James Bond für Besserwisser

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6) „Sind Sie verheiratet, Mr. Bond?“

Der Gedanke an einen verheirateten und damit gebundenen James Bond scheint zunächst absurd, doch sowohl beim Film- als auch beim Roman-Helden 007 wird Bonds Heirat gar nicht so selten thematisiert.

In „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) findet Bond in Tracy di Vicenzo seine wahre Liebe und macht ihr einen Heiratsantrag. Auf das „Willst du mich heiraten?“ gibt sie im Film keine Antwort, sondern stellt die Gegenfrage: „Willst du das wirklich?“. Die beiden werden getraut.

Das Glück währt nur kurz. Der Satz „Bis dass der Tod euch scheidet“ bekommt eine neue Bedeutung, denn Tracy wird auf der Fahrt in die Flitterwochen von Irma Bunt (Ilse Steppat121) erschossen.122

Unverständlicherweise macht sich James Bond im kommenden Film „Diamantenfieber“ (1971) auf die Suche nach Blofeld, obwohl der die tödlichen Schüsse gar nicht abgegeben hat. Die Figur Irma Bunt wurde seit „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969), wo sie überlebte (!) nie wieder gezeigt.

Was Fleming nicht schrieb, ließ sich Drehbuchautor Richard Maibaum123 für „Man lebt nur zweimal“ (1967) einfallen: Hier heiratet James Bond während einer Mission zur Tarnung die Japanerin Kissy Suzuki (Mie Hama124) und in „Liebesgrüße aus Moskau“ sind James Bond und Tatjana Romanova mit dem Orientexpress als Mr. und Mrs. David Somerset auf einer vorgetäuschten Hochzeitsreise.

Auf die Frage Honey Riders (Ursula Andress125) „Sind sie verheiratet, Mr. Bond?“ in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962), gibt Bond gar keine Antwort, da sie für ihn zu überraschend kommt.

Der Romanheld hat noch öfter als die Filmfigur Bond mit diesem Thema zu tun. Schon in „Casino Royale“ von 1953, Ian Flemings erstem Roman, will Bond Vesper Lynd einen Heiratsantrag machen.

Da sie vorher Selbstmord begeht, kommt es nicht dazu.126 Bonds Vorhaben war im Film „Casino Royale“ (2006) nicht zu sehen.

Auch Gala Brand aus Flemings „Moonraker“ (1955) scheint es dem Romanhelden angetan zu haben. 007 denkt über Flitterwochen nach, doch Brand heiratet einen anderen Mann.127

Im Buch „From Russia with Love“ (1957) sprechen 007 und sein Chef „M“ über Bonds verflossene Liebe Tiffany Case (aus „Diamonds Are Forever“), und Bond sagt, er hätte sie beinahe geheiratet. John Pearson128 greift James Bonds Beziehung zu Tiffany Case in seinem Buch „Agent 007 Das Leben von James Bond“ wieder auf: „Er (Bond) hatte immer nur eine Frau heiraten wollen, die etwas von Liebe und Sauce béarnaise verstand. Tiffany verstand von beidem etwas.“

Bleibt es bei Percy Proud aus dem Roman „Die Ehre des Mr. Bond“ (1984) auch nur ein „fast“, so schreitet 007 in John Gardners Buch „Scorpius“ (1988) erneut zum Traualtar. Der Schurke Wladimir Scorpius will James Bond und Harriet Horner verheiraten, da er dem Vater der potenziellen Braut einen Gefallen schuldet. James Bond geht die Ehe nur ein, weil er weiß, dass sie ungültig ist.

Im James-Bond-Roman „SeaFire“ (1994) macht 007 Frederika von Grüsse einen Heiratsantrag, den sie annimmt, aber zur Hochzeit kommt es nicht. John Gardner129 lässt von Grüsse zwar noch in „Cold“ auftreten, doch auf das Versprechen, das Bond und sie einander gegeben haben, wird nicht weiter eingegangen.

Es mag auch am Autorenwechsel von Gardner zu Raymond Benson130 liegen, dass die Verbindung zwischen Frederika von Grüsse und James Bond nicht mehr thematisiert wurde.

Eine Frau, die als mögliche Lebensgefährtin für den Agenten in Frage kommt, wird schnellstmöglich durch den Roman- oder Drehbuchautor eliminiert, sei es, dass man sie sterben lässt oder dass sie sich einem anderen Mann zuwendet beziehungsweise von Bond entfremdet wird und die beiden schließlich getrennte Wege gehen.

Bond-Schöpfer Ian Fleming, ein Frauenheld und Playboy, hatte u.a. eine Affäre mit der verheirateten Anne Geraldine Rothermere131, deren erster Mann im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Sie wurde im November 1951 von Fleming schwanger, und sowohl die Gewissheit, Vater zu werden als auch die Absicht, Rothermere zu heiraten, veränderten Fleming grundlegend.

Am 15. Januar 1952, zwei Monate und neun Tage vor der Eheschließung, begann Ian Fleming mit seiner Arbeit am ersten James-Bond-Roman „Casino Royale““ und arbeitete bis 6 Tage vor der Hochzeit daran.

Anne Geraldine Rothermere und Ian Fleming gaben sich am 24. März 1952 auf Jamaika das Jawort. Sohn Casper wurde am 12. August geboren.

Fleming setzt sich im Roman mit dem Thema Bonds Heirat auseinander. Er lässt 007 gegenüber Vesper Lynd ironisch anmerken, er wolle sie heiraten, weil sie die Temperatur des Badewassers passend gewählt habe - Lynd reagiert emanzipiert: „Du brauchst eine Sklavin und keine Ehefrau“ - und einmal spielt Bond tatsächlich mit dem Gedanken, zu heiraten.

War „Casino Royale“ Ablenkung und Überbrückung bis zur Hochzeit, so konnte Fleming in allen weiteren Romanen den Agenten das tun lassen, was ihm selbst nicht gelungen war: ihn mit allen Frauen schlafen lassen und ihn zum Helden machen, der keine Verpflichtungen hatte. Wenn er schließlich eine Frau traf und sich sogar verliebte, dann tötete Fleming seine weiblichen Romanfiguren oder ließ sie verschwinden. Bond war wieder frei.

Fleming schrieb bis zu seinem Tod 12 Romane und 9 Kurzgeschichten über den Agenten Ihrer Majestät, und das Thema Ehe ist darin immer wieder präsent. Gegenüber Tiffany Case äußert 007 in „Diamonds Are Forever“, er sei schon verheiratet - mit einer Person namens „M“.

John Pearson schreibt in seinem oft vernachlässigten Buch „Agent 007 Das Leben von James Bond“, Bond verlobte sich mit der Schwester eines Offiziers, die 22 Jahre alt war und Muriel hieß - dies ist die erste Erwähnung einer möglichen Heirat in der Biographie James Bonds.


Pearson beschreibt auch, wie 007 Kissy Suzuki einen Heiratsantrag macht, weil sie seinen Sohn James Suzuki132 geboren hat. Kissy lehnt den Antrag ab und heiratet einen bei Shell angestellten Japaner.

Weiter trifft James Bond in seinem Buch auf Honeychile Schultz (geb. Rider), die verwitwet ist und es auf Bond abgesehen hat. Tatsächlich plant Bond am Ende des Buches zu heiraten. Am Vorabend der Hochzeit findet eine große Party statt, doch Bill Tanner und andere Geheimdienstmitarbeiter versuchen Bond zu überreden, in den Secret Service zurückzukehren. Bond bleibt hart. Honey Schultz überredet ihn letztendlich, wieder in den aktiven Dienst zurückzukehren.

Zusammengefasst gibt es eine echte Heirat (mit Tracy di Vicenzo), eine unwirksame Trauung (mit Harriet Horner), zwei vorgespielte Hochzeiten bzw. Ehen (mit Kissy Suzuki und Tatjana Romanova), drei Verlobungen (mit Muriel, Honeychile Schultz und Frederika von Grüsse) sowie viermal das Vorhaben zu heiraten (mit Vesper Lynd, Gala Brandt, Tiffany Case und Percy Proud).

7) Bond für die Ohren

Als die James-Bond-Filme mit großem Erfolg in den Kinos liefen, war abzusehen, dass bald andere Zweige der Multimediabranche an diesem Erfolg teilhaben wollten. So erschienen in Deutschland die James-Bond-Hörspiele bei „Europa“, als erstes „James Bond 007 jagt Dr. No“. Das Ergebnis war enttäuschend, denn bis auf den Originalton, den man auch vorm heimischen Bildschirm hätte aufnehmen können, bieten diese Audio-Kassetten nichts wirklich Ansprechendes. Hinzu kommt, dass man die Handlung kaum versteht, wenn man den Film nicht vorher gesehen oder zumindest das Buch gelesen hat.

Lediglich ein Sprecher versucht, den Hörer auf dem Laufenden zu halten. Der Autor wiederum war nicht gut mit der Materie vertraut; so ist die Rede von Bonds Beretta, während 007 schon längst eine Walther PPK hat, oder von Strangway statt Strangways, obwohl der Name im Filmsound schon mehrfach genannt wurde.

Beim zweiten Hörspiel zum Film wurden die Informationen durch den Sprecher noch weiter reduziert. Ein Durchschauen der Handlung ist für den unerfahrenen Hörer nicht möglich. Der Sprecher bei den Hörspielveröffentlichungen war Norbert Langer133. Peter Bondy war für die Bearbeitung und Heikedine Körting134 für die Regie der Hörspielbearbeitung zuständig. Beim dritten Hörspiel „Goldfinger“ straffte man die Handlung wie bei den beiden Vorgängern. Besonders Actionszenen, wo nur Explosionen oder Reifenquietschen zu hören waren, beschrieb der Sprecher. Auf Shirley Bassies Ohrwurm „Goldfinger“ wollte man aber nicht ganz verzichten, und so ist ein Teil des Originalvorspann- und Abspannsounds zu hören. Oddjobs Demonstration der tödlichen Melone fehlt ganz, und im Moment, als Oddjob ums Leben kommt, sind die Geräusche für den unwissenden Hörer unmöglich bestimmten Aktionen zuzuordnen.

Zum Kinofilm „Feuerball“ (1965) ist kein Hörspiel erschienen, denn im ersten Teil des Films wird die Handlung von Aktionen dominiert, kaum gesprochen, und der rote Faden wäre für einen Bond-unerfahrenen Hörer nicht zu erkennen. Die zahlreichen Unterwasserpassagen des Films sind für eine Hörspielversion ungeeignet.

Die Firma „Europa“ veröffentlichte als viertes Abenteuer des Agenten überraschenderweise „Diamantenfieber“. Die umfangreichen Textpassagen brachten dieses Hörspiel zu einer Laufzeit von über 70 Minuten. Wieder scheint der Autor mit der Materie nicht vertraut zu sein. Das das automatisch fahrende elektrische Schweißgerät, das in der Pipeline auf James Bond zufährt und ihn in Bedrängnis bringt, wird zu einem Reinigungsgerät. Ferner wird sinnverfälschend davon gesprochen, dass Tiffany Case absichtlich von der Ölbohrinsel gesprungen sei. Im Film erkennt man sofort, dass es sich um eine Ungeschicklichkeit handelte und sie hinunterstürzte. Die Hörspiele dürfen eine bestimmte Laufzeit nicht überschreiten. So wurde die Pre-Title-Sequenz von „Diamantenfieber“ von 4 Minuten 35 Sekunden Laufzeit im Film auf 2 Minuten 33 Sekunden im Hörspiel verkürzt. In „Der Mann mit dem goldenen Colt“ fehlt die Pre-Title-Sequenz komplett, das Hörspiel beginnt mit einer musikalischen Einleitung, die in das Titellied des Films übergeht. Nachdem der Song kurz zu hören ist, werden die ersten Dialoge in „Ms“ Büro geführt.

 

Der Sprecher erklärt vieles. Der Bond-unerfahrene Hörer bekommt einen besseren Überblick, obwohl der Sprecher Unrichtiges von sich gibt. Er spricht von einer halb gesunkenen Dschunke statt von der Queen Elisabeth135 im Hafen von Hong Kong.

Schon im Hörspiel „Leben und sterben lassen“ sind dem Autor Fehler unterlaufen. Er scheint große Probleme mit den Namen zu haben: Aus Quarrel Jr. wird Skipper, Harold Strutter heißt bei ihm Trotter, und nachdem er Quarrel als diesen identifiziert hat, nennt er ihn Squorrel oder so ähnlich.

Es drängt sich die Vermutung auf, dass man bei der Produktion dieser Hörspiele nicht sehr viel Zeit gehabt hat. Der Sprecher ist an einigen Stellen zu langsam, dafür hört man anschließend den Filmton, der schon läuft, als der Sprecher noch zu hören ist, ein weiteres Mal. Es gibt Tonüberlagerungen und schlechte Schnitte.

Auch die zusätzliche „Spannungsmusik“ wertet das Ganze nicht auf. Und wenn die Stimme vom Tonband wieder von Bonds Beretta spricht, die von Tee Hee verbogen wird, kann der Bond-Fan nur den Kopf schütteln. Ebenso heißt es auf der Kassette, James Bond hätte die Brandbomben auf Kanangas Mohnfeldern gelegt, es war aber Quarrel.

Der Schreiber dieses Hörspiels schien eine Vorliebe für den Ausdruck „sprach es“ als Ersatz für „sagte“ zu haben und nervt den Zuhörer damit. In „Der Spion, der mich liebte“ bezeichnet der Sprecher Beißer als den „weißen Hai“, statt ihn beim deutschen Filmnamen zu nennen. In der englischsprachigen Originalversion heißt Beißer „Jaws“, und so hieß der Film „Der weiße Hai“ auf Englisch.

„Moonraker“ als Hörspiel - zehn Jahre nach dem Film erschienen - bietet wenig Neues. Zwar nutzte man für den Abspann den Originalsong (komplett), der auch am Ende des Films zu hören ist, doch liefen Film- und Sprecherton wieder asynchron. So ist der Sprecher schon bei der handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Bond und Chang zu hören, als der Ton der in Drax' Labor sterbenden Wissenschaftler eingeblendet wird - eine Szene, die im Film viel früher läuft. Einziger Lichtblick sind die von Norbert Langer gesprochenen Kommentare, die dem Hörer ermöglichen, zumindest dem Plot zu folgen.

Kürzungen und Fehler gab es auch im Hörspiel „In tödlicher Mission“: Es beginnt wieder einmal ohne Pre-Title-Sequenz. Ohne den Film zu kennen, versteht niemand, warum Bond auf seinen Lotus verzichten muss und mit Melinas „Ente“ (2 CV) flüchtet. Weder hängt, wie behauptet, an Bonds Hotelzimmertür ein „Bitte nicht stören“-Schild, bevor er auf Bibi (Lynn-Holly Johnson136) trifft, noch versteht der Zuhörer, warum die „St. Georges“ gesunken ist. Als später von einer Treibmine die Rede ist, kann man dem Handlungsfaden kaum folgen. Klare Handlungen werden völlig verkehrt dargestellt: Columbo hat sein Tonband (mit dem das Gespräch zwischen Kristatos und Bond mitgeschnitten wird) nicht in der Tasche, und 007 hechtet auch nicht, wie behauptet, absichtlich durch das Klosterfenster, um Kristatos zu fangen. Wer den Film kennt, weiß, dass er während einer Schlägerei hindurchstürzt. Kristatos stirbt im Hörspiel übrigens zweimal (Tonwiederholung).

Ähnliche Probleme treten auch bei „Octopussy“ auf: Das Hörspiel beginnt sofort in der Residenz des Botschafters in Berlin. Es wird behauptet, dass Gobinda 007 mit einem Knüppel niederschlägt (obwohl er es mit der bloßen Handkante tut), Kamal Khan bekommt bei der Tigerjagd angeblich zunächst nichts von James Bonds Flucht mit. Orlows Tod wird verfrüht beschrieben: Er stirbt durch den Kugelhagel seiner eigenen Männer, und auch Kamal findet laut dem Sprecher bereits im Monsun-Palast „kein rühmliches Ende“. Die komplette Passage mit Bonds Kampf gegen Gobinda (dessen Verbleib im Hörspiel ungeklärt bleibt) auf der Außenhaut eines Flugzeugs und Kamals Absturz fehlen gänzlich.

Hörspiel-Übersicht:

Folge 1)

James Bond jagt Dr. No (1988)

Folge 2)

Liebesgrüße aus Moskau (1988)

Folge 3)

Goldfinger (1988)

Folge 4)

Diamantenfieber (1988)

Folge 5)

Man lebt nur zweimal (1988)

Folge 6)

Im Auftrag Ihrer Majestät137 (1988)

Folge 7)

Leben und sterben lassen (1989)

Folge 8)

Der Spion, der mich liebte (1989)

Folge 9)

Der Mann mit dem goldenen Colt (1989)

Folge 10)

Moonraker, streng geheim (1989)

Folge 11)

In tödlicher Mission (1989)

Folge 12)

Octopussy (1989)

Folge 13)

Die Welt ist nicht genug (2 Teile) (2000)

Zum Thema „Bond für die Ohren“ gehört auch der Sound in den Filmen. Ein Paradebeispiel ist „James Bond jagt Dr. No“ (1962). Alle Soundeffekte in diesem Film sind im positiven Sinne übertrieben.

Norman Wanstall138 war der verantwortliche Sounddesigner des ersten Bond-Abenteuers. Er entschied, in diesem damals futuristisch anmutenden Film die Geräusche zu verstärken und zu ergänzen.

Das Ganze wurde als „Steigerung des Produktionswertes“ des Films beschrieben.

Wanstall ließ Stimmen einfügen, die von Menschen im Hintergrund der entsprechenden Szene stammen sollten.

In der Casino-Szene am Anfang des Films unterhalten sich beispielsweise zwei Frauen über ihr Kleingeld. Am Hafen, als 007 und Quarrel erstmals aufeinandertreffen, sprechen zwei Fischer über ihre Netze.

Die Art der Geräuschzusammenstellung ist aufwendig. Wanstall, der seine Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Winston Ryder139 gesammelt hatte, benutzte allein für das Geräusch des Zerdrückens der Statue auf Dr. Nos Tisch sieben verschiedene Tonelemente, die er miteinander kombinierte (eines davon war das Zerdrücken einer Cola-Dose). Norman Wanstall bezeichnete dieses Geräusch als eine der kompliziertesten und aufwendigsten Tonproduktionen an „James Bond 007 jagt Dr. No“.

Auch Bonds Flucht durch das Röhrensystem in Julius Nos Hauptquartier wurde durch zusätzliche unbekannte und auch real nicht existierende Geräusche verstärkt. Was mit dem Geräusch eines normalen Lüftungsschachts beginnt, steigert sich zu einem Dröhnen und fremdartigen Echo. Für das Donnern des heranrollenden Wassers erinnerte sich Wanstall an seinen Kollegen Gordon K. McCallum140. Dieser hatte ein Donnern für den Film „El Cid“141 erzeugt, das das Geräusch von galoppierenden Pferden darstellen sollte.

Wanstall lieh sich die Tonspur aus und legte sie über die Passage im Film, in der das Wasser auf 007 zuschießt.

Die Reaktionen auf die Soundeffekte in diesem Film waren nicht nur von Seiten des Publikums sehr stark, sogar in Radiosendungen wurde darauf eingegangen.

Wanstall führte seine Arbeit bei „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963), „Goldfinger“ (1964), „Feuerball“ (1965), und „Man lebt nur zweimal“ (1967) fort. Für „Goldfinger“ gewann er einen Oscar für die Soundeffekte.

Auch das übertriebene Geräusch beim Öffnen eines Vorhangs in „Feuerball“ (1965) stammt von Norman Wanstall.

Um nur einige Szenen zu nennen, in denen die Geräuschverstärkung (auch von anderen) als Stilmittel eingesetzt wurde: Bei der Schlägerei zwischen James Bond und drei Handlangern vor Dracos Büro in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) sind zahlreiche Töne mit Hall unterlegt, das Geräusch der zersplitternden Fensterscheibe im Zug, als sich Bond und Grant in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) prügeln, wurde mehrfach übereinander gelegt und so verstärkt.

Peter Hunt, der bei „Feuerball“ (1965) hauptamtlich für den Schnitt verantwortlich war, ließ mehrere Personen (auch in anderen Bond-Filmen) von Sprechern nachsynchronisieren, deren Stimmen eine ähnliche Klangfarbe hatten.

Äußerst aufwendig gestaltete sich die Geräuschcollage in „Skyfall“ (2012) in der Szene, in der Silva sich die Wangenknochenprothese herausnimmt. Sam Mendes behauptet, dass ihm beim Ansehen der Szene noch immer übel wird.

Neben Mendes und Scott Millan arbeiteten am Geräusch Greg P. Russell, Per Hallberg und Karen Baker Landers mit.

Außer den offensichtlichen Tonspielereien gibt es auch unterschwellige Töne. Als das Columbia-Logo am Anfang zu sehen ist, hört man einen Muezzin und bekommt so einen Hinweis darauf, wo sich 007 befindet.

Die Produzenten schickten George Lazenby zu einem Sprachlehrer, damit er seinen australischen Akzent ablegte, und als Lazenby seinen ersten Termin bei diesem Lehrer hatte, verließ gerade ein anderer Schüler die Praxis: Harold Wilson142. Trotz des Unterrichts verlangten Lazenbys Stimme und die Reste seines Akzents nach einer besonderen Lösung; deshalb wurde Lazenby von dem Moment ab im Film synchronisiert, als er sich als Sir Hilary Bray ausgibt. So sprach der Darsteller des Bray, George Baker143, 007 die meiste Zeit. Nach Bonds Enttarnung ist wieder die Originalstimme George Lazenbys zu hören.

In der deutschen Version kommt es nicht zur Stimmveränderung. Hier wird Lazenby durchgängig von Gert Günther Hoffmann144 gesprochen, der auch Sean Connery in allen 007-Filmen die deutsche Stimme lieh, mit Ausnahme von „Sag niemals nie“ (1983). Hier wechselt Connerys deutsche Stimme in einigen Szenen von einem Sprecher zum anderen, weil Gert Günther Hoffmann 1997 verstorben war. Erst nach seinem Tod kam eine erweiterte DVD zu „Sag niemals nie“ auf den deutschen Markt, die bisher nicht übersetzte Szenen enthielt. Die zusätzlichen Szenen wurden von Engelbert von Nordhausen145 gesprochen.

Noch eine Stimme kommt in der englischen Originalversion von „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ vor: Der Darsteller Gabriele Ferzetti146 (er spielt Tracys Vater Marc Ange Draco) wurde von David de Keyser147 synchronisiert. De Keyser wiederum spielte im folgenden Film „Diamantenfieber“ (1971) den Zahnarzt Dr. Tynan, der von Mr. Wint (Bruce Glover148) und Mr. Kidd (Putter Smith149) getötet wird.

Die Nachsynchronisation von „Sag niemals nie“ (1983) ist nachvollziehbar. Auch einige Passagen aus „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) mussten für eine erweiterte DVD-Version neu synchronisiert werden, da sie in der alten nicht enthalten waren. Doch abgesehen von der Aufwertung mit zusätzlichen Geräuschen, wie beispielsweise einem passenden Glockenläuten, als 007 mit einem Wagen vor der Anwaltskanzlei Gumpold ankommt, und den verschiedenen Vogelstimmen am Piz Gloria, leistete man sich im Tonstudio unverzeihliche Fehler. Zum einen synchronisierte man Szenen George Lazenbys neu, die bereits mit der Stimme von Gert Günther Hoffmann für den deutschsprachigen Markt existierten (gleiches passierte auch in einigen Szenen, in denen Blofeld, Tracy, Marc-Ange Draco und „Q“ sprachen), zum anderen wurde ungenau gearbeitet. So bei einer neu enthaltenen Szene, in der sich Draco und Tracy in seinem Auto unterhalten: Draco: „Ich werde morgen mit Malone sprechen.“

Der Zuhörer fragt sich, wer dieser geheimnisvolle Malone ist. Im englischen Original sagt Draco allerdings: „Tomorrow I will speak to him alone.“ Aus „him alone“ wurde im Deutschen „Malone“!

Aber gelegentlich gibt es auch im Originalton Seltsames zu hören: In „Diamantenfieber“ (1971) ist eine Textzeile zweimal vorhanden, nämlich als Sir Donald Munger (Laurence Naismith150) „M“ und Bond über Diamanten und deren Gewinnung aufklärt: „The whole process operates under an airtight security system.“ Derselbe Satz fällt einmal im Gespräch mit Munger und einmal aus dem Off.

In der deutschen Synchronversion von „Feuerball“ (1965) wurde unverständlicherweise ein Datum geändert. Hieß es im Originalton, die Diamanten sollen am 27. Mai (1965) abgeworfen werden, wurde daraus der 25. März. Im selben Film sagt der Minister in der deutschen Version zu „M“: „Uns bleiben noch genau 12 Stunden und zwanzig Minuten.“, im englischen Original: „We have exactly 14 hours and 50 minutes.“

 

Man sollte sich nicht wundern, wenn einem in Versionen der Filme Stimmen von unterschiedlichen Figuren seltsam vertraut erscheinen. Monica van der Zyl, eine Synchronsprecherin, die berühmt wurde, weil sie Ursula Andress in „Dr. No“ ihre Stimme lieh151, sprach in dem Film auch alle anderen weiblichen Rollen, außer Miss Moneypenny, Miss Taro und möglicherweise Schwester Rose und Schwester Lily.

Außerdem war van der Zyl die Sprachtrainerin für Gert Fröbe, dessen Englisch begrenzt war.

[no image in epub file]Nicht nur 007 kann tanzen - Nikki van der Zyl und Autor Danny Morgenstern 2013 in Braunschweig. Foto © Henry Behrens

Zurzeit arbeitet sie als Künstlerin, Dichterin und öffentliche Rednerin. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie in London. Zum 50. Jubläum von „Liebesgrüße aus Moskau“ berichtete van der Zyl in Braunschweig vor 750 Gästen in einer Talkrunde von ihren Erfahrungen mit den Bond-Filmen. In Berlin widmete sich 2013/14 eine umfangreiche Ausstellung ihrem Leben.

Synchronisationsrollen von van der Zyl (sie gab in einem Interview an, sich gar nicht mehr an alle Sprechrollen zu erinnern, deshalb könnte die Auflistung unvollständig sein):

„Dr. No“ (1962): Ursula Andress (Honey Rider) und andere weibliche Figuren in diesem Film.

„From Russia with Love“ (1963): Eunice Gayson (Sylvia Trench) und die Büroangestellten im Hotel in Istanbul.

„Goldfinger“ (1964): Shirley Eaton (Jill Masterson) und Nadja Regin (Bonita).

„Thunderball“ (1965): Claudine Auger (Domino) und Diane Hartford (die Frau mit dem roten Kleid im Nachtclub).

„Casino Royale“ (1967): Ursula Andress (Vesper Lynd).

„You Only Live Twice“ (1967): Mie Hama (Kissy Suzuki).

„On Her Majesty's Secret Service“ (1969): Virginia North (Olympe) und verschiedene andere Darstellerinnen.

„Diamonds Are Forever“ (1971): die Touristenführerin auf dem Boot in Amsterdam.

„Live and Let Die“ (1973): einige Textpassagen von Jane Seymour (Solitaire).

„The Man with the Golden Gun“ (1974): Francoise Therry (Chew Mee) und verschiedene andere Darstellerinnen.

„Moonraker“ (1979): Corinne Cléry (Corinne Dufour) und andere Darstellerinnen.

In seltenen Fällen führen auch Tonfehler zu Ungereimtheiten in James-Bond-Filmen. In der Pre-Title-Sequenz von „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) ist das Reifenquietschen von Bonds Aston Martin zu hören, obwohl der Wagen am Strand auf Sand fährt und bremst. Damit der Wagen auf dem Sand beschleunigen konnte, wurden Bahnschwellen vergraben, und Tracy Di Vicenzo fuhr in der entsprechenden Szene schnell davon.

Als der Lieferwagen, mit dem Bond und Anya Amassova in „Der Spion, der mich liebte“ (1977) in Ägypten durch die Wüste fahren, den Geist aufgibt, hört man zunächst etwas Blechernes auf dem Boden entlangrollen und dann erst das Geräusch, wie das Objekt zu Boden fällt (Bond kommentiert: „Die Zylinderkopfdichtung ist hin“).

Manchmal bekommen wir Bond für die Ohren, wo im Original Totenstille herrscht. Als sich 007 in „Leben und sterben lassen“ (1973) auf den Weg nach Amerika macht, sieht die Hellseherin Solitaire (Jane Seymour152) die Zukunft voraus: „Ein Mann kommt an. Er reist sehr schnell. Er kommt über das Wasser. Er reist mit anderen. Er ist unser Feind. Er bringt Gewalt und Zerstörung.“ Bis zum letzten Satz stimmt die Übersetzung auch mit den Inhalten überein, doch als 007 durch die Halle des JFK-Flughafens in New York geht, sagt die Solitaire-Stimme aus dem Off plötzlich: „Er ist eingetroffen.“ An der entsprechenden Stelle ist im Originalfilm nichts zu hören.

Einige Töne in der Welt des 007 haben ganz besonderen Wiedererkennungswert wie das seit 1962 immer wiederkehrende Sirenengeheul:

In „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) hört es der Kinobesucher zum ersten Mal, als James Bond in Dr. Nos Hauptquartier den Atomreaktor außer Kontrolle bringt und zusammen mit Honey Rider flieht. Die Sirene ertönt, bevor beide in ein Boot steigen und fliehen.

Die Sirene ist zu hören, bevor Bond in „Man lebt nur zweimal“ (1967) über den Torpedo-Schacht das U-Boot verlässt, um an die Küste Hongkongs zu gelangen, und später noch einmal, als er den Safe von Osato (Teru Shimada153) knackt und daraus Dokumente stiehlt, beim Raketenstart in Blofelds Krater und auch, als eine Wache Alarm auslöst („Unbekannte Männer im Krater“).

Blofeld benutzt die Sirene in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969), als 007 mit Skiern vom Piz Gloria flieht und auch, als die Helikopter154 die Bergfestung angreifen.

In „Diamantenfieber“ (1971) ist die Sirene beim Angriff auf die Ölbohrinsel zu hören, in einer leicht geänderten Tonlage schließlich 1977, als der Helikopter mit den Entwicklern des U-Boot-Ortungssystems in „Der Spion, der mich liebte“ Karl Strombergs „Atlantis“ verlässt.

Das Geräusch wurde von den Tontechnikern auch in „Casino Royale“ (2006) verwendet: Bond verfolgt Obanno in die Botschaft und löst das Alarmsignal aus, als er beginnt, Amok zu laufen. Und auch die Fans der Bond-Computerspiele bekommen den altbekannten Ton zu hören: So in „Tomorrow Never Dies“, wenn 007 auf der Suche nach Paris Carver (Teri Hatcher155) ist, und ebenso im Level sieben nach dem Deaktivieren eines Sicherheitssystems.

In „Lizenz zum Töten“ (1989) geben die von einem Truck abprallenden Projektile aus einem Maschinengewehr die Tonfolge des James-Bond-Themas wieder und in „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) erklingen genau in dem Moment die ersten Töne aus dem Film „James Bond jagt Dr. No“ (1962), als 007 nach einem Herzstillstand wieder ins Leben zurückkehrt. Damit wird der „Geburtsmoment“ der Agentenserie ins Gedächtnis der Zuschauer zurückgerufen.

Als sich der Geheimagent in „Lizenz zum Töten“ (1989) an der Fassade des „Casino de Isthmus“ abseilt, um zum Bürofenster von Franz Sanchez zu gelangen, stößt er sich von der rechten Brust einer Statue ab. Dazu ist aus dem Straßenlärm vor dem Kasino ein Hupen zu hören, als hätte Bond es mit dem Druck auf die Brust ausgelöst.

Neben den Geräuschen verdient die Musik in den Filmen Beachtung, so zum Beispiel das Lied „The Look of Love“ aus dem Soundtrack „Casino Royale“ (1967). Der Song brachte Sérgio Mendez und Brazil '66156 am 10. April 1968 eine Oscar-Nominierung ein. Das Lied wurde von Burt Bacharach157 geschrieben und von Dusty Springfield158 gesungen (in der deutschen Version des Films als „Ein Blick von dir“ von Mireille Mathieu159). Mike Myers soll das Lied 1997 im Autoradio gehört haben und es regte ihn zur James-Bond-Parodie „Austin Powers160“ an. Myers brachte das Lied in seinem Film unter und konnte Burt Bacharach zu einem Cameo-Auftritt bewegen.

Bacharach gewann 1982 einen Oscar für den besten Song zum Film „Arthur - Kein Kind von Traurigkeit“, und deshalb gingen Bill Conti161 (Musik) und Michael Leeson (Text), die für den besten Song mit „For Your Eyes Only“ zum Film „In tödlicher Mission“ (1981) nominiert waren, leer aus.

Neben Mireille Mathieu sangen noch andere Interpreten James-Bond-Titellieder (meist minder erfolgreich) mit deutschem Text. So gab es am Ende von „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) in den deutschen Kinos einige Kopien, in denen man das Lied „Die Wolga ist weit“ von Ruth Berlé162 gegen den Song „From Russia with Love“ ausgetauscht hatte.

André Gissy163 sang die deutsche Version von „You Only Live Twice“ mit dem Titel „Man lebt nur zweimal“.

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Gissy André - Man lebt nur zweimal

Tanja Berg164 interpretierte „Diamanten sind für immer“ und orientierte sich dabei an Shirley Bassey.

Tine Kemp war mit „Kein anderer fliegt mich höher“, der deutschen Version von „Nobody Does It Better“, erfolglos.

Zu guter Letzt gab es da noch Sollie Nero, der mit „In deinen Augen“ - dem deutschen Pendant zu „For Your Eyes Only“ keinen Erfolg hatte. Seit dieser Eindeutschung hat sich kein weiterer Interpret an eine deutsche Version eines 007-Titelliedes gewagt.

„Echte“ Interpreten von James-Bond-Songs können aber sicher sein, dass ihre Lieder, auch wenn sie keine Oscars gewinnen und vielleicht sogar nicht den Geschmack der breiten Masse treffen, durch das allgemeine Interesse an den James-Bond-Filmen Aufmerksamkeit erhalten. Die Band Garbage erreichte mit dem Titellied „The World is not enough“ zum gleichnamigen Film von 1999 in Deutschland Platz 35 der nationalen Verkaufscharts. Das ist Garbages bisher höchste Platzierung in Deutschland. In den USA und Großbritannien schaffte die Single den Sprung in die Top 20.