Der Engel an meiner Seite

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Kapitel Zwei
Genau wie ich

Wie kann ein Hund in der glühenden texanischen Hitze an einer Kette im Garten seines Besitzers enden? Hat er vielleicht einen Schuh angenagt oder ein Federkissen zerfetzt? War ihm etwa ein Malheur auf einem teuren neuen Teppich passiert? Oder war er plötzlich einfach zu teuer geworden? Was machte ihn von einem glücklichen, treuen, schwanzwedelnden Familienmitglied zu einem lästigen Nachgedanken?

Ich persönlich werde es nie begreifen, doch genau in so einer Lage fand Karen Costello den jungen rotgoldenen Hund an einem Frühlingstag im Jahr 1994 in Houston. Er war abgemagert und in schlechtem Zustand, und er sah aus, als wäre er schon eine ganze Weile ziemlich vernachlässigt worden.

Karen erfuhr durch einen Anruf von dem Hund. Die Anruferin behauptete, der Hund würde ihr nicht gehören und sie wüsste auch nicht, wem er gehörte, doch sie wollte ihn aus ihrem Garten weg haben. Wenn Karen ihn nicht abholen würde, dann müsste sie ihn einschläfern lassen. Es war die klassische »Rettungsgeschichte«, die Karen und andere schon so oft gehört haben - Leute, die jede Verantwortung ablehnten, waren plötzlich nicht mehr die Besitzer des Hundes; sie wussten auch nicht, wem der Hund gehörte, aber sie wollten angeblich nur helfen. Karen war schon lange genug in der Rettungsarbeit tätig, um zu wissen, dass sie oft Geschichten aufgetischt bekam, die nicht hundertprozentig den Tatsachen entsprachen. Auch wenn sie nicht überprüfen konnte, was stimmte und was nicht - ihre Aufgabe war es, den Hund zu retten und nicht, die Leute zu verurteilen.

Die Rettung eines Hundes muss nicht unbedingt das Happy End einer traurigen Geschichte sein. Manchmal können Hunde aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihres unverträglichen Temperaments nicht mehr gerettet werden. Karen befürchtete, der Hund vor ihr an der Kette könnte auf ein unglückliches Ende zusteuern. Von denen hatte sie über die Jahre genug erlebt. Da draußen waren so viele Hunde, die gerettet werden könnten - aber sie hatte nicht immer die Zeit oder Kraft dazu, und der Verband hatte auch nicht immer das Geld, um jedes Hundeschicksal zum Guten zu wenden.

Doch als Karen sich dem Hund näherte, erkannte sie etwas in seiner Haltung und seinen Augen. Sie betete im Stillen: »Lieber Gott, bitte hilf mir, hier ein gutes Ende zu erreichen, bei dem alle glücklich werden.« Es war Karen wichtig, jedem geretteten Hund einen neuen Namen zu geben, der symbolisch für einen neuen Anfang stand. Für diesen jungen Hund hatte sie schon einen.

»Komm, Dakota, lass uns von hier verschwinden«, sagte sie sanft, während sie ihm die Kette abmachte und ihn auf den Arm nahm. Dakota ist das indianische Wort für »Freund«, und der Hund, der jetzt so hieß, wedelte mit dem Schwanz. Karen lächelte. Wenn es darum ging, einen Golden Retriever zu retten, freute sie sich oft schon über kleine Siege.

Sie setzte Dakota in eine Hundebox, die sie hinten ins Auto stellte, und fuhr mit ihm zu ihrem Tierarzt. Wie sich herausstellte, hatte Dakota einen Herzwurm, der sich durch Mücken ausbreitet. Mücken haben Parasiten, die Dirofilaria Immitis genannt werden und die Arterien und Herzkammern von Hunden befallen. Wenn sie sich vermehren, können sie in den Arterien und im Herzen des Hundes lebensbedrohliche Blockierungen verursachen. Angekettet in einem Garten, in dem es von Mücken wimmelte, war Dakota einem größeren Risiko des Parasitenbefalls ausgesetzt gewesen. Infizierte Hunde können zwar behandelt werden, doch die Behandlung ist schwierig und kann selbst tödliche Blockierungen auslösen, da jedes Mal ein paar der Würmer gleichzeitig abgetötet und aus dem Herzen entfernt werden.

Karens Tierarzt begann sofort mit Dakotas Behandlung. Am Anfang des Behandlungsprozesses blieb Dakotas Herz plötzlich stehen, was vermutlich durch eine Blockierung verursacht war. Nach ein paar bangen Momenten schlug sein Herz wieder und der Herzwurm konnte mit der Zeit entfernt werden. Der Hund schien auf dem besten Weg der Genesung und des Happy Ends zu sein, das Karen sich für ihn erhoffte.

Wegen seiner besonderen Persönlichkeit fanden die Hunderetter des Verbands, dass Dakota sich gut als Arbeitshund eignen würde. So vermittelten sie ihn an die Texas Service and Hearing Dogs Organization. Dakota bestand alle erforderlichen Charaktertests und begann mit dem Ausbildungsprogramm. Doch nach ein paar Monaten Training wurde er routinemäßig geröntgt. Dabei zeigte sich eine alte Verletzung, die anscheinend nie behandelt worden war. Auch wenn sich die genaue Ursache der Verletzung nicht mehr bestimmen ließ, ließ sich erkennen, dass der Oberschenkelknochen den Hüftknochen durchbohrte. Vielleicht war Dakota als Welpe von einem Auto angefahren worden oder hatte irgendein anderes Trauma erlebt. Die Ursache war unwichtig, doch der Hund fiel durch die physische Prüfung. Erstaunlicherweise hatte er fast das gesamte Ausbildungsprogramm durchlaufen, bevor sein Hüftbruch überhaupt bemerkt wurde.

Die Hundeschule schickte ihn zu Karen zurück, und die brachte ihn vorübergehend bei einem Mitglied des Hundeverbands unter, während der GHGRC den nächsten Schritt überlegte. Auch wenn Dakota unter der gebrochenen Hüfte nicht zu leiden schien, brauchte er eine Hüftoperation, um zukünftige Schmerzen und Arthritis zu verhindern. Es war eine aufwändige Operation, die sich der Verband nicht leisten konnte.

Als Karen mit meiner Frau und mir über den Hund sprach, meinte sie: »Der kleine Kerl war nur noch eine Röntgenaufnahme von seiner Qualifikation entfernt. Warum besucht ihr Dakota nicht in seinem vorübergehenden Zuhause? Wenn er euch gefällt und ihr ihn besser kennen lernen wollt, könnt ihr ihn übers Wochenende mit nach Hause nehmen. Wahrscheinlich kann aus ihm ein sehr fähiger Therapiehund für euch werden - aber er bringt eine ziemlich umfangreiche medizinische Vorgeschichte mit sich.«

Ich musste lächeln. »Na ja, das tu ich ja auch«, sagte ich trocken. »Und ich hatte auch schon einen Herzstillstand, genau wie er.« Ich war über mich selbst überrascht. Es klang beinahe so, als würde ich nach Gründen suchen, um Dakota aufzunehmen.

»Ich kann euch zwar nichts versprechen«, sagte Karen, »aber wenn es zwischen euch funkt, dann müsst ihr dafür sorgen, dass er die Hüftoperation erhält.«

Noch am selben Abend fuhren Nancy und ich in den Südwesten von Houston, um uns den Hund anzusehen. Wir nahmen Abbey mit. Schließlich betraf die Entscheidung ja auch sie und so hatte sie ein Mitspracherecht.

Es ist nicht immer einfach, eine Pflegestelle für einen Hund zu finden, und man weiß nie, ob jemand mit dem Herz am rechten Fleck sich dabei nicht übernimmt. Wir versuchten zwar, objektiv zu bleiben, doch die Tatsache, dass Dakota in einer Box in der Küche seiner Pflegeperson untergebracht war, enttäuschte uns etwas.

Nancy gefiel es kein bisschen, denn es wirkte eher, als wäre Dakota eingesperrt statt »untergebracht«, wie Hunderetter es gerne nennen. »Wahrscheinlich ist das hier immer noch besser als im Tierasyl«, sagte sie leise zu mir.

Dakotas »Pflegevater« öffnete die Tür der Box, um ihn herauszulassen. Anfangs wirkte der Hund ein wenig scheu und ängstlich. Das war ungewöhnlich, da die meisten Golden Retriever Fremde sofort wie alte Freunde begrüßen.

Dakota sah sich im Raum um. Dann ging er direkt auf Abbey zu und knurrte sie ein bisschen an. Danach ging er zu Nancy und fing an, langsam mit dem Schwanz zu wedeln. Mich begutachtete er ungefähr zwei Sekunden lang - er war schlau genug zu wissen, wen von uns er für sich einnehmen musste, und so ging er zu den Mädels zurück.

Mein erster Eindruck von ihm war nicht gerade umwerfend. Ich mochte ihn nicht besonders und irgendetwas an ihm störte mich. Er knurrte Abbey wieder leise an, doch sie ließ nicht von ihm ab, und nach kurzer Zeit tolerierten sie einander wie zwei Kinder, die sich um ein Spielzeug streiten.

Meinem Gefühl nach war Nancy auch nicht verrückt nach ihm, aber sie mochte ihn. Und es war eindeutig, dass Abbey nichts gegen Dakota hatte. Irgendwann kam er auch zu mir und brachte mir immer wieder einen grünen Gummifrosch. Jetzt, da ich ihn in Aktion sah, konnte ich verstehen, warum er in der Box gehalten worden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Dakota der Hund für mich sein sollte, jener schicksalhafte Therapiehund, den Dr. Attar sich für mich vorstellte.

»Komm, wir bringen ihn nach Hause«, sagte Nancy. »Lass ihn uns hier rausholen - wir können ihm wenigstens für ein paar Tage ein schönes Leben bereiten.«

»Deswegen sind wir nicht hergekommen«, sagte ich. »Wir sind nicht hier, um ihn zu retten. Wir sind hier, um zu sehen, ob er der richtige Hund für uns ist.« Ich erhielt keine Antwort von ihr, und so gab ich widerstrebend nach und brachte ihn zum Auto.

Die Fahrt nach Hause war abenteuerlich. Dakota benahm sich unmöglich - er kabbelte sich die ganze Zeit über mit Abbey, um unsere Aufmerksamkeit zu erringen, und hielt jeden von seinem grünen Frosch fern.

»Wir behalten den Hund auf keinen Fall«, sagte ich zu Nancy. »Lass uns doch einfach umkehren und ihn gleich zurückbringen.«

»Darüber reden wir morgen«, gab sie in dem Ton zurück, den ich schon kannte. Er bedeutete, dass die Diskussion vorbei war. Ich glaube, der Hund tat ihr leid, während ich mir leidtat ... wie meistens. Ungeachtet dessen wurde eines in dem engen Innenraum unseres Autos klar: Dakota brauchte dringend ein Bad, bevor er unser Haus betreten könnte. Daher wuschen wir ihn trotz der Dunkelheit in der Auffahrt, sobald wir zu Hause angekommen waren - genau das, was ich schon immer abends um zehn hatte machen wollen. Das verpasste Dakota noch einen Minuspunkt auf meiner Anti-Hunde-Liste.

Schließlich brachten wir ihn ins Haus. Wie sogar ich zugeben musste, schien er sich dort wohl zu fühlen. Seine Augen schienen ein wenig aufzuleuchten und er taute etwas mehr auf als auf seiner Pflegestelle. Doch sein grüner Frosch war tödlich - jedes Mal, wenn Dakota etwas wollte, kam er zu mir und drückte mir den Frosch ins Gesicht. Und als er Abbeys zahlreiche Spielsachen sah, war das für ihn wie das Weihnachten der Golden Retriever. Er verbrachte den Rest des Abends damit, mir Abbeys Spielsachen zu bringen und sie mir auch aufs Auge zu drücken. Ich war müde, ich wollte schlafen gehen und er trieb mich in den Wahnsinn.

 

Nancy schien sich köstlich zu amüsieren. Schließlich nervte er sie auch nicht so sehr wie mich. Anscheinend peilte er jetzt mich an, weil er wusste, dass er meine Frau längst auf seiner Seite hatte.

Doch ich entschied, dass ich den Hund nicht ertragen konnte. »Das wird eine sehr kurze Probezeit«, sagte ich zu Nancy. »Er ist das ungezogenste Vieh, das mir je begegnet ist.« Meiner Meinung nach stimmte die Chemie nicht. »Wir bringen ihn zurück. Ich weiß zwar, dass er mich beschäftigen und bewegen soll, aber das hier ist einfach lächerlich. Er zwingt mir dauernd seinen blöden Frosch auf.«

»Gib ihm etwas Zeit, sich an dich zu gewöhnen«, sagte Nancy. »Wir haben schließlich keine Eile.«

Das überzeugte mich auch nicht. »Ich halte es nicht aus - lass ihn uns wegbringen. Er gibt mir sonst noch einen Herzinfarkt.«

Doch Nancy blieb beharrlich. »Der Hund hat eine Menge durchgemacht, Mike. Er hatte Herzprobleme, die Menschen haben ihn aufgegeben und dann kriegt er doch immer wieder eine Chance zu überleben. Klingt das nicht vertraut? Er ist wie du.«

Wie ich? Oh Gott, sie hatte Recht. Dakota war wirklich wie ich - kaputtes Herz und alles andere. Ich sah erst ihn und dann sie an. »Also gut«, sagte ich. »Einen Tag gebe ich ihm noch, aber dann ist Schluss.«

Kapitel Drei
Der grüne Gummifrosch

Der grüne Frosch lag immer noch auf dem Boden unseres Wohnzimmers. Demnach musste sein vierbeiniger Besitzer auch irgendwo in der Nähe sein. Als ich am Abend davor ins Bett gegangen war, war Dakota nicht in meinem Leben erwünscht gewesen. Doch beim Versuch einzuschlafen hatte ich die letzten Worte von Nancy nicht abschütteln können. »Er ist wie du.«

Vielleicht war das der Grund, weshalb Dakota am nächsten Morgen ein bisschen anders auf mich wirkte. Als ich in die Küche ging, um meinen Kaffee zu trinken, lag der Hund mitten im Wohnzimmer. Er hatte die meisten Spielsachen von Abbey vor sich aufgehäuft. Als er mich sah, wedelte er zwar mit dem Schwanz, doch er rührte sich nicht. Ich vermied seinen Blick, damit er mir nicht wieder den grünen Frosch ins Gesicht drückte.

Nancy stellte mir einen Becher Kaffee hin. »Ich glaube, er hat schon auf dich gewartet«, sagte sie. »Er hat den ganzen Morgen über den Flur im Auge behalten und auch jetzt wendet er den Blick nicht von dir ab.«

Oje! Schau ihn bloß nicht an, schau ihn bloß nicht an ... Aber ich konnte nicht anders. Ich blickte heimlich zu ihm herüber. Eine Sekunde später hatte ich ihn am Hals - wie wär’s mit ein bisschen Frosch zum Kaffee?

»Guten Morgen, Dakota«, seufzte ich und kraulte seine Ohren, während er den Frosch auf meinen Schoß legte und daran knabberte.

Beim Einschlafen hatte ich über seine Herzprobleme und das, was er durchgemacht hatte, nachgedacht. Was sagt man dazu? Gewöhnlich war ich zu sehr damit beschäftigt, wütend auf die Welt zu sein und in Selbstmitleid zu versinken, um einen Gedanken an die Probleme anderer zu verschwenden. Mir fiel wieder ein, was auf der Webseite der Delta Society stand: Tiere können Menschen mit geringem Selbstwert helfen, sich auf die Tiere statt auf sich selbst zu konzentrieren. Genau das passierte mit Dakota und mir: Statt über mich nachzudenken dachte ich nun über ihn nach.

Doch ich war noch nicht sicher, ob wir jemals ein emotionales Band herstellen könnten. Einer der Gründe, warum ich bis jetzt mitgemacht hatte, war, um Dr. Attar loszuwerden, um ihr zu zeigen, dass mir kein Hund auf der Welt helfen konnte. Der Gedanke, sie könnte Recht haben, war mir zuwider ... doch ich wollte den Hund auch nicht mehr zu seiner Pflegestelle zurückbringen.

»Wie verhält Abbey sich ihm gegenüber?«, fragte ich Nancy.

»Die beiden lieben sich schon«, sagte sie. »Sie hat ihm jedes ihrer Spielsachen gebracht, das er sich noch nicht geholt hatte. Ich glaube zwar, sie legen noch die Grenzen fest, aber wenn er bleibt, hat sie damit kein Problem.«

Ich warf den Frosch quer durchs Zimmer und Dakota brachte ihn sofort zurück. Den ganzen Morgen über hörte er nicht mehr auf, mit dem Schwanz zu wedeln. »Hast du schon mit Karen geredet?«, fragte ich Nancy.

»Nein, aber wir sollten sie wohl anrufen und wissen lassen, wie es läuft«, erwiderte sie. Es klang wie eine Frage, so als wollte sie von mir hören, wie es lief.

Dakota legte mir den Frosch auf den Schoß und stupste mich mit der Schnauze. Wieder warf ich das Plastikding und wieder brachte er es zurück. Ich war sicher, es würde ein endloses Spiel werden. Er sah mir direkt in die Augen und ich gab seinen Blick zurück. Hunde verwenden gern ihre Augen, um Dominanz zu etablieren, doch Dakotas Blick war einladend ... und ich sah etwas ganz Besonderes darin. Ich war zwar nicht sicher, was es war, aber ich fragte mich, ob ich es noch einmal sehen würde. Die Hundebox in der Küche, in der wir ihn vorgefunden hatten, fiel mir wieder ein. Ich betrachtete die Hundespielsachen, die Dakota in einem Haufen versammelt hatte, und dann sah ich ihn an.

»Und was ist mit dir?«, fragte ich meine Frau. »Bist du bereit, noch einen von uns zu versorgen?«

Nancy machte ein überraschtes Gesicht. Mich überraschten meine Worte genauso.

»Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, sagte sie und grinste. »Du weißt, was Dr. Attar gesagt hat: Dakota ist ganz allein dein Hund, mein Lieber.« Doch ihr Blick verriet mir, dass sie mir helfen würde ... und dass sie diesen Augenblick in vollen Zügen genoss.

An diesem Morgen machten Dakota und ich unseren ersten Spaziergang. Als wir durch die Nachbarschaft gingen, betrachtete und beschnüffelte er alles genau und wedelte unablässig mit dem Schwanz. Es war ziemlich ruhig und wir gingen nur bis zum Ende des Straßenblocks und wieder zurück. Doch in der kurzen Zeit spürte ich deutlich, dass Dakota ein ganz besonderer Hund war.

Als wir wieder zurückkamen, sagte ich zu ihm: »Wir sind zu Hause.« So einfach hatte ich mich in Dakota verliebt und nun würde er für immer bei uns bleiben. Ich rief Karen an und teilte ihr mit, dass wir ihn behalten würden. Wie sie prompt sagte, hatte sie von Anfang an gewusst, dass unser Zuhause genau das Richtige für Dakota sei.

♦ ♦ ♦

Am Anfang war es einfach. Wie Dakota schnell herausfand, brauchte er nur den grünen Quiekfrosch anbringen und mir unter die Nase halten - und schon bekam er alles, was er wollte. Es wurde so schlimm, dass ich das alberne Ding noch nicht mal zu sehen brauchte - sobald ich es quieken hörte, griff ich nach der Leine und ging zur Haustür, wo Dakota schon auf mich wartete. Er benutzte auch den Frosch, wenn ich ihn füttern sollte, wenn er in den Garten hinaus gelassen werden wollte oder wenn ich unter die Couch kriechen sollte, um ein anderes Spielzeug für ihn zu holen. Er konnte sich ohne Vorankündigung von einer Nervensäge in einen treuen und liebevollen Hundekameraden verwandeln und genauso schnell wieder unausstehlich werden. Er hatte einen richtig guten Deal, und dabei hatte ich gedacht, er würde für mich arbeiten.

Aber um fair zu sein: Er kümmerte sich auch um mich. Wenn es mir nicht gut ging, spürte er das. Dann legte er sich zu mir ins Bett und tröstete mich. Er konnte stundenlang still neben mir liegen. Ich kämpfte immer noch mit Herzproblemen (vor allem mit Angina-pectoris-Attacken) und Dakota half mir durch den Schmerz hindurch. Er ließ mich nicht mehr über irgendetwas wütend oder besorgt werden - dann kam er zu mir, forderte meine Aufmerksamkeit und lenkte mich von meinen Problemen ab. Das war ein Segen für Nancy, die dadurch von meiner Wut verschont wurde.

Ich fing an, das Grundkonzept der Therapiehunde zu begreifen, das wir im Internet gefunden hatten. Jetzt verstand ich, dass Dakota mir half, mich zu entspannen und mich abzulenken - egal ob ich Schmerzen, Stress oder Depressionen hatte. Ich war zu sehr mit Dakota beschäftigt und hatte keine Zeit mehr für Selbstmitleid oder Pläne, wie ich mich am elegantesten umbringen konnte. Ein großer Teil der Therapie bestand aus körperlichen Aktivitäten: den Ball oder Frosch werfen, ihn streicheln, mich mit ihm auf dem Boden wälzen, ihn baden oder bürsten. All das waren Aktivitäten, die mir guttaten.

Obwohl ich nun zu Hause meinen eigenen vierbeinigen Physiotherapeuten und Psychotherapeuten hatte, ging ich weiterhin zu Dr. Attar. Doch die Sitzungen waren nun ganz anders. Statt mich auf meine Wut und Hoffnungslosigkeit zu konzentrieren, erzählte ich ihr von Dakota und mir, wie wir miteinander auskamen und was wir zusammen unternahmen. Ich begann, mich auf meine Therapiestunden bei Dr. Attar zu freuen und es machte mir Spaß, Dakota mit ihr und allen anderen zu teilen. Dakota zerrte mich aus meiner Höhle und brachte mich zu mir selbst zurück.

Unsere kurzen Spaziergänge bis ans Ende des Straßenblocks wurden ausgedehnter - bald stromerten wir durch das ganze Wohngebiet. Die Nachbarn fingen an, nach uns Ausschau zu halten. Wenn wir an einem Tag jemanden verpasst hatten, wartete er am nächsten Tag schon auf uns und wollte wissen, was passiert sei. Im August ließen Nancy und ich Dakota an der Hüfte operieren und deswegen fielen unsere Spaziergänge in der Nachbarschaft für ein paar Tage aus. Danach mussten wir tausend Mal aufs Neue erzählen, was der Grund für unser Ausbleiben war. Und dann wurde seine Rehabilitierung zu meiner Physio- und Psychotherapie. Immer wieder begegneten wir Leuten, denen ich von Dakota und der Rolle, die er in meinem Leben spielte, erzählte. Es war daher nicht überraschend, dass ich anfing, mehr über Dakota und weniger über mich zu sprechen.

Mein Leben hatte sich deutlich geändert. Innerhalb von sechs Monaten setzte Dr. Attar meine Medikamente gegen Angstzustände ab. Ich funktionierte wieder und genoss mein neues Leben mit »Cody«, wie ich ihn nannte. Wir lebten eine wahre Lebensweisheit: Geteilte Freude ist doppelte Freude - geteilter Schmerz ist halber Schmerz. Wenn ich jetzt zurückblicke, stelle ich fest, dass ich damals anfing zu ahnen, wer in Wirklichkeit wen gerettet hatte.

Es machte großen Spaß, Cody nur dabei zuzuschauen, wie er Hund war, und zu genießen, wie er im Hier und Jetzt lebte, ohne sich um die Vergangenheit zu scheren oder sich Sorgen über die Zukunft zu machen. Er lebte das Leben von Augenblick zu Augenblick und er war für jede Sekunde dankbar. Das liebte ich so an ihm und ich hoffte, von ihm lernen zu können, auch so zu sein.

♦ ♦ ♦

Es war im Frühjahr 1995. Seit meinem ersten Herzinfarkt waren mehr als drei Jahre vergangen. Vor Dakota hatte ich geglaubt, das Ziel meines nächsten Ausflugs würde meine eigene Beerdigung sein. Doch jetzt zwang er mich jeden Tag hinaus ins Freie und das genoss ich richtig. Ich liebte es, wie er seine Persönlichkeit überall hintrug, wohin wir auch gingen.

Irgendjemand hat einmal gesagt, wenn Hunde sprechen könnten, würden sie sagen: »Ich auch, ich auch!« Das ist exakt die Lebenseinstellung von Golden-Retriever-Hunden. Es scheint, als würden sie ständig sagen:

»Und was machen wir jetzt?«

»Wohin gehen wir heute?«

»Was isst du da?«

»Die Sonne fühlt sich toll an!«

»Hier, wirf den Ball!«

»Wer ist da?«

Cody hatte immer den Schimmer des Golden Retriever in seinen sanften, dunklen Augen. Er schien zu lächeln und mit sich im Reinen zu sein. Es war ein Blick, der jeden zum Lachen brachte und wenigstens für einen Augenblick vergessen ließ, welche Probleme man hatte oder noch kriegen könnte. Ich wünschte, ich hätte die Anzahl der Lächeln zählen können, die dieser Hund in anderen Menschen hervorgerufen hat.

Seine schimmernden rotgoldenen Haare waren wunderschön ... egal ob an ihm oder an unseren Kleidungsstücken oder Möbeln. Und sein Schwanz war ständig am Wedeln. Man sagt, ein Hund würde mit dem Schwanz lächeln. Dem würde ich nicht widersprechen. Cody bahnte sich mit dem Schwanz seinen Weg, und man musste sich gut überlegen, ob man einen zerbrechlichen oder mit einer Flüssigkeit gefüllten Gegenstand wirklich auf den Couchtisch stellen wollte.

 

Seine täglichen Bauchlandungen und Paddelkünste in unserem Swimmingpool hätten ihm den Stolz eines jeden olympischen Tierschwimmteams eingebracht. Klar befanden sich auch immer ein paar rote Hundehaare im Poolfilter. Wenn ich ihn säuberte, sagte ich mir einfach, dass Cody mir damit noch mehr Physiotherapie für mein Herz verabreichte und dass es mir guttat.

Zwar besaß er nur den einen grünen Frosch, aber es schien, als hätte er ein ganzes Dutzend davon - ich fand »sie« dauernd in meinem Sessel, auf dem Sofa, im Flur, auf unserem Bett und im Badezimmer. Und wenn ich nicht gerade auf den Frosch trat oder ihn von einem Möbelstück pflückte, hielt Dakota ihn mir unter die Nase und wollte spielen.

Jeden Tag sah ich, was Dakota nicht nur für mich tat, sondern auch für alle anderen, denen wir auf unseren täglichen Abenteuern begegneten. Die Wirkung, die er erzielte, faszinierte mich und ich wollte noch mehr erreichen. An dieser Tiertherapie war wirklich was dran, wie ich merkte. Ich suchte mir im Internet Informationen zusammen und telefonierte ein wenig herum, um mehr darüber zu erfahren.

Karen Costello hatte mir vorgeschlagen, ich sollte mit Dakota den Eignungstest, Canine Good Citizen (CGC) genannt, machen, der vom amerikanischen Rassehundeverband (AKC) durchgeführt wird. Das Prüfungsprojekt hat sich die verantwortungsbewusste Hundehaltung und anständige Verhaltensweisen von Hunden in der Öffentlichkeit zum Ziel gesetzt. Ich schöpfte den Verdacht, dass das - wie viele unserer Aktivitäten - etwas war, was angeblich für den Hund gedacht war, in Wirklichkeit jedoch mir guttun würde.

Ich rief den Rassehundverband AKC an und bekam die Anleitungen für die Prüfungsvorbereitung, und dann übten Cody und ich jeden Tag zu Hause und auf unseren Spaziergängen. Es war eine gute Therapie für mich und half uns, eine funktionierende Beziehung aufzubauen. Dakota ließ alles so leicht aussehen, dass ich mir nicht sicher war, ob wir wirklich alles richtig machten. Sollte das Ganze nicht schwieriger sein?, fragte ich mich.

Wir beschlossen, den Test bei der Hundeshow des Houston Kennel Clubs im Sommer zu absolvieren. Am Abend vor der Ausstellung konnte ich nicht schlafen. Ich war sehr nervös. Abgesehen von den Arztbesuchen und Spaziergängen in der Nachbarschaft war es buchstäblich das erste Mal in vier Jahren, dass ich mich aus dem Haus wagte.

Wahrscheinlich war es gut für uns, dass unsere Prüfung schon um neun Uhr stattfinden sollte. Ich hatte zwar keine Zuschauer erwartet, doch als wir ankamen, standen sie um den Ring herum. Dakota nahm es gelassen. Er war der Erste im Ring und zog die Prüfung durch, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht. Er nahm sämtliche Hürden mit Bravour: Fremde begrüßen? Er war noch nie einem Fremden begegnet und würde es wohl auch nie. Komische Geräusche? Er rührte keinen Muskel. Fremde Hunde? Er zuckte nicht mit der Wimper. Er hätte ein Poster-Hund sein können. Dakota bekam perfekte Noten - so etwas war den Prüfern noch nie untergekommen.

Als ich unsere Unterlagen einsammelte, kam eine Frau auf mich zu und sagte: »Hallo, ich bin Jan Hassler, die Geschäftsführerin von Paws for Caring (›Pflegedienst auf Pfoten‹). Unser Stand ist da drüben. Würden Sie bitte vorbeikommen, bevor Sie gehen?«

»Ja, sicher«, sagte ich. »Was ist Paws for Caring?«

»Wir arbeiten mit Tiertherapie.«

»Wir kommen gleich rüber.«

Jan hatte Dakota im Ring beobachtet. Sie sagte mir, sein Temperament würde sich perfekt für die Tiertherapie eignen und sie würde uns gerne helfen, bei dem Programm mitzumachen. Ich sagte ihr, dass ich überall Informationen über die Tiertherapie gesammelt hatte und wir unser eigenes kleines Therapieprogramm in der Nachbarschaft laufen hatten, doch dass es an der Zeit sei, sich wirklich mit einem anderen Menschen darüber auszutauschen.

Sie lächelte wissend. »Nun, Sie haben nur ein kleines bisschen von dem gesehen, was Sie damit erreichen können. Ich glaube, wenn Sie bei uns mitmachen, können Sie viele Menschen auf sehr sinnvolle Weise erreichen«, sagte sie.

Es war der perfekte Zeitpunkt für unsere Begegnung und wir hatten eine sehr interessante Unterhaltung. Jan berichtete mir von den Erfolgen der Menschen und Tiere, die bei der Organisation mitmachten, und von den Orten, an denen ihre Mitglieder wöchentlich eingesetzt wurden. Sie überzeugte mich restlos. Dakota war ein Naturtalent und ich konnte es kaum erwarten, mein Leben mit einer solchen Aktivität zu bereichern. Der nächste Schritt würde die AAT-Prüfung sein, die wir nach den Richtlinien des Haustierpartnerprogramms der Delta Society bei Paws for Caring machen konnten.

Ich hatte mich telefonisch mit Susan Duncan von der Delta Society angefreundet, und sie ermutigte jeden Schritt, den Dakota und ich machten. Es war gut zu wissen, dass Susan und die Mitarbeiter der Delta Society uns auf unserer neuen Reise zur Seite stehen würden. Der Qualifikationsprozess von Delta beinhaltete außerdem die Richtlinien und Regeln, die beachtet werden müssen, wenn man Tiere in Krankenhäuser, Pflegeheime und Schulen bringt, und bietet eine Haftpflichtversicherung über eine Million Dollar.

Die Prüfung an sich war im Grunde eine erweiterte Version der CGC-Prüfung; es wurden die Situationen nachgestellt, mit denen ein ehrenamtlicher Mitarbeiter und sein Tierpartner in einer Gesundheitseinrichtung rechnen mussten. Es näherte sich uns zum Beispiel jemand von hinten und ließ einen Nachttopf fallen. Ich zuckte zusammen, doch Dakota reagierte kaum. Oder ehrenamtliche Mitarbeiter, die in die Rollen von »Patienten« in Rollstühlen und Gehhilfen schlüpften, umzingelten uns. Cody blieb ruhig sitzen und zählte seine neuen Freunde. Andere Rollenspieler wurden zu neugierigen oder desorientierten Erwachsenen und groben Kindern, die uns zu nahe kamen und an Dakota zerrten. Ich wollte ihn wegziehen, doch er blieb sitzen und nahm es hin - oft wedelte er dabei sogar mit dem Schwanz.

Immer wieder sah Cody mich an, als wollte er fragen: »Sind wir endlich fertig?« Er war stabil und zuverlässig und verlor nie die Fassung. Auch diese Prüfung stellte für ihn keine große Herausforderung dar und ich war sicher weitaus nervöser als er. Anscheinend behinderte ich ihn jedoch nicht zu sehr, denn wir bestanden die Prüfung mit Auszeichnung. Wir waren bereit, mit unseren Besuchen zu beginnen. Doch bevor wir uns an die Arbeit machten, wollte ich noch mehr über Tiertherapie wissen. Daher recherchierte ich ein wenig. Wie ich dabei herausfand, basiert sie auf der simplen Tatsache, dass Tiere unser Leben verbessern.

Vor zehntausenden von Jahren tauchten Wölfe an den Lagerfeuern der Menschen auf, um nach Futter zu suchen. Das war der Anfang einer Beziehung, die seither anhält und gedeiht. Mit der Zeit entwickelten sich die wilden Wölfe zu zahmen Hunden (Katzen stießen erst später hinzu) und wurden dazu benutzt, für die Menschen zu arbeiten - vom Wachhund über den Schlittenhund bis hin zum Rattenfänger. Manchmal leisten Tiere sogar außergewöhnliche Heldentaten, wie zum Beispiel ihre Familie aufwecken und sie so vor einem Feuer zu bewahren oder sie vor wilden Tieren oder Kriminellen zu beschützen.

Und als zusätzlicher Vorteil dieser liebevollen Beziehung wurde das emotionale Band zwischen Mensch und Tier gestärkt. Einfach ausgedrückt ist es eine »Wohlfühlbeziehung«: Wir streicheln unseren Hund oder unsere Katze, wir sprechen mit unserem Vogel oder wir reiten unser Pferd und fühlen uns besser. All die Jahre hindurch haben diese scheinbar simplen Handlungen mit unseren Tierkameraden uns dazu gebracht, zu lächeln, unsere Probleme zu vergessen und uns ein bisschen besser zu fühlen. So war es ganz einfach und niemand suchte nach einer tieferen Erklärung.