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Die Macht der Drei

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Trotz aller Gesetze und Postregale gab es Dutzende geheimer Empfangsstationen für die Funkenmeldungen der ganzen Welt in London. Stationen, die auf einem Schreibtisch bequem Platz hatten und Funkennachrichten aus Australien und Südafrika ebenso sicher auffingen wie aus Schottland oder Frankreich.

Die Londoner Börse wurde zuerst von den Gerüchten getroffen. Sie war in einer trostlosen Baissestimmung. Das Publikum in den Straßen glich einem aufgeregten Bienenschwarm, und Lord Gashford, der leitende Staatsmann des britischen Weltreiches, fühlte den Druck der schweren Verantwortung mehr denn je. Wohl hatte er durch die letzte Instruktion an den australischen Gesandten MacNeills noch eine Frist für die letzte unwiderrufliche Entscheidung gesichert. Aber er war sich dessen voll bewußt, daß die letzte Entscheidung mit Riesenschritten heranrückte.

Lord Maitland hielt ihm das Zeitungsblatt hin, welches Glossin an Lady Diana gesandt hatte.

»Die Nachricht ist gut, wenn sie wahr ist. Wir wissen es noch nicht. Seit sechsunddreißig Stunden warte ich auf den Bericht des Obersten Trotter, der vom Kriegsministerium mit der Expedition beauftragt wurde.«

»Oberst Trotter …?«

»Wie meinten Sie?«

»Nichts von Wichtigkeit. Nur bin ich der Ansicht, daß der Bericht längst da sein müßte. Es ist unerhört, daß wir das Ergebnis einer von uns betriebenen Unternehmung durch ein schwedisches Lokalblatt erfahren müssen.«

Die Züge des Premiers verrieten von neuem Sorge und Ungewißheit über den Ausgang der Expedition.

»Ich fürchte, daß irgend etwas bei der Unternehmung nicht in Ordnung ist. Auf keinen Fall können wir daran denken, eine Entscheidung zu treffen, bevor wir nicht den Bericht Trotters oder noch besser den Oberst selbst hier haben. Ich habe den Kriegsminister kurz vor Ihrem Erscheinen um seinen Besuch bitten lassen. Ich denke, das wird er sein.«

Sir John Repington trat in das Gemach. In seiner Begleitung kam Oberst Trotter. Er machte nicht eben den besten Eindruck. Die Haut seines Gesichtes schälte sich wie Platanenrinde im Frühjahr. Der stattliche Schnurrbart war bis auf einen kargen Überrest der Schere zum Opfer gefallen. Der erste Eindruck auf alle in diesem Raume Befindlichen war der, daß es nicht gefahrlos sei, mit Erik Truwor und seinen Leuten anzubinden. Waren sie wirklich unter den brennenden Trümmern ihres Hauses begraben, so hatten ihre Flammen und sonstigen Verteidigungsmittel jedenfalls auch dem Gegner reichlich zu schaffen gemacht.

Der Eindruck verstärkte sich, als Oberst Trotter seinen mündlichen Bericht gab. Acht von seinen Leuten tot, zum Teil in den Flammen umgekommen, verschollen. Fünf mehr oder weniger schwer verwundet. Nur mit sieben Leuten war der Oberst nach England zurückgekommen.

Im übrigen bestätigte sein Bericht die Mitteilung des schwedischen Blattes und ergänzte sie. Nach tapferer Gegenwehr war das Feuer der Verteidiger niedergekämpft, das Haus sturmreif geschossen worden. In diesem Moment brachen Explosion und Brand aus, von denen das schwedische Blatt allein berichtete. Sicher waren die Verteidiger, soweit sie das Feuer der Angreifer noch lebend überstanden hatten, in der Gewalt der Explosionen und in der Hölle der Feuersbrunst umgekommen.

Die englischen Minister spürten eine große Erleichterung, während Oberst Trotter den Gang der Dinge schilderte.

»So weit ganz gut«, unterbrach hier Repington. »Aber warum haben Sie nicht sofort nach der Affäre einen drahtlosen Bericht an das Amt geschickt? Sie hatten unser bestes Modell der kleinen Stationen mit. Warum haben Sie nicht sofort gefunkt?«

»Es ging nicht, Sir! Es ging trotz aller Bemühungen nicht. Der Mann, der mit dem Apparat Bescheid wußte, war gefallen. Die anderen konnten ihn nicht in Betrieb bringen.«

Der Kriegsminister runzelte die Stirn.

»Sehr bedauerlich. Der einzige Funker, den Sie bei Ihrer Truppe hatten, durfte nicht exponiert werden, Herr Oberst. Und dann später … Sie sind mit einem unserer Flugschiffe zurückgekehrt. Warum haben Sie da nicht gefunkt?«

Oberst Trotter zerrte verzweifelt an den spärlichen Resten seines Schnurrbartes.

»Es ging nicht, Sir! Es ging absolut nicht! Der Telegraphist erklärte, daß sein Apparat in Unordnung sei. Aus unerklärlichen Gründen in Unordnung sei und nicht funktioniere. Es war nichts zu machen.«

Lord Maitland blickte den Premier an und dieser den Kriegsminister. Einen Moment flammte ein unbestimmter Verdacht in den Herzen der drei Männer auf.

Oberst Trotter gab seinen schriftlichen Bericht, den er während der Überfahrt verfaßt hatte, in die Hände des Kriegsministers und verließ das Kabinett. Lord Horace schaute ihm nachdenklich nach.

»Wenn ich gewußt hätte, daß man gerade diesen Oberst Trotter mit einer so wichtigen Mission betraute, würde ich es kaum unterlassen haben, meine Bedenken geltend zu machen.«

Sir John Repington bekam einen roten Kopf und nahm seinen Offizier in Schutz. Der alte Zwiespalt zwischen Armee und Marine machte sich bemerkbar. Der Premier legte den Zwist bei.

»Lassen wir die Nebensächlichkeiten. Aus dem eben gehörten Bericht geht mit Sicherheit hervor, daß die Expedition ihren Zweck erreicht hat. Den Zweck, Großbritannien von einem unbekannten und unter Umständen unbequemen Gegner zu befreien. Wir können unsere Beschlüsse jetzt ohne Hemmung von dieser Seite her fassen. Nach den Ereignissen des Vormittags ist die Beschlußfassung nicht länger aufzuschieben. Das Parlament ist in London versammelt. Die Parteiführer sind von mir verständigt. Sie können ihre Leute in zwei Stunden zusammen haben. Auf Wiedersehen in zwei Stunden!«

Sobald ihn seine Kollegen verlassen hatten, gab Lord Gashford den offiziellen Bericht über die Schlacht bei Sydney an die Presse und die Nachrichtenagenturen. Im Augenblick wurde er an tausend Stellen Londons bekannt. Extrablätter in Auflagen von Millionen kamen heraus, wurden den Händlern aus den Händen gerissen und vielmals gelesen, bevor sie auf dem Pflaster unter den Rädern der Wagen und den Füßen der hin und her wogenden Menge ein Ende fanden. Die Unruhe wuchs, die Aufregung stieg, und die Stimmung der Bevölkerung Londons näherte sich schnell jenem Siedepunkte, bei welchem gefährliche und unvorhergesehene Ausbrüche der Leidenschaft zu fürchten sind.

Das Parlament war das natürliche Ventil, durch das diese Spannung sich entladen mußte. Und das Parlament war vollzählig bis auf den letzten Mann versammelt, war sich seiner Pflichten gegen das Land bewußt, als die Minister ihre Plätze auf den Bänken der Regierung einnahmen.

Die Tagesordnung war einfach. Stellungnahme zu der Affäre von Sydney. Ein ausführlicher Bericht über das Vorkommnis lag jedem Mitglied gedruckt vor. Die meisten Abgeordneten lasen ihn kaum noch. Sie waren durch ihre Zeitungen informiert.

Die Abstimmung war nur noch Formsache.

Das englische Parlament beauftragte die Regierung, den Vereinigten Staaten von Nordamerika den Krieg zu erklären und ihn mit aller Energie zu führen.

Mit diesem Auftrage zog sich das Kabinett zurück. Es hatte mit der Ausführung der Beschlüsse vollauf zu tun: die vorhandenen Streitkräfte mobil zu machen, Reserven einzuberufen, die Industrie nach dem großzügigen Plan zu mobilisieren. Jeder einzelne Fachminister hatte sein Pensum. Daneben blieb noch eine Formalität zu erfüllen. Dem amerikanischen Botschafter in London Mr. Geddes mußte der Kriegszustand amtlich mitgeteilt werden. Es waren ihm, wie es in der veralteten diplomatischen Sprache immer noch hieß, die Pässe zuzustellen. Zur gleichen Stunde, zu welcher der englische Botschafter in Washington die Kriegserklärung überreichte.

Lord Gashford sah sich forschend um.

»Lord Maitland, Sie sind mit Mr. Geddes persönlich bekannt. Wollen Sie ihn besuchen und ihm die Mitteilung machen?«

Lord Horace nickte zustimmend. Er war mit Mr. Geddes seit Jahren befreundet. Er wollte den Auftrag übernehmen, um dem, was unvermeidlich geschehen mußte, wenigstens die versöhnlichste Form zu geben.

»Betonen Sie besonders bei Ihrem Besuch, daß sich unser Kampf nicht gegen das blutsverwandte Volk richtet, sondern nur gegen den Tyrannen. Daß wir je schneller desto lieber wieder zu friedlichen Zuständen kommen wollen, sobald eine freiheitliche Regierung in Washington es uns möglich macht.«

Lord Gashford wußte, warum er diese salbungsvolle Mitteilung überbringen ließ. Mr. Geddes war durch seine freiheitliche Gesinnung bekannt. Im Herzen ein Philanthrop und Pazifist. Keineswegs ein überzeugter Anhänger der unbeschränkten Herrschaft des Diktators. Letzten Endes ein Schwärmer für Menschenverbrüderung und Ideale, die in dieser Welt harter Realitäten kaum zu erreichen sind.

Cyrus Stonard kannte die Engländer. Er wußte, daß sie seit Jahrhunderten jeden Krieg, jeden Treubruch, jeden Überfall mit einem philanthropischen Mäntelchen behängt hatten, und in einem Anfall seines grimmigen weltverachtenden Humors hatte er ihnen einen überzeugten Philanthropen als Botschafter geschickt. Eben Mr. Geddes, der von ganzem Herzen an alle diese Phrasen glaubte, bei allen Verhandlungen aus vollster Überzeugung damit operierte und letzten Endes doch genau tun mußte, was Cyrus Stonard wollte.

Der Kraftwagen hielt vor der amerikanischen Botschaft. Lord Horace schritt durch das Vestibül und Treppenhaus. Durch die Räume, die er bei Besuchen und Festlichkeiten so oft betreten hatte. Aufgescheuchte Dienerschaft lief umher. Gepackte Koffer standen auf den Fluren. Mr. Geddes hatte der Parlamentssitzung in der Diplomatenloge beigewohnt. Er wußte, daß der Krieg unvermeidlich war, und hatte alle Maßregeln für eine schnelle Abreise getroffen.

Lord Horace ließ sich durch den zurückhaltenden Empfang nicht abschrecken. Er trat an Mr. Geddes heran und ergriff dessen Rechte mit seinen beiden Händen.

»Mein lieber alter Freund, Sie wissen, ich bringe Ihnen schlechte Botschaft. Es ist ein schwerer Gang für mich. Doch einer mußte sie Ihnen bringen. Da habe ich es übernommen.«

 

Langsam legte Mr. Geddes seine zweite Hand auf die beiden Hände von Lord Horace. Er war zu bewegt, um sprechen zu können.

Eine Minute standen sie so. Dann machte sich Lord Maitland mit sanfter Bewegung frei. Noch eine Verneigung, und er verließ das Haus. Der alte Diener, der ihn so oft bei Festlichkeiten empfangen und geleitet hatte, gab ihm auch jetzt das Geleit bis zur Tür.

Lord Horace atmete tief auf, als das Auto in schneller Fahrt durch die sonnige Straße fuhr. Es war auch für ihn, den routinierten Staatsmann und Diplomaten, ein bitteres Stück Arbeit gewesen, einem Manne wie Geddes die Mitteilung zu überbringen, daß seine Mission hier zu Ende sei.

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli war die große amerikanische Transradiostation in Sayville im vollen Betrieb. Um die dritte Morgenstunde liefen alle Maschinen. Sie erzeugten die hochfrequente Sendeenergie und schickten sie über die Maschinengeber in die sechzehn Antennen der Station.

Im Telegraphistensaal standen die automatischen Schreibapparate und verwandelten die aus allen Teilen Amerikas ankommenden Drahtdepeschen in gelochte Papierstreifen.

Die Telegraphisten nahmen die gelochten Streifen aus den Stanzapparaten, ersahen aus den Adressen, nach welcher Himmelsrichtung sie bestimmt waren, und verteilten sie danach auf die Maschinengeber der verschieden gerichteten Antennen.

Der Chefelektriker saß in seinem Glaskasten, von dem aus er einen Überblick über die ganze Station hatte. Vor ihm auf dem Tisch lag das Stationsbuch. Er war beschäftigt, die letzten Telegramme einzutragen.

Da plötzlich … Mr. Brown stand auf und lauschte … Ein fremder Ton drang aus dem Maschinenraum her. Er kannte seine Station. Jede Unregelmäßigkeit verriet sich seinem geübten Ohr. Er sprang auf, verließ seinen Glaskasten und sah im Vorbeieilen, daß auch im Transmitterraum Unordnung ausgebrochen war. Alle Automaten standen still.

Er eilte in den nächsten Saal zu den Maschinengebern. Das gleiche Bild hier. Eine Lähmung hatte alle diese Apparate getroffen, die eben noch im fliegenden Tempo arbeiteten und Depeschen in alle Welt schickten.

Die Maschinengeber lagen still. Es war erstaunlich, aber schließlich denkbar. Das Undenkbare, das Unmögliche geschah im Nebenraum, in dem die großen, von den Maschinengebern gesteuerten Sendekontakte eingebaut waren. Die Kontakte arbeiteten. Sie tanzten auf und ab, schlossen und öffneten den Maschinenstrom und gaben unverkennbare Morsezeichen.

Der Chefelektriker stürzte in diesen Raum. MacOmber, der alte, sonst so zuverlässige Maschinist, trat ihm verstört entgegen. Er deutete sprachlos auf die großen Kontakte, die sich, wie von unsichtbaren Geisterhänden bedient, bewegten.

Ein höllischer Spuk war es. Aber ein Spuk, der nach einem festen Plan vor sich ging. Alle diese Bewegungen und Manipulationen spielten sich ganz systematisch ab. Er vermochte aus dem Knattern der Kontakte ohne weiteres den Wortlaut der Botschaft herauszuhören, die hier gegeben wurde.

»Sayville. An alle! … Sayville. An alle! … Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Die Macht warnt alle vor dem Kriege.«

Mr. Brown stürzte sich auf den nächsten Sendekontakt und suchte ihn mit Gewalt festzuhalten. Die Kontakte arbeiteten unbeirrt weiter.

Dreimal hintereinander gab die Station diese Depesche. Dann begannen mit einem Schlage wieder die Automaten und Maschinengeber zu arbeiten. Kaum zehn Minuten hatte der Spuk gedauert.

Mr. Brown stand in seinem Glaskasten und strich sich die Stirn. Er wußte nicht, ob er wache oder träume. Mit verstörten Mienen blickten die Telegraphisten auf ihren Vorgesetzten. Keiner von ihnen kümmerte sich um die Apparate. Aber die Automaten, die nervenlosen Maschinen, taten ihre Schuldigkeit. Sie schrieben die Depeschen auf, die jetzt von allen Seiten her in Sayville einliefen. Anfragen von amerikanischen und überseeischen Stationen, was die Sendung von Sayville zu bedeuten habe.

Eine dringende Staatsdepesche aus Washington: »Befehl, den Stationsleiter sofort vom Amt zu suspendieren. Die Station dem Stellvertreter zu übergeben!«

Mr. Brown war mit seinen Nerven fertig. Er übergab die Station seinem Vertreter und setzte sich hin, um mit zitternden Händen einen ausführlichen Bericht über das Vorkommnis zu schreiben.

Für die Geschichte jener Zeit ist der Bericht ein wichtiges Dokument geworden. Er gibt noch verhältnismäßig objektiv eine Darstellung der unerklärlichen Beeinflussungen, denen die Großstationen der ganzen Erde in den folgenden Wochen bald hier, bald dort ausgesetzt waren. Eine unbekannte Macht hatte sich des drahtlosen Verkehrs bemächtigt. Sie gab ihre Depeschen »An alle!«, wie es ihr gefiel, unter Benutzung der vorhandenen Stationen ab.

Kapitän H. L. Fagan vom amerikanischen Marinedepartement, der eiserne Fagan, wie ihn seine Kameraden nannten, hatte Vortrag beim Präsident-Diktator. Mit aufmerksamen Blicken folgte Cyrus Stonard den Erklärungen, die Kapitän Fagan an Hand umfangreicher, an der Wand befestigter Zeichnungen gab.

Sie stellten die große amerikanische Unterwasserstation dar, die im Laufe des letzten Jahres in aller Stille, vollkommen geheim, an der afrikanischen Ostküste in der Höhe der Seschellen entstanden war. Durch gründliche Lotungen hatten amerikanische Schiffe eine Stelle ausfindig gemacht, die zweihundert Kilometer von der Küste entfernt mitten im freien Ozean lag und doch nur hundert Meter tief war. Es war die Spitze irgendeines vor Millionen Jahren in der Tiefe des Indischen Ozeans versunkenen Berges. Taucher hatten das Gelände untersucht und die Sprengungen vorbereitet, durch die man eine Plattform von etwa einem Quadratkilometer hundertfünfzig Meter unter dem Seespiegel schuf. Dann kam der Bau.

Zwanzig gewaltige Hallen. Jede einzelne groß genug, die größten Flugschiffe, Flugtaucher und U-Boote aufzunehmen. Jede Halle mit den Maschinen für alle vorkommenden Reparaturen ausgerüstet. Jede Halle mit vielfacher Sicherheit gegen den gewaltigen Wasserdruck erbaut. Darüber hinaus noch durch ein System sinnreicher Sicherheitsschotten gegen Wassereinbrüche geschützt. Unterirdische, tief in den Fels des Berges gesprengte Gänge verbanden die Hallen miteinander. Zisternen waren mit Hilfe stärkerer Sprengmittel in den Basalt hineingearbeitet, die Hunderttausende von Tonnen der besten Treiböle für die Maschinen amerikanischer Kriegsfahrzeuge aufnehmen konnten.

Ferner große Luftschleusen. Ein Druck auf einen der vielen Hebel in der Apparatenzentrale der Station genügte, und eine riesenhafte hydraulische Plattform hob sich wie eine plötzlich entstehende Insel aus den Fluten des Ozeans, bereit, Fahrzeuge aufzunehmen und sicher mit in die Tiefe zu bringen.

Es war ein wahrhaft großartiger unterseeischer Flottenstützpunkt, den ein Befehl Cyrus Stonards hier mitten in der Wasserwüste entstehen ließ. An einer Stelle, von der aus es amerikanischen Streitkräften ein leichtes sein mußte, jede in Mittelafrika neu entstehende Kriegsindustrie im Entstehen zu zerschmettern und Indien schwer zu bedrohen.

Als Cyrus Stonard vor dreizehn Monaten den Befehl gab, erklärten die Fachleute die Sache für unausführbar. Bis der eiserne Diktator den eisernen Kapitän fand. Cyrus Stonard entsann sich deutlich der ersten Unterredung mit dem Kapitän. Unbedingte Geheimhaltung des Planes und des Baues forderte der Diktator. Kapitän Fagan hatte damals wenige Minuten überlegt.

»Wir müssen mit fünftausend Mann arbeiten, wenn wir in einem Jahr fertig werden wollen. Ein Geheimnis, um das fünftausend Menschen wissen, ist kein Geheimnis mehr. Also müssen wir Sklaven für den Bau nehmen.«

Kapitän Fagan hatte es damals mit einer Ruhe und Selbstverständlichkeit gesagt, die sogar den Diktator eine Minute verblüffte. Nur eine Minute. Dann hatte er die Vorzüglichkeit der Idee erfaßt.

Zuchthäusler führten die unterseeische Station aus. Menschen, die von den amerikanischen Gerichten zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren. Es kamen Monate, in denen der elektrische Stuhl wenig zu tun hatte, weil der Diktator auffallend häufig begnadigte. Aber nur Menschen, die mit Eisen und Stahl umzugehen verstanden, Menschen, die in die Branche paßten. –

Kapitän Fagan gab dem Präsident-Diktator auf dessen Fragen präzisen Bericht.

»Die Hallen eins bis sechzehn sind fertig. Versehen mit Proviant, Brennstoff und Munition. Vier Hallen sind noch im Bau. Die Wohnhallen für das ordentliche Marinepersonal. Die Zuchthäusler sterben wie die Fliegen. Haben auch schlechte Unterkunft in den Verbindungstunnels.«

»Der Endtermin ist um drei Wochen überschritten. Wann werden die Wohnhallen fertig beziehbar dastehen?«

Die Stimme des Präsident-Diktators klang scharf und schneidend, als er die Frage stellte.

»In drei Tagen, Herr Präsident.«

»Sie bürgen dafür?«

»Ich bürge, Herr Präsident.«

»Sind die Verteidigungsanlagen fertig?«

»Sie sind fertig, Herr Präsident. Die Station ist von einem dreifachen Kranz unterseeischer Torpedominensender umgeben. Die akustischen Empfänger sprechen auf jedes Schraubengeräusch unter und über Wasser an. Die Hertzschen Strahler fassen auf zehn Kilometer jedes Ziel und dirigieren die Torpedos zu seiner Vernichtung.«

»Wie steht es mit dem Schutz gegen Luftsicht?«

»Seit acht Wochen arbeiten unsere Seefärber. Es war ein glücklicher Gedanke, unsere Station wie einen Tintenfisch mit eigenen Farbdrüsen auszustatten. Das Azoblau, welches die Seefärber Tag und Nacht in gleichmäßigem Strome in die See geben, färbt das Wasser so gleichmäßig, daß die ganze Untiefe vollkommen unsichtbar wird. Auch aus zweitausend Meter Höhe konnten unsere eigenen Flugschiffe die Station nicht finden, wenn die Färber arbeiteten. Wir mußten eine besondere Erkennungsboje auslegen.«

Cyrus Stonard hatte sich erhoben. Seine Augen leuchteten wild in fanatischem Glanz, während er den Mann betrachtete, der das Riesenwerk in einem Jahr glücklich zum Abschluß gebracht hatte.

»Kurz und gut, Herr Kapitän! Wann sitzt der letzte Niet? Wann kann die Station in den Krieg eintreten?«

»In drei Tagen, Herr Präsident! In drei Tagen sind die Marinemannschaften in ihren Quartieren, die Sklaven weggeschafft. In drei Tagen leistet die Station alles, was sie zu leisten hat.«

»Ich danke Ihnen – Herr Admiral! Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Sie bleiben weiter zu meiner Verfügung.«

Cyrus Stonard sprach mit befehlsgewohnten Lippen. Kapitän Fagan errötete. Ein Zittern ging durch seine bis dahin unbewegliche Gestalt. Ein Lob aus dem Munde des Diktators. Ein uneingeschränktes Lob und zugleich die Ernennung zum Admiral. Das war mehr, als er in diesen zwölf Monaten schwerer Arbeit mit Nächten der Verzweiflung und Tagen des Mißmuts zu hoffen gewagt hatte.

Er beugte sich nieder, wollte die Hand des Diktators ergreifen und küssen. Cyrus Stonard wehrte ab.

»Lassen Sie, Herr Admiral! Gehen Sie, und dienen Sie mir und dem Lande so weiter, wie Sie bis jetzt gedient haben!«

Mit unsicheren Schritten verließ Admiral Fagan das Kabinett.

In der Mitte des Gemaches blieb Cyrus Stonard stehen und blickte ihm lange Zeit nach. Es zuckte und arbeitete in den aszetischen Zügen des Diktators. Seine Lippen bewegten sich und formten Worte, während ein verächtliches Lächeln sie umspielte.

»Da geht er hin … der Eiserne … Errötet und zittert wie ein junges Mädchen. Um das eine Wörtchen Admiral … Hätte ich ihn hart angefahren, seine Arbeit getadelt, ihn weggejagt, er wäre davongeschlichen … hätte kein Wort des Widerspruchs gewagt … Eisern … pah! … so sind sie alle … ohne Ausnahme! Nur wenn sie den Herrn fühlen, tun sie, was sie sollen … was für das Land nötig ist … Kreaturen, die ein Wort von mir erhöht oder in den Staub wirft …«

Der Präsident-Diktator kehrte langsam zu seinem Sessel zurück. Weltverachtung sprach aus seinen Zügen. Es waren alles Sklaven. Im Grunde nicht besser als die Fünftausend, die das letzte Jahr auf dem Seegrunde gefrondet hatten.

Ein Gefühl des Überdrusses überkam ihn. Warum sich mühen und plagen, um diese Sklavenherde mit Gewalt den Weg zu ihrem Glück zu führen. Weil … weil …

Ein Adjutant trat ein. Leutnant Greenslade brachte eine Depesche. Einen Bericht über die Vorgänge in Sayville. Legte sie auf den Tisch und erwartete in dienstlicher Haltung die Befehle des Diktators.

Cyrus Stonard überflog das Blatt. Die rätselhafte Beeinflussung der großen Radiostation in Sayville. Das selbsttätige unhemmbare Arbeiten der Geber. Das Spielen der Schalter. Schließlich die kurze wunderbare Depesche: »An alle! … Die Macht warnt vor dem Kriege.«

Und wußte in demselben Moment, daß Glossin gelogen hatte! Daß Erik Truwor und die Seinen am Leben und im Besitze der Macht waren!

 

In diesen Sekunden erlebte der Präsident-Diktator einen jähen und schweren Sturz. Eben noch im Gefühl eines unendlichen Machtbesitzes. Herr der halben und bald der ganzen Erde. Absoluter Gebieter über dreihundert Millionen. Und jetzt von einer unbekannten und unangreifbaren Macht bedroht, in seinen Entschlüssen und Befehlen gehemmt.

Wie eben noch Kapitän Fagan durch wenige Worte des Diktators umgeworfen wurde, so brach Cyrus Stonard über den Inhalt der Depesche zusammen. Er saß vor seinem Tisch, ließ das Haupt auf die Arme sinken und verbarg sein Gesicht. Ein Schluchzen erschütterte den hageren, nur der Arbeit gewidmeten Körper.

Leutnant Greenslade stand in vorschriftsmäßiger Haltung. Sah den Präsident-Diktator die Haltung verlieren und begann um sein Leben zu zittern. Es lebte niemand in den Vereinigten Staaten, der sich rühmen konnte, Cyrus Stonard schwach gesehen zu haben. Leutnant Greenslade hatte nur einen Gedanken.

Wehe, wenn Stonard die Augen wieder aufmacht! Wehe, wenn der Diktator mich sieht! Dann bin ich verloren!

In diesem Augenblick erhob Cyrus Stonard den Kopf. Mit Augen, die abwesend und weltentrückt blickten, schaute er um sich.

»Dr. Glossin soll kommen!«

Leutnant Greenslade übermittelte den Befehl und ging dann mit sich selbst zu Rate, ob er es wagen dürfe, in den Staaten zu bleiben.

Dr. Glossin stand im Kabinett des Präsident-Diktators. Cyrus Stonard erhob sich statuenhaft von seinem Platz. Seine Rechte ergriff die Depesche und ballte sie krampfhaft zusammen. Er sprach kein Wort. Langsam kam er dem Doktor näher, bis er nur noch drei Schritte von ihm entfernt stand. Dann schleuderte er ihm den Papierball mit jähem Ruck in das Gesicht.

Dr. Glossin machte keine Bewegung, den Wurf abzuwehren. Der Ball traf ihn zwischen die Augen und fiel zu Boden. Der Arzt verlor die letzte Spur von Farbe. Er kannte den Inhalt der Depesche, die ihm Cyrus Stonard eben ins Gesicht geschleudert hatte. Seit zwanzig Minuten wußte er, daß all seine Arbeit während der letzten Wochen vergeblich war. Die einzigen Menschen, die er zu fürchten hatte, waren seinen Nachstellungen entgangen. Waren irgendwo in Sicherheit und ließen ihre Macht spielen.

Er war in diesem Augenblick nicht einmal fähig, die Beleidigung zu empfinden, die in dieser Behandlung lag. Der Papierball wirkte wie eine Flintenkugel. Der von ihr Getroffene empfindet den Schuß nicht als Beleidigung, aber er fällt danach um. Dr. Glossin begann auf seinen Füßen zu wanken, tastete mit den Händen nach einem Halt.

Dem Präsident-Diktator hatte der physische Ausbruch Erleichterung verschafft. Die unmittelbare Wirkung des Schlages, der ihn getroffen hatte, ließ nach. Er begann klarer zu sehen. Sah den Menschen vor sich, der im Begriff stand, umzusinken.

Da ließ er sich selbst wieder in seinem Sessel nieder und winkte dem Doktor.

»Setzen Sie sich! … Setzen Sie sich! … Nicht dahin … hierher! Hier dicht zu mir her … ja, hier … Halt, heben Sie das erst auf!«

Er wies mit der Hand auf die zerknüllte Depesche. Er kommandierte den Doktor wie einen Hund, und Dr. Glossin gehorchte wie ein geprügelter Hund. Jetzt saß er auf dem angewiesenen Sessel, dicht neben Cyrus Stonard, und entfaltete ganz mechanisch den Papierball.

»Lesen Sie!«

Dr. Glossin las die Depesche, die er heute schon so oft gelesen hatte.

»Was haben Sie mir gesagt? Und was sagen Sie jetzt?«

Der Arzt war unfähig, eine zusammenhängende Antwort zu geben. Cyrus Stonard sah, daß er ihm die Möglichkeit zur Sammlung geben müsse. So befahl er weiter:

»Geben Sie mir noch einmal einen genauen Bericht über die Vorgänge in Linnais. Nicht gefärbt, absolut genau!«

Dr. Glossin raffte sich zusammen. Er begann zu sprechen und wurde ruhiger, je weiter er in seinem Bericht kam.

»Die Engländer waren zur selben Zeit am Platze wie ich. Als ich den englischen Führer kennenlernte, war ich über seine Naivität erstaunt. Ich wollte ihn zurückrufen lassen, aber die Zeit war zu kurz. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, die Expedition zu verhüten …«

Cyrus Stonard streifte den Arzt mit einem kalten Blick.

»Das kommt davon, wenn die Werkzeuge anfangen, selbst zu denken. Ihnen hatte ich den Befehl gegeben, die drei zu vernichten. Ihnen! … Nicht den Engländern. Ich habe Ihre Eigenmächtigkeit nach Ihrem ersten Bericht nicht gerügt, weil Sie mir einen Erfolg meldeten. Einverstanden war ich nicht damit.

Warum habe ich Sie zu meinem Werkzeug gewählt? … Weil ich mir solche bewährte Kraft für manche Geschäfte nicht entgehen lassen durfte. Wenn Ihr Talent nicht ausreicht, drei Menschen vom Erdboden verschwinden zu lassen, wenn Sie dazu die Engländer gebrauchen … Mann, warum haben Sie die Engländer auf die drei gehetzt, anstatt selbst zu gehen?«

Dr. Glossin stammelte: »… Interesse des Landes … Rücksicht auf die Neutralen … diplomatische Schwierigkeiten.«

»Unsinn … Dummheit … was geht mich Schweden an? Denken Sie, ich hätte die Möglichkeit, die Neutralität dieses Ländchens zu verletzen, nicht in meinen Kalkul eingezogen?«

Er blickte dem Doktor scharf in die Augen.

»Sie haben Furcht gehabt! Erbärmliche, feige Furcht vor den drei Leuten! Darum wollten Sie den Fuchs spielen. Andere Leute die Kastanien aus dem Feuer holen lassen … So ist diese … Gemeinheit zustande gekommen … Merken Sie wohl auf! Sie stehen von heute ab unter Überwachung. Sie wissen, was das heißt. Der Verdacht einer Verräterei, eines Ungehorsams, und Sie verschwinden. Denken Sie daran, wenn Sie mir jetzt antworten.

Ich wünsche genau Ihre Meinung über diese drei Menschen zu wissen. Ob sie noch am Leben sind … oder ob diese Depesche etwa von einer anderen Stelle kommt. Und wenn sie leben, was sind ihre Pläne, wie groß ist ihre Macht, wie weit reicht sie? Werden sie sich in dem kommenden Kampfe auf eine Seite stellen? Überlegen Sie sich genau, bevor Sie antworten. Es geht um Ihren Hals.«

Dr. Glossin wußte, daß der Präsident-Diktator nicht scherzte. Eine unbefriedigende Antwort … ein Druck auf den Klingelknopf am Schreibtisch und er erlebte den nächsten Stundenschlag nicht mehr. Er sammelte seine Gedanken und sprach langsam Wort für Wort abwägend:

»Nein! Es ist ausgeschlossen, daß eine dritte Stelle in Betracht kommt. Ich war Augenzeuge der Katastrophe in Linnais, und ich sage doch, es sind die drei, die die Depesche sandten.«

»Wie konnten sie entkommen? Sie mußten doch schließlich fürchten, eines Tages ausgehoben zu werden. Sie konnten sich durch einen unterirdischen Gang sichern, der irgendwo in den Bergen oder am Fluß ins Freie mündet.«

»Ich habe daran gedacht. Aber dann müßte er schon lange bestanden haben. Die drei sind erst seit wenigen Wochen in Linnais. Die Anlage eines Ganges braucht Monate, wenn nicht Jahre. Immerhin bleibt der unterirdische Gang die nächstliegende Erklärung. Es könnte sein, sie hätten ihn mit ihren phänomenalen Hilfsmitteln in dieser kurzen Zeit geschafft … oder … sie sind …«

Dr. Glossin preßte sich mit beiden Händen die Stirn zusammen, als ob ihm der Schädel unter der Gewalt des neuen Gedankens springen wollen. Er schwieg.

Cyrus Stonard trieb ihn zum Weiterreden: »… oder sie sind? Sprechen Sie doch!«

»Oder sie haben unsere Augen geblendet und sind unsichtbar durch unsere Reihen gegangen!«

Cyrus Stonard betrachtete den Doktor zweifelnd.

»… unsichtbar? … Das wäre der Teufel selbst! … Sich unsichtbar machen? … Es geht um Ihren Kopf, Herr Dr. Glossin! Tischen Sie mir keine Märchen auf. Sie werden alt. Ich mußte es Ihnen schon einmal sagen.«

Dr. Glossin sah den Präsident-Diktator ruhig an. Ohne Furcht vor der Gewalt, die jeden Moment sein Leben zerstören konnte. Mit weltabgewandten, weltentrückten Blicken. Dann sprach er. Erst leise und stockend. Dann immer bestimmter und mit gehobener Stimme: