Das Lebende Universum

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Kosmophilie: Die Liebe zum Universum

Der Begriff Biophilie wurde von Erich Fromm entwickelt, um die emotionale Verbundenheit und das Gefühl der Zugehörigkeit unter uns Menschen und zu anderen Lebensformen auszudrücken. Der berühmte Biologe E. O. Wilson hat diesen Begriff ausgeweitet und beschreibt damit unseren angeborenen Drang, uns mit anderen Lebewesen zu verbinden. Wenn wir ein Gefühl der Verwandtschaft und Verbundenheit zu anderen Lebensformen empfinden, kommen wir in unserer Motivation, Gefühle für alle Lebewesen zu empfinden, einen Riesenschritt weiter.

Wir können dieses Gefühl der Verbundenheit mit dem Leben und Achtung vor dem Leben auf den gesamten Kosmos übertragen – ein Wort, das der griechische Philosoph Pythagoras als Erster verwendet hat, um unser Universum als lebendige Verkörperung der natürlichen Ordnung, Harmonie und Schönheit zu beschreiben. Wenn wir auf dem Konzept der Biophilie aufbauen, können wir den Begriff Kosmophilie kreieren. Kosmophilia beschreibt die Verwandtschaft und Verbundenheit, die wir mit der Gesamtheit der Natur empfinden, und unsere Erfahrung der gefühlten Verbundenheit mit der Harmonie und Schönheit unseres Universums. Unser Bezug zum Universum besteht aus Biophilie (der Liebe zu anderen Lebewesen) und aus Kosmophilie (der Liebe zum Universum in seiner Gesamtheit).

Naturforscher haben einen tiefen Blick in das Wesen des Universums geworfen und sind voller Staunen über seine Schönheit und Lebendigkeit zurückgekehrt:

Erklimme das Gebirge und spüre seine frohe Botschaft. Die Friedlichkeit der Natur wird in dich hineinfließen, so wie Sonnenschein in Bäume hineinfließt. Der Wind wird seine Frische in dich hineinblasen, und Gewitter ihre Energie, während die Sorgen wie Herbstlaub von dir abfallen werden.

John Muir, Forscher und Naturforscher

Ich glaube an Gott, aber ich schreibe Natur.

Frank Lloyd Wright, Architekt

Ein Gefühl tiefer und intimer Verbundenheit zur Natur und dem Universum ist ein Thema, das sich aus den Betrachtungen der Astronauten ergibt:

Als ich bei der Rückkehr zur Erde durch 240.000 Meilen Weltall auf die Sterne und den Planeten blickte, von dem ich gekommen war, erlebte ich das Universum plötzlich als wissend, liebevoll, harmonisch.

Edgar Mitchell

Als ich im Dezember 1972 der letzte Mensch war, der den Mond betrat, stand ich in der blauen Dunkelheit und schaute von der Oberfläche des Monds wie verzückt auf die Erde. Was ich sah, war beinahe zu schön, um es zu begreifen. Sie ergab zu viel Logik, zu viel Sinn – sie war einfach viel zu schön, um nur eine Laune der Natur zu sein.

Gene Cernan

Es gibt ein lebhaftes Gefühl der Verbindung und Verbundenheit, die wir auf jeder Ebene mit der Natur erleben können – von einer kleinen Blume bis hin zu einer Galaxie. Durch Kosmophilie spüren wir unser direktes Eintauchen in das subtile Feld aus Lebendigkeit und Energie, von dem das Universum durchdrungen ist.

Dass wir in einem lebendigen Feld der Existenz leben, ist eine uralte Erkenntnis. Erst in den letzten Jahrhunderten hat die Wissenschaft dem modernen Verstand diese Erkenntnis ausgeredet, indem sie behauptet, Materie sei leblos und das Weltall sei nur eine leere Bühne. Nun stellen ausgerechnet die Werkzeuge der Wissenschaft diese Ansicht von einem leblosen Universum in Frage. So wie wir anfangen zu erwägen, ob die Erde ein vereinter, lebendiger Organismus ist, beginnen wir auch zu fragen, ob das Universum eine einzige, integrierte Lebensform ist. Zwar ist die Bedeutung dieses Satzes komplex, doch eine sinnvolle Definition ist, dass ein lebendiges Universum ein vereintes und vollkommen voneinander abhängiges System ist, das ständig vom Fluss enormer Mengen an Lebensenergie regeneriert wird, zu deren Grundwesen das Bewusstsein oder die selbstreflexive Fähigkeit gehört, die Systemen auf jeder Existenzstufe ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit ermöglicht. In Kapitel 2 werden wir all diese Eigenschaften und noch mehr untersuchen.

Macht Lebendigkeit einen Unterschied?

Welchen Unterschied macht es, ob das Universum tot oder lebendig ist? Wenn Kinder Hunger leiden, das Klima destabilisiert wird, Ölquellen versiegen und die Weltbevölkerung wächst, warum ist es dann wichtig, sich mit dieser Frage zu befassen? Wen kümmert es, ob wir in einem lebendigen Universum leben – warum sollte das einen Unterschied machen? Im Folgenden finden Sie ein paar wesentliche Gründe, warum es einen großen Unterschied macht, ob wir das Universum als tot oder lebendig ansehen. Um die Gegensätze zu verdeutlichen, zeige ich die Polaritäten besonders krass auf.

Ist das Universum gleichgültig oder uns freundlich gesonnen?

Welche Einstellung wir zum Universum haben, das uns umgibt, hat eine enorme Wirkung auf unsere Lebenserfahrung. Wenn wir das Universum grundsätzlich für leblos halten, werden Gefühle der existenziellen Befremdung, Panikattacken, Ängste und Befürchtungen verständlich. Warum sollten wir die Verbundenheit mit der kalten Gleichgültigkeit lebloser Materie und leeren Raums suchen? Wenn wir uns dem Leben hingeben, werden wir nur in existenzieller Verzweiflung versinken. Doch wenn wir in einem lebendigen Universum leben, werden Gefühle einer subtilen Verbundenheit, der Neugier und Dankbarkeit selbstverständlich. Dann sehen wir uns als Teilhaber an einem kosmischen Garten des Lebens, den das Universum seit Milliarden von Jahren geduldig hegt und pflegt. Die Perspektive vom lebendigen Universum erlaubt es uns, von Gleichgültigkeit, Angst und Zynismus zu Neugier, Liebe und Bewunderung überzuwechseln.

Geraten wir in Vergessenheit oder bleiben wir in Erinnerung?

Ein lebloses Universum hat in seinem Fundament kein Bewusstsein; daher ist es der Menschheit und unseren Schöpfungen, die sich entwickeln, gegenüber gleichgültig. Nichts von dem, was wir tun, ist von dauerhafter Bedeutung. Alles wird in Vergessenheit geraten. Dasselbe Prinzip trifft zu, egal ob es sich um den Einzelnen oder eine ganze Weltzivilisation handelt: Ein totes Universum erzählt keine Geschichten. Ein lebendiges Universum ist von sich aus eine riesige Geschichte, die sich andauernd entfaltet und zahllose einzigartige Figuren enthält, die mitreißende Dramen des Erwachens spielen. Die Essenz dieser Geschichten und was daraus gelernt wird, bleibt in Erinnerung und erhalten. Dadurch hat ein Universum, das sich weiterentwickelt, Weisheit, die es an seine Nachkommen weitergeben kann.

Sollen wir uns abgrenzen oder zusammentun?

Wenn wir das Universum als etwas ansehen, das zum größten Teil unfruchtbar und ohne Leben ist, und wenn wir unsere Zeit auf Erden im Grunde als einen Kampf ums materielle Überleben betrachten, dann ist es für uns Menschen sinnvoll, uns in diesem Konflikt voneinander abzugrenzen. Wenn wir das Universum jedoch als quicklebendig empfinden und unsere Zeit auf der Erde als eine Entdeckungsreise in diese Lebendigkeit, dann ergibt es Sinn, wenn wir uns zusammentun und gemeinsam an der Umsetzung dieses großartigen Potenzials arbeiten.

Konsumverhalten oder bewusste Schlichtheit?

Der Materialismus ist eine rationale Antwort auf das Leben in einem toten Universum. In einem materiellen Universum bietet Konsum eine Identitätsquelle und ein Mittel, um Bedeutung und Leistung zu erreichen. Woran habe ich in einem leblosen Universum Spaß und Freude? An Objekten. Wie weiß ich, dass ich etwas wert bin? An dem, wie viel Besitz ich angesammelt habe. Welchen Bezug zur Welt sollte ich haben? Den der Ausbeutung dessen, was tot ist (das Universum) zugunsten der Lebenden (ich selbst). Konsum und Ausbeutung sind die natürlichen Folgen einer Perspektive vom toten Universum. Doch wenn wir die Fundamente des Universums als quicklebendig ansehen, ergibt es Sinn, den materiellen Überfluss und unnötigen Aktivismus zu minimieren und im nichtmateriellen Reichtum des Lebens zu wachsen – den wohltuenden Beziehungen und liebevollen Gemeinschaften, dem Ausdruck von Kreativität und anderen Dingen.

Sind wir voneinander getrennt oder miteinander verbunden?

Wenn wir nicht mehr als biologische Einheiten und grundsätzlich voneinander getrennt sind, ist es verständlich, zu glauben, wir wären vom Leid anderer Lebewesen abgetrennt. Doch wenn wir alle im selben Meer der subtilen Lebendigkeit schwimmen, ist es sinnvoll, die Verbundenheit mit und Sorge um das Wohlbefinden anderer direkt zu erleben. Wenn wir dieselbe Matrix der Existenz teilen, dann berührt der Rest an Leben mich längst und erzeugt das Feld, innerhalb dessen ich existiere, mit.

Wer und was sind wir?

Sind wir nicht mehr als eine Sammlung von Elementen, die eine Reihe chemischer und neurologischer Reaktionen erleben? Ist an uns mehr dran als unsere materiell-biologischen Komponenten? In einem toten Universum werden die Grenzen unseres Wesens durch die Umrisse unseres physischen Körpers definiert. Aber in einem lebendigen Universum wird unsere körperliche Existenz von einer Lebendigkeit durchzogen und aufrechterhalten, die sich nicht von der Lebendigkeit des Universums trennen lässt. Wenn wir Wesen sind, deren Bewusstsein über unseren biologischen Körper hinausgehen kann und bis in die entferntesten Ecken des lebendigen Universums zu dringen vermag, dann stellt unser physischer Körper nur den kleinsten Bruchteil des gesamten Ausmaßes unseres Wesens dar.

Das sind nur ein paar der grundsätzlichen Wege, wie unsere Einstellung zum Leben sich radikal unterscheiden kann, abhängig davon, welche dieser beiden Sichtweisen realer erscheint. Der Alltag ist selbstverständlich nicht immer so eindeutig, wie diese Polaritäten ausmalen. Wichtig ist, dass es enorme Folgen für unsere individuelle und auch kollektive Zukunft hat, ob wir das Universum in seinen Grundmauern als tot oder lebendig ansehen.

 

Generell glaube ich nicht, dass die menschliche Gemeinschaft eine neue Beziehung zueinander und zur Erde aufbauen kann, solange wir nicht auch eine neue Beziehung zum Universum aufbauen. Diese neue Perspektive hat Konsequenzen zur Folge, die unser ganzes Leben verändern.

Teil Eins Wo stehen wir?

1
Das erste Wunder

Zuerst ist die Natur unbegreiflich,

Sei nicht entmutigt, fahre fort,

Es gibt göttliche Dinge, gut entwickelt,

Ich schwöre dir, es gibt göttliche Wesen,

die sind schöner als tausend Worte.

Walt Whitman1

Indianische Mythen sprechen von drei Wundern. Das erste Wunder ist, dass alles überhaupt existiert. Das zweite Wunder ist, dass lebendige Wesen existieren. Das dritte Wunder ist, dass Lebewesen existieren, die sich ihrer Existenz bewusst sind. Als Menschen, die sich ihrer bewusst sind, sind wir das dritte Wunder.2

Wenn wir uns bewundern, dürfen wir das erste Wunder nicht übersehen: die natürliche Welt, in der wir zuhause sind. Wenn wir das erste Wunder übersehen und uns im größeren Universum nicht beheimatet fühlen, ist es uns unmöglich, eine Heimat in uns selbst oder bei anderen zu finden. Die Heimreise, auf der wir wieder Verbindung zum ersten Wunder des Universums um uns herum und in uns selbst aufnehmen, ist ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht.

In unserem langen evolutionären Aufstieg zum dritten Wunder des Selbst-Bewusstseins haben wir uns von unserer Verbundenheit zur Natur und dem ersten Wunder entfernt. Ich halte das für einen natürlichen und zweckmäßigen Prozess. Die Familie der Menschen befindet sich auf einer kollektiven Reise des Erwachens, und in der ersten Phase war es unsere evolutionäre Aufgabe, uns von der Natur zu lösen und unser Gefühl von Identität und Stärke zu entwickeln. Nun haben wir dies so erfolgreich gemeistert und sind so mächtig geworden, dass wir das Klima aus seinem Gleichgewicht gebracht haben, kostbare Ressourcen verschwenden, Waffen zur Massenzerstörung verbreiten und die Erde übervölkern. Wir sind an einer evolutionären Mauer angelangt und werden durch Notwendigkeit gezwungen – und durch Gelegenheit verführt –, auf unserer evolutionären Reiseroute eine große Kehrtwende zu machen. Aber wie finden wir zum lebendigen Universum zurück? Wie können wir uns im Universum zuhause fühlen?

Um unsere Wertschätzung des Universums zu verbessern, sollten wir uns vier wissenschaftliche Erkenntnisse ansehen, die den Rahmen für unsere systematischeren Untersuchungen in den nächsten Kapiteln bilden. Diese vier Erkenntnisse erfüllen mich jedes Mal mit Staunen.

Wir sind Riesen

Wenn wir uns das unfassbar große Universum mit seinen Milliarden von kreisenden Galaxien ansehen, scheint sich daraus die natürliche Schlussfolgerung zu ergeben, dass wir sehr klein sind. Wenn wir ein Universum betrachten, das Billiarden über Billiarden Kilometer umfasst, wäre es nur logisch, uns im Vergleich zu diesen kosmischen Ausmaßen für unbedeutend zu halten. Doch diese Schlussfolgerung über unsere eigene Größe, die unser gesunder Menschenverstand uns suggeriert, ist ein großer Irrtum. Wir sind keine Winzlinge. Im Vergleich zu den generellen Maßen des Universums sind wir Riesen!

Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Lineal, das vom größten Maß des uns bekannten Universums bis zum kleinsten Maß reicht. Auf der Seite der größten Maße erkennen wir Milliarden von Galaxien. Jede von ihnen besteht aus Milliarden von Sternen wie unsere Sonne. Auf der Seite der kleinsten Maße reisen wir im Kern eines Atoms tief in die Welt der Quarks und noch weiter – bis an die Fundamente der Existenz und das, was die »Plancksche Länge«3 genannt wird. Wenn wir uns Menschen auf der Skala wiederfinden wollen, dann sind wir ungefähr in der Mitte angesiedelt4 wie die folgende Grafik zeigt. Die erstaunliche Erkenntnis der Wissenschaft lautet, dass es in unserem Inneren mehr kleine Maße gibt, als es außerhalb von uns große Maße gibt.

Die Größe der Menschheit auf der kosmischen Skala


Im kosmischen Schema sind wir eigentlich Riesengeschöpfe, die in der Mitte des Spektrums der kosmischen Existenz leben. Uns für klein zu halten ist eine völlig falsche Sicht. Wir sollten über unsere eigene Größe genauso staunen wie über die enorme Größe des Universums. Das Universum erreicht unvorstellbar kleine Ebenen in uns. Wir halten schon die Ebene der Atome für klein, doch die Kleinheit der Atome ist von den wahrhaftig winzigen Ebenen in den Grundlagen der Existenz noch weit entfernt. Die Tatsache, dass eine riesige Menge an harmonierenden Aktivitäten in den enormen Zwischenstufen zwischen der Ebene der Atome und der Ebene der winzigsten Teilchen stattfindet, ist wahrscheinlich.

Wissenschaftler halten unsere Körpergröße für die ideale Größe der Menschen. Wären wir deutlich kleiner, hätten wir nicht genügend Atome, um uns zu den komplexen und intelligenten Wesen zu entwickeln, die wir sind. Wären wir hingegen wesentlich größer, könnte unser Nervensystem nicht schnell genug operieren, um die rapide Kommunikation, die ständig in unserem Körper stattfindet, zu unterstützen. Auf der kosmischen Skala scheinen wir genau die richtige Größe zu haben.5

Weil wir Riesen sind, die im mittleren Bereich der Skala der Existenz leben, sollte es uns nicht überraschen, dass wir vieles übersehen, was sich auf der kleineren, feineren Skala des Universums abspielt. Als Riesen kann es uns leicht passieren, die intensiven Aktivitäten auf der ultra-mikroskopisch kleinen Skala des Universums glatt zu übersehen.

Das fast unsichtbare Universum

Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass nur sichtbare Formen von Materie und Energie das Universum ausmachen. Doch vor kurzem fielen Wissenschaftler aus allen Wolken, als sie entdeckten, dass der überwältigende Großteil des Universums unsichtbar ist. Eine wissenschaftliche Tatsache ist, dass wir nicht wissen, aus was 96 Prozent des Universums eigentlich bestehen. Die Wissenschaftler beschreiben derzeit zwei Hauptarten unsichtbarer Energien im Universum. Die eine ist eine sich zusammenziehende Kraft, dunkle Materie genannt; die andere ist eine sich dehnende Kraft – die dunkle Energie. Als »dunkel« werden sie deshalb bezeichnet, weil sie weder gesehen noch direkt gemessen werden können. Man geht davon aus, dass dunkle Materie ungefähr 23 Prozent des Universums ausmacht.6 Die unsichtbare Masse aus dunkler Materie liefert das Gravitationsfeld, das notwendig ist, um kreisende Galaxien davon abzuhalten, beim Kreisen auseinanderzufliegen. Nach Schätzungen macht dunkle Energie circa 73 Prozent des Universums aus. Diese unsichtbare Energie durchzieht das Universum und bringt es dazu, sich immer schneller von innen auszudehnen.7 Das gesamte sichtbare Universum aus Planeten und Sternen besteht aus den restlichen 4 Prozent.

Wenn fast das ganze Universum unsichtbar, unmerklich und derzeit noch unbekannt ist, müssen wir unser alltägliches Verständnis des Begriffs »Universum« entsprechend erweitern. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass sich das Wort »Universum« in diesem Buch auf viel mehr als nur die bisher bekannten Bestandteile Materie und Energie bezieht, da diese nur einen kleinen Bruchteil einer viel größeren Realität ausmachen.

Die Zusammensetzung des Universums


Wenn 96 Prozent des uns bekannten Universums unsichtbar sind – wie viel von uns ist dann unsichtbar und für materielle Technologien nicht aufspürbar? Wie weit reichen wir in die tiefe Ökologie des unsichtbaren Universums hinein? Da wir ein integrierter Teil des Universums sind, ist gut denkbar, dass auch ein wesentlicher Teil von uns mit diesen unsichtbaren Ebenen verbunden ist und auf ihnen operiert.

Gerade mal am Anfang

Jahrhundertelang blickten die Menschen auf die Welt um uns herum und gingen davon aus, dass sie nur drei Dimensionen hat. Vor ungefähr hundert Jahren identifizierte Einstein die vierte Dimension – Zeit – und der Stoff, aus dem das Universum ist, wurde als dynamisches Feld lebendig. So etwas wie Raum gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Raum-Zeit. Ein Jahrhundert später erweitern Kosmos-Erforscher den Stoff der Realität durch eine Reihe von Theorien über elf Dimensionen oder mehr noch weiter.8 Tatsächlich gehen viele Kosmologen mittlerweile davon aus, dass das Universum aus unzählbaren weiteren Dimensionen bestehen könnte. Das ist eine atemberaubende Erkenntnis, weil jede stufenweise größere Dimension dramatische neue Ebenen von Ausdrucksfreiheit für das Leben zu bieten scheint.

Auch wenn wir nur selten über Dimensionen nachdenken, bilden sie die Grundlage für die Art und Weise, wie die Realität funktioniert. Dimensionen sind viel mehr als nur trockene mathematische Konzepte – sie sind die unsichtbaren organisierenden Unterstrukturen, innerhalb derer wir existieren. Das Wunder, dass überhaupt irgendwas existiert, hängt davon ab, dass Dimensionen den Strukturrahmen liefern, in dem sich die Dinge auf eine zusammenhängende Weise manifestieren können. Trotz der durchgängigen Dynamik des Universums behält es seine Form und präsentiert sich als die stabile und zuverlässige Welt, die wir um uns herum sehen. Dimensionen liefern einen unsichtbaren Rahmen, der alles an seinem richtigen Platz und in der richtigen Zeit belässt und der der Dynamik des Universums den Zusammenhang verleiht.

Aus der Ausdehnung des Universums können wir die Gegenwart zusätzlicher Dimensionen ableiten. Die populäre Vorstellung vom Urknall suggeriert eine Explosion, bei der Materie in alle Richtungen geschleudert wurde. Das ist irreführend, da es das Bild eines davor existenten leeren Weltalls zeichnet, in das sich die Materie ausdehnt. Ein korrekteres Bild ist, dass unser Universum von innen heraus überall gleichzeitig wächst, während galaktische Inseln mithilfe ihrer Schwerkraft gegen den öffnenden Fluss ankämpfen und zusammenbleiben. Es ist dieser wachsende »Umfang« des Universums, während sich der Stoff aus Raum-Zeit ausdehnt, der die wachsende Abtrennung von Galaxien bewirkt. Die Tatsache, dass der Stoff aus Raum-Zeit sich offensichtlich unendlich ausdehnen kann, weist auf die Präsenz noch großräumigerer Dimensionen hin, die dieser Elastizität Platz bieten.

Angenommen, die Forscher des Kosmos haben Recht und es gibt tatsächlich eine enorme Anzahl weiterer Dimensionen: Dann ist es wichtig – und ernüchternd – zu erkennen, dass wir nicht in der 3.000sten oder 300sten Dimension und noch nicht einmal in der 30sten Dimension leben. Wir leben in der dritten und in der vierten Dimension, ganz am Anfang der Existenz und nur wenige Stufen über einem schwarzen Loch oder dem Kollaps der Realität in eine einzige Dimension. Wir leben in einer äußerst beschränkten Realität, während uns aus großzügigeren Dimensionen ein enormes Maß an Freiheit und evolutionären Chancen winkt. Wir dachten, wir würden an der Spitze der Evolution stehen, und jetzt stellen wir fest, dass wir erst am Anfang stehen. Wir bewegen uns gerade aus der Zone des Zusammenbruchs von Materie in ein schwarzes Loch heraus und in die Zone hinein, in der Leben sich selbst begegnet, sich seiner selbst bewusst wird und sich von allein weiterentwickeln kann. Mit hoher Wahrscheinlichkeit existieren weitaus größere Lebens- und Lernsysteme in der Geräumigkeit, die über unsere wenigen kompakten Dimensionen hinausgehen. Statt am Ende unserer Reise scheinen wir ganz am Anfang einer Reise in die Ewigkeit zu stehen. Dies ist ein Thema, das wir in diesem Buch untersuchen werden.