Die göttliche Komödie

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Achter Gesang

Fortfahrend sag' ich, daß schon eine Weile

Eh wir zum Fuß des hohen Turms gelangten,

Zu seiner Höh' sich unser Auge wandte;

Denn aufgesteckt war dort ein Fackelpaar,

Und eine dritt' erwiderte das Zeichen,

So fern, daß sie das Auge kaum gewahr ward.

Ich sprach, gewandt zum Meer jedweder Weisheit,

Was will dies Feuer sagen, was entgegnet

Das andre, und wer sind, die sie entzündet?

Er sagte: Schon kann auf den schmutzgen Wellen,

Was zu erwarten steht, dein Blick gewahren,

Wenn dich der Nebel nicht am Sehn verhindert.

Nie schnellte einen Pfeil des Bogens Sehne,

Der so geschwind die Luft durchschnitten hätte,

Als über's Wasser her im Augenblick

Ein Schifflein ich auf uns zukommen sah,

Geleitet nur von einem einz'gen Fährmann.

Der schrie: Bist du nun da, verworfne Seelen?

O Phlegyas, entgegnete mein Meister,

Vergeblich ist für diesmal dein Geschrei;

Zur Überfahrt nur sollst du uns besitzen.

Wie wer vernimmt von schmählichem Betruge,

Der ihm gespielt ward und darob ergrimmet,

So ward, verbissnen Zornes, Phlegyas

Mein Führer stieg hernieder in den Nachen,

Und, da ich dann auf sein Geheiß ihm folgte,

Schien als ich eintrat, erst der Kahn beladen.

Als beide wir uns nun im Schiff befanden,

Durchschnitt auf seiner Fahrt der alte Kiel

Mehr Wasser, als er tut, trägt er nur Schatten.

Und während wir den toten Moor befuhren,

Taucht' einer vor uns auf, den Schlamm bedeckte:

Wer bist du, rufend, der du vor der Zeit kommst?

Ich sagte: Kam ich, ist's nicht um zu bleiben,

Doch wer bist du, daß du so ganz besudelt?

Drauf er: Das siehst du: einer der da weinet.

Ich aber sprach: In Weinen und in Trauer

Verbleibe denn, du fluchbeladner Schatten!

Wohl kenn' ich dich, wenn du auch ganz beschmutzt bist.

Da griff er nach dem Kahn mit beiden Händen;

Doch eilig stieß der Meister ihn zurück

Und sagte: Pack' dich mit den andern Hunden!

Mir aber schlang er um den Hals die Arme.

Mein Antlitz küssend sprach er: Eiferseele,

Gesegnet sei der Schoß der dich getragen!

Ein Mensch voll Hochmut war im Leben jener;

Nicht eine Tugend schmückt sein Angedenken,

Drum ist sein Schatten hier von Wut entbrannt.

Wie viele dünken Könige sich jetzt,

Und werden Säuen gleich im Kot hier stecken,

Dort aber Schande nur und Schmach verlassen.

Ich sagte: Meister wohl wär ich begierig

Zu seh'n, wie man ihn taucht in diese Brühe

Bevor wir hinter uns den See gelassen.

Und er zu mir: Noch eh' die andre Küste

Sich dir gezeigt, wirst du befriedigt werden.

Die Lust, die du begehrst, sollst du genießen.

Nicht lange drauf ward von den Schlammbedeckten

Vor meinen Augen jener so geschüttelt,

Daß, dankend, Gott darum noch heut' ich preise.

Sie alle schrie'n: Es gilt Philipp Argenti!

Und der ergrimmte Florentiner Schatten

Zerfleischte sich mit seinen eigenen Zähnen.

Wir ließen ihn. Nicht mehr von ihm erzähl ich;

Denn meine Ohren traf ein Schmerzenslaut,

Weshalb ich angestrengt nach vorne blicke.

Der gute Führer sagte: Sohn, es nahet

Bereits die Stadt sich, welche Dis genannt wird,

Voll schwerer Bürger und voll großer Scharen.

Ich sagte: Meister, ihre Minarette

Erblick' ich wahrlich schon im Tale drunten,

Rotschimmernd als ob Feuer sie durchglühte.

Darauf entgegnet er: Die ew'gen Flammen,

Darin sie brennen, färben sie so rot,

Wie du gewahrst in dieser niedern Hölle.

Wir fuhren in die tiefen Gräben ein,

Die die verzweiflungsvolle Stadt umgeben;

Die Mauern schienen mir von festem Eisen.

Indes nach langem Umweg erst gelangten

An einen Ort wir, wo mit lauter Stimme

Der Fährmann rief: Steigt aus, hier ist der Eingang!

Ich sah wohl tausend, welche einst vom Himmel

Geregnet, bei dem Tor, die zornig sagten:

Wer ist der eine denn, der ohne Tod

Das Reich des toten Volkes so durchwandert?

Vorsorglich gab mein Führer zu erkennen,

Daß er geheim mit ihnen reden wollte.

Da dämpften sie den wilden Zorn ein wenig

Und sagten: Komm allein. Umkehre dann

Der so verwegen eindrang in dies Reich.

Allein geh' er den tör'gen Weg zurücke,

Wenn er ihn finden kann. Du aber bleibe,

Der durch so dunkles Land ihn hergeleitet.

Nun denk' dir, Leser, ob ich ward entmutigt

Beim Tone der vermaledeiten Worte;

Gewiß, ich dachte nimmer heimzukehren.

O teurer Führer, der du siebenmal

Und öfter Sicherheit zurück mir gabest,

Und mich aus dringender Gefahr befreitest,

Verlaß mich nicht in solchen Nöten, sagt' ich;

Ist uns das Weitergehn verwehrt, so laß uns

Gemeinsam rückwärts unsren Pfad durchmessen.

Mein Meister, der bis dorthin mich geführt

Erwiderte: Sei furchtlos, unsre Reise

Kann niemand hemmen, solche Bürgschaft hat sie.

Nun aber bleibe hier, und speis' und stärke

Den müden Geist mit Hoffnung und Vertrauen,

Daß in der untern Welt ich dich nicht lasse.

Also verläßt mich, also geht von dannen

Der süße Vater, und zurück in Sorgen

Bleib' ich, weil ja und nein im Haupt mir streiten.

Was er zu ihnen sprach kann ich nicht sagen;

Doch lange hatt' er nicht geweilt mit ihnen,

Als um die Wett' in's Tor ein jeder eilte.

Die Pforte schlossen unsre Widersacher

Vor meinem Herrn, dem sie den Einlaß wehrten

Und der die Schritte zögernd zu mir wandte.

Die Augen senkt' er nieder, von den Brauen

Schien jeder Mut geschwunden, und mit Seufzen

Sagt er: Wer wehrte mir des Schmerzes Wohnstatt?

Drauf wandt' er sich zu mir: Erzürn' ich gleich,

So fürchte deshalb nicht, denn siegen werd' ich,

Was man zur Abwehr drinnen auch versuche.

Nicht neu ist solche Frechheit mir an ihnen;

An weniger geheimem Tor, das seitdem

Verschlußlos blieb, bewährten sie sie schon.

Auf ihm gewahrtest du die tote Inschrift.

Diesseits von ihm steigt schon den Abhang nieder,

Durchschneidend ohne Führer all die Kreise,

Der, dessen Macht uns wird die Pforte öffnen.

Neunter Gesang

Es trieb die Blässe, mit der Furcht mich malte,

Die neu entstanden, schleuniger zurück.

Als ich des Führers Umkehr sah, die seine,

Aufmerkend stand er gleich dem Mann der horchet;

Denn durch die düstre Luft, den dichten Nebel

Vermochte nicht das Aug' ihn weit zu tragen.

Wohl müssen wir in diesem Kampfe siegen,

Sagt' er. Wo nicht; doch, der's versprach, wird helfen!

Wie lange däucht es mir, bis Hilfe eintrifft.

Ich merkte wohl, wie er der Rede Anfang

Durch das verdeckte, was noch hinterdrein kam;

Denn Worte waren's jenen widersprechend.

Trotzdem erschreckte mich was er gesprochen;

Vielleicht weil ich die abgebroch'ne Rede

In schlimm'rem Sinn verstand als er sie meinte.

Stieg wohl zu diesem Grund der traur'gen Schale

Jemals ein Schatten von der ersten Stufe,

Die keine Strafe kennt als Hoffnungsmangel?

So frug ich, und er sagte drauf: Nur selten

Geschieht es, daß aus unsrer Mitte einer

Den Weg zurücklegt, welchen ich jetzt wandle.

Doch ist es wahr, daß ich schon einmal hier war,

Beschworen von der grimmigen Erichtho,

Die zu den Leibern ihre Seelen heimrief,

Seit kurzem war mein Fleisch von mir entkleidet,

Als sie mich eingehn hieß in diese Mauer,

Um einen Geist aus Judas' Kreis zu holen.

Der dunkelste, der tiefste Ort ist das,

Der fernste von dem äußersten der Himmel;

Der Weg ist mir bekannt, darum sei ruhig.

Der argen Stank ausatmende Morast

Umgürtet rings die Stadt der bittern Schmerzen,

In die wir friedlich Eingang nicht mehr finden.

Noch andres sagt' er, doch mir ist's entfallen;

Denn schon war zu des Turmes glühndem Gipfel

Ich durch mein Auge mächtig hingerissen.

Drei Höllenfurien, ganz von Blut gerötet,

Sah ich mit einem Mal dort aufrecht stehn,

Die an Gebärd' und Gliedern Weiber schienen.

Gegürtet waren sie mit grünen Schlangen,

Blindschleichen bildeten ihr Haar und Ottern,

Und wanden rings sich um die grausen Schläfe.

Er aber sagte, weil bekannt ihm waren

Der Königin der Tränen Dienerinnen:

Blick hin, das sind die gräßlichen Erynnen!

Die dort zur linken Seite ist Megaera,

Zur Rechten weint Alekto. In der Mitte

Siehst du Tisiphone und damit schwieg er.

Die Brust zerriß sich mit den Nägeln jede,

Mit Fäusten sich einander schlagend, schrien

So laut sie, daß ich scheu zum Meister floh.

 

Medusen bringt herbei, ihn zu versteinen!

So sprachen alle, auf mich niederblickend,

Wir rächten zu gelind des Theseus Anfall.

Schnell wende dich und schließe fest die Augen!

Denn, zeigen sie Gorgonen und du siehst sie,

So kehrst du nie zur Oberwelt zurücke.

So sprach mein Meister, und er selber wandte

Mich rückwärts. Drauf, mißtrauend meinen Händen,

Schloß mit den seinen auch er mir die Augen.

Ihr die gesund euch das Verständnis wahrtet,

Erwägt die Lehre wohl, die mit dem Schleier

Der Verse sich verhüllt, die seltsam lauten!

Schon aber kam daher die schmutz'gen Wellen

Entsetzenvollen Tones fernes Dröhnen,

Davon die Ufer beiderseits erbebten.

Dem Winde glich es, welcher, ungestüm

Geworden durch den Kampf von Hitz' und Kälte,

Sich auf den Wald mit schrankenloser Wut stürzt,

Die Zweige bricht, hinaus die Blüten schleudert.

Staubwirbelnd schreitet er, jagt übermütig

Die Herde wie die Hirten in die Flucht.

Die Augen löst' er mir und sprach: Nun richte

Den Nerv des Sehens längs dem alten Schaume

Dorthin, wo dieses Sumpfes Qualm am dicksten.

Wie vor der Wasserschlange, ihrer Feindin,

Die Frösche alle durch die Flut entschlüpfen,

Bis auf den Boden jeder sich geduckt hat,

So sah ich Tausende verlorener Seelen

Vor einem fliehen, der den Übergang

Des Styx bewirkte, nicht die Sohlen netzend.

Die dicke Luft von seinem Antlitz scheuchend,

Bewegt' er vor sich her oftmals die Linke,

Und nur von dieser Pein schien er beklommen.

Ich spürte wohl, er sei des Himmels Bote;

Mein Meister aber winkte noch ausdrücklich,

Daß ich in Schweigen mich vor ihm verneige.

Wie schien er so erfüllt mir von Entrüstung!

Das Tor berührt er kaum mit seiner Gerte,

So sprang es auf trotz alles Widerstrebens.

Vom Himmel ausgestoßenes schnödes Volk,

Begann er auf der grauenvollen Schwelle,

Was unterfangt ihr euch so kecker Frechheit?

Wie wagt dem Willen ihr zu widerstreben,

Der niemals unerreicht sein Ziel gelassen,

Und öfters eure Qualen schon gemehrt hat?

Was hilft es dem Geschick zu widerstreben?

Eu'r Cerberus trägt, wenn Ihr Euch entsinnet,

Geschunden noch davon so Kinn als Kehle.

Dann wandt' er sich zurück die schmutz'ge Straße;

Zu uns sprach er kein Wort und tat wie einer,

Den andre Sorg' in Anspruch nimmt und quälet,

Als die des Mannes, der ihm gegenwärtig.

Der Stadt zu wandten wir nunmehr die Füße

Voll Zuversicht auf Grund der heiligen Worte,

Und Eintritt ward uns ohne weitern Kampf.

Ich aber, der gespannt war zu erkunden

Die Eigenheit des Orts der so befestigt,

Entsandte, wie ich eintrat, rings die Blicke,

Und sah nach jeder Richtung weite Fläche

Von Schmerzen angefüllt und arger Qual.

Wie wo die Rhone sich bei Arles aufstaut,

Und wie bei Pola nahe dem Quarnaro,

Der Wälschland schließt und seine Grenzen netzet,

Der Grund uneben ist von lauter Gräbern,

So war er's hier auch nach jedweder Seite!

Nur war der Gräber Art um vieles bittrer,

Denn Flammen brannten zwischen Grab und Grab,

Und hielten sie in so gewalt'ger Glut,

Daß größre keine Schmiedekunst erfordert.

Die Decke war von jedem aufgehoben

Und innenher erklang so bittre Klage,

Daß Zeugnis sie von schweren Martern gab.

Und ich: O Meister, wer sind diese Schatten,

Die in den Grüften hier begraben scheinen

Und sich in Seufzern so vernehmen lassen?

Drauf Er: Hier sind der Ketzereien Stifter,

Mit seinem Anhang von Sektierern jeder;

Viel voller als du denkst sind all die Gräber.

Mit gleichem ist der gleiche hier begraben

Und mehr und minder glühend sind die Särge.

Als er darauf zur Rechten sich gewendet

Führt unser Weg uns zwischen Qual und Zinnen.

Zehnter Gesang

So geht mein Meister auf geheimem Pfade,

Der zwischen Martern sich und Mauer hinzieht,

Und wandelnd folg' ich hinter seinen Schultern.

Erhabne Kraft, die durch die sünd'gen Kreise

Wie dir's beliebt mich wendet, so begann ich,

Steh Rede und gib Antwort meinen Fragen.

Könnt' ich das Volk nicht sehn, das in den Gräbern

Hier liegt? Sind doch die Deckel all gehoben

Und niemand ist zu sehn, der Wache hielte?

Geschlossen werden, sprach er, all die Gräber,

Wenn heimgekehrt sie sind von Josaphat

Mit ihren Leibern, die sie droben ließen.

Nach dieser Seite hin streckt sich der Kirchhof

Des Epikur und der ihm Gleichgesinnten,

Die mit dem Leib die Seele sterben lassen.

Drum soll Genüge dir alsbald hier werden,

Nicht auf die Frage nur, die du getan hast,

Nein auf die andere auch, die du verschwiegen.

Da sprach ich: Guter Herr, sag' ich nicht alles,

So tu' ich's nur, um nicht zu viel zu reden,

Und öfter schon hast du mir so geraten.

Toscaner, der du durch die Stadt des Feuers

Lebendig wandelst, so verständig redend,

Gefalle dir's, ein wenig hier zu weilen.

Mir offenbar macht deine Sprache dich

Als in dem edlen Vaterland geboren,

Dem ich vielleicht zu viel Beschwerde brachte.

So tönte plötzlich aus der Gräber einem

Zu mir empor vernehmbar eine Stimme,

Weshalb ich furchtsam mich dem Führer nahte.

Er aber sagte: Wende dich, was tust du?

Sieh' Farinata dort, der sich erhoben;

Vom Gürtel aufwärts wirst du ganz ihn sehn.

Schon hatt' ich meine Blick' auf ihn gewendet,

Und er erhob mit Stirne sich und Brust,

Als achtet' er gering die ganze Hölle.

Da drängten meines Führers kräftige Hände

Mich zwischen all den Grüften zu ihm hin,

Wobei er sprach: Gezählt sei'n deine Worte.

Als ich gelangt zu seines Grabes Fuße,

Schaut er mich etwas an und fast verächtlich

Frug er mich drauf: Wer waren deine Ahnen?

Ich aber, der bereit war zu gehorchen,

Verbarg ihm nichts und offenbart' ihm alles,

Worauf die Wimper er ein wenig aufschlug.

Dann sagt' er: Feindlich waren sie zuwider

So mir als meinen Stamm und der Partei,

So daß im Kampf ich zweimal sie zerstreute.

Und wurden sie verjagt, so sind allseitig

Das ein' und andre Mal sie heimgekehrt;

Schlecht lernten aber diese Kunst die euren.

Da richtete längs jenem ersten Schatten

Ein zweiter, sichtbar bis zum Kinn, sich auf:

Ich glaub' er hatte knieend sich erhoben.

Er blickte um mich, als ob er verlangte

Zu wissen, ob nicht sonst wer mich begleite.

Als aber sein Vermuten ganz erloschen,

Begann er weinend: Gibt des Geistes Hoheit

Dir Recht, durch diese Kerkernacht zu wandeln,

Wo ist mein Sohn dann, und warum nicht mit dir?

Ich sagte drauf: Nicht von mir selber komm' ich;

Mich leitet jener, der dort auf mich wartet,

Den zu gering vielleicht eu'r Guido hielt.

Verkündet hatten schon die Art der Strafe

Und seine Worte mir des Schattens Namen,

Darum war meine Antwort so erschöpfend.

Da schnellt' er plötzlich in die Höh' und rief:

Du sagst, er hielt; so lebt er denn nicht mehr,

Verschloß sein Auge sich dem süßen Lichte?

Und als er sah, daß ich ein wenig zaudre,

Eh' ich ihm Antwort gab auf seine Frage,

Stürzt' er zurück und ward nicht mehr gesehen.

Doch der hochherz'ge andr', auf dessen Bitte

Ich stehn geblieben war, verzog die Miene

So wenig, wie er Hals und Hüfte wandte.

Und wenn, fuhr in der vor'gen Red' er fort,

Wenn schlecht die meinen jene Kunst erlernten,

Ist größre Qual mir das als dieses Bette.

Doch fünfzig Male nicht wird neu entzündet

Der Herrin Antlitz, welche hier regieret,

So hast, wie schwer die Kunst sei, du erfahren.

Und, willst zur schönen Welt du jemals kehren,

So sprich, warum in jeglichem Gesetze

So grausam mit den Meinen jenes Volk ist?

Die Niederlage, sagt' ich und das Unheil,

Die rot von Blut der Arbia Wasser färbten,

Sind solcher Predigt Grund in unsrem Tempel.

Als seufzend er darauf das Haupt geschüttelt,

Sagt' er: Da war ich nicht allein und sicher

Hätt' ich ohn Ursach nicht dabei geholfen.

Doch da war ich allein, als alle riefen,

Vertilgt vom Boden müsse Florenz werden,

Der es mit offenem Visier verteidigt.

Soll jemals eu'r Geschlecht zur Ruhe kommen,

Beschwor ich ihn, so löset mir den Knoten,

In den sich mein Verständnis hier verwickelt.

Vernehm' ich recht, so scheint es, ihr gewahret

Im voraus, was die Zeit erst mit sich bringet;

Doch für die Gegenwart verhält sich's anders.

Wir sehn gleich einem, dessen Auge schwach ist,

Erwidert' er, die Dinge die uns fern sind;

So viel vergönnt uns noch der höchste Herrscher.

Doch nahn sie, oder sind sie schon, so können

Wir sie nicht sehn, und von dem Loos der Menschen

Erfahren wir nur, was uns andre melden.

Begreifen kannst du nun, daß alles Wissen

Für uns erlöschen muß mit jenem Tage,

An dem der Zukunft Tor sich ewig zuschließt.

Da sprach ich, wie von meiner Schuld betroffen:

Nun saget jenem, der dort niederfiel,

Daß bei den Lebenden sein Sohn noch weilet.

Wenn statt der Antwort ich vorhin verstummte,

So sagt ihm, es geschah, weil ich dem Irrtum

Schon nachsann, welchen ihr vorhin mir lös'tet.

Schon aber rief zurücke mich der Meister,

Weshalb den Schatten ich in Eile bat,

Mir noch zu sagen, wer mit ihm dort weile.

Ich liege hier mit mehr als tausend, sagt' er;

Dort innen ist der zweite Friederich,

Sodann der Kardinal, von andern schweig' ich.

Drauf barg er in der Gruft sich und ich wandte

Zum alten Dichter meine Schritt', erwägend

Was feindlich mir in jener Rede schien.

Mein Führer ging voran und, wie wir gingen,

Sagt' er zu mir: Was bist du so betreten?

Ich aber gab auf seine Frage Auskunft.

Es wahre dein Gedächtnis, was du hörtest

Daß dich bedrohe, so gebot der Weise,

Und sprach, den Finger hebend: Nun merk' auf:

Stehst du einst vor dem süßen Strahle jener,

Die alles sieht mit ihrem schönen Auge,

So hörst von ihr du deinen Lebensweg.

Dann wandt' er seinen Fuß zur linken Seite;

Fort von der Mauer gingen wir der Mitte

Auf einem Pfade zu, der nach dem Tale

Hinführet, dessen Stank die Luft schon einnimmt.

Elfter Gesang

An eines hohen Ufers letztem Rande,

Gelangten wir zu schlimmerem Gedränge.

Den Felsen, die im Kreis gebrochen, bilden,

Wir aber zogen vor dem Übermaße

Des schrecklichen Gestankes, der vom Abgrund

Emporqualmt, hinter eines hohen Grabes

Steindecke uns zurück, auf der ich las

Die Inschrift: Anastas, den Papst bewahr' ich,

Den ab vom rechten Wege zog Photin.

Nur zögernd wollen wir jetzt niedersteigen,

Daß etwas sich zuvor der Sinn gewöhne

An den Gestank und er nachher nicht hindre.

So sprach der Meister, und ich sagt': Ersinne

Was uns die Zeit, die wir hier weilen, ausfüllt.

Er aber: Du wirst sehn, daß ich's bedachte.

Mein Sohn, im Innern dieses Felsgeklüftes,

Begann er, sind drei Kreislein, die gleich denen,

Die du verläßt, sich stufenweise folgen.

 

Von fluchbeladenen Geistern sind sie alle

Erfüllt, und daß dir bloßes Sehn genüge,

Vernimm, wie und warum sie eingepfercht sind.

Jedweder Bosheit Ziel, die Haß im Himmel

Erwirbt, ist Unrecht, und zu diesem Ziele

Gelangt durch Trug sie oder durch Gewalt.

Doch weil Betrug dem Menschen eigne Sünd' ist,

Mißfällt er Gott mehr, darum weilen tiefer

Und leiden größre Qualen die Betrüger.

Im ersten Kreis sind, die Gewalttat übten;

Doch weil Gewalt sich gegen drei läßt richten,

Ist weiter eingeteilt er in drei Ringe.

Man kann sich selbst, dem Nächsten, oder Gott

Gewalt antun, so ihnen als dem Ihren,

Wie du noch hören und begreifen wirst.

Durch Mord und arge Wunden tut dem Nächsten

Gewalt man an, und dem was ihm gehöret

Durch Raub und Brand und bösliche Zerstörung.

Drum quält der erste Ring, mehrfach gegliedert,

Totschläger und die freventlich mißhandeln,

Mordbrenner, Räuber und Landschädiger.

Gewalttat übt an sich und an dem Gute

Das er besitzt der Mensch. Im zweiten Ring

Ist denen drum fruchtlose Reu beschieden,

Die sich des Sein's in eurer Welt berauben,

Die ihr Vermögen mutwillig vergeuden,

Und die, statt froh zu sein, trübsinnig weinen.

Es richtet gegen Gott, der die Gewalt,

Der ihn im Herzen leugnet oder lästert,

Und die Natur und was sie schenkt verachtet.

Darum beschließt der engste der drei Ringe

Mit seinem Siegel Sodom sowie Cahors

Und die böswillig Gott verachtend reden.

Trug, welchen jegliches Gewissen anklagt,

Kann gegen den man üben, der uns trauet,

Und gegen den, der kein Vertraun beherbergt.

Die letztgenannte Weise tötet nur

Das Liebesband, das die Natur geschaffen;

Drum nisten in dem zweiten dieser Kreise

Die Kuppler, Schmeichler und die Amtsverkäufer,

Die Fälscher, die Bestechlichen und Heuchler

Nebst Dieben und mehr ähnlichem Gezüchte.

Die andre Art verletzet mit der Liebe,

Die von Natur ist, die hinzugekommne,

Auf die sich das besondre Zutraun gründet.

Darum verzehrt im engsten Kreise, wo

Des Weltalls Punkt ist, auf dem Dis beruht,

Sich wer verraten hat in Ewigkeit.

Drauf sprach ich, Meister, deine Rede schreitet

Zwar deutlich vor und unterscheidet gut

Den Schlund hier und das Volk, das ihn bewohnet.

Doch sage mir, die von dem fetten Sumpfe,

Die, die der Wind treibt, und der Regen geißelt,

Und die mit herbem Scheltwort sich begegnen,

Wenn unter Gottes Zorn sie stehn, warum

Sind in der roten Stadt sie nicht gestrafet?

Und tun sie's nicht, warum sind sie gepeinigt?

Und er entgegnete: Was irrt so ferne

Dein Geist von dem ab, was er sonst zu sein pflegt,

Falls dein Gedanke nicht wo anders hinschaut?

Gedenkst du nicht der Worte deiner Ethik,

Mit denen sie die dreierlei Gesinnung

Behandelt, die zuwider Gottes Willen:

Maßlosigkeit und Bosheit und die wilde

Vertiertheit, und wie von den drei'n die erste

Gott minder kränkt und weniger bestraft wird?

Betrachtest du gehörig diesen Grundsatz,

Erinnerst du dich auch, wer jene sind,

Die außerhalb der Stadt dort Strafe leiden,

So siehst du ein, warum von diesen Argen

Getrennt sie sind, warum mit mindrem Zorne

Die göttliche Gerechtigkeit sie geißelt.

O Sonne, die umtrübten Blick du heilest,

So sehr erfreuet stets mich deine Lösung,

Daß Wissen mir nicht lieber ist als Zweifeln.

Ich bitte, sprach ich, wende die Gedanken

Zurück und lehre mich, warum der Wucher

Die Güte Gottes, wie du sagst, verletzet?

Philosophie belehret den, der aufmerkt,

So sagt' er drauf, an mehr als einer Stelle,

Daß die Natur die Bahnen, die sie einschlägt,

Aus Gottes Geist entnimmt und seiner Kunst.

Erwägst du dann das Buch von der Physik,

So findest du nach nicht gar vielen Blättern,

Daß eure Kunst, soweit sie kann, der letzten

So wie der Schüler seinem Meister, nachfolgt

Und sozusagen Gottes Enklin ist.

Aus diesen beiden, wie die Genesis

Dir bald im Anfang sagt, soll Unterhalt

Die Menschheit nehmen und sich vorwärts helfen.

Weil nun der Wuchrer andre Bahnen einschlägt,

Verachtet er in sich und ihrer Tochter

Natur; denn andershin zielt seine Hoffnung.

Nun aber komm, weil mir beliebt zu gehen.

Die Fische blinken schon am Horizonte

Und gen Nordwest senkt sich der ganze Wagen;

Der Absturz aber fällt dort jenseits ab.