Grüne Antibiotika

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► Encodierung von Plasmiden: Bakterien codieren verschiedene Arten von Plasmiden, das sind Chromosomen-unabhängige DNA-Abschnitte. Jeder Abschnitt enthält Resistenz-Informationen, die an andere Bakterien weitergereicht werden. Plasmide sind hypermobile Genabschnitte, die in der Bakterienwelt weit verbreitet werden. Beispielsweise wurden hochwirksame Aminoglycosid-Antibiotika aus Actinomyceten hergestellt.

Diese Bakterien produzieren selbst Aminoglycoside, um gefährliche Mikroorganismen zu töten. Um sich nicht selbst zu töten, entwickelten Actinomyceten zusätzlich einen Code zur Deaktivierung von Aminoglycosiden, der in Plasmiden gespeichert ist. Dieser Plasmid-Code ist eine Ursache der weltweiten Aminoglycosid-Resistenz. Kritiklose Verordnung solcher Antibiotika durch die Ärzteschaft mobilisiert Plasmidwolken mit Resistenz-Informationen im gesamten Reich der Bakterien!

► Transposons und Integrons: Bakterien benutzen spezifische bewegliche DNA-Segmente (Transposon), die normaler Bestandteil ihres Genoms sind. Solche „springenden Gene“ können zwischen Chromosomen und Plasmid ausgetauscht werden. Sie lassen sich leicht in bestehende DNA-Strukturen einbauen. 1st das der Fall, verändern sich die Funktion und Form der Bakterien. Antibiotika sind dann unwirksam. Mit Transposons wird ein Großteil der Resistenz-lnformation in das bakterieneigene Genom eingebaut. Transposons werden auch in freier Form in die Umwelt entlassen und dort von anderen Bakterien übernommen. Integrons sind DNA-Sequenzen, die an bestimmten Stellen in die Genom-Struktur eingebaut werden. Integrons vermitteln Resistenz- und Virulenz-Informationen.

► Virus-Transporter: Bakterien benutzen Viren oder Bakteriophagen, um Resistenz-Informationen zwischen unterschiedlichen Bakterienarten auszutauschen. Bakteriophagen kopieren Abschnitte von Chromosomen, die Resistenz-Informationen enthalten, und reichen sie an Bakterien weiter. Die Viren enthalten somit eine Art „Fortbildungskonzept“ in Sachen Resistenz für andere Bakterien.

Multiresistenz

Multiresistenz von infektiösen Keimen ist eines der bedrohlichsten Phänomene, mit denen es die moderne Medizin heute zu tun hat. Selbst gegen die bislang wirksamsten Reserveantibiotika (z.B. Carbapenem, Daptomycin, Vancomycin) werden Resistenzen beobachtet. Je stärker das Überleben von Bakterien durch Antibiotika gefährdet ist, desto schneller und effizienter bilden sich Resistenzen und multiresistente Erreger (MRE). MRSA-Bakterien sind bereits heute ein kaum mehr beherrschbares Problem für die Medizin.

Ursachen für Multiresistenz sind der übertriebene und unnötige („präventive“) Einsatz von Antibiotika, profitgesteuerte massenhafte Antibiotika-Anwendung in der Nutztierhaltung und Anwendung von hochpotenten Antibiotika ohne Nachweis einer bakteriellen Infektion (kein Antibiogramm!). Hinzu kommt die unangemessene Einnahme von Antibiotika (unterdosiert, zu kurz) durch Patienten. Solche Unzulänglichkeiten fördern die Resistenzentwicklung.

Ist die Multiresistenz einmal im genetischen Code des Bakteriums verankert, bleibt sie für alle Zeiten erhalten. Zu den multiresistenten Spezies gehören NDM-i-Stämme, MRSA, Vancomycin-resistente Keime (VISA, VRSA) und ESBL-Erreger. Hinzu kommen mehrfach resistente grampositive Bakterien (Tuberkulose, Enterokokken, Pneumokokken), gramnegative Bakterien (Pseudomonas, Campylobacter, Salmonellen, Escherichia coli). Einzellige Parasiten, die Malaria verursachen (Plasmodium) kommen gleichfalls mehrfachresistent vor.

Antibiotikaflutung

Bleiben wir in Deutschland. Der Status quo der Antibiotika-Verordnung stellt sich hierzulande laut AntibiotikaReport 2014 so dar: „Die Analyse der DAK-Verordnungsdaten belegt die Über- und Fehlversorgung mit Antibiotika.“ Dies ist nun wahrlich nichts Neues. Den Antibiotika haftet seit der Entdeckung der Penicilline das trügerische Image der „Wunderwaffe“ oder des „Allheilmittels“ an. Einige Tage Pillen schlucken – und schwupp, weg ist die Infektion. Diese Vorstellung kennzeichnet den Umgang mit Antibiotika seit mindestens fünf Jahrzehnten.

Sie ist eine wesentliche Ursache der gegenwärtigen Resistenzmisere. Und bei allen Beteiligten ist wenig Bereitschaft zur Kurskorrektur zu erkennen: Patienten bevorzugen Schnelligkeit und Bequemlichkeit, wenn es um Gesundheitsprobleme geht. Ärzte und Pharmahersteller bedienen diese Erwartungshaltung und profitieren davon. Fakt ist: Antibiotika werden von Ärzten nach wie vor zu häufig, vorschnell und unkritisch eingesetzt – ein globales Problem!

2013 wurden deutschlandweit kassenübergreifend 40 Millionen Antibiotika-Verordnungen gezählt. 40 Prozent aller DAK-Versicherten haben in dem Jahr mindestens einmal ein Antibiotikum erhalten – Tendenz steigend! Fast die Hälfte aller (sexuell aktiven) Frauen bekamen mindestens einmal ein Antibiotikum auf Rezept. Harnwegsinfekte spielen hier die Hauptrolle. Ähnlich hoch ist der Anteil bei den über 60-Jährigen, die zudem öfter

Antibiotika: pro oder kontra?

► Vertrauen Sie Ihrer körpereigenen Abwehrkraft! Geben Sie sich bei Infektionen einige Tage Auszeit, damit Sie sich regenerieren und gesund werden können. Ohne Arzt oder Antibiotika.

► Akzeptieren Sie, wenn Ihnen Ihr Arzt bei „banalen“ Infekten (Atem-, Harnwege) kein Antibiotikum verordnet. Bei Virusinfektionen sind Antibiotika nutzlos. Greifen Sie zu pflanzlichen Alternativen.

► Akzeptieren Sie nicht unkritisch die ärztliche Verschreibung eines Antibiotikums. Fragen Sie nach einer diagnostischen Begründung. Verlangen Sie ein Antibiogramm. Fragen Sie nach Wirkungen und Nebenwirkungen des Antibiotikums.

► Nehmen Sie das Antibiotikum genau nach Vorschrift ein.

► Akzeptieren Sie keine „prophylaktische“ Antibiose, z.B. in der Klinik vor einer Operation. Entsorgen Sie Antibiotikareste in der Apotheke!

Reserveantibiotika einnahmen. Und: Im Westen werden häufiger Antibiotika verordnet als im Osten (Versorgungsatlas 2014).

Offensichtlich sind vor allem Hausärzte unbelehrbar: 62 Prozent verordneten Antibiotika, gefolgt von Kinderärzten (sechs Prozent), Urologen und HNO-Ärzten (je fünf Prozent). Jede dritte Verordnung war 2013 diagnostisch fragwürdig und potenziell unnötig. Expertenkommentar: „Die Auswertung der Diagnosedaten zeigt, dass es noch keinen Bewusstseinswandel beim Einsatz von Antibiotika gibt.“ Verschärfend auf die Resistenzproblematik wirkt auch die viel zu häufige Verordnung von Reserveantibiotika. Dies betrifft vor allem Chinolone und Cephalosporine. 2013 betrug der Anteil solcher Verordnungen 22 Prozent! Was tun?

Wenn es um Antibiotika geht, sind Vernunft, Wissen und Erfahrung gefragt. Der Einsatz eines Antibiotikums ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine bakterielle Infektion vorliegt. Die Isolation des Erregers erfordert Zeit. Im Labor muss zudem ein Antibiogramm erstellt werden – dann ist die Verordnung rational. In einer Vielzahl der Fälle liegt keine Indikation für eine Antibiotika-Verordnung vor. Es handelt sich meist um Atemwegsinfektionen durch Viren oder um Harnwegsinfekte, bei denen auch pflanzliche Heilmittel hilfreich sein können.


Nach wie vor werden häufig unnötig Antibiotika rezeptiert, vor allem bei Virusinfektionen. Akzeptieren Sie kein unkritisch verordnetes Antibiotikum! Verlangen Sie ein Antibiogramm!

Sollte ein Antibiotikum unumgänglich sein, beachten Sie folgende Regeln:

► Antibiotika-Therapien sind Sache des Arztes. Er muss Anwendungsvorgaben machen und den Heilungsverlauf kontrollieren. Selbsttherapie ohne Diagnostik ist keine gute Idee! Entsorgen Sie Antibiotikareste in der Apotheke.

► Die Therapie muss strikt nach Vorschrift erfolgen. Andernfalls droht Unwirksamkeit und Resistenzentwicklung.

► Lesen Sie den Beipackzettel. Informieren Sie sich über Neben- und Wechselwirkungen des Antibiotikums.

► Manche Antibiotika können schwere Nebenwirkungen verursachen. Allergien kommen häufig vor.

Keime im Krankenhaus

Von Florence Nightingale (1820–1910), einer Pionierin der modernen westlichen Krankenpflege, ist folgendes Zitat überliefert: „Die allererste Bedingung für ein Krankenhaus ist, dass es keinen Schaden anrichtet.“ Was die Resistenzproblematik von Kliniken und Intensivstationen betrifft, sind wir weiter denn je von der Erfüllung dieser Forderung entfernt. Antibiotika-Anwendungen in Krankenhäusern, mangelhafte Hygiene und ungenaue Kontrolle (Isolierung) sind die zweite wesentliche Ursache für unsere Resistenzprobleme.

Das Krankenhaus ist heutzutage ein durchaus gefährlicher Ort geworden. Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), beantwortet die Frage, wie viele Krankenhaus-Infektionen vermeidbar sind: „Jährlich gibt es in Deutschland 800 000 bis eine Million Krankenhaus-Infektionen. In der Literatur wird der vermeidbare Anteil mit 30 bis 50 Prozent angegeben. Danach sind mindestens 300 000 bis 400 000 Infektionen pro Jahr vermeidbar.“ Viele dieser Infektionen sind antibiotikaresistent und somit schwer zu behandeln.

Schätzwerte für das Jahr 2013 zeigen, wie gefährlich und beunruhigend die Resistenzproblematik für Patienten in deutschen Kliniken ist:

► Etwa 15 000 MRSA-Infektionen (Staphylococcus aureus), daran stirbt jeder dritte Betroffene auf der Intensivstation.

► Etwa 9 500 ESBL-Infektionen (E. coli), daran stirbt fast jeder zweite Betroffene auf der Intensivstation.

Krankenhaus-Infektionen in Deutschland

Klaus-Dieter Zastrow ist Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und berichtet über die MRSA-Durchseuchung an deutschen Kliniken:

 

► Die Ursachen für Infektionen sind immer die Behandlungen am Patienten durch das medizinische Personal.

► Die Infektionsraten im Allgemeinen liegen bei vier bis sechs Prozent. Das heißt, wir haben jährlich etwa 800 000 Infektionen.

► Wir haben bei etwa 20 Prozent aller Staphylokokken-Infektionen eine MRSA. Damit kommen wir auf 60 000 bis 70 000 MRSA-Infektionen pro Jahr.

► Wir wissen genau, dass ungefähr 40 000 Patienten pro Jahr an Krankenhausinfektionen versterben. Bei davon geschätzt 8 000 bis 10 000 Patienten ist eine MRSA-Infektion die Todesursache.

Die Offensive der Krankenhauskeime auf deutschen Intensivstationen schreitet voran. Tendenz: zunehmende Multiresistenz.

► Etwa 14 000 Vancomycin-resistente Infektionen (Enterococcus/Streptococcus faecalis/faecium), daran stirbt jeder dritte bis fünfte Betroffene auf der Intensivstation.

► Etwa 2 000 Infektionen durch resistente Klebsiella pneumoniae, daran stirbt jeder zweite Betroffene auf der Intensivstation.

► Bis zu 40 000 Menschen sterben in Deutschland pro Jahr an nicht beherrschbaren Krankenhausinfektionen, davon etwa 10 000 an MRSA-Infektionen.

Behandlungen von bakteriellen Infektionen, die in einer Intensivstation erworben wurden, sind teuer: Mehr als 13 000 Euro fallen zusätzlich bei einer MRSA-Infektion an, 30 000 Euro bei Vancomycin-Resistenz oder 15 000 Euro bei E.-coli-Unempfindlichkeit.

Besonders gefürchtet sind Infektionen durch Acinetobacter-Spezies: In Deutschland gab es 2012 86 Fälle, 2013 67 Fälle und 2015 starben 12 von 31 infizierten Intensivpatienten in Kiel. Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern wie Dänemark, die schon seit den 1990er-Jahren in Hygienemaßnahmen und MRSA-Kontrolle investiert haben, sind hierzulande kaum wirksame Gegenmaßnahmen zu sehen. Laut Antibiotika-Report 2014 trugen 2013 knapp 20 000 stationäre Patienten einen resistenten Keim in sich, Tendenz steigend. Aber erst seit 2011 sind Kliniken gesetzlich verpflichtet, Hygienestandards zu beachten und Infektionen zu dokumentieren. In 90 Prozent der Fälle werden Klinikkeime über die Hände des Personals übertragen. Bei bis zu 85 Prozent der MRSA-infizierten Patienten in Deutschland wurde kein MRSA-Screening vor der Klinikaufnahme durchgeführt. Besser, Sie meiden Krankenhäuser!

Ist die Behandlung in einer Klinik unumgänglich, sollte man ein Haus mit Hygienebericht bevorzugen. Informieren Sie sich im Internet auf den Klinikwebseiten über Hygienestandards (sofern vorhanden) und den Status klinischer Infektionen, bevor Sie in eine Behandlung einwilligen.

Dazu rät auch die Anwältin und Ärztin Britta Konradt. Es geht um Ihre Gesundheit, im Extremfall um Ihr Leben! Wer Pech hat und sich im Krankenhaus eine MRSA-Infektion einfängt, hat schlechte Karten: Der Patient hat die Beweislast für einen Hygienefehler. Hinzu kommt, dass Krankenhausinfektionen juristisch als „voll beherrschbar“ oder „schicksalhaftes Risiko des Patienten“ bewertet werden! Medizinisch-wissenschaftlich betrachtet ist dies blanker Unsinn.

Stichprobe Klinikhygiene

Erst im Jahr 2011 reagierte die Bundespolitik auf die Resistenz-/Hygieneproblematik in Deutschland und verabschiedete ein Infektionsschutzgesetz, das alle Bundesländer verpflichtet, eine Hygieneverordnung zu erlassen. Dokumentation und Transparenz in Bezug auf Hygiene und Krankenhaus-Infektionen werden eingefordert. Jede Klinik ab 400 Betten muss einen hauptamtlichen Hygieniker beschäftigen. Hier zwei Stichproben (Webseite, Qualitätsbericht):

► Das Klinikum Aschaffenburg hat 696 Betten und ca. 2 000 Mitarbeiter. Im Dezember 2014 war im umfangreichen Telefonverzeichnis kein Krankenhaushygieniker zu finden. Auch im Qualitätsbericht findet sich nichts über den Infektionsstatus des Hauses. Ein beunruhigender Hinweis auf Infektionen sind Angaben zu lebensgefährlichen Blutvergiftungen (Sepsis): Höchstens 1 Prozent Sepsis-Fälle gelten als akzeptabel. Das Klinikum dokumentiert aber 28,7 Prozent (2012) und 26,3 Prozent (2013) Sepsis-Fälle. Angesichts fehlender Hygiene-Transparenz würde ich dieses Haus eher meiden.

► Das deutsche Unternehmen Helios betreibt 110 Kliniken mit mehr als 33 000 Mitarbeitern. Das zugehörige Klinikum München West mit 400 Betten stellt zumindest „spartanische“ Hygienedaten (2013) auf seiner Webseite vor.

Ein Patient mit geplantem Eingriff in einer Klinik kann demnach nicht damit rechnen, dass dort gesetzliche Hygienestandards umgesetzt wurden. Jeder Patient ist gut beraten, sich vor einem Eingriff über den Stand der Hygiene und Infektionskontrolle im ausgewählten Haus zu informieren. Solche Informationen sind im „Qualitätsbericht“ einer Klinik veröffentlicht.

Und – Juristen können keinen Behandlungsfehler einklagen, wenn zuvor kein MRSA-Screening durchgeführt wurde. Demnach haben MRSA-Betroffene in Deutschland kaum Aussicht auf Anerkennung oder Unterstützung in Sachen Krankenhausinfektion. Sie müssen selbst sehen, wie sie mit MRSA-Komplikationen zurechtkommen. Hintergrund dieser unerfreulichen Situation ist die Kostenfrage: Hygiene, Infektionskontrolle, Schadensersatz und MRSA-Screening kosten Geld, das man ungern ausgeben möchte. Pessimisten behaupten, es sei längst viel zu spät, um das Hygiene- und Resistenzproblem der Krankenhäuser zu lösen. Deutschland hätte derzeit noch die Chance, das Resistenzproblem in den Griff zu bekommen – in den USA hat man bereits bezüglich MRSA kapituliert.

Wortmeldungen zum MRSA-Problem

Das Computermagazin ct berichtete anlässlich der MRSA-Todesfälle in einer Kieler Klinik am 30. Januar 2015 über ein Screening-Verfahren: „Multiresistente Keime: Schnelltests könnten Gefahren und Kosten verringern.“ Im zugehörigen Forum meldeten sich einige Leser mit durchaus verständlicher Wut zu Wort.

Und das habe ich schon gefühlt 100-mal prophezeit

Gängige Praxis: Oh, der Patient hat MRSA. Wir brauchen keine Schutzisolation, nur ein paar Handschuhe und alles wird gut (sehr häufig selbst als Pfleger erlebt). (systrayo)

Kaputtgespartes Gesundheitswesen

Na ja, solange die Krankenhäuser die Behandlung von den Kassen gezahlt bekommen, ist es vor allem ein Problem für die Kassen. Das ist genauso wie die fehlenden Qualitätskontrollen: Solange die Kassen für die „Reparatur“ von Ärztepfusch, ähm … suboptimaler Behandlung zahlen, so lange wird sich auch nichts im Gesundheitssystem ändern. Ein anderes Problem ist das Unverständnis/die Uneinsichtigkeit von Ärzten. Beispiel: Meine Mutter wird demnächst am grauen Star operiert. Die Klinik verlangt vorab einen (negativen) Test auf Krankenhauskeime. Den soll der Hausarzt machen. Dessen Kommentar: „Was soll man denn noch alles testen?“ (IchWillAuchMit)

Das Nachweissystem ist nicht „zu teuer“…

… sondern schlicht geschäftsschädigend. So eine hübsche Zusatzinfektion muss ja auch behandelt werden, und das gibt Bettenauslastung und Kohle von der Krankenkasse. Warum also zusätzliches Geld ausgeben, wenn man bei Nichtinvestition dieses Geldes zusätzlichen Umsatz machen kann? (subzero)

Antibiotika in der Nahrungskette

Die ZEIT titelte am 20. November 2014: „Die Rache aus dem Stall. Das bringt uns noch um.“ Hier die letzte Schlagzeile des Jahres 2014 am 30. Dezember: „Umweltstiftung warnt vor Antibiotikaeinsatz bei Tieren. Der starke Einsatz von Antibiotika in Tiermast-Betrieben wird immer mehr zum Gesundheitsrisiko für den Menschen. Die resistenten Keime könnten sich auch über die Luft verbreiten.“ Man befürchtet eine schleichende Ausbreitung von resistenten Keimen in der Bevölkerung.

Die massenhafte Anwendung von Antibiotika bei Nutztieren (Rinder, Schweine, Geflügel, Fische) und Nutzpflanzen ist die dritte wesentliche Ursache der Resistenzproblematik.

„Rund ein Drittel der resistenten Keime, die wir bei unseren Patienten finden, stammen ursprünglich von Tieren. Ein Tier-MRSA kann die gleichen Probleme bei der Behandlung von Menschen verursachen wie ein MRSA aus dem Krankenhaus.“ Diese Mitteilung aus dem Antibiotika-Report 2014 stammt von Frank Kipp, Krankenhaushygieniker in Münster. Fast 80 Prozent der Landwirte in dieser Gegend sind mit MRSA besiedelt. Im mastintensiven Landkreis Cloppenburg wurden 2013 pro 1 000 Krankenhauspatienten 18 MRSA-Diagnosen gestellt.

In den USA werden pro Jahr 15 000 Tonnen Antibiotika für die Nahrungsmittelproduktion verbraucht (2009) – darunter zahlreiche Reserveantibiotika wie Cephalosporine, Carbapeneme, Aminoglycoside und Streptogramine. Die Abgabe von Antibiotika an deutsche Veterinärmediziner wird mit 1706 Tonnen (2011) und 1619 Tonnen (2012) angegeben. 2012 wurden zudem zwei Tonnen mehr Fluorchinolone verbraucht, ein Reserveantibiotikum! Das sind nur die „offiziellen“ Zahlen. Die tatsächlich abgegebenen Mengen sind nicht bekannt und liegen vermutlich um ein Vielfaches höher. Schweine werden an 4 von 115 Tagen Mast mit Antibiotika behandelt, Hühner an 10 von 39 Tagen. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, gilt seit 2014 die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes. Eine Meldepflicht und Maßnahmepläne werden nun von Tierhaltern verlangt. Unsere dänischen Nachbarn sind auch auf diesem Gebiet schon länger aktiv. Sie trennen zwischen Verschreibung, Verkauf und Abgabe von Antibiotika. Sie zwangen die Bauern, auf Antibiotika und Reserveantibiotika zu verzichten. Und sie überwachen die Einhaltung der Verbote streng. 2009 bis 2012 wurde dort der Antibiotikaeinsatz in der Mast halbiert. Auch in Großbritannien und Schweden hat man den Ernst der Lage begriffen und dem Resistenzproblem den Kampf angesagt.

Stichprobe Putenmast

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen stellte 2014 einen Bericht zur Evaluierung des Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast vor. In NRW waren zum Stichtag am 1.3.2013 ca. 200 Betriebe mit einem Gesamtbestand von rund 1,5 Millionen Puten registriert. 87 Prozent der Tiere stammen aus Betrieben mit mehr als 10 000 Tieren.

Mehr als 90 Prozent der Puten wurden im Mittel 4,6 Tage antibiotisch behandelt. Äußerst bedenklich war, dass sich unter den vier am häufigsten eingesetzten Wirkstoffen zwei Reserveantibiotika befinden (Colistin, Enrofloxacillin). Ein Drittel der Präparate waren in Deutschland für die Anwendung bei Puten nicht zugelassen (ein Straftatbestand!), obwohl es vergleichbare zugelassene Präparate gegeben hätte! Über mögliche Konsequenzen dieser Befunde schweigt sich der Bericht aus.


Solange es Massentierhaltung zur Nahrungsmittelproduktion mit massivem Antibiotika-Einsatz gibt, werden wir das Resistenzproblem nicht in den Griff bekommen.

Nach allem, was in Deutschland bislang über Antibiotika in der Nahrungsproduktion bekannt ist, ist nicht von einer radikalen Veränderung der derzeitigen Situation in der Tiermast auszugehen. Das Fazit: Wenn wir so weitermachen, enden schon normale Infektionen und leichte Verletzungen demnächst tödlich. Und wo bleiben die Antibiotikareste und -rückstände aus der Massentierhaltung? Sie gelangen in unsere Umwelt – und sie bleiben dort: im Staub, in der Luft und via Gülle im Grundwasser. Antibiotikaspuren sind fast deutschlandweit im Grundwasser nachweisbar. Beste Bedingungen für Keime, um Resistenz zu entwickeln!

Antibiotika in der Postmoderne

Vor nicht allzu langer Zeit erklärten Biologen, dass die Evolution von Bakterien ausschließlich durch spontane Mutationen erfolgt. Solche Ereignisse seien extrem selten: 1:10 Millionen bei 10 Milliarden Mutationen. Dass Bakterien in nur 35 Jahren signifikante Resistenz entwickeln würden, hielt man schlicht für unmöglich. Wo stehen wir heute? Das Zeitalter der ruhmreichen Antibiotika ist längst beendet. Der „Krieg gegen Keime“ war niemals zu gewinnen. Wir wollen es vielleicht nicht wahrhaben, aber Antibiotikaresistenz ist heute zur realen Bedrohung von Leib und Leben geworden. Die Zukunft gehört den cleveren Keimen, die wie wir selbst um ihr Überleben kämpfen. Im Gefolge dieser Entwicklung muss auch mit der Rückkehr totgeglaubter Infektionskrankheiten gerechnet werden. Resistente Keime, die Cholera, Malaria, Gonorrhoe oder Tuberkulose verursachen, sind auf dem Vormarsch. Was tun?

Die Lösung des Resistenzproblems ist dort zu finden, wo alle Antibiotika herkommen: im Reich der Mikroorganismen und Pflanzen. Wenn alle Antibiotika bei MRSA-Infektionen versagt haben, bleiben nur pflanzliche Antibiotika als Alternative. Dies ist zumindest eine greifbare Hoffnung auf Heilung für die Betroffenen.

 

Wir können unsere Einstellung gegenüber Mikroorganismen verändern. Wir können sie als Freunde und Partner betrachten. Wir können pflanzliche Abwehrstrategien nutzen, die seit Millionen Jahren erfolgreich sind. Pflanzen machen es durch die komplexe Komposition ihrer Inhaltsstoffe potenziellen Angreifern nicht so leicht wie die modernen Konstrukteure, die Antibiotika erfinden.

Was Infektionskrankheiten betrifft, müssen wir wieder stärker auf altbewährte Verfahren zurückgreifen: Isolierung von Infizierten, Hygienemaßnahmen, Umweltsanierung, Abkehr von Massentierhaltung und Pestiziden, Sanierung von Infektionsherden und die Anwendung pflanzlicher Heilmittel. Hierzu brauchen wir Geduld, mehr Zeit, Sorgfalt und Vertrauen in unsere biologische Natur. Der Ex-und-hopp-Effekt von Antibiotika bei Infektionen wird nicht mehr für jeden und nicht mehr nachhaltig funktionieren. Letztendlich ist das Resistenzproblem auch ein Appell, unseren Lebensstil zu überprüfen und zu verändern.

Millionen antibakterieller Substanzen existieren, seit das Leben selbst existiert. Die Welt ist erfüllt von antibakteriellen Substanzen, die meist von den Bakterien selbst produziert werden, aber auch von Pilzen und Pflanzen stammen. Unzählige antibiotische Substanzen und Abwehrstrategien existieren seit Urzeiten in Mikroorganismen und Pflanzen. Nutzen wir dieses unerschöpfliche Potenzial!

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