Die Göttliche Komödie

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Wir lasen einst, weils beiden Kurzweil machte,

Von Lanzelot, wie ihn die Lieb umschlang.

Wir waren einsam, ferne von Verdachte.

Das Buch regt in uns auf des Herzens Drang,

Trieb unsre Blick und macht uns oft erblassen,

Doch eine Stelle wars, die uns bezwang,

Als das ersehnte Lächeln küssen lassen,

Der, so dies schrieb, vom Buhlen schön und hehr.

Da naht er, der mich nimmer wird verlassen,

da küßte zitternd meinen Mund auch er—

Galeotto war das Buch, und ders verfaßte—

An jenem Tage lasen wir nicht mehr.

Der eine Schatten sprachs, der andre faßte

Sich kaum vor Weinen, und mir schwand der Sinn

Vor Mitleid, daß ich wie im Tod erblaßte,

Und wie ein Leichnam hinfällt, fiel ich hin.

Sechster Gesang

Bei Rückkehr der Erinnrung, die sich schloß

Vor Mitleid um die zwei, das so mich quälte,

Daß das Bewußtsein mir vor Schmerz zerfloß,

Erblickt ich neue Qualen und Gequälte

Rings um mich her, ob den, ob jenen Pfad

Zum Gehn und Schaun sich Fuß und Auge wählte.

Es war der dritte Kreis, den ich betrat,

Von ewgem, kaltem, maledeitem Regen

Von gleicher Art und Regel früh und spat.

Schnee, dichter Hagel, dunkle Fluten pflegen

Die Nacht dort zu durchziehn in wildem Guß;

Stank qualmt die Erde, dies empfängt, entgegen.

Ein Untier, wild und seltsam, Zerberus,

Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen

Jedweden an, der dort hinunter muß.

Schwarz, feucht der Bart, die Augen rote Höhlen

Mit weitem Bauch, die Hände scharf beklaut,

Vierteilt, zerkratzt und schindet er die Seelen.

Sie heulen, wie die Hund, im Regen laut,

Und sie verschaffen sich durch öftres Drehen

Auf einer Seite mindstens trockne Haut.

Der große Höllenwurm, der uns ersehen,

Riß auf die Rachen, zeigt uns ihr Gebiß

Und ließ kein Glied am Leibe stillestehen.

Virgil streckt aus die offnen Händ und riß

Erd aus dem Grund, die in die giergen Rachen

Er alsogleich mit vollen Fäusten schmiß.

Wies pflegt ein keifig böser Hund zu machen,

Des Bellen schweigt, wenn er den Fraß erbeißt,

Der wilden Grimm vermocht, ihm anzufachen;

So jetzt mit schmutzgen Schlünden jener Geist,

Der so durchdröhnt die armen Leidensmatten,

Daß jeder hochbeglückt die Taubheit preist.

Wir gingen über die gequälten Schatten,

Indem wir auf ihr Nichts, das Körper schien,

Im tiefen Schlamm gestellt die Sohlen hatten.

Sie lagen allesamt am Boden hin,

Nur einen sahn wir sich zum Sitzen heben,

Wie er uns dort erblickt im Weiterziehn.

Er sprach: "Der du zur Hölle dich begeben,

Erkenne mich, dafern dirs möglich ist;

Du Iebtest, eh ich aufgehört zu leben."

Und ich zu ihm: "Die Angst, in der du bist,

Zieht dich vielleicht aus meinem Angedenken;

Mir scheint, ich sähe dich zu keiner Frist.

Wer bist du? Sprich, was konnte dich versenken

In eine Qual, die, gibts auch größre Pein,

Nicht widriger kann sein, noch ärger kränken."

"In eurer Stadt," so sprach er, "die allein

Der Neid erfüllt, und bis zum Überfließen,

Genoß ich einst des Tages heitern Schein.

Ich bins, den Ciacco eure Bürger hießen,

Zur Qual für schnöde Schuld des Gaumens muß,

Du siehsts, auf mich sich ewger Regen gießen.

Und mich allein nicht züchtigt dieser Guß,

Nein, alle diese leiden gleiche Plagen

Für gleiche Schuld."—So seiner Rede Schluß.

Und ich: "Mich haben, Ciacco, deine Klagen

Zum Mitleid und zu Tränen fast gerührt.

Allein, wenn du es weißt, so magst du sagen,

Wohin noch unsrer Stadt Parteiung führt?

Ob wer gerecht ist? Was in diesen Zeiten

In ihr die Glut der wilden Zwietracht schürt?"

Und er darauf zu mir: "Nach langem Streiten

Kommts dort zu Blut, dann treibt die Waldpartei

Die andre fort mit vielen Grausamkeiten.

Doch in drei Sonnen ists mit ihr vorbei,

Neu günstig sind der andern die Gestirne,

Durch eines Mannes Macht und Heuchelei.

Hoch hebt sie dann auf lange Zeit die Stirne

Und hält den Feind mit großer Last beschwert,

Wie er auch sich beklag und sich erzürne.

Zwei find gerecht dort, aber nicht gehört.

Neid, Geiz und Hochmut—diese drei sind Gluten,

In welchen sich der Bürger Herz verzehrt."

Als hier des Schattens Jammertöne ruhten,

Sprach ich zu ihm: "Noch weiteren Bericht

Erlaube mir, dir bittend anzumuten.

Tegghiajo, Farinata, treu der Pflicht,

Arrigo, Rusticucci, Mosca—sage!—

Und andre, nur auf Gutestun erpicht,

Wo find sie? Welches ist ihr Los? Ich trage

Verlangen, hier ihr Schicksal zu erspähn,

Obs Himmelswonne sei, ob Höllenplage?"

Und er: "Sie stürzte mancherlei Vergehn

Zu schwärzern Seelen nach den tiefern Gründen.

Steigst du so tief, so wirst du alle sehn—

Kehrst du zur süßen Welt aus diesen Schlünden,

Bring ins Gedächtnis dann der Menschen mich.

Mehr sag ich nicht, mehr darf ich nicht verkünden."

Scheel ward sein grades Aug und wandte sich

Nach mir; dann sank er mit dem Haupte nieder,

So daß er ganz den andern Blinden glich.

Drauf sprach mein Führer: "Nie erwacht er wieder,

Bis er vor englischer Posaun ergraust,

Und der Gewalt, dem Sündenvolk zuwider.

Zum Grab kehrt jeder, wo sein Körper haust,

Empfängt sein Fleisch zurück und die Gestaltung

Und hört, was ewig widerhallend braust."

Wir gingen langsam fort in schwerer Haltung,

Durchs Kotgemisch von Schatten und von Flut.

Vom künftgen Leben war die Unterhaltung.

Drum ich: "Mein Meister, wird der Qualen Wut

Sich nach dem großen Urteilsspruch vermehren?

Vermindert sich, bleibt sich nur gleich die Glut?"

Und er: "Gedenk an deines Weisen Lehren:

So sehr ein Ding vollkommen ist, so sehr

Wird sichs im Glücke freun, im Schmerz verzehren

Und kann gleich der Verdammten zahllos Heer

Vollkommenheit, die wahre, nie erringen,

So harrt es doch in jener Zeit auf mehr."

Wir fuhren fort, im Kreise vorzudringen,

Mehr sprechend, als zu sagen gut erscheint,

Bis hin zum Platz, wo Stufen niedergingen,

Und fanden Plutus dort, den großen Feind.

Siebenter Gesang

Aleph, Pape Satan, Pape Satan!

Erhob, rauh kluchzend, Plutus seine Stimme.

Und er, der alles wohl verstand, begann:

"Getrost, nicht fürchte dich vor seinem Grimme,

Durch alle seine Macht wirds nicht verwehrt,

Daß ich mit dir den Felsen niederklimme."

Und dann, zu dem geschwollnen Mund gekehrt,

Rief er: "Wolf, schweige, du Vermaledeiter!

Von deiner Wut sei in dir selbst verzehrt!

Wir gehn nicht ohne Grund zur Tiefe weiter,

Dort will mans, dort, wo einst den Stolz mit Schmach

Gezüchtigt Michael, der Himmelsstreiter."

Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach,

Erst aufgebläht zum Knäuel niederrollen,

So fiel das Untier, das so drohend sprach.

So gings zum vierten Kreis im schmerzenvollen

Unselgen Schacht, der alle Schuld umfängt,

Von welcher je im Weltall Kund erschollen.

Gerechtigkeit des Herrn, dein Walten drängt

So neue Mühn zusammen, solche Plagen!

O blinde Schuld, die hier den Lohn empfängt!

Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen,

Zum Gegenstoß gewälzt von Süd und Nord,

So muß sich hier das Volk im Wirbel jagen.

Noch nirgend war die Schar so groß wie dort.

Laut heulend kamen sie von beiden Enden

Und wälzten Lasten mit den Brüsten fort.

Und stießen sich, um sich beim Prall zu wenden,

Und dann zurück im Bogenlauf zu ziehn,

Und schrien sich zu: Was halten?—Was verschwenden?

So durch den Kreis, in dem kein Lichtstrahl schien,

Gings beiderseits dann nach der andern Seite,

Indem sie beid ihr schändlich Schmähwort schrien.

Dann wandte jeder sich zum neuen Streite,

Sobald er seines Zirkels Hälft umkreist;

Und ich, der ich den Armen Mitleid weihte,

Sprach: "Meister, o wie zagt, wie bangt mein Geist

Wer ist dies Volk? Die links hier scheinen Pfaffen!

Ists jeder, der uns eine Glatze weist?

Und er: "Dies sind die Blinden, Geistesschlaffen.

Sie wußten in der Welt zum Geben nie

Und nie zum Sparen sich ein Maß zu schaffen.

Und dies erhellt aus dem, was jeder schrie,

Wenn sie im Kreis gelangt zu zweien Orten;

Da trennt der Gegensatz des Lasters sie.

Die mit den Glatzen waren Pfaffen dorten;

Auch öffneten wohl Papst und Kardinal

Dem Geiz als Zwingherrn ihres Herzens Pforten."

Drauf sprach ich: "Meister, kenn in dieser Zahl

Ich keinen, der im Schmutz so eitlen Strebens

Sich hier erworben hat die ewge Qual?"

Und er zu mir: "Dein Suchen ist vergebens,

Unkenntlich macht sie ihr verdientes Los

Durch Kot und Schmutz bewußtlos dunkeln Lebens.

So kommen stets zum Stoß und Gegenstoß,

Bis sie erstehn—die mit verschnittnen Haaren,

Die mit geschlossner Faust—dem Grabesschoß.

Versetzt hat sie schlecht Geben und schlecht Sparen

Von jener heitern Welt in diesen Zwist;

Nicht sag ich welchen, denn du kannsts gewahren.

Sieh hier, mein Sohn, welch eitles Ding es ist

Um jenes Gut Fortunens, das die Leute

Zum Kampfe reizt und zu Gewalt und List.

Gib diesen Müden alles Gold zur Beute,

Das sie gehabt, ja alles Gold der Welt,

Und keine Stunde Ruh gibts ihnen heute."

Und ich: "Mein Meister, sprich, wenn dirs gefällt,

 

Wer ist Fortuna doch, die, wie ich hörte,

In ihren Klaun der Erde Güter hält?"

Und er zu mir: "O Arme, Trugbetörte!

Unwissende, zum Schlimmsten stets geneigt!

O daß mein Spruch jetzt aller Wahn zerstörte!

Er, dessen Weisheit alles übersteigt,

Erschuf die Himmel und gab ihnen Leitung,

Daß jedem Teil sich jeder leuchtend zeigt,

Durch seines Lichts gleichmäßige Verbreitung.

So gab er schaffend auch die Dienerin

Dem Erdenglanz zur Führung und Begleitung.

Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin,

Bringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert,

Und kümmert nicht sich um der Menschen Sinn.

Dies Volk befiehlt, ein andres dient und trauert,

Wie jene Führerin das Urteil spricht,

Die, wie die Schlang im Gras, verborgen lauert.

Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht,

Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche,

Und weicht darin den andern Göttern nicht.

Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche;

So macht sie, von Notwendigkeit gejagt,

Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche.

Sie ists, die ihr ans Kreuz oft wütend schlagt,

Von der ihr oft, wenn ihr, anstatt zu schmollen,

Sie loben solltet, fälschlich Böses sagt.

Doch sie, die Selge, hört nicht euer Grollen;

In andrer erstgeschaffnen Seligkeit

Und Wonne, läßt sie ihre Kugel rollen.—

Doch eilig weiter jetzt zu größerm Leid!

Die Stern, aufsteigend, als ich fortgeschritten,

Gehn abwärts itzt, und unser Weg ist weit."

Am andern Rand ward nun der Kreis durchschnitten,

An einem Quell, der siedend dort entspringt,

Des Wellen fort durch einen Graben glitten.

Mehr trüb als schwarz ist seine Flut und bringt,

Wenn man ihr folgt, hinab zu rauhen Wegen,

Durch die man mit Beschwerde niederdringt.

Dann qualmt ein Sumpf, mit Namen Styx, entgegen

Dort, wo der traurge Fluß vom Laufe ruht,

Am Fuß des greulichen Gestads gelegen.

Dort stand ich nun und sah nach jener Flut,

Und jäh im Sumpfe Leute, kotge, nackte,

Zugleich des Jammers Bilder und der Wut.

Man schlug sich nicht mit Fäusten nur, man hackte

Mit Haupt und Brust und Füßen auf sich ein,

Indem man wild sich mit den Zähnen packte.

Mein Meister sprach: "Sohn, sieh in dieser Pein

Die Seelen derer, so der Zorn bezwungen.

Auch unterm Wasser müssen viele sein;

Und wenn ein Seufzer ihnen sich entrungen.

Dann steigen Blasen auf von ihrer Not,

Drum sieh von Kreisen diese Flut durchschwungen.

Und immer rufen sie, versenkt im Kot:

Wir waren elend einst im Sonnenschimmer

Und hegten Groll und Tücke bis zum Tod,

Und elend sind wir nun im Schlamm noch immer.

Dies Lied klingt gurgelnd vor aus ihrem Schlund,

Stets schluckend, enden sie die Worte nimmer.

So gingen, zwischen Pfuhl und festem Grund,

Wir an dem schmutzgen Teich in weitem Bogen,

Den Blick gewandt zum Volk mit Schlamm im Mund,

Bis wir zu eines Turmes Fuß gezogen.

Achter Gesang

Lang eh wir noch, so fahr ich fort, zu sagen,

Dem Fuß des hohen Turms uns konnten nahn,

War unser Blick zur Zinn emporgeschlagen,

Weil wir zwei Flämmchen dort entzünden sahn,

Als Rücksignal ein andres, So entlegen,

Daß es das Auge kaum noch könnt erfahn.

Da kehrt ich meinem Weisen mich entgegen:

"Was ist dies? Welch ein Zeichen wohl bezweckt

Das dritte Feur? Wer sind sie, dies erregen?"

Und er zu mir: "Sieh hin, dein Aug entdeckt.

Was unsrer harrt, dort auf den schmutzgen Wogen,

Wenn dirs der Qualm des Sumpfes nicht versteckt."

Und rasch, wie ich den leichten Pfeil vom Bogen

Je fortgeschnellt durch hohe Lüfte sah,

Kam durch das Moor ein kleiner Kahn gezogen.

Bald war er uns am grauen Strande nah,

Obwohl von einem Rudrer nur gefahren,

Der schrie: Verruchte Seele, bist du da?

"Phlegias, Phlegias, du magst dein Schreien sparen,"

So sprach mein Herr, "umsonst ists angestimmt;

Wir sind nur dein, solang wir überfahren."

Wie wer von einem großen Trug vernimmt,

Den man ihm angetan zu Schmach und Schaden,

So zeigte Phlegias wild sich und ergrimmt.

Mein Führer stieg ins Schiff von den Gestaden,

Und zu sich setzen hieß er mich sodann,

Und als ich drin war, schien es erst beladen.

Sobald wir beid uns eingesetzt, begann

Des Nachens Fahrt und furchte tiefre Zeilen,

Als er mit andrer Bürde furchen kann.

Indessen wir die tote Moorflut teilen,

Kommt einer, kotbedeckt, vor mich und spricht:

"Wer heißt dich vor der Zeit herniedereilen?"

"Ich komme," sprach ich, "aber bleibe nicht.

Doch wer bist du, So widrig und abscheulich?"—

"Ein Heulender, dies sagt dir dein Gesicht."—

Und ich: "Denkst du, dein Heulen sei erfreulich?

Vermaledeiter Geist, fort, weg von mir!

Ich kenne dich, sei noch so wild und greulich!"

Die Hände streckt er nun zum Kahn voll Gier,

Und mit Gewalt mußt ihn mein Herr verjagen,

Der sprach: "Mit andern Hunden, weg von hier!"

Drauf hielt er seinen Arm um mich geschlagen

Und küßte mich und sprach: "Erzürnter Geist,

Beglückt die Mutter, welche dich getragen!

Stolz war im Leben dieser—niemand preist

Von ihm nur einen guten Zug auf Erden,

Daher er hier sich noch in Wut zerreißt.

Viel Fürsten gibts dort, die sich stolz gebärden,

Die, Schmach nur hinterlassend, wie die Saun,

Im Schlamme hier auf ewig wühlen werden."

Und ich: "Begierig war ich wohl, zu schaun,

Wie er in diesem Schlamme tauchen müßte,

Eh wir verlassen diesen See voll Graun."

Und er zu mir: "Bevor sich noch die Küste

Dir sehen läßt, erfreut dich der Genuß.

Befriedigung gebühret dem Gelüste."

Bald sah ich, wie zu Qual ihm und Verdruß

Die Kotigen mit ihm beschäftigt waren,

Drob ich Gott loben noch und danken muß.

Frisch, auf Philipp Argenti! schrien die Scharen;

Dann sah ich, selbst sich beißend, auf sie los

Den tollen Geist des Florentiners fahren.

Und dies erzähl ich nur von seinem Los.

Ich ließ ihn dort und hört ein Schmerzensbrüllen

Und macht, um vorzuschaun, die Augen groß.

"Bald wird sich, Sohn, dir jene Stadt enthüllen,"

So sprach mein guter Meister, " Dis genannt,

Die scharenweis unselge Bürger füllen."

Und ich: "Mein Meister, deutlich schon erkannt

Hab ich im Tale jener Stadt Moscheen,

Glutrot, als ragten sie aus lichtem Brand."

Drauf sprach mein Führer: "Ewge Flammen wehen

In ihrem Innern, drum im roten Schein

Sind sie in diesem Höllengrund zu sehen."

Bald fuhren wir in tiefe Gräben ein,

Den Zugang sperrend zu dem grausen Orte;

Die Mauer schien von Eisen mir zu sein.

Dann aber hörten wir des Steurers Worte,

Nachdem vorher wir auf dem Pfuhle weit

Umhergekreuzt: "Steigt aus, hier ist die Pforte."

Wohl tausend standen auf dem Tor bereit,

Vom Himmel hergestürzt. Es schrien die Frechen:

"Wer wagts, noch lebend, voll Verwegenheit

Ins tiefe Reich der Toten einzubrechen?"

Mein Meister aber, ihnen winkend, lud

Sie klüglich ein, ihn erst geheim zu sprechen.

Da legte sich ein wenig ihre Wut.

Sie sprachen: "Komm allein, laß gehn den Toren,

Der hier hereindrang mit so keckem Mut.

Find er den Weg, den sich sein Wahn erkoren,

Allein zurück—erprob er doch, wie er

Sich durch die Nacht führt, wenn er dich verloren."

Und nun bedenk, o Leser, wie so schwer

Mich der Verdammten Rede niederdrückte,

Denn ich verzweifelt an der Wiederkehr.

"Mein teurer Führer, du, durch den mirs glückte,

Daß ich gerettet ward schon siebenmal,

Des Schutz mich drohender Gefahr entrückte,

Verlaß mich", sprach ich, "nicht in dieser Qual,

Und darf ich auch nicht weiter vorwärts dringen,

So komm mit mir zurück durchs dunkle Tal."

Und er, befehligt, mich hierher zu bringen,

Sprach: "Fürchte nichts; erlaubt hat unsern Gang

Er, dem nichts wehrt, drum wird er wohl gelingen.

Hier harre mein, und ist die Seele bang,

So magst du sie mit guter Hoffnung speisen,

Denn nicht verlass ich dich in solchem Drang."

So ging er.—ich, getrennt von meinem Weisen,

Dem süßen Vater, fühlte Ja und Nein

Beim Zweifelkampf in meinem Haupte kreisen.

Nicht hört ich, was sein Antrag mochte sein,

Allein er blieb bei jenem Volk nicht lange,

Denn alle rannten in die Stadt hinein

Und schlugen ihm das Tor im wilden Drange

Vorm Antlitz zu und sperrten ihn heraus.

Da kehrt er sich zu mir mit schwerem Gange.

Den Blick gesenkt, die Braun verstört und kraus,

Ließ er in Seufzern diese Worte hören:

"Wer schließt mich von der Stadt der Schmerzen aus?"

Und dann zu mir: "Nicht mög es dich verstören,

Wenn du mich zürnen siehst—ich siege doch,

Wie keck sie auch dort drinnen sich empören.

Schon früher stieg ihr kecker Mut so hoch,

An einem Tor, nicht so geheim gelegen,

Und ohne Schloß und Riegel heute noch,

Am Tor, von dem die schwarze Schrift entgegen

Dem Wandrer droht—doch diesseits schon von dort

Kommt, ohne Leitung, auf den dunkeln Wegen

Ein andrer her und öffnet uns den Ort."

Neunter Gesang

Weil ich vor Angst und banger Furcht erblich,

Als ich den Herrn sah sich zurückbewegen,

Verschloß Virgil die eigne Furcht in sich.

Aufmerksam stand er dort, wie Horcher pflegen,

Denn, weit zu schaun, war ihm die Dunkelheit

Der schwarzen Luft und Nebelqualm entgegen.

Er sprach: "Wir siegen doch in diesem Streit—

Wenn nicht—doch hab ich nicht ihr Wort vernommen?

Er säumt fürwahr doch gar zu lange Zeit."

Ich sah es deutlich ein, zurückgenommen

Sei durch der Rede Folge der Beginn,

Da beide mir verschieden vorgekommen.

Drum lauscht ich sorgenvoll und zagend hin,

Denn ich erklärte mir vielleicht noch schlimmer,

Als er es war, des halben Wortes Sinn.

"Kommt wohl ein Geist in diese Tiefe nimmer

Vom ersten Grad, wo nichts zur Qual gereicht,

Als daß erstorben jeder Hoffnungsschimmer?"

So fragt ich ihn, und jener sprach: "Nicht leicht

Geschiehts, daß auf dem Weg, den wir durchliefen,

Ein andrer meines Grads dies Land erreicht.

Wahr ists, daß ich vordem in diesen Tiefen

Durch der Erichtho Zauberein erschien,

Die oft den Geist zum Leib zurückberiefen.

Kaum war mein Geist vom Fleisch entblößt, als ihn

Die Zauberin beschwor in jene Mauer,

Um eine Seel aus Judas Kreis zu ziehn.

Dort ist die tiefste Nacht, der bängste Schauer,

Am fernsten von des Himmels ewgem Licht.

Ich weiß den Weg—drum scheuche Furcht und Trauer.

Der Sumpf hier, welcher Stank verhaucht, umflicht

Die qualenvolle Stadt, durch deren Pforten

Man ohne Zorn die Bahn sich nimmer bricht."

Mehr sprach er, doch mich zog von seinen Worten

Der hohe Turm und bannte mit Gewalt

Den Blick ans Feuer auf dem Gipfel dorten.

Drei Höllenfurien sah ich dort alsbald,

Die, blutbefleckt, grad aufgerichtet, stunden,

Und Weibern gleich an Haltung und Gestalt,

Mit grünen Hadern statt des Gurts umbunden,

Mit kleinern Schlangen aber, wie mit Haar,

Und Ottern rings die grausen Schläf umwunden.

Und jener, dem bekannt ihr Anblick war,

Der Sklavinnen der Fürstin ewger Plagen,

Sprach: "Nimm die wilden Erinnyen wahr.

Zur linken Seite sieh Megären ragen,

Inmitten ist Tisiphone zu schaun,

Und rechts Alecto in Geheul und Klagen."

Die Brust zerriß sich jede mit den Klaun,

Und sie zerschlugen sich mit solchem Brüllen,

Daß ich mich an den Dichter drängt aus Graun.

"Medusas Haupt! auf, laßt es uns enthüllen,"

Sie riefens, niederbückend, allzugleich.

"Was wir versäumt an Theseus, zu erfüllen."

"Wende dich um, die Augen schließe gleich!

Wenn sie bei Gorgos Anblick offenständen,

Du kehrtest nimmer in des Tages Reich!"

Er sprachs und eilte, selbst mich umzuwenden,

Verließ sich auch auf meine Hände nicht

Und schloß die Augen mir mit seinen Händen.

Ihr, die erhellt gesunden Geistes Licht,

Bemerkt die Lehre, die, vom Schleir umgeben,

In dich verbirgt dies seltsame Gedicht.

 

Ich hört ein Krachen mächtig sich erheben

Auf trüber Flut, mit einem Ton voll Graus,

Daß die und jene Hüfte schien zu beben.

Nicht anders war es, als des Sturms Gebraus—

Wild durch der kalten Dünste Kampf mit lauen,

Stürzt er durch Wälder, Äste reißt er aus,

Durch nichts gehemmt, jagt Blüten durch die Auen;

Stolz wälzt er sich in Staubeswirbeln vor,

Und Hirt und Herden fliehn voll Angst und Grauen.

Die Augen löst er mir. "Jetzt schau empor,

Dorthin, wo du den schärfsten Rauch entquellen

Dem Schaume siehst auf diesem alten Moor."

Wie Frösche, sich zerstreuend, durch die Wellen

Vor ihrem Feind, der Wasserschlange, fliehn,

Bis sie am Strand in Scharen sich gesellen,

So sah ich schnell, als einer dort erschien,

Das Tor von den zerstörten Seelen leeren

Und ihn mit trocknem Fuß den Styx durchziehn.

Er schien den Qualm vom Antlitz abzuwehren,

Vor sich bewegend seine linke Hand,

Und dieser Dunst nur schien ihn zu beschweren.

Ich sahs, er sei vom Himmel hergesandt.

Zum Meister kehrt ich mich, doch, auf sein Zeichen,

Neigt ich mich schweigend, jenem zugewandt.

Mir schien er einem Zornigen zu gleichen.

Er kam zum Tore, das sein Stab erschloß,

Und ohne Widerstreben sah ichs weichen.

"O ihr verachteter, vestoßner Troß!"

Begann er an dem Tor, dem schreckensvollen,

"Woher die Frechheit, die hier überfloß?

Was seid ihr widerspenstig jenem Wollen,

Das nimmermehr sein Ziel verfehlen kann?

Wird er die Qual, wie oft, euch mehren sollen?

Was kämpft ihr gegen das Verhängnis an,

Obwohl eur Zerberus, ihr mögts bedenken,

Mit kahlem Kinn und Halse nur entrann?"

Dann sah ich ihn zurück die Schritte lenken.

Uns sagt er nichts, und achtlos ging er fort,

Als müsst er ernst auf andre Sorgen denken,

Als die um kleine Ding am nächsten Ort.

Worauf wir beide nach der Festung schritten,

Nun völlig sicher durch das heilge Wort.

Auch ward der Eingang uns nicht mehr bestritten;

Und ich, des Wunsches voll, mich umzusehn

Nach dieser Stadt Verhältnis, Art und Sitten,

Ließ, drinnen kaum, das Aug im Kreise gehn,

Und rechts und links war weites Feld zu schauen,

Von Martern voll und ungeheuren Wehn.

Gleichwie wo sich der Rhone Wogen stauen,

Bei Arles, und bei Pola dort am Meer,

Das Welschland schließt und netzt der Grenze Gauen,

Grabhügel sind im Lande rings umher,

Wo auf unebnem Grunde Tote modern;

So hier, doch schreckte dieser Anblick mehr,

Denn zwischen Gräbern sieht man Flammen lodern,

Und alle sind so durch und durch entflammt,

Daß keine Kunst mehr Stahl und Eisen fodern.

Halboffen ihre Deckel allesamt,

Und draus erklingen solche Klagetöne,

Daß man erkennt, wer drinnen, sei verdammt.

Und ich: Verkünde, Meister, wer sind jene,

Die, hier begraben, sonder Ruh und Rast

Vernehmen lassen solches Schmerzgestöhne?

Und er: "Hauptketzer hält der Ort umfaßt,

Und die den Sekten angehangen haben,

In größrer Zahl, als du gerechnet hast-

Denn Gleiche sind zu Gleichen hier begraben,

Und mehr und minder glüht jedwedes Mal"—

Er sprachs, worauf wir rechtshin uns begaben,

Fortschreitend zwischen hoher Maur und Qual.

Zehnter Gesang

Fort ging nun, hier die Mauer, dort die Pein,

Auf einem engen Pfad der edle Weise,

Er mir voraus und ich ihm hinterdrein.

Der du mich führst durch die verruchten Kreise,

Sprach ich, ich wünsche, daß, wenn dirs gefällt,

Dein Wort auch hier mich ferner unterweise.

Darf man die sehn, die jedes Grab enthält?

Die Deckel, offen schon, sind nicht dawider,

Auch ist zur Wache niemand aufgestellt.

"Iedweder Deckel sinkt geschlossen nieder,"

Sprach er, "wenn sie gekehrt von Josaphat,

Mitbringend ihre dort gelassnen Glieder.

Wiss, Epicurus liegt an dieser Statt

Samt seinen Jüngern, die vom Tode lehren,

Daß er so Seel als Leib vernichtet hat.

Befriedigung soll also dem Begehren,

Das du entdecktest, dies Begräbnis hier,

Sowie dem Wunsch, den du verschwiegst, gewähren."

Und ich: Mein Herz verberg ich nimmer dir,

Nur redet ich in bündig kurzem Worte,

Und nicht nur jetzt empfahlst du solches mir.

"Toskaner, du, der lebend durch die Pforte

Der Feuerstadt, so ehrbar sprechend, drang,

Verweil, ich bitte dich, an diesem Orte.

ich erkenn an deiner Sprache Klang,

Du seist dem edlen Vaterland entsprungen,

Dem ich, ihm nur zu lästig, auch entsprang."

Urplötzlich war dies einem Sarg entklungen,

Drum trat ich etwas näher meinem Hort,

Denn wieder war mein Herz von Furcht durchdrungen.

"Was tust du? Wende dich!" rief er sofort,

"Sieh grad empor den Farinata ragen,

Vom Gürtel bis zum Haupte sieh ihn dort!"

Ich, der auf sein Gesicht den Blick geschlagen,

Sah, wie er hoch mit Brust und Stirne stand,

Als lach er nur der Höh und ihrer Plagen.

Mein Führer, der mich schnell mit mutger Hand

Durch Gräber bis zu ihm mit fortgenommen,

Sprach: Was er fragt, mach offen ihm bekannt.

Er sah mich, als ich bis zum Grab gekommen,

Ein wenig an. "Wer deine Väter? Sprich!"

So fragt er mich und schien von Zorn entglommen.

Gern fügt ich dem Befehl des Meisters mich,

Ihm alles unverstellt zu offenbaren,

Da hoben etwas seine Brauen sich.

Er sprach darauf: "Furchtbare Gegner waren

Sie meinen Ahnen, mir und meinem Teil,

Und zweimal drum vertrieb ich sie in Scharen."

"Wenn auch vertrieben, kehrten sie in Eil",

Sprach ich, "zweimal zurück aus jeder Gegend.

Doch nicht den euren ward die Kunst zuteil."

Sieh, da erhob, sich neben jenem regend,

Ein Schatten sich urplötzlich bis zum Kinn,

Sich auf den Knien, so schiens, empor bewegend.

Er blickt um mich nach beiden Seiten hin,

Als woll er sehn, ob jemand mich begleite,

Doch floh der Irrtum bald aus seinem Sinn,

Und weinend sprach er dann: "Wenn dein Geleite

Des Geistes Hoheit ist durch diese Nacht,

Wo ist mein Sohn? Warum nicht dir zur Seite?"—

"Nicht eigner Geist hat mich hierher gebracht,

Der dort harrt, führte mich ins Land der Klagen.

Dein Guido hatte sein vielleicht nicht acht."

So ich—beim Wort und bei der Art der Plagen

Könnt ich wohl seines Namens sicher sein

Und drum ihm auch so sicher Antwort sagen,

Schnell richtet er sich auf mit lautem Schrein:

"Er hatte, sagst du? Ist er nicht am Leben?

Saugt nicht sein Auge mehr den süßen Schein?"

Und da ich nun, statt Antwort ihm zu geben,

Noch zauderte, so fiel er rücklings hin,

Um fürder sich nicht wieder zu erheben.

Doch jener andre mit dem stolzen Sinn,

Der mich gerufen, blieb auf seiner Stätte

Starr, ungebeugt und trotzig wie vorhin.

Er, wieder knüpfend des Gespräches Kette:

"Ward jene Kunst zuteil den Meinen nicht?

Dies martert mehr mich noch als dieses Bette.

Doch wird nicht fünfzigmal sich das Gesicht

Der Herrin dieses Dunkels neu entzünden,

So wirst du fühlen dieser Kunst Gewicht.

Sprich, willst du je zurück aus diesen Gründen,

Wie gegen mein Geschlecht mag solche Wut

Das Volk in jeglichem Gesetz verkünden?"

Ich sprach: "Das große Morden ists, das Blut,

Das rotgefärbt der Arbia klare Wogen,

Das eur Geschlecht mit solchem Fluch belud."

Er seufzt und schüttelte das Haupt: "Vollzogen

Hab ich allein nicht diese blutge Tat,

Und. alle hat uns triftger Grund bewogen.

Doch ich allein wars, der dem grausen Rat;

Es müsse bis zum Grund Florenz verschwinden,

Mit offnem Angesicht entgegentrat."

"Soll euer Same jemals Ruhe finden,"

So sprach ich bittend, "löst die Schlingen hier,

Die noch, mein Urteil hemmend, mich umwinden.

Versteh ich recht, so scheint es wohl, daß ihr

Erkennen mögt, was künftge Zeiten bringen,

Doch mit der Gegenwart scheints anders mir."

Er sprach: "Uns trägt der Blick nach fernen Dingen,

Wies öfters wohl der Schwachen Sehkraft geht,

Denn dahin läßt der höchste Herr uns dringen.

Doch naht sich und erscheint, was wir erspäht,

Weg ist das Wissen, und nur durch Berichte

Erfahren wir, wies jetzt auf Erden steht.

Darum begreifst du: einst beim Weltgerichte,

Wenn sich der Zukunft Tor auf ewig schließt,

Wird die Erkenntnis unsers Geists zunichte."

Drauf ich: "Wie jetzt mein Fehler mich verdrießt!

O sagt dem Hingesunknen, Trostentblößten,

Daß noch sein Sohn das heitre Licht genießt.

Und war ich vorhin säumig, ihn zu trösten,

So sagt ihm, daß ich Raum dem Irrtum gab,

Den eben jetzt mir eure Worte lösten."

Hier rief mein Meister schon mich wieder ab,

Drum bat ich schnell den Geist, mir zu erzählen,

Wer noch verborgen sei in seinem Grab.

Er sprach: "Hier liegen mehr als tausend Seelen,

Der Kardinal, der zweite Friederich

Und andre, dies nicht nottut, aufzuzählen."

Und er versank ich aber kehrte mich

Zum alten Dichter, jene Red erwägend,

Die einer Unglücksprophezeiung glich.

Er aber ging und sprach, sich vorbewegend,

Zu mir gewandt: "Was bist du so verstört?"

Ich tats ihm kund, die Angst im Herzen hegend.

"Behalte, was du Widriges gehört,"

Sprach mit erhobnem Finger jener Weise,

"Und merk itzt auf, daß dich kein Trug betört.

Bist du dereinst im süßen Strahlenkreise,

Verströmt vom schönen Blick, der alles sieht,

Dann deutet sie dir deine Lebensreise."

Nun ging es links ins höllische Gebiet,

Um von der Maur der Mitte zuzuschreiten,

Wo sich der Pfad nach einem Tale zieht,

Von dem Gestank und Qualm sich weit verbreiten.

Elfter Gesang

Am äußern Saum von einem hohen Strande,

Umkreist von Felsentrümmern ohne Zahl,

Gelangten wir zu einem grausern Lande.

Dort bargen wir vor des Gestankes Qual,

Der gräßlich dampft aus jenen tiefen Gründen,

Uns hinter eines hohen Grabes Mal.

Wir sahn den Inhalt diese Schrift verkünden:

Hier liegt Papst Anastasius, den Photin

Vom rechten Pfad verführt zu Schmach und Sünden.

"Wir müssen," sprach er, "langsam abwärtsziehn;

Erträglicher wird nach und nach den Sinnen

Der schlechte Dunst, der unerträglich schien."

"So laß uns etwas," sprach ich drauf, "beginnen,

Das uns die hier verbrachte Zeit ersetzt."

"Du siehst," erwidert er, "darauf mich sinnen."

"Mein Sohn, du wirst in diesen Steinen jetzt,"

So fuhr er fort, "drei kleinre Kreise zählen,

Nach Stufen, wie die andern, fortgesetzt.

Erfüllt sind alle von verdammten Seelen,

Doch weil du selbst sie sehn wirst, so vernimm,

Wie und warum sie sich hier unten quälen.

Jedwede Bosheit weckt des Himmels Grimm,

Der Unrecht Zweck ist, denn sie macht es immer

Durch Trug und durch Gewalt mit andern schlimm.

Doch Trug, des Menschen eigne Sünd, ist schlimmer,

Und die Betrüger bannt des Herrn Geheiß,

Drum tiefer hin zu schmerzlichem Gewimmer.

Gewalttat wird bestraft im ersten Kreis,

Doch, nach dreifacher Gattung von Vergehen,

In dreien Binnenkreisen stufenweis.