MIND

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Sich auf das Gehirn im Kopf als Quelle des Geistes zu fokussieren, ist in unserem Leben sehr wichtig gewesen, um die Herausforderungen mentaler Gesundheit zu verstehen. Die Beobachtung beispielsweise von Menschen mit Schizophrenie oder bipolarer Störung, genauso bei jenen mit anderen ernsthaften psychiatrischen Leiden wie Autismus, angeborenen Funktionsstörungen, die von einem anders strukturierten Gehirn ausgehen, und eben nicht aufgrund von etwas, das Eltern verursacht haben, oder irgendwelcher Charakterschwächen einer Person, bedeutete eine entscheidende Veränderung der Sichtweise im Bereich mentaler Gesundheit, um nach effektiveren Hilfsmitteln für bedürftige Menschen und Familien zu suchen.

Sich dem Gehirn zuzuwenden, hat uns befähigt, die Scham und die Schuldzuweisung von Personen und ihren Familien zu verringern, ein trauriger- und unglücklicherweise allzu verbreiteter und dabei nicht sehr lange zurückliegender Aspekt in den Begegnungen mit Ärzten. Auch konnte vielen Individuen mit psychiatrischer Medikation geholfen werden, da Moleküle als verantwortliche Akteure der Gehirnaktivität angesehen wurden. Ich sage „angesehen“ aufgrund der Entdeckung, dass der mentale Glaube einer Person ein gleichermaßen mächtiger Faktor in einigen als Placebo-Effekt bekannten Fällen sein kann. Bei einem Prozentsatz von Individuen mit bestimmten Leiden, haben ihre Glaubensinhalte zu messbaren Verbesserungen im äußeren Verhalten und auch in der Gehirnfunktion geführt. Und wenn wir uns daran erinnern, dass auch der Geist das Gehirn verändern kann, sollte sich damit ein Verständnis verbinden, dass den Geist zu trainieren für einige Individuen hilfreich sein könnte, (sogar angesichts von Abweichungen im Gehirn).

Weitere Unterstützung erfährt diese gehirnzentrierte Sichtweise des Geistes aufgrund von Studien an Individuen mit Läsionen bestimmter Hirnareale. Seit Jahrhunderten hat die Neurologie Kenntnis davon, dass spezifische Verletzungen in spezifischen Bereichen zu vorhersagbaren Veränderungen in den mentalen Prozessen wie Denken, Emotionen, Gedächtnis, Sprache und Verhalten führen. Den Geist als verbunden mit dem Gehirn zu sehen war äußerst hilfreich, sogar lebensrettend für viele Menschen im Laufe des letzten Jahrhunderts. Den Fokus auf das Gehirn und seinen Einfluss auf den Geist zu legen war ein wichtiger Beitrag, unser Verständnis und unsere Eingriffe zu fördern.

Doch diese Entdeckungen bedeuten weder im logischen noch im wissenschaftlichen Sinne, dass allein das Gehirn den Geist erschafft, wie oftmals behauptet wird. Gehirn und Geist könnten in der Tat das Gleiche sein. Beide könnten sich wechselseitig beeinflussen, wie die Wissenschaft quantitativ zu enthüllen beginnt, z. B. in Studien über den Einfluss mentalen Trainings auf die Gehirnfunktion und -struktur (Davidson & Begley, 2012). Mit anderen Worten, nur weil das Gehirn den Geist formt, bedeutet dies nicht, dass der Geist nicht das Gehirn formen kann. Um dies zu verstehen, ist es hilfreich, einen Schritt von der vorherrschenden Sichtweise, dass „Geist Gehirnaktivität ist“, zurückzutreten und unseren Geist für ein größeres Bild zu öffnen.

Obwohl das Verständnis des Gehirnes wichtig für das Verständnis des Geistes ist, warum sollte der Geist – oder was immer auch erschafft oder verursacht oder konstituiert – auf das beschränkt sein, was oberhalb unserer Schultern vor sich geht? Diese vorherrschende Perspektive „Gehirnaktivität = Geist“, die der Philosoph Andy Clark ein „gehirngebundenes“ Modell nennt (2011, Seite XXV), kann auch als eine „einzig der Schädel“ oder als eine „eingeschädelte“ Sicht des Geistes bezeichnet werden, eine Sichtweise, die, wenngleich verbreitet, bestimmte Elemente unseres mentalen Lebens nicht in Betracht zieht. Eine davon ist die Tatsache, dass unsere mentalen Aktivitäten wie Emotionen, Gedanken und Erinnerungen unmittelbar vom Gesamtzustand unseres Körpers geformt, wenn nicht sogar gänzlich geschaffen werden. Dergestalt kann der Geist als verkörpert angesehen werden, und zwar nicht nur innerhalb des Schädels. Ein anderes grundlegendes Problem besteht darin, dass unsere Beziehungen zu anderen, zum sozialen Umfeld, in dem wir leben, unser mentales Leben direkt beeinflussen. Und auch hier bilden unsere Beziehungen unser mentales Leben, beeinflussen es nicht nur, sondern sind eine der Quellen seiner Ursprünge, nicht nur als etwas, das es formt, sondern das es entstehen lässt. Und auf diese Art und Weise kann der Geist sowohl als etwas Relationales wie Verkörpertes betrachtet werden.

Die Linguistikprofessorin Christina Erneling (Erneling & Johnson, 2005) bietet folgende Perspektive an:

Etwas Bedeutsames äußern zu lernen – das heißt, sich semantische Kommunikationsfertigkeiten anzueignen – besteht nicht nur darin, sich die spezifische Konfiguration spezifischer Gehirnprozesse anzueignen. Es umfasst desgleichen andere Menschen, die beachten, was man als ein Teil linguistischer Kommunikation sagt. Wenn ich Ihnen etwas verbal verspreche, spielt der Zustand meines Gehirnes keine Rolle. Wichtig ist vielmehr, dass mein Versprechen als solches von anderen Menschen aufgenommen wird. Dies hängt nicht nur von meinem oder Ihrem Verhalten und den Gehirnprozessen ab, sondern auch von einem sozialen Netzwerk aus Bedeutungen und Regeln. Typisch menschliche mentale Phänomene lediglich mit Begriffen des Gehirnes zu erklären gleicht dem Versuch, Tennis als Wettkampfspiel zu erklären, indem man sich auf die Ballistik bezieht… Über die Analyse mentaler Kapazitäten mit Begriffen individueller Ausführungen, Gehirnstrukturen oder der Rechenarchitektur hinaus, muss man das soziale Netzwerk, das sie ermöglicht, mit berücksichtigen. (S. 250)

So können wir zumindest sehen, dass jenseits des Kopfes, des Körpers und unserer relationalen Welt mehr existieren könnte als kontextuale Faktoren, die den Geist beeinflussen – sie könnten vielleicht fundamental für das sein, was der Geist ist. Mit anderen Worten, was immer Geist auch ist, das könnte seinen Ursprung in unserem ganzen Körper und unseren Beziehungen haben, und nicht darauf beschränkt sein, was sich zwischen unseren Ohren abspielt. Wäre es dann im wissenschaftlichen Sinne nicht vernünftig, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das Gehirn mehr als bloße Gehirnaktivität ist? Könnten wir das Gehirn nicht als Teil eines anderen betrachten, als Teil eines breiteren Prozesses, der den Körper als Ganzes mit einbezieht, genauso wie unsere Beziehungen, aus denen der Geist entsteht? Könnte dies nicht eine komplettere, „vollständigere“ Sichtweise sein, als einfach zu behaupten, der Geist sei auf die Aktivität im Kopf beschränkt?

Obgleich der Geist mit Sicherheit in grundlegender Art und Weise mit dem Gehirn verbunden ist, könnte unser mentales Leben nicht auf das beschränkt sein oder bloß davon herrühren, was in unseren Schädeln allein vor sich geht. Könnte der Geist etwas mehr sein als einfach ein Ergebnis des Feuerns der Neuronen im Gehirn? Und wenn dieses breiter angelegte Bild sich als wahr herausstellt, was könnte dieses Etwas Mehr tatsächlich sein?

Unsere Identität und der interne und relationale Ursprung des Geistes

Wenn das, was wir sind – sowohl in unserer persönlichen Identität als auch in der wahrgenommenen Erfahrung des Lebens –, einem mentalen Prozess entspringt, ein mentales Produkt, eine Funktion des Geistes ist, dann sind wir das, was unser Geist ist. Auf unserer bevorstehenden Reise werden wir alles über den Geist erforschen – nicht nur das Wer, sondern auch das Was, Wo, Wann, Warum und Wie Ihres Geistes, des Geistes.

Wir beginnen mit folgender geteilter Sichtweise als Ausgangsposition: Der Geist wird von der Funktion des Gehirnes und seiner Struktur im Kopf geformt und ist vielleicht sogar völlig davon abhängig. Im Sinne eines Ausgangspunktes gibt es unsererseits nichts dagegen einzuwenden. Und so stimmen wir dem, was die Mehrheit der Geist-/Gehirnforscher behauptet, ganz und gar zu – und schlagen dann vor, den Begriff des Geistes über den Schädel hinaus auszudehnen. Das Gehirn im Sinne eines Kopf-Konzeptes ist bloß der Ausgangs- und nicht der Endpunkt unserer Forschungsreise. Wir könnten uns letztendlich dazu entscheiden, diesen Versuch angesichts einer breiteren Sichtweise, zu der wir gelangen, aufzugeben, und vielleicht werden wir schließlich zu der häufig vorgebrachten Schlussfolgerung kommen, dass „der Geist nur das ist, was das Gehirn macht“, doch für den Augenblick lassen Sie uns die Bedeutung des Gehirnes im mentalen Leben akzeptieren und unseren Geist für die Möglichkeit öffnen, dass der Geist mehr sein könnte, als lediglich das, was im Kopf vor sich geht. Was ich Ihnen vorschlage ist, dass wir das Gehirn als eine wichtige Komponente einer noch reicheren Geschichte, einer breiter angelegten und komplizierteren Geschichte ansehen, die es zum Wohle aller wert ist, erforscht zu werden. Diese umfassendere Geschichte ist das, in das wir uns selbst im Laufe unserer Erforschung vertiefen werden. Eine umfassendere Definition des Geistes zu finden, das ist das eigentliche Ziel unserer Reise.

Einige Akademiker betrachten den Geist als vom Gehirn unabhängig. Philosophen, Pädagogen und Anthropologen haben den Geist schon seit Langem als einen sozial konstruierten Prozess angesehen. Lange vor unserem modernen Verständnis des Gehirnes geschrieben, betrachten diese sozialorientierten Akademiker unsere Identität – von unserer inneren Wahrnehmung des Selbst bis zur Sprache, die wir gebrauchen – als ein Gefüge sozialer in den Familien und unserer Kultur eingebetteter Interaktionen. Sprache, Gedanken, Gefühle und unser Identitätsgefühl sind allesamt aus unseren Interaktionen mit anderen Menschen gewoben. Beispielsweise betrachtete der russische Psychologe Lev Vygotsky das Denken als einen internalisierten Dialog, den wir mit anderen geführt haben (Vygotsky, 1986). Der Anthropologe Gregory Bateson sah den Geist als einen aus der Gesellschaft sich entwickelnden Prozess an (Bateson, 1972). Und mein eigener Lehrer für fiktionales Schreiben, der Kognitionspsychologe Jerry Brunner, betrachtete Geschichten als etwas, das innerhalb von Beziehungen, die Menschen zueinander haben, entsteht (Brunner, 2003). Wer wir sind, ist, von diesen Standpunkten aus betrachtet, das Ergebnis unseres sozialen Lebens.

 

Und so haben wir zwei Modalitäten, den Geist zu betrachten, die selten eine gemeinsame Grundlage finden: Geist als eine soziale Funktion und Geist als eine neuronale Funktion (Erneling & Johnson, 2005). Jede Perspektive öffnet ein wichtiges Fenster in die Natur des Geistes. Sie dürfen nicht getrennt bleiben, will man das wahre Wesen des Geistes erkennen. Auch wenn die separierende Vorgehensweise für die Durchführung von Forschungsstudien üblich geworden ist oder Ergebnisse dadurch besondere Interessen oder Vorlieben von Wissenschaftlern eher unterstützen, ist das wahre Wesen des Geistes sowohl verkörpert wie auch relational.

Doch wie kann der Geist sowohl verkörpert als auch relational sein? Wie kann eine „Sache“, ein „Ding“ sich an zwei scheinbar verschiedenen Orten befinden?

Wie können wir diese beiden Aussagen über den Geist – als soziales oder neuronales Produkt – miteinander in Einklang bringen, die beide einer sorgfältigen Reflexion und einem Studium entspringen, dem sich Akademiker über viele Jahre gewidmet haben? Diese beiden Sichtweisen sind typisch für die getrennte Betrachtung des mentalen Lebens. Könnten sie nicht Teil ein und des gleichen Wesens sein? Gibt es einen Weg, ein System ausfindig zu machen, aus dem der Geist entstehen könnte, ein System, das verkörpert und relational sein könnte, eine Sichtweise, welche die innere neuronale und die interpersonelle soziale Sichtweise umschließt?

Warum dieses Buch über den Geist?

Zusammengefasst scheint unserem Gefühl nach die Auffassung, dass „der Geist das ist, was das Gehirn macht“, nicht die ganze Wahrheit zu sein. Wir müssen unseren Geist für das offen halten, was den Geist in seiner reichen Komplexität ausmacht. Subjektivität ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Bewusstsein ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Unser zutiefst relationales mentales Leben ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Die Wirklichkeit des Bewusstseins und seine innere subjektive Textur und die interpersonelle soziale Natur des Geistes laden uns zumindest dazu ein, jenseits des Schwirrens neuronaler Aktivität innerhalb des Schädels, als der vermeintlich ganzen Geschichte vom Wesen des Geistes, zu denken.

Ich verstehe, dass dieser Zugang zum Geist sich von den vorherrschenden Sichtweisen der Mehrheit moderner Akademiker in der Psychologie, Psychiatrie und den Neurowissenschaften und von vielen zeitgenössischen Klinikern in den Bereichen der Medizin und der mentalen Gesundheit unterscheiden dürfte. Mein eigener zweifelnder Geist bereitet mir Sorgen im Hinblick auf diese Vorschläge.

Meine wissenschaftliche Ausbildung verpflichtet mich trotzdem dazu, diesen Fragen mit einem offenen Geist zu begegnen, und Optionen nicht vorzeitig auszuschließen. Meine Ausbildung als Arzt und Psychiater und meine Erfahrung als Psychologe seit über 30 Jahren haben mir gezeigt, dass der Geist jener, mit denen ich zusammengearbeitet habe, über den Schädel, ja, über die Haut hinausgeht. Der Geist ist in uns – innerhalb des ganzen Körpers – und er ist zwischen uns. Er ist zwischen unseren Verbindungen untereinander und sogar zwischen den Verbindungen, die wir zu unserer weiteren Umgebung, unserem Planeten haben. Die Frage, was das Wesen unseres mentalen Lebens wirklich sein könnte, ist für die Forschung offen. Das Wesen des Geistes bleibt, von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, immer noch ein nicht gelöstes Problem.

Das Ziel dieses Buches ist es, ein umfassenderes Verständnis dessen, was der Geist ist, in einer unmittelbaren und umfassenden Art und Weise zu eröffnen und anzugehen.

Meine Einladung an Sie besteht darin, sich im Hinblick auf diese Fragen im weiteren Verlauf einen offenen Geist zu bewahren. Diese Reise zum Wesen des Geistes könnte es erforderlich machen, dass wir, wenn wir uns tiefer in diese Ideen versenken, unsere eigenen Glaubensinhalte über den Geist überprüfen. Werden wir zu neuen Sichtweisen gelangen, die für Ihr eigenes Leben von Wert sind? Ich hoffe es, aber Sie werden sehen, was sich ergibt, wenn wir auf unserer bevorstehenden Reise vorankommen. Indem wir uns zusammen auf diese Erkundungsreise machen, könnten wir am Ende mehr Fragen als Antworten erhalten. Doch hoffentlich wird die Erfahrung beim Erforschen des Wesens des Geistes eine erleuchtende sein, selbst wenn wir uns darüber nicht einig werden oder zu letzten Antworten kommen.

Aus diesen und vielen anderen Gründen werden wir Erkundungen anstellen; wir könnten uns im Hinblick auf diese Frage nach dem Wesen des Geistes wünschen, einen offenen Geist zu bewahren – was immer dieser Geist letzten Endes auch offenbart und wo immer er sich zeigt. Dieses Gefühl, dass es mit dem Geist etwas mehr auf sich haben könnte, dass er mehr als eine bloße innerhalb des Schädels stattfindende Gehirnaktivität ist, soll das Gehirn nicht ersetzen, es vielmehr ergänzen. Wir verwerfen die Errungenschaften der modernen Wissenschaft nicht; wir erforschen sie tiefgehend, respektieren sie vollauf und erweitern sie möglicherweise, um eine umfassendere Wahrheit über das Wesen des Geistes aufzuzeigen. Wir eröffnen den Dialog auf eine wissenschaftliche Art und Weise, laden zur Erforschung des Geistes alle ein, einschließlich die Akademiker, Kliniker, Lehrer, Schüler, Eltern und jeden, der sich für den Geist und die mentale Gesundheit interessiert. Der Zweck dieser Reise ist es, hoffentlich Diskussionen auszudehnen, Einsichten zu vertiefen und das Verständnis zu erweitern.

Die Diskussion über Geist und mentale Gesundheit wird uns hoffentlich in die Lage versetzen, die Erforschung effektiver zu betreiben, die klinische Arbeit zu konzeptualisieren und zu leiten, Erziehungsprogramme zu erstellen, das Familienleben zu inspirieren, unser Verständnis unserer individuellen Lebenswege zu vertiefen und sogar die Gesellschaft zu formen. Die Erforschung hat das Potenzial, unser persönliches Leben zu stärken, das Wesen unseres Geistes zu erleuchten und uns aufzuzeigen, wie wir mehr Wohlbefinden in unserem Lebensalltag kultivieren könnten.

Unser modernes Leben überflutet uns häufig mit Informationen, bombardiert uns in digitaler Manier, verbindet uns aber auch rund um den Globus; während wir als eine moderne menschliche Spezies zugleich zusehends isoliert und verzweifelt, überwältigt und allein sind. Wer sind wir? Und was wird aus uns, wenn wir die Konsequenzen der Art und Weise, wie Energie und Informationen unser Leben überfluten, nicht gewissenhaft berücksichtigen? Jetzt ist es bedeutender denn je, dass wir den Kern menschlichen Lebens erkennen, das, was der Geist ist, und lernen, wie wir die Essenz mentaler Gesundheit kultivieren – dass wir wissen, was Wesentlich ist, um einen gesunden Geist zu schaffen.

Eine mögliche Strategie könnte darin bestehen, einfach ein neues Wort anstelle von Geist zu prägen und dann diesen neuen Begriff zu verwenden, um zu klären, woher und wie unsere interpersonellen Verbindungen und unser verkörpertes Leben, unsere subjektive Erfahrung, unser inneres Wesen, unser Gefühl für Zweck und Bedeutung und unser Bewusstsein jeweils zustande kommen und sich bilden. Wie würden Sie die wesentlichen Grundzüge unseres Lebens benennen, wenn Sie nicht den Terminus Geist verwendeten?

Einen anderen Begriff zu finden, der einen Prozess symbolisiert, der sich von „Geist ist gleichbedeutend mit Gehirnaktivität“ unterscheidet, ist ein möglicher Zugang. Und vielleicht ist dies eine angemessene Lösung. Aber diese Erforschung ist mehr als eine bloße semantische Diskussion über Begriffe, Definitionen und Interpretationen. Wenn der Geist ein Begriff für die Bedeutung unseres Wesens ist, für das Herz dessen, was beziehungsweise wer wir sind, lassen Sie uns sehen, ob wir jene Bedeutungen des Terminus „Geist“ bewahren und zugleich erkennen können, was es mit diesem Geist, dem Herz unseres Menschseins, wirklich auf sich hat. Wie wär’s mit diesem Vorschlag?

Wir gebrauchen den Begriff „Gehirnaktivität“, um uns auf das neuronale Feuern zu beziehen. So stellen wir fest, was es ist. Neuronale Aktivitäten finden innerhalb des Schädels statt, innerhalb des Gehirnes im Kopf. Dann können wir die Wirklichkeit des Geistes in seiner ganzen Fülle frei erkunden, ohne die häufigen Argumente, die ich gehört habe, heraufzubeschwören, wie z. B., dass dieser Versuch, eine breitere Sichtweise zu erforschen, die „Wissenschaft verdreht“, weil behauptet wird, dass der Geist mehr als Gehirnaktivität sei. Selbst wenn der Geist völlig von der Gehirnaktivität abhängt, heißt das noch lange nicht, dass Geist das Gleiche wie Gehirnaktivität ist.

Für den Augenblick, jetzt am Beginn unserer Reise, lassen Sie uns am Geist als unserem Begriff festhalten und sehen, wie es funktioniert. Wir können auf neue linguistische Erklärungen später zurückkommen, wenn wir uns dazu entscheiden. In unserer Alltagssprache, zwischen Ihnen und mir sollten wir entlang dieses Weges darin übereinkommen, dass Geist die breite Bedeutung von etwas haben wird, dem zeitweilig ein Gewahrsein mit einer subjektiven Qualität eignet und das von einem Informationsfluss erfüllt ist - mit und ohne Gewahrsein.

Für den Augenblick benötigen wir keinen anderen Begriff, aber lassen Sie uns in dieser Hinsicht einen offenen Geist bewahren. Und lassen Sie uns erkunden, wie wir die Natur des Geistes klären können, so dass wir sie tief erfassen und seine Funktion und Entwicklung in Richtung Gesundheit vollauf unterstützen können.

Eine Einladung

Nach der Überprüfung einer Reihe von akademischen, klinischen und populären Texten wurde deutlich, dass diese kombinierte innere und interpersonelle Natur des Geistes etwas ist, das in wissenschaftlichen, Fach- und öffentlichen Kreisen selten diskutiert wird. Manchmal bildet die innere, manchmal die interpersonelle Natur den Fokus der Aufmerksamkeit, aber nur selten beide. Doch könnte der Geist nicht beides sein? Wenn wir das Wesen des Geistes klar definieren könnten, könnten wir einander kraftvoller helfen, individuell, in den Familien, Schulen und unseren menschlichen Gemeinschaften. Aus diesen Gründen scheint die Zeit reif dafür zu sein, etwas anzubieten, das das Gespräch über eine breitere Ansicht des Geistes voranzubringen helfen könnte.

Obgleich ich ausführlich über den Geist in akademischer Art und Weise geschrieben habe (in The Developing Mind, The Mindful Brain (Das achtsame Gehirn) und Pocket Guide to Interpersonal Neurobiology (Handbuch der Interpersonellen Neurobiologie)), seine Anwendungen in der klinischen Praxis diskutiert habe (Mindsight und The Mindful Therapist (Der achtsame Therapeut)) und Alltagsanwendungen in verschiedenen Büchern für das allgemeine Publikum, einschließlich für Jugendliche und Eltern (Brainstorm (Aufruhr im Kopf), Parenting from the Inside Out [mit Mary Hartzell], The Whole-Brain Child (Achtsame Kommunikation mit Kindern) und No-Drama Discipline (Disziplin ohne Drama) [beide mit Payne Bryson], scheint ein Buch, das sich tiefgehend auf das besondere Vorhaben fokussiert, herauszufinden, was der Geist tatsächlich sein könnte, zu fehlen, eines, das dies auf eine unmittelbare und integrierte Manier durchführt.

Mit „integriert“ meine ich dies: Da der Geist zumindest unsere innere subjektive Erfahrung, lebendig zu sein, umfasst, unser verkörpertes Gefühl innerhalb des bewussten Gewahrseins, dann könnte ein Buch, das sich auf die Frage konzentriert, was der Geist tatsächlich ist, am besten so strukturiert sein, dass es den Leser und den Autor, Sie und mich, einlädt, ganz präsent zu sein, unsere eigenen subjektiven Erfahrungen wahrzunehmen und darüber zu reflektieren, während wir mit der Diskussion der grundlegenden Konzepte fortfahren. Wir müssen unserer inneren Erfahrungen gewahr werden, jenseits der bloßen Diskussion von Fakten, Konzepten und Ideen bar innerlich gefühlten Gewahrseins und subjektiver Beschaffenheit. Dies ist ein Weg, Ihren bewussten Geist einzuladen, Ihre persönliche Erfahrung zu erforschen, während wir voranschreiten. Ideen vermögen ihren stärksten Einfluss auszuüben, wenn sie mit einer tief empfundenen Erfahrung kombiniert werden. Dies ist eine Wahl, die ich Ihnen als Autor in Form einer Einladung anbieten kann, eine, an der Sie teilnehmen können, wenn Sie sich, als Leser, dazu entscheiden. Dergestalt kann dieses Buch ein Gespräch zwischen Ihnen und mir sein. Ich biete Ihnen Ideen, Wissenschaft und Erfahrungen, und Sie können Ihren eigenen Geist befähigen, diese Mitteilungen zu empfangen und auf sie zu antworten. Während sich die Seiten und Kapitel dieser Reise entfalten, wird Ihr eigener Geist zu einem grundlegenden Teil der Erforschung, was der Geist ist.

 

Wenn der Geist wirklich relational ist, muss dieses Buch so relational wie nur möglich sein und Sie desgleichen zu Ihren innerlich empfundenen Erfahrungen ermutigen. Sie können die Worte, welche die Finger meines Körpers getippt haben, lesen, aber die Absicht dahinter ist, dass es eine kollaborative Entdeckungsreise sein soll, eine, die Ihren Geist und meinen Geist dazu einlädt, so präsent wie nur möglich zu sein.

Mit anderen Worten, der Prozess des Lesens dieses Buches sollte den Inhalt, die Reise zur Erforschung dessen, was der Geist sein könnte, selbst reflektieren.

Wenn wir entweder die verkörperte oder die relationale Seite unseres mentalen Lebens, des inneren und interpersonellen, außen vor lassen, könnten wir das Herz dessen, was der Geist wirklich ist, während unserer Erkundungen verfehlen. Wie können wir dies tun? Hier ist eine Idee. Wenn ich, als der Autor, sowohl persönlich wie intellektuell präsent sein kann, können Sie, als der Leser, es auch sein. Dies ist die Art und Weise, wie wir das Wissenschaftliche und das Persönliche miteinander verbinden können, wenn sie sich in der klaren Sicht des Geistes als tief miteinander verwoben erweisen.

Wissenschaftlich den Geist zu erforschen erfordert es, dass wir nicht nur die empirischen Entdeckungen respektieren, sondern auch die subjektiven und interpersonellen achten. Vielleicht kein typischer Zugang, aber es scheint notwendig, um das Wesen des Geistes wirklich zu erforschen.

Darin besteht meine Hoffnung für dieses Buch, die Hoffnung, dass dies eine Reise sei, für Sie und für mich, um die Natur unseres menschlichen Geistes offen zu erkunden.

Die Vorgehensweise unserer Reise

Wir leben unser Leben in jedem Augenblick. Ob wir unsere körperlichen Empfindungen jetzt wahrnehmen, über die Gegenwart mit einem Filter unserer vergangenen Erfahrungen nachdenken oder uns in Erinnerungen verlieren – all dies geschieht jetzt. Wir nehmen die Zukunft vorweg und entwerfen desgleichen Zukunftspläne in diesem Moment. In vielerlei Hinsicht – vor allem dann, wenn Zeit keine wirklich einheitliche Sache ist, die fließt – ist alles, was wir haben, dieser Augenblick, alles, was wir haben, ist jetzt. Der Geist tritt sowohl innerhalb der Erinnerung als auch der Augenblickserfahrungen auf, die sich in der Gegenwart als sensorische Immersionen entfalten, neben den mentalen Bildern, die wir von künftigen Erfahrungen haben – wie wir das vorwegnehmen und uns vorstellen, was als Nächstes kommt. Dergestalt verbinden wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander, alles im gegenwärtigen Moment. Selbst wenn die Zeit nicht wirklich das ist, was wir uns von ihr vorstellen, wie einige Physiker erklären und was wir auf der bevorstehenden Reise gründlich erforschen werden – all diese Verbindungen über die Zeit, die das Konstrukt unseres eigenen Geistes ist, sind eine Art und Weise, Erfahrung über den Wandel hinweg miteinander zu verknüpfen. Der Geist ist erfüllt von einer unaufhörlich fließenden Erfahrung des Wandels. Das Lesen von MIND wird daher diese mentalen Erfahrungen des Wandels einschließen, das, was wir in Zeitbegriffen als Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit bezeichnen. Der Gedächtnisforscher Endel Tulving (2005) nennt das Phänomen, dass wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbinden „mentale Zeitreise“ [engl. „mental time travel“, A.d.Ü.]. Wenn die Zeit ein mentales Konstrukt ist, ist die mentale Zeitreise das, was unser Geist macht – es ist die Art und Weise, wie wir unsere mentale Erfahrung des Lebens, unsere Vorstellungen vom Wandel strukturieren.

Um diese zentrale Quelle des Geistes zu berücksichtigen, die Modalität, wie unser Geist uns selbst über die Zeit konstruiert, habe ich mich entschieden, dieses Buch in Gestalt von mentalen Zeitreisen zu gliedern. Wir werden die Ideen über den Geist so studieren, dass diese Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft-Orientierung des Geistes einbezogen wird. Um dies zu erreichen, werde ich eine chronologische Strukturierung vornehmen, eine, die sich als Geschichte entfaltet, über die Vergangenheit und die Gegenwart reflektiert, sobald wir unseren Geist für die Zukunft öffnen.

Die Beiträge des Buches umfassen sowohl konzeptuelle Diskussionen als auch nicht-fiktionale Geschichten, die den Stoff kommunizieren helfen und ihn beim Lesen hoffentlich einprägsamer machen. Geschichten sind der beste Weg, in der unser Geist sich an Informationen erinnert. Und sich in jene Geschichte zu versenken beeinflusst die Art und Weise, wie eine Erfahrung bei uns bleibt. Ich lade Sie auch dazu ein, Aspekte Ihrer eigenen Erfahrungen im Hinblick auf besondere Diskussionen über den Geist bei unserer Wanderung zu berücksichtigen. So werden Sie einige meiner Geschichten lesen und vielleicht über Ihre eigenen nachdenken und einige davon sogar niederschreiben.

Um diese Integration der Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft und des Persönlichen und Konzeptuellen vorzunehmen, habe ich diese Geschichten in Perioden von jeweils fünf Jahren oder halben Dekaden unterteilt und sie einfach „Epochenbeiträge“ genannt, die unsere Erforschung des Geistes zeitlich strukturieren und konzeptuell organisieren helfen. Bitte bedenken Sie, dass diese Beiträge nicht immer in chronologischer Ordnung erfolgen. Wir werden autobiografische Reflexionen, die subjektive Erfahrung des Geistes in Alltagserfahrungen und reflexive Immersionen von Augenblick zu Augenblick neben relevanten von der Wissenschaft inspirierten konzeptuellen Sichtweisen erforschen. Dies sind die empirischen Entdeckungen aufgrund von Studien verschiedener Disziplinen, die miteinander verglichen und kontrastiert werden, deren konfluierende Einsichten synthetisiert und aufgrund wissenschaftlicher Argumentation ausgeweitet werden. Diese werden des Weiteren mit praktischen Anwendungen und mentalen Reflexionen verknüpft.

Während sich diese Beiträge entfalten, lade ich Sie dazu ein, Ihre eigenen Reflexionen im Hier und Jetzt Ihrer subjektiven Realität zu erkunden. Sie könnten herausfinden, dass Ihre autobiografischen Reflexionen über die Art und Weise, wie Ihr Geist sich im Laufe Ihrer Lebensperioden entwickelt hat, zu wachsen beginnen und zu einem Fokus Ihrer Aufmerksamkeit werden. Selbst Ihr Gefühl für Zukunftsmöglichkeiten könnte sich auf neue Arten und Weisen öffnen. Dies ist eine Einladung an Sie, Ihren eigenen Geist für eine angeborene Orientierung bei der geistigen Zeitreise zu öffnen. Über diese Vergangenheit-Gegenwart-Zukunfts-Erfahrungen nachzudenken, sobald sie in Ihnen auftauchen – und vielleicht sogar Ihre Überlegungen niederzuschreiben, wenn Sie dazu eine Neigung verspüren –, könnte die Erfahrung vertiefen. Wir leben als wahrnehmende genauso wie als autobiografische Wesen, während sich unser Geist in jedem Augenblick entwickelt, mit Gedanken an die Vergangenheit und mit Vorstellungen über die Zukunft. Wahrnehmungen, Reflexionen über Erinnerungen und Vorstellungen über die Zukunft sind fundamentale Teile der geistigen Zeitreise, die zu erforschen Spaß machen kann – daher sind sie fun-da-mental1.