sie kannte, mochte. Sie starb, weil sie mit ihm in Verbindung stand. Sie starb, um ihm eine Botschaft zu senden.

Allerdings las er diese nicht.

Nachdem er seine Tränen im Schnee der Gasse vergossen hatte, ging er zurück zu Molly und fand sie in der Küche liegen. Noch warm, das Blut floss ihr aus der aufgeschnittenen Kehle und aus zig Messerstichen im Bauch. Bei Enkis gepriesener Schnelligkeit hatte sie nicht viel gemerkt. Das Blutbad hatte Armin für ihn bestellt. Nüchtern rief Zach die Polizei an und wartete still neben ihr, bis einer kam, ihn nach draußen führte und bat, auf den Einsatzleiter zu warten.

Der hätte viele Fragen an ihn.

„Was für eine Sauerei“, sagte jemand neben ihm und riss Zach zurück in die Gegenwart. Es war Detective Soi, der zuständige Beamte für den Hafenbezirk. Unnötigerweise hielt er ihm seine Marke vor. Dabei überraschte es Zach nicht, den Mann hier zu sehen.

„Rauchnächte“, schnalzte Soi mit der Zunge. „Ich fange an, den Winter zu hassen. So viel Wahnsinn im Hafen. Seit wir uns das letzte Mal sahen, haben meine Jungs drei Leichen geborgen ... und vier Menschen werden immer noch vermisst. Meine Frau muss schon die Berichte für mich mittippen, weil ich nicht mehr nachkomme. Zum Glück arbeitet sie auch bei uns, so bleibt die Sache intern.“

„Klingt tragisch“, murmelte Zach und rauchte eine von Mollys Zigaretten. Die wollte er nicht verkommen lassen und sie hätte wohl nichts dagegen gehabt.

„Tja, jeder hat so seine Probleme mit dieser Jahreszeit.

Kannten Sie das Opfer, Zach?“

„Flüchtig, mal mit ihr gegessen“, versuchte er seinen alten Scherz zu bringen, nur gelang es ihm nicht besonders gut. Sein Kopf begann zu schmerzen.

Auch Soi seufzte und fragte: „Soll ich das glauben?“

„Fein, ich kannte sie gut, okay?“, reagierte Zach impulsiver als erwartet. „Sehr gut sogar! Und ja, ich bin ihretwegen auch etwas von der Rolle! Stell dir vor, du würdest Mutter, Schwester, Frau und beste Freundin an einem verdammten Tag verlieren – obwohl du es hättest ändern können, wenn du einfach bei ihr geblieben wärst – dann hast du eine ungefähre Ahnung, wie beschissen es mir gerade geht!“

„Verstehe“, ging Soi einen halben Schritt von ihm auf Abstand, „sie muss Ihnen viel bedeutet haben. Vor allem, weil Sie darüber hinaus diese komische Kiezsprache einstellen.“

Bevor Zach erneut wütend werden konnte, setzte der Beamte nach: „Mein aufrichtiges Beileid.

Das sieht mir ganz nach einem Racheakt aus. Ein Denkzettel, wohl an Sie gerichtet.

Was haben Sie für Feinde, Zach?“

„Feinde, gegen die du und deine Streichholzsoldaten nicht ankommen“, gab er leise zu und strich sich durch die Haare. „Das ist meine Sache. Ich bin schuld an dem ganzen Mist, also muss ich ...“

„Wieso sind Sie schuld?“, fragte Soi verwirrt.

„Verstehst du nicht“, winkte Zach ab und machte kehrt.

„Zach! Was haben Sie jetzt vor?“, rief der Polizist ihm nach.

Ja, was habe ich vor? Er stoppte nicht, um dem Mann Rede und Antwort zu stehen. Er war müde und musste nachdenken. Der Anblick von Mollys Leichnam hatte ihn schwer getroffen.

Erstaunlich, wo er doch oft schon den Tod gesehen hatte. Wasserleichen, Frostleichen, Feuerleichen, verfault, verknöchert, abgenagt – aber mit Molly war das anders.

„Sie wissen, dass Selbstjustiz strafbar ist, oder?“, sprach Soi.

Natürlich. Aber das hier war der Hafen. Hier gab es andere Gesetze als in der Stadt.

Wer Blut forderte, würde seines fließen sehen, war da ein Sprichwort.

Selbstjustiz ... ja, warum nicht?

Seine alten Schmerzen weckten ihn wieder aus dem komatösen Schlaf.

Wo war er? Bei sich zu Hause. Bäuchlings lag er auf der alten Matratze, noch immer gekleidet wie für die Nacht bereit. Vom Duft des Weichspülers war nichts geblieben. Er roch nach Qualm und Alkohol, wie auch sonst.

Wer war bei ihm? Niemand.

Was hatte er getan? Eine nicht geringe Menge an Geld versoffen. Sogar für die heimische Trinkerei hatte er gesorgt. Neben ihm am Boden standen jedenfalls Flaschen herum, die vorher noch nicht vorhanden waren. Die meisten waren leer.

Hatte er Ärger gemacht? Er erinnerte sich schwach, irgendwem eine geknallt zu haben. Jedenfalls sprach der Schmerz in seinen Handknöcheln dafür. Wer es war und warum er es getan hatte, wusste er nicht mehr, aber Zach hatte sicher seine Gründe.

Was wurde aus dem Geld? Er griff sich in die Manteltaschen. Nur noch ein paar zerknüllte Scheine und wenige Münzen. Verdammt, wo hatte er den Rest verschleudert? ... Na ja, egal, das bisschen war besser als gar nichts. Zu viel Geld machte eh nur unglücklich, ha ha.

Der letzte Check fiel aus.

Klare Regeln, jeden Morgen. Wann hatte er angefangen, diese mentale Strichliste zu führen?

... Molly hatte es ihm geraten, weil er früher stets planlos war und sich nie merken konnte, was einst gewesen war und was gerade ist. Vergangene Kleinigkeiten konnten irgendwann wichtig erscheinen.

Sie hatte ihm auch das Pokern beigebracht. Ihn die erste Zeit über aufgenommen, bis er auf eigenen Beinen stehen konnte. Ihm den Hafen gezeigt und die richtigen Kneipen.

„Gottverdammt ...“, seufzte er, als diese ganzen alten Erinnerungen in ihm hochsprudelten. Prompt zuckte er zusammen, weil er einen Schlag von ihr erwartete mit dem Satz, er solle nicht über Gott fluchen. Bevor sein stiller Kummer ihm Tränen in die Augen drückte, nahm er eine der letzten verschlossenen Bierflaschen und trank sie in zwei Zügen leer.

Schade, dass er keinen Schnaps gekauft hatte.

Taumelnd stand Zach von der Matratze auf und ging in das kleine, mintgrün gekachelte Badezimmer. Ließ dort die Wanne – ein wahrer Luxusartikel seiner Wohnung – heiß volllaufen, bis der Raum unter dichtem Nebel stand, und zog die zerknitterte Kleidung aus. Neben sich stehend, betrachtete er die Narben auf seiner Haut.

Die meisten stammten aus der Zeit vor Molly. Erst mit ihrem Wissen waren es weniger geworden. Eine der ältesten war die Schramme an seiner rechten Hüfte. Zach wusste nicht, woher sie stammte, aber man sagte ihm, er habe sie schon als Baby davongetragen.

Wer weiß, was er angestellt hatte. Irgendwas war ja immer mit ihm.

Langsam ließ er sich in das Wasser hineingleiten.. Seine verspannten Muskeln entkrampften und das Leiden in der Wirbelsäule ging etwas zurück.

Seine Augen blickten hoch an die mit Raufaser tapezierte Decke.

Die Zeit floss vorbei, ohne, dass er sich rührte. Nur seine Brust hob und senkte sich flach und die Augen blinzelten, sonst war er wie erstarrt.

Zuerst dachte er an gar nichts. Die Gedanken kamen von ganz allein und am liebsten hätte er sie wieder ausgesperrt, denn er wollte nicht an sich und sein Elend denken. Er wollte gar nichts mehr.

Trotzdem, für ihn ging es weiter. Dieser Tag und die Nacht, um Geld zu verdienen. Und morgen wie übermorgen. Woche, Monat, Jahr.

Für Molly war Schluss. Ihre Wohnung wurde gereinigt, neu verputzt und vermietet an irgendwen, der sich diese Quadratmeter leisten konnte. Ihre Einrichtung und Kleider wurden verschenkt, verkauft, gespendet. Sie hinterließ einige Erinnerungen und eine Lücke in seinem mageren Herzen, das sonst für niemanden Platz hatte. Aber schlichtweg war das alles.

„Scheiße!“, schimpfte er und regte sich endlich in der Wanne. Vergrub seine großen Hände in dem nun nassen Haar auf seinem Kopf und wollte wie früher vergessen, was war und ist. Bloß besaß er ein gutes Gedächtnis, auch wenn es etwas zerstreut war.

Alle Fehler, die er begangen hatte, kehrten in seinen Geist zurück. Alles, was er je kaputt gemacht, vernichtet oder verletzt hatte, es kam aus der Verdrängung hervor.

Die ganzen Prügeleien im Waisenhaus, in denen er getobt und geschrien hatte, weil die Leute sich von ihm wegen irgendeinem schlechten Gefühl abwendeten. Ihn alleinließen, vergessen und verlassen, bis sein Zorn explodierte und man ihn aus Furcht mied wie eine Krankheit.

Sein Fluch sollte jedem das Glück nehmen, außer ihm selbst.

War es nicht seine Schuld? Er hatte vergessen, die Kerze zu löschen, sodass ein Feuer die erste gemeinsame Wohnung von Patrick und Ines zerstörte. Und brach Patrick sich nicht seinetwegen den Beckenknochen, dass er für den Rest seines Lebens im Rollstuhl blieb, weil Zach versehentlich gegen die Leiter stieß, auf der er zugange war? Ines verbrannte sich die Hände, da er in der Küche den Herd vergessen hatte abzuschalten. Und wie oft musste er die Schule wechseln, weil er mit den anderen Schülern ständig in Streit geriet und sie verwundete?

 

Seine Einsamkeit verwandelte sich in Wut und musste raus. Je mehr man sich von ihm entfernte, umso wütender wurde er und ließ es alle spüren.

Er wollte geliebt werden und versuchte mit aller Kraft, gut zu sein, aber nie war es richtig. Er handelte immer falsch, zog das Schlechte an und brachte Leid. Wer konnte unter diesen warnenden Vorzeichen so etwas wie Liebe für ihn empfinden?

Allein der Wunsch war närrisch.

Die Welt ließ ihn von Geburt an im Stich. Er war eine wandelnde Plage der Menschheit.

Und jetzt war auch noch die letzte Person gestorben, die ihn akzeptiert hatte, wie er war. Die einzige Person, die ihn ... jemals ... ehrlich ...

„Monica ...“, wisperten seine Lippen ihren Namen, während Tränen in das Wasser tropften.

Er gab bei Roxane Geld für neuen Alkohol aus.

Die hatte natürlich von Mollys Tod erfahren und wusste, wie gut er und sie befreundet waren. Obwohl Gefühle im Hafen unangebracht waren, drückte die Frau ihm ihr Beileid aus. Selbst Lili erwachte aus ihrem Dauerdelirium und trank auf das Wohl der Verstorbenen.

Beinahe wäre Zach wieder in Tränen ausgebrochen und somit verschwand er schleunigst, bevor es so weit kam.

Am Pier stehend, sah er hinaus auf das eisgraue Meer und trank, solange der Schnaps keinen Frost ansetzte. Bei dieser Kälte konnte das schon mal passieren.

Rache lenkte ihn von seiner Trauer ab und vom Alkohol beflügelt kamen ihm wunderbare Gedanken, wie er Enki und Armin für seine Freundin könnte büßen lassen.

Langsam auf jeden Fall.

Um Armin machte er sich wenig Sorgen. Wäre der erst mal von seinen Bodyguards getrennt, war er ihm hilflos ausgeliefert und nur noch ein gutes Stück Filet, welches weich geklopft werden musste.

Der Killer war ein schwierigeres Problem. Enki war im Umgang mit dem Messer besser als Zach. Ihm galten Namen wie „Meisterklinge“, „Winterschakal“ und „Todeschirurg“. Für kein Geld der Welt würde es jemanden geben, der sich mit ihm freiwillig anlegte. Es grenzte an ein Wunder, dass er die Begegnungen mit diesem Kerl überlebt hatte, um ihm eine Art Erzfeind zu sein.

Zach grinste in die Flasche. „Eisengrind“ hieß Enki nicht.

In einem Schnellimbissrestaurant nahe der Innenstadt bestellte er ein halbes Dutzend Cheeseburger zum späten Mittagessen und setzte sich in den hintersten Winkel des Raumes an einen der Tische. Das klägliche Mal schmeckte weich und pappig, einfach widerlich, doch der Hunger trieb es hinein.

Zach war e weiterhin im Kopf beim Pläneschmieden. Was er aß, war egal. Statt Rind hätte ebenso Ratte auf den Burger sein können – was geschmacklich wohl keinen großen Unterschied machen würde.

Sollte er seine Rache wirklich durchziehen können, wäre es ratsam, gleich darauf die Nordstadt zu verlassen. Armins Leute würden ihn sicher jagen und nicht ruhen, bevor er kalt bei den Fischen lag.

Gut, dass er nichts besaß, das mache einen plötzlichen Aufbruch leichter. Jemanden verabschieden musste er auch nicht mehr.

War nur die Frage, wohin er gehen sollte? Überall würde ihm das gleiche Elend begegnen wie hier. In jeder Stadt gäbe es einen Slum, Nutten und Glücksspiel. Wieder konnte er sich eine halbe Existenz aufbauen und versacken, bis der Tod an seiner Tür klopfte. Wieder konnte er Menschen ins Unglück stürzen und -

Verdammt, ich muss endlich mal lernen, positiv zu denken! Schluss mit dem Selbstmitleid, es geht hier um Molly, verflucht!

Zurück zum Thema Rache ...

Da ging die Türglocke und neue Gäste betraten das Lokal, die seine Aufmerksamkeit ablenkten. Ein Paar im mittleren Alter, beide ordentlich und unauffällig gekleidet, der Mann wurde langsam licht im Haar. Eigentlich hätte er sie keines Blickes gewürdigt, jedoch waren sie in Begleitung eines großen Hundes.

Bekanntlich hatte Zach etwas gegen Hunde.

Das Pärchen ging im Gastraum herum und versuchte, im höflichen Tonfall, mit den anwesenden Kunden ein Gespräch zu führen. Einige winkten freundlich ab, andere redeten bereitwillig. Letzteren wurde im Verlauf der kurzen Zeit ein Prospekt gereicht und schon zogen die zwei weiter.

Wenn Zach diese Leute nicht schon wegen des Hundes hasste, dann wegen ihrer Werbung und so betrachtete er sie recht verdrießlich, als sie zu ihm an den Tisch kamen.

Der Hund fing an, sein vorstehendes Bein zu beschnüffeln und er zog es rasch weg.

„Keine Angst, der beißt nicht“, sagte die Frau mit einem Lächeln und machte keinerlei Anstalten, den Hund von ihm wegzuziehen. „Er ist nur groß, aber sonst lammfromm.“

„Das gilt für den Köter, doch nicht für mich!“, knurrte Zach sie an und seine Worte zeigten offenbar Wirkung. Leicht mürrisch nahm sie die Leine kürzer und überließ ihrem Partner das Reden.

Der fing mit einem künstlichen Grinsen an: „Grüß Gott, junger Mann.“

„Wenn ich ihn sehe, sag ich Bescheid ...“, drehte Zach sich von ihnen weg. Selbst durch pure Freundlichkeit konnten diese Leute nicht mehr in seiner Wertschätzung steigen.

Der Mann war so nett, seine Bemerkung zu überhören und kramte in seiner Umhängetasche, um Zach ein Magazin und eine Zeitung unter die Nase zu halten. Das erste Schriftstück leuchtete reichlich farbenfroh, zeigte eine Familien mit fröhlich lächelnden Gesichtern und einen hellgelben König, der schützend über ihr schwebte. Die andere Presse glich einem gewöhnlichen Tagesblatt, wenn nicht groß und fett über allem gedruckt stehen würde „Lob den Herrn!“.

Schon beim flüchtigen Lesen stießen Zach die gegessenen Burger sauer auf.

Das kann dieser Typ nicht ernst meinen. In der ganzen Stadt, unter so vielen Menschen, quatschen die zwei ausgerechnet ihn – den größten Religionshasser der Welt – an. Und das heute, wo er schon mit schlechter Laune wach geworden war.

„Das ist ’n verdammt blöder Zeitpunkt für so ’nen Scheiß, Alter“, grollte er wütend, doch ließ dieser Missionar nicht locker. Mehr noch schien er seinen steigenden Zorn als Aufforderung zu verstehen.

„Wir wissen, die Herzen der Menschen sind kalt und hart geworden. Immer mehr verlorene Seelen fühlen sich ausgestoßen und hoffnungslos“, predigte der Mann unbeirrt drauflos, „jedoch ist niemand völlig auf sich allein gestellt. Gott wacht mit seinem Segen über alle seine Kinder. Auch jene, die an seiner Wahrhaftigkeit zweifeln, führt er auf sicheren Pfaden. Schließen wir uns zusammen unter seinem Schutz. Gemeinsam können wir die Horden des Satans vertreiben und diese Welt in ein friedliches, gerechtes Parad-“

„Jetzt halt mal die Luft an, klar?“, schnitt Zach ihm launisch das Wort ab. „Glaubst du den Mist etwa selber? Zieh Leine, oder ich vergess mich, Mann!“

„Seien Sie doch nicht so abweisend -“, versuchte es der Redner erneut im Guten, aber Zach wollte nichts mehr davon hören.

„Damit ihr meine Worte auch versteht, übersetze ich es mal deutlicher: Ich benutze den freien Willen, den er uns so barmherzig gab, lieber dazu, nur das zu glauben, was ich glauben will. Und ich glaube nicht an euren Gott.“

Bevor sein Gegenüber wieder irgendeinen Stumpfsinn von sich geben konnte, stand Zach von seinen Platz auf und seine große Gestalt wirkte wie ein schwarzer Schatten, der das Licht im Restaurant abdunkelte. Allen Hass, den er verspürte, legte er zähnefletschend in seine tiefe Stimme und fragte boshaft: „Wo ist euer Gott?

Zeigt sich Gott, wenn ich sage, er ist ein verdammter Hurensohn? Zeigt sich Gott, wenn ich ihn einen beschissenen, verlogenen Dreckssack nenne? Zeigt er sich, wenn wahrhaft Gläubige mit dem Tod ringen? Zeigt er seine Macht, schickt er rettende Engel aus, um eine Frau zu beschützen, die nichts weiter hatte, als die Hoffnung an diesen nutzlosen Glauben? Wo ist seine gelobte Liebe für all jene, die verstoßen wurden?

Ist er nicht allgegenwärtig? Wo ist er dann?

Müsste er nicht sofort hier auf der Matte erscheinen und mich für meine Blasphemie strafen? Oder hat er zu viel Angst vor mir?

Ich glaube, Gott existiert gar nicht! Also fahrt von mir aus mit all euren falschen Göttern zu Hölle!“

Jetzt gafften ihn die Bibeltreuen mit großen Augen an. Und nicht nur sie, im ganzen Lokal herrschte eine bedrückende, furchtsame Stille. Niemand kaute, schwatzte, lachte oder servierte mehr, alle starrten ihn bloß an, als hätte Zach soeben den nächsten Weltkrieg angekündigt. Allein der Hund winselte jämmerlich.

„Komisch, oder?“, grinste Zach sarkastisch und hob die Hände, als ob er nach Regentropfen suchen würde. „Ist immer noch kein Blitz vom Himmel auf mich hinabgefahren. Noch nicht mal ein Fünkchen!

Merkt ihr was?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er lachend das Restaurant.

Was bin ich doch für ein böser Mann, dachte Zach sarkastisch über sich, da er draußen durch die Straßen ging, auf den Weg zurück in den Hafen. Geradewegs stapfte er durch den Schnee voran und überließ es den Menschen, die ihm entgegenkamen, seiner Person auszuweichen.

So amüsant diese Szene ihm jetzt im Nachhinein auch vorkam, Zach hatte es durchaus ernst gemeint mit seiner blanken Verachtung. Seinem Ärger auf Gott und sein Fußvolk einmal Luft zu machen, tat aber trotzdem gut.

Insgeheim hoffte er dennoch, dass seine Seele – ob wahrhaftig oder nicht – diese Rede im Himmel oder sonst wo nicht bereuen würde.

Sollte er schließlich irgendwann in den Tod eingehen und vor einem Gott stehen, wäre er ziemlich in Erklärungsnot. Wobei, böse Jungs kommen ja woanders hin und der Herr dort wäre vielleicht noch beeindruckt von ihm.

Am Ende komme ich nicht in die Hölle, weil der Teufel keine Konkurrenz will, lachte er für sich.

Ach ja, Teufel.

Bei Enki und dessen Ableben waren seine Gedankengänge unterbrochen worden.

Rache musste er verüben an einem wirklichen Dämon und alles, was danach käme, wäre hinfällig, wenn er bei dem Kampf gegen Enki draufgehen würde. Trotz dessen, dass er mehr als eine Rechnung mit ihm offen hatte, scheute er auch etwas die Konfrontation.

Bekam er etwa kalte Füße? Gut, die waren berechtigt, aber sollte etwa auf seinem künftigen Grabstein stehen, dass er ein fauler, pessimistischer Feigling war, der aus Angst vor weiteren Kratzern den Schwanz einzog? Zach the Knife?

Nein, eher sollte darauf etwas stehen wie: „Für eine Freundin war er so verrückt, dass er den Tod selbst herausforderte!“ Ja, das klang gut. Das wäre ein Abgang mit Stil. Und er würde es Enki bestimmt nicht leicht machen. Schließlich war er nicht minder gefährlich.

...

Bloß, warum zitterten seine Knie bei der Vorstellung?

Vielleicht war dies das Adrenalin. Er hatte keine Angst.

Auf dem Bürgersteig blieb er stehen und kramte in seinen Manteltaschen nach den Zigaretten von Molly. Allerdings fand er die Schachtel leer vor.

Schnaufend warf er sie in den nächsten Mülleimer.

Hatte er noch Geld für neuen Tabak? Nein, die letzten Münzen reichten nicht aus.

Er schnippte mit den Fingern, fluchte leise, machte einen Schritt – und stieß mit jemanden zusammen.

„Hey!“, fuhr er denjenigen laut an. „Pass auf, wo du hinläufst! Bist du Penner blind oder was?“

„Oh, durchaus!“, war die unbekümmerte Antwort.

Wie?

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?