Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch)

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Theoretische Grundlegungen zum Hör-Seh-Verstehen

2 Zur Geschichte des Bildes in der Fremdsprachendidaktik

Der Einsatz von Bildmaterial im Fremdsprachenunterricht hat eine lange Tradition, die bis in das 17. Jahrhundert reicht. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die zur Verfügung stehenden Medien nicht nur vervielfältigt, sondern auch gewandelt. Aus diesem Grund verbindet jede Generation von Schülern ein bestimmtes Spektrum an Medien und Materialien mit dem fremdsprachlichen Unterricht. Hierzu zählen zum einen statische Bilder wie etwa Wandbilder, klassische Tafelbilder, Landkarten, Lehrbuchabbildungen, flash cards, Dias und Folien. Zum anderen handelt es sich um audiovisuelle Datenträger mit bewegten Bildern wie Fernsehen, Video, DVD und online verfügbare Videopods/-blogs.

Vor diesem Hintergrund hat das vorliegende Kapitel zum Ziel, einen kurzen Abriss über den fremdsprachengeschichtlichen Einsatz visueller Medien zu geben, sodass der Übergang von statischen zu audiovisuellen Bildern deutlich wird. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung erster lehrwerksbegleitender Video­kassetten zu Gunsten online verfügbarer Lernvideos, die in den Aufbau des Lehrwerks integriert sind.

2.1 Auf den Spuren von Comenius

Bereits Johann Amos Comenius (1592–1670) war sich der verständniserleichternden Wirkung von Bildern bewusst, als er 1658 das erste speziell für den Fremdsprachenunterricht entwickelte Bilderkompendium Orbis Sensualium Pictus veröffentlichte. Es beinhaltete 150 Holzschnitte, deren Bildteile mittels einer Nummerierung tabellenartig auf die fremdsprachlichen Ausdrücke verwiesen. Zwar waren die Bilder klein und mitunter undeutlich, dennoch vermochten sie den fremdsprachlichen Unterricht im Sinne Comenius’ anschaulicher zu gestalten und Sprechübungen zu fördern (cf. Reinfried 1992, 33sq.).

Diese Idee der visuellen Unterstützung fremdsprachlicher Begriffe geht vermutlich zurück ins 15. Jahrhundert und wurde zunächst in Form von Federzeichnungen zur Gestaltung lateinisch-englischer Wörterverzeichnisse genutzt. Die bekanntesten Befürworter waren die Humanisten Desiderius Erasmus und John Palsgrave. Hintergrund des Bildeinsatzes war der, dass sich Sprachlehrmeister jener Zeit bemühen mussten, den in der Regel privat stattfindenden Sprachunterricht mit Hilfe von Bildern interessanter und motivierender zu gestalten (cf. ibid. 25sq.).

Für Comenius lag die Funktion der Bilder ausschließlich in ihrer Anschaulichkeit, wodurch der Bezug zwischen Wort und Bild hergestellt werden sollte. Dieses Konzept divergiert gegenüber anderen didaktischen Strömungen dahingehend, dass sich beispielsweise Vertreter der direkten Sprachlehrmethode für eine Verwendung von Bildern als „bloße Hilfsmittel zur Bedeutungserklärung fremdsprachlicher Ausdrücke oder auch Sprechimpulse“ aussprachen (ibid. 43). Trotz didaktischer Kontroverse hatte Comenius’ Bilderkompendium großen Erfolg und fand im 18. Jahrhundert eine Vielzahl an Nachahmern, wie etwa den Orbes Picti von Seidel und Geissler, den Neuen Orbis Pictus von Eberhard oder das Elementarbuch nach Lederer (cf. ibid. 53).

Im Zuge der Versinnlichungsmethode setzten sich die Dessauer Philan­thropen unter der Führung von Johann Bernhard Basedow (1724–1790) seit der Gründung der Dessauer Privatschule1 im Jahre 1774 für die fremdsprachenunterrichtliche Nutzung von Realien ein. Folglich kennzeichnete sich das von Basedow entwickelte Lehrbuch Elementarwerk durch eine Vielzahl an Kupferstichen. Diese waren nicht nur als Semantisierungshilfe gedacht, sondern sollten gleichermaßen das Einsprachigkeitsprinzip des Fremdsprachenunterrichts fördern (cf. Schrader 2007, 10).

Zusätzlich dazu wurden seit dem Jahr 1830 in Deutschland nachweislich Wandbilder im schulischen Fremdsprachenunterricht eingesetzt (cf. Hecke/ Suhrkamp 2010, 20). Ihre Blütezeit lag zwischen dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts: Sie gehörten zur Grundausstattung an öffentlichen Schulen und konnten dank des technischen Fortschritts bald mühelos vervielfältigt werden. Schätzungen zufolge lag die Gesamtzahl an Schulwandbildern allein im deutschsprachigen Raum bei über 20.000 Exemplaren (cf. Müller 1988, 21sqq.). Die Wandbilder stellten für gewöhnlich alltägliche Lebenssituationen dar und dienten als Semantisierungshilfe bei der Einführung neuer Wörter. Ziel war es, neben dem muttersprachlichen Unterricht insbesondere fremdsprachliche Sprechübungen zu unterstützen (cf. Reinfried 1992, 103sqq.). Diese Tendenz ästhetischer Aufbereitung des Lernmaterials fand bis weit über die 1860er Jahre der Reformpädagogik hinaus Zuspruch. Erst gegen 1940 nahm das didaktische Interesse an Bildmaterialien deutlich ab. Diese Entwicklung war durch das aufstrebende Konzept der audiolingualen Methode bedingt, das unter dem Einfluss des Behaviorismus’ und Strukturalismus’ insbesondere auf die orale und auditive Imitation und Einübung von Sprechmustern abzielte (cf. Hecke/Surkamp 2010, 20sq.). Hierbei kamen u.a. auch Bilder in Form von Strukturzeichnungen zum Einsatz, wobei damit verbundende Praktiken bislang nicht untersucht wurden. Obgleich bildgestütztes Lernen zur damaligen Zeit „weniger stark im Mittelpunkt“ stand, darf man „den Strukturbildern […] eine organisierende und konkretisierende Funktion attestieren, die sich in einer grammatisierenden Funktion zusammenfassen lässt“ (Hecke 2016, 38). Schulbuchverlage folgten dem Trend der audiolingualen Methode, indem sie wie etwa der Klett-Verlag in Ergänzung zu dem Französischlehrwerk Etudes Françaises 1962 die erste für den Fremdsprachenunterricht konzipierte Schallplatte mit dem Titel Das tönende Klettbuch publizierten (cf. Klett 1981, 162).

2.2 Vom statischen zum bewegten Bild, Video und DVD

Erst im Zuge der audiovisuell global-strukturellen Methode fand eine Wiederaufwertung visueller Realien statt, die Bilder fortan zu einem festen Bestandteil des Unterrichts machte. Als Weiterentwicklung der audiolingualen Methode stand vor allem „die Synchronisierung und absolute Gleichsetzung von Bild und Ton“ im Mittelpunkt des Sprachlernprozesses (Pelz 1976, 43). Fremdsprachliche (Re-)Produktion im Unterricht basierte daher in der Regel auf der Projektion von Dias und dem Abspielen von Tonbandaufnahmen, wobei die besagten Materialien inhaltlich oftmals stark vereinfacht waren (cf. Schrader 2007, 11). Im Gegensatz zu audiolingualen Verfahren, die „das Bild nur als Hintergrund, sozusagen als atmosphärischer Nährboden sprachlicher Vorgänge angesehen wissen wollen, haben audiovisuelle Unterrichtsmethoden den Ehrgeiz, eine durchgehende Verbildlichung als bindende Begleitung sprachlicher Aussagen erstellen zu wollen“ (Von Faber 1975, 8). Im Bestreben, den einseitig formalen Aspekt der audio-lingualen Methode aufzubrechen und an Inhalte zu binden (cf. ibid. 9), lag die Funktion von Bildern hauptsächlich in der Veranschaulichung und logischen Verknüpfung sprachlicher und situativer Prozesse (cf. Montani 1975, 40):

Visuelle Impulse werden als eindeutig verbalisierbar erachtet und dementsprechend bestimmte Zeichnungen mit […] [fremdsprachlichen] Sätzen korreliert. Das Bild gilt […] als Impuls, der bei den Betrachtern sprachliche Reaktionen auslösen soll (Fäcke 2011, 40sq.).

In diesem Sinne vermochten es neben herkömmlichen Bildern ebenso Filme und Dias, den kontextgebundenen Sprachlernprozess durch ihren sinnstiftenden Charakter zu unterstützen. Zu den bekanntesten audiovisuellen Schulbüchern zählt u.a. der um 1970 vom Didier-Verlag veröffentlichte Französischkurs Voix et Images de France (cf. Tagliante 2006, 51).

Was die bis dahin genutzten Schulwandbilder, Dias und Schreibtafeln betrifft, so wurden diese gegen Ende der 1960er Jahre allmählich durch die Verbreitung des Overheadprojektors verdrängt (cf. Reinfried 2007, 417). Abgesehen von Projektoren, Tafelbildern und Lehrwerksabbildungen hielt in Übereinstimmung mit der kommunikativen Wende von 1970 schließlich auch der Videorekorder Einzug in das fremdsprachliche Klassenzimmer (cf. Leupold 2007a, 188sq; cf. Hallenberger 1996, 9). Neben einer vereinfachten Handhabung von Bildmaterialien versprach man sich deren inhaltliche Nutzung zu Sprech- und Schreibanlässen gemäß den Prinzipien eines kommunikativen Sprachunterrichts. Im Zuge der kommunikativen Wende wurde das Lernen mit Bildern schließlich zur Selbstverständlichkeit. Der neue Stellenwert visueller Medien machte sich in den 1980er Jahren insofern bemerkbar, als eine nie dagewesene Vielfalt an Bildmaterialien das Lehrbuch eroberte. „In den ersten drei bis sechs Lernjahren, während der sogenannten Lehrwerkphase, entfallen seit den 1980ern zwischen einem Drittel und der Hälfte der Fläche in den Lehrbüchern auf farbige Abbildungen“ (Hallet 2008, 198). Grund dafür ist zum einen, dass Bilder Themen, Rollen und Intentionen vorgeben. Gleichzeitig ebnen sie aber auch das Textverständnis, indem sie Übungen steuern und strukturelle Zusammenhänge erklären. Bilder werden dem Unterrichtsziel einer funktional-situativen Kommunikation insofern gerecht, als durch ihren Einsatz Sprache als Mittel zur Verständigung im Alltag und als Teil des sozialen Handels vermittelt werden kann (cf. Schrader 2007, 17sq.). Mit dem Ziel der Motivationsförderung erstreckte sich das Angebot von Fotoromanen, großformatigen Illustrationen und Comics bis hin zu alltagsnahen visuellen Reizen in Form von Schildern, Plakaten und Graffiti. Der Einsatz authentischer Bilder stieß schon damals auf große Resonanz im Französischunterricht (cf. ibid. 11).

 

Auf das kommunikative Konzept fremdsprachlichen Unterrichtens folgte der interkulturelle Ansatz. Im Hinblick auf eine Sensibilisierung und Vermittlung kultureller Inhalte wurden „Bilder vor allem zur Initiierung von Sprachlernprozessen und zur Verschaffung von Einsichten in andere Kulturen“ genutzt (Hecke/Surkamp 2010, 21). Seither sind visuelle Medien als Träger und Mittler landeskundlicher Informationen aus dem fremdsprachlichen Unterricht nicht mehr wegzudenken. Ähnlich wie beim kommunikativen Ansatz lag der Akzent jedoch weiterhin auf Bildinhalten und nicht etwa auf deren Formen und Eigenschaften. Die bis heute präsente Bildervielfalt erklärt sich durch die Ansicht vieler Fremdsprachendidaktiker der 1980er Jahre, wonach jedes Medium nur eine begrenzte Anzahl an Funktionen erfüllen könne (cf. Reinfried 1992, 27).

In Abhängigkeit von Bildeigenschaften und -inhalt, den jeweiligen Lernzielen, der angewandten Methodik und Lernerausgangslage lassen sich visuellen Medien im Hinblick auf den fremdsprachlichen Lernprozess prinzipiell folgende Grundfunktionen zuschreiben (cf. Reinfried 2007, 418sq.):

 Semantisierungshilfe

 Stimulus zur Kommunikation

 Gedächtnisstütze

 Vermittlung landeskundlich-interkultureller Inhalte

 Grammatikhilfe.

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass visuelle Materialien natürlich auch ihrer Anschaulichkeit und Motivationsförderung wegen eingesetzt wurden und werden. Im modernen Fremdsprachenunterricht des 21. Jahrhunderts sind sie darüber hinaus ein wesentlicher Ausgangspunkt für Analysen, Transfer- und Kreativaufgaben.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Videorekorder erstmals gegen 1970 im Fremdsprachenunterricht Anwendung fanden.

Videos sind analoge oder digitale Aufnahmen […] und stellen eine Form von audio-visuellen Medien dar. Es sind Bewegtbilder mit oder ohne Ton bzw. Text, wobei Texte gesprochen oder geschrieben (z.B. als Untertitel, Beschriftungen) eingesetzt werden können (Porsch/Grotjahn/Tesch 2010, 147).

In Abgrenzung zu herkömmlichen Videos unterscheiden sich Videoproduktionen für den Fremdsprachenunterricht dadurch, dass sie Film(e)/-sequenzen beinhalten, die für Lerner konzipiert wurden bzw. sich an diese richten und in ihrem Lernprozess begleiten. Sie werden im Folgenden als Lernvideos bezeichnet. Fremdsprachliche Lernvideos zielen darauf ab, die Kenntnisse und Kompetenzen des Rezipienten zu initiieren und zu wiederholen oder aber zu intensivieren und auszubauen (cf. Abb. 2).


Abb. 2: Terminologische Differenzierung zwischen herkömmlichen Videoformaten und Lernvideos

Was die ersten für den Fremdsprachenunterricht konzipierten Lernvideos betrifft, so zeigt das Beispiel des Klett-Verlags, dass bereits 1981 erste Lernvideos für das Fach Englisch erschienen sind. Dabei handelte es sich um die fünf Titel: (1) Crossing the Channel, (2) Breakfast at the Clarkes, (3) Looking for a Place to Stay, (4) Shopping in the High Street sowie (5) Camping and Cooking.

Im Jahr 1986 folgten unter dem Titel Visite en France in zwei Teilen die ersten Videokassetten für das Fach Französisch. Kurze Zeit später, in den Jahren 1988 und 1989, erschienen auch für das Spanische die ersten Videokassetten im Rahmen eines zweiteiligen Selbstlernkurses mit dem Titel Spanisch zu Hause, bestehend aus Video, Hörkassette und Begleitheft. Während der Klett-Verlag mit diesen Publikationen eine Vorreiterrolle einnahm, brachte der Cornelsen-Verlag seinerseits die erste Videokassette Vidéo France: Panoramiques (1995) erst zehn Jahre danach auf den Markt.

Ähnliches gilt für den Fremdsprachenunterricht Englisch. Im Jahre 1991 – und damit vergleichsweise spät – stellte der Cornelsen-Verlag unter dem Titel Youth Wave FM die erste Videokassette für die Sekundarstufe I/II zur Verfügung. Auch im Fach Spanisch wurden Videosequenzen mit Ausnahme der Literaturverfilmung Don Quijote de la Mancha (2004) nicht vor dem Aufkommen der DVD als Speichermedium angeboten. Die erste DVD wurde erst im Jahr 2006 unter dem Titel Punto de Vista DVD im Rahmen des gleichnamigen Lehrwerkkompendiums veröffentlicht.

Noch bevor Schulbuchverlage die Nachfrage nach filmgestütztem Unterricht zu stillen vermochten, war es seit den 1970er Jahren üblich, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Dritten Fernsehprogramme pädagogisch aufbereitete Sendungen anboten, die unter der Bezeichnung Schulfernsehen für unterrichtliche Zwecke genutzt werden konnten. Die Anfänge machte der Bayerische Rundfunk (BR) im Jahr 1964, dicht gefolgt vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) im Jahr 1969. Bis 1972 zogen alle weiteren Sender mit der Ausstrahlung von Schulfernsehen nach. Das fächerübergreifende Angebot beinhaltete zunächst Einzelsendungen und später auch bestimmte Themenreihen (cf. Schludermann 1981, 51). Zu diesem Zeitpunkt war der Film als Unterrichtstechnologie jedoch nur selten methodisch-didaktisch fundiert: „Audiovisuelle Medien [hatten] lediglich [eine] additive Enrichmentfunktion zu erfüllen, eine organische Integration in den Unterricht war nicht gegeben“ (ibid.15).

Im Vergleich zu später folgenden Konzepten von Schulfernsehen als Kontext- oder Direct-teaching-Programm kam dem Unterrichtenden ein dementsprechend großer didaktischer Freiraum zu, denn Sendungen des Schulfernsehens galten im Rahmen der Enrichment-Konzeption als unverbindliche Angebote, die der Lehrer nach eigenem Ermessen und ohne Vorgaben in seinen Unterricht integrieren konnte (cf. Protzner/Protzner 1977, 140sq.). Dennoch nahmen gerade aufgrund der großen Entscheidungsfreiheit hinsichtlich methodisch-didaktischer Vorgehensweisen und deren Unverbindlichkeitscharakter viele Lehrer zunächst eine eher skeptische Haltung gegenüber Fernsehsendungen ein und zweifelten an ihrer Effizienz (cf. Schludermann 1981, 91sq.).

Eine systematische Methodik entwickelte sich erst in den 1980er Jahren. Während der kommunikativen Wende „galten Filme als Träger von Informationen, die durch die zusätzlichen Fragen des Lehrers erschlossen wurden. Aufgabe des Lerners war es [ausschließlich], auf das Gesehene zu reagieren und die Inhalte zu reproduzieren“ (Sass 2007, 9).

Was Sendungen für die Fremdsprache Französisch angeht, so gab es neben den seit 1967 im BR ausgestrahlten Lehrsendungen des Telekollegs (e.g. Bon courage (1–3) (seit 1991), C’est ça, la vie (seit 1996))1 weitere (Sprach-)Sendungen für erwachsene Zuschauer. Hierzu zählt etwa die 39-teilige Serie Les gammas, die die Ankunft dreier humanoider Außerirdischer auf der Erde thematisierte und erstmals 1974 vom BR und weiteren Sendern ausgestrahlt wurde. Zum anderen produzierten der heutige SWR (Südwestrundfunk)2 und der WDR speziell für das Schulfernsehen die Reihen Autun en fête, (seit 1980), Un ordinateur pas ordinaire (seit 1984), La bande des quatre (seit 1985), Les Arnaud de Versailles (seit 1986) und Les trois de Lyon (seit 1988).

Rückblickend lässt sich sagen, dass bis in die 1970er Jahre videogestützter Fremdsprachenunterricht vor allem im Rahmen authentischer TV-Sendungen die Regel war, wohingegen in den 1990er Jahren eine Umorientierung zu Gunsten eigener, didaktisierter Videoproduktionen stattfand (cf. Bufe 1993, 4). Zeitgleich etablierte sich der „kommunikativ-situative, handlungsorientierte Ansatz, der aktive Lerner rückte in den Mittelpunkt des Lerngeschehens“ (Sass 2007, 9). Unter Berücksichtigung der Kognitionsforschung wurde Filmverstehen nunmehr als individueller Prozess der Informationsverarbeitung verstanden. Infolge dieser Erkenntnis findet die Filmarbeit bis heute mit Hilfe unterstüt­zender Aufgaben vor, während und nach der Rezeption statt. Auf diese Weise sind die Lernenden „kognitiv gefordert und reproduzieren Inhalte, indem sie mündlich oder auch schriftlich das Verstandene oder ihre Interpretationen wiedergeben“ (ibid.). Ihnen kommt somit eine autonome und interaktive Lernerrolle zu.

Statt den interkulturellen und den handlungsorientierten Ansatz als zeitgeschichtliche Einzelphänomene zu beschreiben, werden diese und weitere seit der Jahrtausendwende auftauchende fremdsprachendidaktische Konzepte in der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff des neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts zusammengefasst. Der Begriff des neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts geht zurück auf die Vorarbeiten von Königs (1991) und Reinfried (2001) und impliziert die Erweiterung des kommunikativen Ansatzes um Lerner- und Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit sowie Interkulturelles Lernen und Mehrsprachigkeitsdidaktik. In Anlehnung an Reimann (2014a, 90) kann daher von einer „Fortschreibung des kommunikativen Paradigmas unter geänderten Vorzeichen“ gesprochen werden. In Anbetracht aktueller Tendenzen ergänzt er die von Königs und Reinfried aufgestellten Leitlinien um die Schwerpunkte „Differenzierung, Inklusion, Transkulturalität, fächerübergreifendes Lernen, Aufgaben- und Standardorientierung, Multimedialität, Neubewertung der Kognitivierung sowie Metakognition“ (ibid.).

Im Zuge der neokommunikativen Phase sind weitere Videoproduktionen für den Fremdsprachenunterricht hervorzuheben. Hierzu zählt etwa die im Rahmen von Planet Schule ausgestrahlte Sitcom Extr@ aus dem Jahr 2004. Auf der Grundlage von 13 voneinander unabhängigen Einheiten alltäglicher Lebenssituationen erzählt Extr@ die Geschichte des Amerikaners Sam (bzw. des Argentiniers Hector), der in der Gemeinschaft dreier junger Erwachsener versucht, seine (kulturelle) Umgebung zu erfassen und sich selbst – trotz Sprachschwierigkeiten – verständlich zu machen. Die Sitcom ist für die Sprachen Deutsch, Französisch, Spanisch und Englisch erhältlich. Die von SWR und WDR bereitgestellten Produktionen des englischen Senders Channel 4 zielen mit Witz, Situationskomik und identitätsstiftenden Charakteren darauf ab, „die Sprache einfach und für alle Lern-Niveaus zugänglich zu machen. Sie decken den wichtigsten Wortschatz und die wichtigsten Strukturen der Zielsprache ab“ (SWR/WDR 2011). Um den Einsatz der Serie zu erleichtern, stehen auf der zugehörigen Homepage Planet Schule kostenlose Unterrichtsmaterialien und Erfahrungsberichte zur Verfügung.

In diesem Kontext ist ebenso die deutsch-französische Sendereihe Karambolage zu erwähnen, die seit 2004 jeden Sonntag um 20 Uhr auf dem binationalen Kulturkanal Arte ausgestrahlt wird. Unterteilt in verschiedene Rubriken, thematisiert die Sendung im Rahmen eines zwölfminütigen Programms kulturelle Besonderheiten des deutschen und französischen Alltags. Die präsentierten Szenen können als DVD erworben werden und in vielerlei Hinsicht für den schulischen Erwerb interkultureller und fremdsprachlicher Kompetenzen herangezogen werden. Dabei bietet insbesondere die spielerisch-visuelle Darstellung Schülern die Möglichkeit, alltagsbezogene Themen durch entdeckendes Lernen zu erschließen (cf. Küster 2010, 43sqq.; cf. Satzinger 2016, 248sqq.).

Was die Sendegebiete betrifft, so ist im Gegensatz zu früher das TV-Programm ausländischer Fernsehanstalten nicht mehr nur denjenigen zugänglich, die unmittelbar in der Nähe des Zielsprachenlands leben. Stattdessen macht es die neue Medientechnik seit geraumer Zeit möglich, Fernsehsendungen nicht nur aus Frankreich und Spanien, sondern aus aller Welt (einschließlich Frankophonie und Hispanophonie) zu empfangen.

Zusätzlich zu den Videoangeboten des (Schul-)fernsehens gibt es mittlerweile eine Vielzahl technischer Innovationen, die den Unterricht unter dem Begriff der neuen Medien maßgeblich prägen. Folglich sind im Fremdsprachenunterricht des 21. Jahrhunderts Kassette und Video fast gänzlich durch CD und DVD ersetzt worden.

Denkt man an die alten VHS-Kassetten zurück, so hatten diese aufgrund des enthaltenen Magnetbands nicht nur einen hohen Verschleiß, sondern waren darüber hinaus sehr teuer in der Anschaffung (e.g. Itinéraires: langue et civilisation françaises par la vidéo, 1992, Hachette, 60 Min., DM 198, cf. Langenscheidt 1993) und in ihrer Bildqualität begrenzt. Ganz zu schweigen von dem zeitaufwendigen Vor- und Zurückspulen und den Schwierigkeiten beim Filmerwerb.

Im Gegensatz dazu haben die neuen Speichermedien, abgesehen von geringen Anschaffungskosten, den Vorteil, dass sie neben einer hohen Speicherkapazität auch über einen besseren Klang verfügen und nicht zuletzt dank des Internets einfach und schnell zu erwerben sind. Zudem ermöglicht die direkte Titelauswahl eine einfache Handhabung für die schulische Praxis:

 

Szenen des Films können in Sekunden gefunden werden, da die DVD in Kapitel unterteilt ist und sogenannte Lesezeichen zulässt, mit denen man den Film in individuelle Szenen einteilen kann. DVDs stellen neben einer enormen Bildqualität auch die direkte Auswahl von Sequenzen, Standbildern, Vergrößerungen – manchmal auch Perspektivenwechsel – zur Verfügung […] und bieten Untertitel in verschiedenen Sprachen sowie zusätzliches Bildmaterial an (Grünewald/Küster 2009, 167).

Angesichts dieser Vorzüge ist es kaum verwunderlich, dass die DVD als Speichermedium aus dem modernen Fremdsprachenunterricht nicht mehr wegzudenken ist. Wie die vorausgehenden Ausführungen gezeigt haben, ist der technische Stand von heute auf eine langjährige mediengeschichtliche und fachdidaktische Entwicklung zurückzuführen, die den Einsatz statischer wie auch bewegter Bilder in Form fremdsprachlicher Lernvideos überhaupt ermöglicht haben.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse und unterrichtsrelevanter Publikationen kann Abbildung 3 entnommen werden. Die x-Achse dient als zeitliche Orientierung von den Anfängen Comenius’ bis hin zu den ersten fremdsprachlichen Lernvideos um die Jahrhundertwende. Die darüber liegenden Pfeile markieren dagegen die fremdsprachendidaktische Auf- und Abwertung (audio-)visueller Medien im Fremdsprachenunterricht. Sie stehen im Zeichen der sogenannten fünf großen Methoden der Fremdsprachendidaktik (Grammatik-Übersetzungsmethode, Reformbewegung/Direkte Methode, Audiovisuell global-strukturelle Methode, Kommunikativer Ansatz, Neokommunikativer Ansatz).

Was die Form des Speichermediums betrifft, so zeichnet sich parallel zum Einsatz der DVD aktuell ein weiterer Trend ab, der in den kommenden Jahren sicherlich an Relevanz gewinnen wird. Er ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.


FSU = Fremdsprachenunterricht

Abb. 3: Die mediengeschichtliche Entwicklung vom statischen Bild zu den ersten fremdsprachlichen Lehrfilmen