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Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift

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Künstlerische Directionen und Theaterschulen werden auch diese Verhältnisse verändern oder sie durch die richtigen Maßregeln ausgleichen.

Ist mit der hier besprochenen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen Kunstlebens für eine mögliche Vollkommenheit dessen, was die großen, tonangebenden Theater leisten, gesorgt, so wird der wohlthätige Einfluß davon auf die Bühnen zweiten Ranges, auf die Stadttheater, nicht ausbleiben. Damit aber darf die Landesregierung sich nicht beruhigen, ihre Oberleitung muß sich grundsätzlich bis auf die letzte Wanderbühne geltend machen.

Die Directionen der Stadttheater sind – man darf sich darüber nicht täuschen – nichts anderes, als industrielle Unternehmungen. Die Magistrate oder die Regierungspolizei, denen bis jetzt die dramatische Kunst in den Provinzen unterworfen ist, setzen daher auch ihre höchste Forderung an den Director, bei Uebergabe des Theaters, in seine Zahlungsfähigkeit.

In welchem Geiste er es führen werde, davon ist niemals die Frage. Gute Einnahmen gelten für den Beweis, daß er das Publikum zu unterhalten verstehe, und wenn dies auch in der geschmackverderblichsten Weise geschieht, so hat die Behörde ihn deshalb nicht anzufechten.

Dieser Zustand verändert sich schon durchaus, sobald die Oberaufsicht von der Landespolizei auf das Cultusministerium übergeht, dem der Geist der Institute als das Wesentliche, ihr materieller Bestand nur als dessen Grundlage gilt. Das Ministerium würde vor Allem darüber wachen müssen, daß die Directoren der Stadttheater künstlerisch befähigte und gesinnungstüchtige Männer seien und daß sie die Verpflichtung übernähmen: ein der Musterbühne des Landes analoges Verfahren einzuhalten. Dies müßte der Hauptpunkt der Pachtverträge oder Concessionsertheilungen sein. Nach Ort und Verhältnissen würde sich das Maß für die Erfüllung dieser Bedingung bestimmen lassen, wobei die Directionen der Residenztheater die sachverständige Regulirung übernehmen könnten. Das Wichtigste dabei müßte die Aufstellung eines Stammrepertoirs sein, das jeder Director – nach Maßgabe seiner Kräfte und seines Publikums – in jährlicher Wiederkehr festzuhalten hätte. Denn womit ein Theater sich beschäftigt, das bestimmt seine Beschaffenheit. Ist ein Director gezwungen, alljährlich gewisse treffliche Stücke aufzuführen, so wird er, um seines eignen Vortheils willen, sie möglichst gut zu geben suchen und an dem Umgang mit dem Trefflichen wird das Institut sich erheben.

Die Regierung müßte ferner dahin wirken, das Repräsentativsystem der Direction auch bei diesen Theatern einzuführen. Hier, wo die Einnahmen zur Lebensfrage für alle Mitglieder werden, wird die Organisation bald zu einem vollständigen Societätsverhältnisse führen, das, wenn es gehörig geregelt und beaufsichtigt wird, die trefflichste Schule für den schauspielerischen Gemeingeist abgeben und der Ausbeutung der Kunst und der Künstler durch das Unternehmerwesen ein Ziel setzen muß.

Freilich hätte die Regierung auch dahin zu wirken, daß die Städte den verkehrten Grundsatz aufgäben: vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, daß die Stadttheater von einer Menge von Lasten und Abgaben und dadurch von steten Sorgen befreit würden, welche die Befolgung reinerer Grundsätze unmöglich machen.

Zunächst müßte dies mit dem Miethzins der Fall sein, der für die Benutzung der Schauspielhäuser gezahlt wird. Jede bedeutende Stadt muß unter ihren öffentlichen Gebäuden auch ein Theater besitzen, und ebensowenig als für Benutzung der Kirchen, Schulhäuser, Bibliotheken, Museen u. s. w. ein Miethzins eingezogen wird, sollte er für das Theater gefordert werden.

Es sollte ein Ehrenpunkt für unsere Städte sein – wie dies in Frankreich der Fall ist – ihre Schauspielhäuser der Kunst ohne Eigennutz zu eröffnen, dann würden sie auch höhere Ansprüche an das, was drinnen geleistet werden soll, machen können.

Auf die Directionen solcher Theater, welche aus Staatsmitteln Unterstützungen erhalten – wie dies in mehreren Provinzialhauptstädten Preußens der Fall ist – würde die Regierung einen dictatorischen Einfluß üben können, auf die andern würde dieser zunächst ein vermittelnder, aber darum nicht weniger wichtiger sein.

Entschiedener und gewaltsamer müßte dagegen der Eingriff in das Wesen der Wanderbühnen, der großen und kleinen ausfallen; hier ist einem Unfuge zu steuern, der nicht allein auf dem Gebiete der Volksbildung, sondern auch der bürgerlichen Sitte und Ordnung wahre Verwüstungen anrichtet.

Aeußerst wenige der sogenannten reisenden Gesellschaften bewähren durch dauernden Bestand ihre Achtbarkeit. Die bei Weitem größere Zahl der Comödiantenbanden, welche schaarenweis Deutschland durchschwärmen, in mittleren und kleinen Städten, Flecken und Dörfern sich einander auf die Fersen treten und die Schaulust der Einwohner – auf eine, zu deren übriger Lage, unverhältnißmäßige und meistentheils unwürdige Weise – ausbeuten, schleppen sich von einem Bankerott zum andern. Sie entstehen aus zusammengerafften Leuten, halten sich einige Monate, oft nur einige Wochen, bezeichnen ihre Wanderspur mit der liederlichsten Wirthschaft, hinterlassenen Schulden, verführter Jugend u. s. w. und zerstreuen sich dann über das Land hin, eine Schaar vagabundirender Bettler. Meistens sind es bethörte Menschen, die im äußersten Elende die unergiebigen Sommermonate durchkämpfen, um mit dem Herbste den Kreislauf ihrer verzweifelten Existenz von Neuem zu beginnen. Zu keiner regelmäßigen Thätigkeit mehr brauchbar, gerathen diese Abenteurer des lustigen Elends endlich bis zur untersten Stufe der physischen und moralischen Versunkenheit.

Und diese Zustände werden von den Landesbehörden recht eigentlich herbeigeführt und gehegt. Das Uebermaß der Concessionen, die leichtsinnige Unbedenklichkeit, mit welcher sie ertheilt werden, erschaffen dem Staate eine ganze Klasse von bedauernswerthen und unheilbringenden Landstreichern.

Man hat zur Entschuldigung dieses laxen Regierungsverfahrens angeführt: auch der Kleinbürger und Bauer bedürfe der Erregung seiner Phantasie, die ihn der drückenden Alltäglichkeit enthöbe und dadurch erfrische, das Schauspiel sei dazu das geeigneteste und unschuldigste Mittel, wer ihm also dies verschaffe, dürfe in seiner Gewerbthätigkeit nicht gehindert werden.

Abgesehen davon aber, daß ein Erwerb, der notorisch trügerisch ist, an welchen entschieden polizeiwidrige Folgen geknüpft sind, nicht unbedingten Schutz verdient, ist die Gleichgültigkeit gegen den geistigen Einfluß dieser bettelhaften Schauspiele auf Bürger und Bauer gewiß nicht zu rechtfertigen. Es darf dem Staate nicht gleichgültig sein, wenn dem Volke das menschliche Leben in Zerrbildern und in unsinniger Verkehrtheit dargestellt wird. Gerade den unteren Schichten des Volkes, auf welche der sinnliche Eindruck ungemäßigt durch Ueberlegung und Urtheil wirkt, muß im Schauspiele ein möglichst reiner und lehrreicher Spiegel des Lebens geboten werden.

Ist es doch in unsern Tagen zur Anerkennung gekommen: das Volk habe ein Recht, vom Staate Bildung zu verlangen. Soll sie ihm nun lediglich auf dem Wege des Buchstabens und des Erlernens angeboten, soll sie ihm nicht auch durch lebendige Kunsteindrücke in's Gemüth geprägt werden? Und wenn dies nicht überall in rechter Weise geschehen kann, hat der Staat nicht die Verpflichtung: das Volk wenigstens vor falschen Eindrücken zu bewahren?

Zudem wäre es eine sträfliche Inconsequenz, wenn die Regierung länger zugeben wollte, daß in den Provinzen und auf dem Lande gerade das Gegentheil von dem geschieht, was sie mit so bedeutenden Geldopfern in den Hauptstädten zu bewirken sucht.

Darum muß also die Generaldirection des Cultusministeriums ihre Hand über das ganze Land hinstrecken, der Polizei die Beurtheilung und Entscheidung der Bühnenangelegenheiten abnehmen, sie höchstens zur Vollstreckerin ihrer Beschlüsse machen.

Alle Comödiantentruppen, welche die Würde der Menschendarstellung geradehin verletzen, müssen ohne Weiteres abgeschafft werden. Alle Concessionen sind nach ihrem Ablauf einzuziehen, nur dem Cultusministeriums stehe es zu: sie nach einem neuen Modus zu erneuern.

Nun grenze man bestimmte Wanderbezirke ab, welche vielleicht eine Provinzialhauptstadt und einige nahe gelegene, oder eine genügende Anzahl von mittleren und kleinen Städten umfassen, und übergebe ein jedes dieser Gebiete einem erprobten Director, daß er nach Uebereinkunft mit den betreffenden Städten sie nach einer jährlichen Reihefolge mit seiner Truppe besuche.

Man richte diese Bezirke nicht zu eng, nicht nach einer knappen, sondern nach einer reichlichen Veranschlagung des Theaterpublikums ein, damit diese Gesellschaften anständig bestehen, damit das kostspielige Reisen und an verschiedenen Orten Wohnen in unanstößiger Weise geschehen könne. Man schütze diese Truppen gegen jede Concurrenz – welche jederzeit die Theater nur gegenseitig verschlechtert, niemals verbessert hat – man organisire sie nach dem Muster der Residenztheater, mit angemessenem Stammrepertoir17 und grundsätzlichen Verpflichtungen, mit Repräsentativverfassung, die ganz natürlich auch hier zu Societätsverhältnissen, mit selbstgewählten Führern, ausschlagen wird, dann werden diese ambulanten Theater so in Flor kommen, daß manche Stadt, die jetzt einen Ehrgeiz darein setzt, ein stabiles Theater kümmerlich zu erhalten, es vorziehen wird, in solch einen Wanderbezirk zu treten und lieber vier oder sechs Monate gutes Theater, als das ganze Jahr über schlechtes zu haben. Denn diese reisenden Gesellschaften werden den großen Vortheil genießen, nur einen kleinen Kreis von Vorstellungen zu brauchen, um das Publikum jeder Stadt eine Zeit lang in regem Antheil zu erhalten. Diese Vorstellungen können daher sehr sorgfältig studirt sein und in jeder Stadt neu gespielt, vor immer neuen Zuschauern, immer vollkommener werden. Die Truppen werden auch, wenn bei ihrer Abwesenheit kein anderes Schauspiel stattfinden darf, das Publikum immer wieder voll frischer Theaterlust und begierigem Antheil finden.

 

Man schelte diese durchgreifende und beschränkende Einrichtung – welche allerdings so viele Interessen berührt, daß sie, sowie die gesammte Theaterorganisation, durch ein eignes Gesetz von den Landesvertretern adoptirt werden müßte – nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit des Theaterpublikums und der Erwerbthätigkeit. Man darf das Theater nicht länger als eine bloße Vergnügungs- und Industrieanstalt betrachten. Soll es aber eine höhere Culturbedeutung gewinnen, so müssen die Grenzen seiner Wirksamkeit, ebenso wie die der Kirche und Schule, vom Staate festgestellt werden.

Die Zahl der reisenden Gesellschaften wird über die Hälfte vermindert werden, das ist ein Glück für die bürgerliche Gesellschaft und für die Kunst, denn um so eher wird der Schauspielerstand nur aus wirklich Berufenen bestehen. Den Bewohnern der Dörfer und kleinen Städte wird es besser sein, wenn sie nicht mehr von Wandertruppen heimgesucht werden, dagegen ein wohlgeordnetes Theater in den Städten finden, sobald sie diese zu Jahrmärkten oder festlichen Zeiten besuchen. Die Mittelstädte werden nur eine bestimmte Theatersaison haben, aber sie wird ihnen auch etwas bieten, das des Antheils werth ist.

Man braucht nicht zu besorgen, daß die Bezirksgesellschaften, auf die Ausschließlichkeit des Privilegiums pochend, sich vernachlässigen und das Theaterbedürfniß ihres Publikums mit Bequemlichkeit ausbeuten werden; dagegen bürgt die allgemeine Betheiligung der Mitglieder an Ehre und Vortheil der Gesellschaft und die Abhängigkeit von der Landesregierung, die, auf eine begründete Beschwerde des Bezirks, der Gesellschaft das Privilegium nehmen, oder sie in einen andern Bezirk versetzen kann.

Diese letzte Maßregel eines Wechsels der Gesellschaften könnte übrigens auch unter anderen Umständen anwendbar sein.

Der Vortheil, der hierin aus der Centralisation der Oberleitung sämmtlicher Landesbühnen entspringt, wird sich noch in einer Menge von anderen Dingen darthun. In großen Staaten wird die Ausübung des Ministerialeinflusses allerdings einer weitläuftigeren Gliederung bedürfen, in den kleineren dagegen in ungemein abgerundetem Zusammenhange wirken.

So werden z. B. die allgemeinen und einzelnen Einrichtungen, Bearbeitungen von Stücken, Uebersetzungen, zur dramatischen Handlung gehörige Musiken, verbesserte Operntexte, Scenirungen u. s. w., wenn sie sich in der Residenz als zweckmäßig erwiesen haben, sich ohne erhebliche Kosten den übrigen Landesbühnen mittheilen lassen; mithin werden die besten Talente, welche die Mustertheater versammeln, für die Hebung des gesammten Theaterwesens im ganzen Lande arbeiten. Junge Leute, die sich bei den untergeordneten Theatern auszeichnen, werden in der Unparteilichkeit der, allen Theatern gemeinsamen Oberbehörde den Weg zu den besseren Bühnen unversperrter finden, während, bei dem verbesserten Zustande der Provinztheater, man künftig ohne Sorge vor Verbildung, junge Leute, Eleven der Theaterschule, auf Lehr-und Uebungsjahre dorthin geben kann.

So manches Mitglied der ersten Theater, das unter den jetzigen Verhältnissen bei voller, kräftiger Gesundheit pensionirt wird, – weil es etwa die Stimme verloren hat, oder dem jugendlichen Fache entwachsen, für ein älteres gerade kein Talent zeigt – würde als Director eines Provinzial-Theaterbezirkes dem Staate noch gute Dienste leisten können. Oder der Halbinvalide eignete sich für eine Professur an der Theaterschule; eine Wirksamkeit, welche einem abgetretenen Director auch wohl anstehen würde. Oder wenn der für die Bühne Untauglichgewordene von untergeordneten Fähigkeiten ist, könnte er sich auf irgend einem Beamtenposten der Bühne noch nützlich machen. Immer vermöchte so die Ministerialdirection, durch ihre umfangreiche Verfügung, dem Staate die ungebührlich langen Pensionsleistungen und den alternden Künstlern die Schmach eines bezahlten Müßigganges zu ersparen, in einem Alter, wo sie noch arbeiten können.18

Genügen werden die hier angegebenen Momente, um den Blick auf den außerordentlichen Gewinn zu lenken, den das Theater in seinen Mitteln, durch deren gesammelte Verwendung machen wird. Genügen wird die ganze bisherige Darstellung, um den unermeßlichen Gewinn darzuthun, den der Geist und die Würde der deutschen Bühne von der vorgeschlagenen Reform ziehen und dem Volke mittheilen muß.

Die Schwierigkeiten der Reorganisation sind nicht so groß, als die Umständlichkeit dieser Besprechung vielleicht erscheinen läßt, denn die Einrichtungen beruhen auf der Natur der Sache, gestalten und regeln sich darum aus sich selbst.

In einer freien Entwicklung der künstlerischen Kräfte, bei gemeinsam berechtigter Betheiligung, muß die auf sich selbst gestellte Kunst werden, was sie werden kann; in ihrer Wirkung auf das Volk, vom Geiste desselben – der sich in der Staatsregierung auszusprechen hat – geleitet, wird sie dem Volke leisten, was sie ihm leisten kann.

Dies sind die Bedingungen eines wahrhaften Nationaltheaters. Uebereinstimmend, wie in Kirche und Schule, müssen die Kräfte und Mittel der Nation dazu wirken; nur die organisch verbundenen Landesbühnen erschaffen ein Nationaltheater.

Zum Schluß noch einen Blick auf ein Moment dieses Reformvorschlages, das in rein menschlicher Beziehung allein schon volle Beherzigung verdient: es ist die Wirkung auf den Schauspielerstand.

Allen Plänen, die Schaubühne auf eine höhere Stufe zu heben, pflegt man den Einwurf entgegenzuhalten: sie müßten an der unabänderlichen Beschaffenheit des Schauspielerstandes scheitern.

Wäre es wahr, daß die allerdings starken und mannichfachen Versuchungen dieses Standes unüberwindlich wären, so hätte der Staat die Pflicht, denselben aufzuheben und nach Plato's und Rousseau's Rath das Theater aus seinem Bereiche zu verbannen.

Aber es ist nicht so. Die Kunstgeschichte zeigt uns unter den Schauspielern wahre Muster an sittlicher Würde und Charaktergröße. Waren diese möglich, so muß auch die Hebung des ganzen Standes möglich sein und es hat bisher nur an den Bedingungen dazu gefehlt.

Was hat der Staat, was hat die bürgerliche Gesellschaft zur Bildung und Versittlichung des Standes gethan? Nichts! Ja schlimmer als das, man hat Alles gethan ihn in verderblicher Stellung zu erhalten.

Das erste Erforderniß zur Hebung eines Standes: Bildung, der Staat hat ihm bis auf den heutigen Tag die Gelegenheit und damit auch die Nöthigung dazu versagt. Der Schauspieler ist der einzige Staatsbürger, dem keine Fachbildung geboten, dem auch keine abgefordert wird. Darf man sich wundern, daß er sie nicht besitzt?

Unsittlichkeiten unter den Theatermitgliedern – obschon sie verhältnißmäßig kaum häufiger vorkommen, als in andern Ständen, nur bei der Oeffentlichkeit ihrer Stellung auffallender sind – entfernen noch immer die gute Gesellschaft von dem ganzen Stande, und Einzelne finden nur trotz ihres Standes Zutritt. Aber um demselben eine sittlichere Haltung aufzunöthigen, was hat denn der Staat, was die Gesellschaft gethan? Würden wohl andere öffentliche Stände: Geistliche, Richter u. s. w. ein im Allgemeinen sittliches Verhalten zeigen, wenn es ihnen nicht streng abgefordert, wenn der einzelne Bescholtene nicht, als des Standes unwürdig, ausgestoßen würde? Alle bürgerlichen Tugenden haben ihre Grundlage im Zwange des Gesetzes und der Sitte.

Dem Schauspieler aber macht die irregeleitete öffentliche Meinung Unsittlichkeit beinahe zur Bedingung künstlerischer Anerkennung; man läßt es ihn merken: einige Flecken Schande ständen ihm gut zu Gesicht. Man nimmt dem Schauspieler nichts übel, aber man verachtet ihn. Das Spiel der Leidenschaften im Privatleben des Künstlers sieht man als in nothwendiger Beziehung zu dem auf der Bühne stehend an, läßt seine entfesselten Neigungen als eine Würze der Kunstproduction gelten. Sogar die ersten Grundbedingungen des rechtlichen Vertrauens legt man ihm nur locker auf, er gilt als ein privilegirter Freibeuter im bürgerlichen Leben. Ein contraktbrüchiger, durchgegangener Bühnenkünstler findet selbst an Hoftheatern bereite Aufnahme.

17Wie man den besseren dieser Truppen gewisse Vorstellungen zu gebieten hätte, so müßte man den untergeordneten andere verbieten, damit sie nicht, was über ihre Kräfte geht, herabwürdigen.
18Uebereinstimmende und angemessene Anstalten zur Pensionirung der Schauspieler zu treffen, würde erst möglich sein, wenn die Reorganisation des ganzen Theaterwesens festen Fuß gefaßt hätte. Auch diese, so überaus wichtige Angelegenheit müßte nach einem umfassenden Plane geordnet werden, auf alle Bühnen des Landes, nach den erweiterten Grundsätzen des preußischen Staatspensionsfonds sich erstrecken, vielleicht, nach Eckhof's altem Entwurfe, ganz Deutschland umfassen. Für's Erste wird man an den bestehenden Einrichtungen festhalten müssen, mit denjenigen Modificationen, welche an den Residenztheatern die Verwandlung der Theatermitglieder aus Hofdienern in Staatsdiener nothwendig macht.]