Kaspar - Der magische Rubinschädel

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»Na und«, zuckte Niko mit den Schultern, »dann wird sie halt gefährlich.«

»Du hast ja nur das Gold vor Augen, Dicker«, fuhr Lars ihn an.

»Pass auf, was du sagst, Storchbein!«

»Hört auf zu streiten!«, befahl Kaspar.

Niko und Lars schwiegen, als Balthasar sagte: »Morgen werden wir nach Urta reisen und dann sehen wir weiter.«

»Warum sagt er nicht gleich, dass wir fliegen werden?«, flüsterte Lars Niko zu.

»Weil du ein kleiner Hosenscheißer bist«, fuhr Niko ihn barsch an.

»NIKO!«, ermahnte Juana ihn laut.

Es wurde wieder still am Tisch.

»'tschuldigung, Lars«, wandte Niko sich kleinlaut Lars zu.

Nox kam zurück, nahm zwei leere Schüsseln vom Tisch und ging. Mit einem kleinen Kupferkessel kam er zurück.

»So, hier ist der Nachtisch – der ist wirklich vorzüglich – es ist mein Lieblingsnachtisch«, gab Nox begeistert zu. »Lasst es euch schmecken, meine Freunde.« Nox verteilte kleine Holzschalen und Holzlöffel.

Niko lugte neugierig über den Kesselrand.

»Sieht aus wie Grünrotzpudding«, sagte er barsch.

»Niko, du bist unverschämt ... du ... du«, warf Juana ein und fand nicht die richtigen Worte.

»Tut mir leid, Nox. Wollte dich nicht beleidigen«, sagte Niko mit gesenktem Blick und kratzte sich verlegen am Nacken.

»Jaja, schon gut, Niko. So langsam kenne ich dich ja und deine Bemerkungen auch«, leierte Nox herunter. »Jetzt probiert die Creme. Sie muss heiß gegessen werden, sonst schmeckt sie nicht mehr.«

Niko nahm sich eine Kelle voll.

»Also, sollten wir nicht besser nach Urta laufen?«, fragte Niko vorsichtig.

»Ich will auch lieber laufen«, warf Lars ein.

»Nein, das dauert viel zu lange«, schüttelte Balthasar den Kopf.

»Jetzt stellt euch nicht so an«, schimpfte Juana. »Balthasar würde uns doch keiner Gefahr aussetzen.«

»Ach, nein«, brummte Lars. »Und was ist mit dem Todbringer? Ist der etwa keine Gefahr für uns?«

Juana schwieg.

»Die Creme ist gut, Nox«, lobte Kaspar ihn. »Ihr solltet sie endlich probieren«, wandte er sich Niko und Lars zu.

Niko seufzte. »Okay.«

»Worauf wartest du denn noch?«

Niko starrte auf seine volle Schale. »Okay, dann mal los! Löffel voll und rein damit«, leierte er herunter.

»Und?«, fragte Kaspar, als Niko einen Löffel gegessen hatte.

»Schmeckt gut.«

Niko löffelte seine Schale leer und kleckste dabei seine grob gewebte, braune Hose voll.

»Das kannst du dir leicht mit etwas Wasser wieder auswaschen«, sagte Nox und stand auf, um den Tisch abzuräumen.

»Warte, Nox, ich helfe dir«, sagte Juana.

»Warum zauberst du den Tisch nicht einfach leer?«, fragte Niko.

»Ja, ein Tischlein-Abräumzauber«, lachte Lars und aß den letzten Löffel Creme.

»Das ist gut, Lars«, lachte Niko. »Tischlein-Abräumzauber«, wiederholte er.

Nox winkte ab und schon stand er in der Küche.

»Nach dem Essen brauche ich etwas Bewegung«, rief Nox.

»Das würde dir sicherlich auch nicht schaden, Niko«, warf Juana ihm an den Kopf.

Niko seufzte. »Nach dem Essen brauche ich erst einmal ein wenig Ruhe.«

Juanas Blick traf Niko wie ein Hammerschlag.

»Faulpelz«, schimpfte sie und ging mit vollen Händen zu Nox.

»Wo sollen wir denn diese Nacht alle schlafen?«, fragte Lars und sah sich um.

»Nebenan wird Nox uns ein Lager einrichten.« Balthasar deutete auf eine kleine Tür.

»So richtig mit Lagerfeuer und so?«, schwärmte Lars.

»Wenn du ein Lagerfeuer haben möchtest ...«

»Ja«, unterbrach Lars lautstark.

»Nox wird sich gleich darum kümmern.«

»Prima«, schwärmte auch Niko, wandte sich Lars zu und hob den Daumen. »Hast du gut gemacht, Lars«, lobte Niko ihn.

***

Sie saßen um ein gemütlich prasselndes Lagerfeuer. Balthasar hatte die Feuerstelle mit einem Entqualmungszauber belegt, so dass der aufsteigende Rauch sich nicht im Raum ausbreiten konnte, sondern sofort über der Feuerstelle verschwand.

Kaspar unterhielt sich mit Balthasar, Juana sprach mit Nox und Niko mit Lars.

»Wie gefällt es dir in meiner Welt, Kaspar?«, fragte Balthasar.

»Sie ist wunderschön«, antwortete Kaspar, »aber auch sehr gefährlich«, zögerte er.

»Ist es nicht genau das, was du vom Leben erwartet hast?«

»Was meinen Sie?«

»Dein größter Wunsch war es doch schon immer, magische Welten zu entdecken.«

»Ja, das schon, aber ...«

»Aber, was?«

»Ich habe von magischen Welten und Abenteuern geträumt. Ich wollte das Ungewöhnliche entdecken, aber ...«, Kaspar atmete durch, »... ich wollte niemals dabei mein Leben riskieren.«

»Tut es dir leid, dass du hier bist?«

»Nein.«

»Willst du lieber wieder nach Hause? Es gäbe da vielleicht doch noch eine Möglichkeit, wie du und deine Freunde ...«

»He, was soll das?«, fuhr Niko dazwischen. »Da haben wir ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.«

Balthasar horchte.

»Wir werden unsere Aufgabe zu Ende bringen«, sagte Niko energisch. »Nicht wahr, Kaspar?«, fragte er vorsichtig.

Kaspar nickte ihm zu.

»Natürlich werden wir das tun«, antwortete Kaspar leise.

»Wir können doch jetzt nicht nach Hause gehen«, wandte Juana ein.

»Nein, das tun wir nicht«, sagte Lars. »Einer für alle ...«, rief Lars.

»... und alle für einen«, beendete Niko den Satz. »Ja, zusammen besiegen wir alle Feinde ... und alle Drachen«, brüllte Niko.

»Einen Drachen kannst du nicht so einfach besiegen«, fing Balthasar an, »da gehört schon ein wenig Köpfchen zu.«

»Dann ist das nichts für Niko«, warf Juana ein.

»Jaja, gib's mir nur – hau auf mich drauf, Juana«, brummte Niko und stocherte mit einem kleinen Ast im Feuer.

Juana schwieg.

»Wenn du zum Beispiel einen Zwergdrachen besiegen willst, musst du ihm das Feuer nehmen«, erklärte Balthasar und schwieg, als er in das Lagerfeuer starrte.

»Und wie macht man das?«, wollte Kaspar wissen.

»Was?«, fragte Balthasar geistesabwesend, wandte sich vom Lagerfeuer ab und Kaspar zu.

»Dem Zwergdrachen das Feuer nehmen.«

»Ach so, das«, antwortete Balthasar rasch, »unter seinem langen Drachenhals gibt es ein kleines, graues Mal, wo er verletzlich ist. Genau dort musst du mit einem Schwert oder Dolch hinein stechen, damit nimmst du ihm das Feuer«, erklärte Balthasar.

»Das ist ja einfach«, höhnte Niko, »man braucht nur unter seinem Drachenhals zu treten und zuzustoßen.«

»Ich habe nicht gesagt, dass es einfach ist, Niko«, entgegnete Balthasar.

»Stirbt der Drache an dem Stich?«, fragte Lars.

»Nein«, schüttelte Balthasar den Kopf, »du hast ihm dann nur das Feuer genommen. Und noch etwas, Kaspar, nehme dich vor Zwergdrachen in Acht, die ein rotes Mal auf ihrer Drachenstirn haben, sie dienen dem Zauberer Drawen. Wenn du so einen Drachen zu Gesicht bekommst, dann hat Drawen ihn vermutlich geschickt, um dich zu töten.«

Kaspar schwieg und musste die Worte von Balthasar erst einmal verdauen.

»He, Kaspar, du siehst ein wenig müde aus«, sprach Niko seinen Freund an.

»Bin ich auch.«

Nox legte ein Holzstück ins Feuer.

»Nun, ja«, sagte Balthasar. »Ich glaube, ich werde auch so langsam schläfrig.«

»Also, ich bin noch wach«, sagte Niko munter.

»Ich auch«, kam es von Lars.

Juana schwieg immer noch.

Alle Blicke ruhten auf Nox.

»Was habt ihr?«, fragte Nox.

»Willst du schon schlafen gehen, Nox?«, flüsterte Lars so leise, als befürchtete er, Nox könnte seine Frage hören.

»Was hast du mich gefragt, Lars?«

»Willst du in die Heia gehen?«, fragte Niko an Nox gewandt.

»In die was?« Nox schüttelte verständnislos den Kopf, als Niko ihm eine kurze Erklärung gab. »An die menschliche Ausdrucksweise muss ich mich noch gewöhnen. Also zu eurer Frage: Ich bin ein Erdgeist, Menschenkinder«, erklärte er, »und als solcher brauche ich nicht viel Schlaf.«

Niko zog die Schultern hoch.

»Ist er jetzt nun müde oder nicht?«, flüsterte Lars, als Nox losging, um noch ein Holzstück zu holen.

»Keine Ahnung, Lars«, antwortete Niko.

Nox tauchte in einer kleinen Nebelwolke, direkt neben dem Lagerfeuer wieder auf und legte ein Stück Holz ins Feuer.

»Pass auf, dass du dir deine Wurzelfinger nicht verbrennst«, scherzte Niko.

»Die sind Feuerfest.«

»Oh, tatsächlich?«, staunte Niko.

Nox nickte ihm zu.

»Ich werde mich jetzt schlafen legen«, sagte Balthasar. »Ihr könnt ja noch etwas hier sitzen bleiben, aber denkt daran, dass wir morgen einen anstrengenden Tag vor uns haben.«

Kaspar nickte.

»Ein Stündchen halten wir noch durch«, war sich Niko sicher.

»Ja«, sagte Lars. »Was ist mit dir, Juana?«, fragte er.

»Ich bleibe auch noch etwas auf.«

Balthasar legte sich etwas abseits vom Lagerfeuer schlafen.

»Schlaft gut«, sagte er noch.

»Ich finde es urgemütlich hier«, stellte Niko fest.

»Ich auch«, bestätigte Lars ihm und legte die Hand auf den Schwertgriff.

»Sollten wir die Schwerter nicht wieder ablegen?«, fragte Juana.

»Nein«, schüttelte Niko den Kopf, »die gehören dazu, wenn wir um ein Lagerfeuer sitzen.«

»Und die Rucksäcke auch?«, fragte Juana.

»Ja«, nickte Niko, »sollen wir sie etwa nebenan liegen lassen – ohne Aufsicht?«

»Wer sollte sie denn hier schon stehlen?«, verzog Juana das Gesicht.

 

»Weiß nicht«, zuckte Niko mit den Schultern, »aber dass sie hier bei uns liegen, kann ja auch nicht so verkehrt sein.«

Kaspar gähnte.

»Du wirst doch wohl nicht schlapp machen, Kumpel?«, sprach Niko ihn an.

»Nein«, sagte Kaspar mit halb geschlossenen Augen, »aber lange bleibe ich auch nicht mehr auf.« Halt endlich mal die Klappe, Niko!, dachte Kaspar. Bitte, rede nicht soviel.

»Ich gehe etwas nach draußen«, sagte Nox.

»Wo willst du denn hin?«, fragte Juana.

»Ich sehe mal nach Numba«, antwortete Nox, »dann bis gleich, Freunde.«

»Bis nachher, Nox«, sagte Juana.

Kaspar runzelte die Stirn, als er Niko ansah. »Was heckst du aus, Niko?«

»Nichts.«

»Ach, komm, sag schon!«, forderte Kaspar ihn auf.

»Ich hecke nichts aus, Kaspar. Ich mache mir nur große Sorgen wegen«, fing Niko an, »morgen«, betonte er.

»Hast du Angst mit einem Drachen zu fliegen?«

»Ja.«

Kaspar lächelte.

»Du etwa nicht?«

»Doch ... natürlich habe ich auch Angst«, gab Kaspar zu, »aber nur ein bisschen.«

»Balthasar wird schon auf uns aufpassen«, mischte sich Juana ein.

»Wo ist eigentlich deine magische Karte?«, fragte Lars.

»Hinter mir, unter meinem Rucksack«, antwortete Kaspar und griff nach dem ledernen Köcher, in dem er die Karte aufbewahrte. Er öffnete den Köcher und holte das dunkelbraune Pergament heraus.

»Ich hätte nie gedacht, dass mein Leben sich einmal total verändern würde ...«, fing Kaspar an.

»Du meinst unser Leben«, unterbrach Juana ihn.

»Ja«, nickte Kaspar und rollte die Karte auf.

Kaspar, Juana, Niko und Lars rückten näher zusammen.

»Fantastisch«, sagte Juana mit glänzenden Augen, als sie einen Blick auf die magische Karte warf.

»Ja«, hauchte Lars, »pass aber auf, Kaspar, dass du sie nicht aktivierst.«

»Du bist mir vielleicht ein Angsthase, Lars«, lachte Niko laut. »Wenn die Karte funktionieren soll, brauchen wir einen Vollmond«, stöhne Niko. »Schau mal aus dem Fenster. Siehst du einen?«, sagte er noch.

Lars warf einen vorsichtigen Blick zum Fenster. »Kein Vollmond.« Lars Stimme klang erleichtert.

»Nox bleibt aber lange fort«, stellte Juana fest.

»Vielleicht war er ja doch müde und wollte es nur nicht zugeben«, lachte Niko. »Jetzt liegt er bei Numba und schläft.«

Kaspar blickte auf die fremdartigen Symbole am Kartenrand.

»Was sie wohl bedeuten mögen?«, fragte er in die Runde.

Juana wandte sich Kaspar zu. »Du kannst ja Balthasar morgen danach fragen.«

Kaspar berührte die Sonne rechts oben auf der Karte und sah zur Mitte, wo sich ein großes, halbrundes Tor befand, das geschlossen war.

»Lass die Finger von der Karte!«, fuhr Lars ihn scharf an.

»Sag ›bitte‹.«

»Mach jetzt keine blöden Sprüche, Kaspar«, ermahnte Lars ihn.

»Ist schon gut, Lars. Reg dich ab.« Kaspar nahm den Finger von der Karte.

»Seht!« Lars erschrak.

Ein kurzer Windstoß streifte Kaspars lockigen, rotbraunen Haare und wirbelte sie durcheinander.

»Das ist Magie«, flüsterte Niko.

Unter dem geschlossenen Weltentor befanden sich drei Symbole: die goldene Kugel, das goldene Pferd und das Fläschchen mit dem magischen Gebirgswasser, die plötzlich leuchteten.

»Berühre bloß nicht das Tor, Kaspar!«, ermahnte Lars ihn.

Gleichzeitig fingen drei Symbole am rechten Kartenrand an zu leuchten. In dem runden weißen Feld über dem Tor tauchte plötzlich ein Königspaar auf.

»Wer ist denn das?«, fragte Juana erstaunt.

»Ist mir doch egal, wer das ist«, fuhr Lars sie energisch an. »Leg endlich die Karte weg, Kaspar! SOFORT

»Es ist doch kein Vollmond, Kumpel«, leierte Niko herunter. »Es kann nichts passieren.«

»Mir egal. Leg sofort die Karte weg!«

»Sieh her, Lars«, sagte Niko und schnappte sich Kaspars Zeigefinger, mit dem er das Weltentor berührte. »Na, siehst du, Lars, nichts passiert.«

Kaspar lauschte, als er eine zarte, weibliche Stimme vernahm.

»Kaspar, Kaspar nun wird es Zeit,

ein neues Abenteuer steht für dich bereit.«

»Zu spät, ich höre wieder diese Stimme«, hauchte Kaspar.

Ein leuchtend roter Vollmond tauchte im oberen Winkel des Fensters auf, und ein geisterhaftes Licht breitete sich im Zimmer aus.

»Scheiße!«, fluchte Niko laut.

Das Tor glühte, als würde es von einem Feuer angestrahlt.

»Ja, Scheiße!«, sagte Lars. »Du blöder ... blöder ... dicker Bär«, schimpfte er.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, fluchte Niko laut.

Als das Weltentor sich öffnete, erloschen die drei Symbole am rechten Kartenrand und auch das Königspaar verschwand aus dem weißen Kreis, dann gab das geöffnete Tor einen Blick auf ein Meer aus Sternen frei, und Kaspar brüllte: »Schnell, nehmt eure Sachen!«

Kaspar warf einen Blick auf Balthasar, der von all dem nichts mitbekam. Er schlief tief und fest wie ein Toter.

»Das gibt's doch nicht. Der Alte schnarcht hier herum und kriegt von allem nichts mit«, schimpfte Niko laut.

Juana, Niko und Lars schnappten sich ihre Rucksäcke und im gleichen Moment wölbte sich das Weltentor vor und breitete sich blitzschnell aus. Wie der Schlund eines riesigen Monsters, verschlang es Kaspar und seine Freunde. Sie glitten in einen dunklen Trichter hinein.

Das Tor bekam haifischartige Zähne und schnappte schließlich zu. Das Leuchten der goldenen Kugel, des goldenen Pferdes und des Fläschchens erloschen, und das Weltentor auf der Karte war wieder geschlossen. Die Karte flatterte dem Lagerfeuer entgegen, doch kurz bevor sie die lodernden Flammen erreichte und zu verbrennen drohte, verschwand auch sie.

Der Weg nach Persian

»Verdammte Scheiße, das wollte ...« Niko schwieg, als er den Kopf hob und zu den Baumkronen hinaufblickte, deren dunkelgrünen Blätter sich sachte im Wind wiegten. Durch den Vollmond fielen unheimliche Schatten auf sie herab.

Die magische Karte tauchte aus dem Nichts auf und schwebte zu Boden, direkt vor die Füße von Kaspar, der sich bückte, sie aufhob und schweigend in den ledernen Köcher schob.

»Du blöder ... blöder ... dicker Bär«, schimpfte Lars an Niko gewandt. »Warum hast du nicht auf mich gehört? Jetzt haben wir den Schlamassel ... du blöder ...«

»Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Pass auf, was du sagst, Dürrrippe, sonst kann mich niemand mehr zurückhalten und ich werde ...« Nikos Stimme donnerte Lars wie ein Kanonenschlag entgegen.

»Der Spruch ist ja total uncool, Niko. Fällt dir da nichts besseres ein?«, unterbrach Lars mit ernster Miene.

»Seid still!«, ermahnte Kaspar sie mit gedämpfter Stimme.

Blätter raschelten, dann sprang mit einem Satz, direkt neben Lars, ein Reh hinter einem Baum hervor, das geschwind in Richtung Vollmond verschwand.

»Verdammt«, zuckte Lars zusammen, »hab ich mich vielleicht erschrocken.«

»Ob wir wieder zu Hause sind?«, fragte Juana.

»Wie kommst du denn darauf?«, entgegnete Niko.

»Na, wegen dem Reh.«

»Warum sollte es in der Anderen-Welt keine Rehe geben?«, wandte Kaspar ein.

Juana zuckte mit den Schultern.

Lars sah sich um, hob einen Ast auf und und schleuderte ihn in das Buschwerk links von ihm.

»So ein Mist«, fluchte Lars.

»Pass auf, Lars, dass du nicht noch andere Tiere aufschreckst«, ermahnte Niko seinen Freund.

»Was könnte hier schon großartiges herumlaufen?«

»Vielleicht ein Wolf – ein Elch – ein Panther.« Niko machte eine bedächtige Pause und brüllte Lars an: »VIELLEICHT EIN DRACHE, du Dummkopf.«

»Wer ist hier ein Dummkopf?«

»Na, du, Lars – Lars Dummkopf.«

»Wer hat denn die magische Karte berührt? Wer ist denn Schuld, dass wir wieder in solch einer Situation stecken? Wer hat denn blöde gelacht und gesagt, dass kein Vollmond ist? Wer?«, pöbelte Lars. »Niko die Dumpfbacke«, fuhr er ihn an.

»Du hast doch selbst aus dem Fenster geguckt, Blödian«, schimpfte Niko.

Kaspar schüttelte den Kopf.

»Die gegenseitigen Beschimpfungen bringen uns nicht weiter, Freunde«, lenkte Kaspar ein.

»Das finde ich auch«, pflichtete Juana bei.

»Was sollen wir jetzt tun? Ich habe keine Lust, durch den Wald zu stolpern«, sagte Lars.

»Der Mond leuchtet hell genug. Wir könnten weitergehen«, stellte Kaspar fest, »allerdings bin ich müde.«

»Ich bin auch müde«, sagte Juana.

»Sollen wir etwa auf dem Boden schlafen?«, fragte Niko entsetzt.

»Hast du eine bessere Idee?« Kaspar sah zu Niko und wartete auf eine Antwort.

»Hier krabbeln überall Tiere herum.«

»Wir sind in einem Wald, Niko.«

»Ja, aber ...«

»Wir übernachten hier und zwar«, unterbrach Kaspar ihn und sah sich kurz um, »dort drüben ist ein schönes Plätzchen.« Kaspar deutete auf einen großen Baum.

»Wenn's sein muss«, brummte Niko.

»Mir ist kalt«, sagte Juana.

»Mir auch«, jammerte Lars.

»Dann sollten wir uns dicht beieinander setzen«, schlug Kaspar vor.

Kaspar ließ sich nieder und lehnte sich zurück, an den mächtigen Baumstamm. Juana nahm an seiner rechten Seite und Lars an seiner linken Seite Platz. Niko stand herum.

»Willst du die ganze Nacht dort stehen bleiben?«, fragte Kaspar.

»Nö, natürlich nicht.«

»Komm setz dich zu uns!«, forderte Kaspar ihn auf.

Neben Juana ragte eine Wurzel aus dem Erdreich heraus, deswegen nahm Niko neben Lars Platz.

»Der alte Schnarcher«, schimpfte Niko.

»Wen meinst du?«, fragte Juana und beugte sich vor, so dass sie Niko sehen konnte.

»Balthasar.«

»Mensch, Niko ...«

»Ich meine ja nur. Er liegt da herum wie ein Toter und bekommt überhaupt nicht mit, wie wir verschwinden. Bei dem Krach den wir gemacht haben, wäre doch jeder normale Mensch wach geworden«, unterbrach Niko.

Juana lehnte sich wieder zurück an den Baum.

»Ja, er hätte davon wirklich wach werden müssen«, sagte sie.

»Balthasar ist ein alter Schnarcher«, fluchte Lars.

»Ja, dieser alte Schnarchsack kann was erleben, wenn ich ihn wiedersehe«, schimpfte Niko.

»Lass es gut sein, Niko.« Kaspar atmete tief durch. »Morgen sieht die Welt schon wieder viel besser aus.«

Niko räusperte sich. »Das war jetzt ein blöder Spruch von dir, Kaspar.«

Kaspar wandte sich Niko zu.

»Ich bin müde.«

»Dann solltest du schlafen und keine blöden Sprüche klopfen.«

Niko wirkte äußerst gereizt.

»Das werde ich jetzt auch tun, Niko.« Kaspar lehnte sich zurück, schloss die Augen und schlief kurz darauf ein.

***

Kaspar schwebte durch die Luft und träumte von dem Hügel, auf dem er zusammen mit Balthasar schon einmal gewesen war, als er mit ihm eine Zeitreise unternommen hatte, um den jüngeren Balthasar zu treffen. Vereinzelte, hellgraue Wolken zogen vorüber und warfen ihre Schatten auf die Stadt Arasin, die unterhalb des Hügels lag.

Bin ich wieder auf einer Zeitreise?, ging es Kaspar durch den Kopf. Ihm kam alles so vertraut vor, so als hätte er diese Szene schon einmal erlebt. Er hätte seine Felljacke mit auf Reisen nehmen sollen, dachte er und schüttelte sich vor Kälte.

Kaspar schwebte herab und landete neben dem jüngeren Balthasar, der ihn, wie auch bei der damaligen Begegnung, nicht sehen und hören konnte. Kaspar befand sich genau zu dem Zeitpunkt dort, zu dem er damals, mit dem älteren Balthasar, wieder in seine Zeit zurückgekehrt war.

Das letzte Licht des Tages verblich langsam, und der jüngere Balthasar stieg von der Anhöhe hinab. Kaspar folgte ihm dicht, und ihm wurde wieder bewusst, wie nahe die Andere-Welt am Abgrund eines schrecklichen Krieges stand. Er musste unbedingt den schwarzmagischen Zauberer Drawen aufhalten. Zusammen mit dem Zauberer Balthasar würde es ihm sicherlich gelingen. Aber zuvor musste er dafür die goldenen Drachentränen finden. Wo sollte er mit der Suche beginnen? Nox hatte behauptet, dass die goldenen Drachentränen nur eine Legende seien, aber Balthasar glaubte fest daran, dass sie existierten. Kaspar hoffte inständig, dass der Zauberer Recht behielt.

 

Im Tal erreichten sie das Ufer eines kleinen Sees. Dort hielt Balthasar inne. Er schien die Ruhe der Natur in vollen Zügen zu genießen. Auch Kaspar erfreute die Stille und Schönheit der Umgebung. Er lauschte dem Zwitschern der Vögel in den Büschen, die sich ringsum das Ufer ausbreiteten. Kaspar nahm einen tiefen Zug von der frischen Abendluft und wunderte sich, weil er all die Dinge so wahrnahm, als wäre er tatsächlich hier. Ein Geräusch wie raschelndes Laub schreckte ihn auf. Er sah, wie Balthasar nach einem Beutel tastete, den er an seinem Stoffgürtel trug. Schnell fasste Balthasar hinein und hielt eine Prise leuchtend grünes Pulver zwischen den Fingerspitzen zum Wurf bereit.

»Ein wunderbarer Abend. Nicht wahr, Balthasar?«, grüßte ihn ein Mann, der auf einem prächtigen schwarzen Hengst ritt.

Für einen Augenblick hielt Balthasar inne.

Wer mag das wohl sein?, rätselte Kaspar und musterte den Reiter mit großer Aufmerksamkeit.

»Ja, das ist ein ganz besonders schöner Abend, mein König«, antwortete Balthasar und kratzte sich am Kopf.

»Noch so spät unterwegs?«, fragte der König neugierig. »Es wird bald dunkel.«

Balthasar ließ das grüne Pulver wieder in den Beutel rieseln und schnürte ihn zu.

»Ja, ich war oben bei den Drachenbäumen«, antwortete Balthasar. »Ich hatte noch über dies und jenes nachzudenken.«

Der König nickte kaum merklich und blickte über den kleinen See, in dem sich die letzten Sonnenstrahlen auf der glatten Wasseroberfläche rötlich widerspiegelten.

»Ihr seid aber auch noch spät unterwegs, mein König«, stellte Balthasar besorgt fest, »und auch noch alleine, ohne Wachen.«

»Ich brauche ein wenig Freiheit.«

»Das kann ich verstehen«, nickte Balthasar.

»Und, wie kommt Ihr voran?«, fragte der König. »Mit der Zauberei, meine ich.«

Kaspar blickte hoch, direkt in das Gesicht des Königs, das langsam durchsichtig zu werden schien. Aus dem Augenwinkel, sah Kaspar, dass der Wasserstand im See anfing zu fallen, und plötzlich blickte Kaspar in ein tiefes, dunkles Loch, wo vorher noch der See gewesen war. Kaspar versuchte Balthasar am Ärmel festzuhalten, doch er griff durch ihn hindurch.

»Was habt Ihr, Balthasar?«, fragte der König, als er sah, wie Balthasar kurz zuckte und einen Schritt zurücktrat.

»Mir war so, als hätte jemand versucht mich festzuhalten.«

»Ein Geist vielleicht?«

Balthasar lächelt den König an.

»Glaubt Ihr denn an Geister, mein König?«

»Nein.«

»Ich auch nicht«, schüttelte Balthasar den Kopf.

Balthasar wandte sich langsam um und blickte direkt in Kaspars Gesicht. »Vielleicht gibt es sie ja doch ...«, zweifelte er, »... Geister«, hauchte er und wandte sich wieder dem König zu.

»Ja, vielleicht gibt es sie«, zuckte der König gleichgültig mit den Schultern.

Kaspar sah, wie der See sich wieder mit Wasser füllte, und er sah den König wieder klar und deutlich auf seinem Pferd sitzen.

Balthasar nickte zufrieden, als er dem König berichtete: »Es läuft alles nach Plan. Nox ist auf dem Weg in die Menschenwelt, und ich hoffe, dass Drawen ihn diesmal nicht entdeckt.«

»Ich vertraue auf Eure Zauberkunst, Balthasar«, antwortete der König. »Ihr seid einer der letzten weißmagischen Zauberer, also gebt ein wenig auf Euch Acht«, betonte der König mit einem strengen Blick, dann fügte er hinzu: »Mein lieber und treuer Balthasar, ich hoffe, es wird nicht wieder ein finsteres und blutiges Zeitalter über das Königreich hereinbrechen. Ein Zeitalter der blutigen Schlachten und der schwarzen Magie.«

»Nicht, wenn ich es verhindern kann, mein König«, sagte Balthasar mit Nachdruck, »und ich werde es verhindern, mein König, das verspreche ich Euch bei meiner Seele«, fügte er beherrscht hinzu, dann sah er dem König direkt in die Augen: »Ihr solltet aber auch ein wenig Acht auf Euch geben«, rügte Balthasar den König. »Ihr solltet nicht alleine hier herumreiten!«

Der König stieg vom Pferd und hielt die Zügel. Jetzt fiel Kaspar erst auf, was für ein stattlicher Mann der König war.

»Lasst uns gemeinsam nach Arasin gehen«, schlug der König vor.

»Es würde mich freuen, mein König.«

»Ich habe vor Arasin für eine Weile zu verlassen«, rückte Balthasar heraus.

»Warum? Gefällt es Euch in der Stadt nicht mehr, Balthasar?«

»Nein, das ist es nicht, mein König«, winkte Balthasar ab. »Ich will einen neuen Zauber entwickeln, deswegen werde ich mich nach Feuerland in meine alte Hütte zurückziehen.«

»Es ist schade, dass Ihr uns verlasst, Balthasar«, sagte der König, und ein Klang von Traurigkeit lag in seiner Stimme.

»Ich werde ja nicht lange fortbleiben«, beruhigte Balthasar ihn. »Ich muss mich gut auf den Kampf gegen Drawen vorbereiten – es steht viel auf dem Spiel, sehr viel.«

»Ich weiß, Balthasar, ich weiß«, nickte der König ihm zu, »sagt mir, was Ihr für die Reise braucht, und ich lasse es besorgen.«

»Danke, mein König«, verneigte Balthasar sich leicht.

»Was ist mit Numba?«, fragte der König vorsichtig. »Bleibt er in Arasin?«

»Nein. Numba kommt mit mir. Der Drache freut sich auf seine Heimat.«

»Gut«, hauchte der König.

Kaspar glaubte, eine Erleichterung in der Stimme des Königs vernommen zu haben. Darum war Balthasar also nach Feuerland gereist, um in Ruhe an einem neuen Zauber zu arbeiten, dachte Kaspar. Kaspar blieb stehen. Er sah Balthasar und dem König nach, wie sie in Richtung Arasin gingen. Sollte er ihnen folgen?

Plötzlich blieb Balthasar stehen und wandte sich Kaspar zu. Kaspar schüttelte den Kopf und wundert sich, dass der König und sein Pferd dastanden wie Wachsfiguren. Kaspar ließ den Blick schweifen. Auch der leichte Wind hatte aufgehört. Die Landschaft ringsum ihn herum wirkte wie ein Gemälde. Nur Balthasar bewegte sich und kam einige Schritte auf ihn zu. Die Miene des Zauberers verfinsterte sich zunehmend.

»Was habt ihr angestellt?«, fragte er ärgerlich.

»Was meinen Sie?«

Das Gesicht des jüngeren Balthasars änderte sich, es wurde älter, und plötzlich stand der ältere Balthasar vor Kaspar und wartete auf eine Erklärung.

»Wir haben nichts getan – ehrlich.«

»Und wie seid ihr dann aus meinem Haus verschwunden?«

»Das ist doch jetzt ein Traum, oder?«

»Nenne es, wie du willst, Kaspar«, antwortete Balthasar und wartete auf eine Antwort.

»Wir haben uns nur die Karte angesehen – ehrlich.«

Balthasar atmete tief durch.

»Geht es euch gut?«, fragte er und seine Miene wurde wieder freundlicher. »Ich habe mir große Sorgen gemacht«, ergänzte er.

»Das tut mir leid – ehrlich.« Kaspar senkte den Blick. »Es ist einfach so passiert. Auf einmal waren wir verschwunden.« Kaspar hob den Blick.

»Euch ist nichts geschehen, das ist die Hauptsache«, sagte Balthasar erleichtert.

»Morgen werde ich versuchen, mit der magischen Karte zu Ihnen zurückzukehren.«

Balthasar schüttelte den Kopf.

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich glaube, auf euch wartet eine Aufgabe.«

»Eine Aufgabe?«

»Ja«, nickte Balthasar besonnen.

»Aber wir wollten doch zusammen nach Urta reisen?«

»Der Verlauf deines Schicksals hat sich nun geändert«, sagte Balthasar in ruhigen Ton.

»Was müssen wir nun tun?«, wollte Kaspar wissen.

»Ich muss zugeben, das weiß ich nicht«, antwortete Balthasar, »aber in einer Vision, in der auch du vorgekommen bist, habe ich Musik gehört.«

»Musik?«

»Ja.«

»Was hat das zu bedeuten?«

»Folge einfach der Musik.«

Kaspar nickte.

»Ich denke, wenn ihr die Aufgabe erfüllt habt, werdet ihr zu mir zurückkehren.«

»Denken oder wissen Sie es?«, fragte Kaspar zögerlich.

Balthasars Gesicht leuchtete hell auf und mit einem Mal trug er eine Brille, die er eigentlich nur trug, wenn er an einem Zaubertrank arbeitete.

»Mach dir keine Sorgen, Kaspar«, sagte Balthasar und sah Kaspar über den Rand der Brille an.

»Mach ich mir nicht –«, schüttelte Kaspar träge den Kopf, »– ehrlich«, ergänzte er zögernd.

»Das ist gut so«, sagte Balthasar. »Ich bin mir ganz sicher, wenn ihr die Aufgabe gelöst habt, kehrt ihr wieder zu mir zurück«, sagte er und löste sich allmählich auf.

»Warten Sie!«, rief Kaspar.

Balthasar wurde durchsichtig wie ein Geist.

»Warten Sie!«, rief Kaspar wieder.

»Ich habe keine Zeit mehr«, rief Balthasar, »mein Traumelixier verliert seine Wirkung.«

Der ältere Balthasar verschwand, und der jüngere Balthasar unterhielt sich wieder mit dem König. Zusammen mit dem König ging Balthasar in Richtung Arasin. Die Landschaft um Kaspar herum, begann wieder zu leben. Er spürte den leichten Wind, der mit seinen lockigen Haaren spielte.

»Auf Wiedersehen, Balthasar«, rief Kaspar, doch der jüngere Balthasar konnte ihn nicht hören.

Die Landschaft um Kaspar herum verblasste allmählich.

***

»Mensch, hab ich einen Hunger«, hörte Kaspar Nikos Stimme.

Kaspar schlug die Augen auf.

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