Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

4. Verstoß gegen die Berufsfreiheit

86

Ferner macht L einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG iVm Art. 19 Abs. 3 GG geltend. Als öffentlich-rechtlich verfasste Körperschaft und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung ist die IHK grundrechtsgebunden. Streitig ist allerdings, wie der über eine europarechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG auch juristischen Personen anderer Mitgliedstaaten zu gewährende Grundrechtsschutz bei Deutschengrundrechten wie der Berufsfreiheit zu verwirklichen ist. In Betracht kommt entweder eine unmittelbare Subsumtion unter das Deutschengrundrecht oder die Vermittlung eines äquivalenten Schutzniveaus über Art. 2 Abs. 1 GG. Aufgrund der besonderen Bedeutung des europäischen Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV sprechen die besseren Gründe für eine analoge Anwendung des Deutschengrundrechts[71]. Zudem ist es auch an dieser Stelle unschädlich, dass kein Fall der unmittelbaren, sondern lediglich ein solcher der mittelbaren Staatsverwaltung vorliegt, da gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle Stellen des Bundes und der Länder grundrechtsgebunden sind[72]. Verpflichtet werden also auch alle Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.

a) Schutzbereich/Eingriff

87

Ein Beruf ist jede nicht sozialschädliche und auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Damit handelt es sich bei Produktion und Vertrieb von Weingummi ohne weiteres um einen Beruf. In den Schutzbereich könnte durch den Aufruf „Buy Pälzisch!“ eingegriffen worden sein. Jedenfalls können nach der neueren Eingriffsdogmatik auch behördliche Warnungen, Informationen und Empfehlungen einen sog. mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff darstellen, sofern diese eine bestimmte berufliche oder gewerbliche Betätigung tatsächlich beeinträchtigen[73]. Insoweit macht das BVerfG jedoch eine wichtige Einschränkung. Nach seiner Auffassung „beeinträchtigen marktbezogene Informationen des Staates den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG allerdings dann nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt“. Ob diese Dogmatik zu überzeugen vermag[74], kann vorliegend dahin gestellt bleiben, da es sich bei der Kampagne der IHK nicht um die Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Information am Markt handelt, sondern um eine Werbekampagne, die gerade auf eine Beeinflussung des Marktes und die Förderung ganz bestimmter Produkte abzielt. Da eine Förderung der regionalen Produkte als Kehrseite eine zwingende Benachteiligung der übrigen Produkte beinhaltet, ist nach den allgemeinen Grundsätzen ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben.

b) Rechtfertigung

88

Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Gemäß dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) wäre Voraussetzung hierfür aber zunächst das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Gerade für Fälle staatlicher Informationstätigkeit und Empfehlungen hat das BVerfG zwar Voraussetzungen aufgestellt, bei deren Vorliegen eine Rechtsgrundlage nicht erforderlich sein soll, die Ermächtigung wegen der Vielschichtigkeit denkbarer Sachverhalte vielmehr als Annex aus der Aufgabenzuweisung folgen soll[75]. Allerdings liegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nicht vor. Verlangt wird nämlich jedenfalls eine sachliche Informationstätigkeit, für die ein entsprechender Anlass zu bestehen hat. Eine Werbemaßnahme zur Förderung bestimmter Produkte aus rein wirtschaftlichen Aspekten ist hiervon hingegen nicht erfasst.

Demnach bleibt es bei dem allgemeinen Erfordernis des Vorliegens einer Ermächtigungsgrundlage[76]. Diese könnte vorliegend in § 1 Abs. 1 IHKG gesehen werden, wonach es der IHK ausdrücklich obliegt, die gewerbliche Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftsteile zu fördern. Allerdings ist zwischen bloßen Aufgabenzuweisungen und Ermächtigungsgrundlagen zu unterscheiden. Aus der Formulierung des § 1 Abs. 1 IHKG geht jedoch bereits hervor, dass es sich hierbei, anders als etwa bei § 9 des Gesetzes, um eine bloße Aufgabenzuweisung handelt („haben…die Aufgabe“). Auf eine Aufgabenzuweisungsnorm lassen sich aber nur solche Maßnahmen stützen, die noch keinen Eingriff in die Rechtssphäre eines Einzelnen begründen. Vorliegend wurde jedoch ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG bejaht. Für diesen fehlt es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Auch das begründet einen Unterlassungsanspruch. Dies gilt nach den in Rn 81 dargestellten Grundsätzen unabhängig von der Frage, ob tatsächlich auch L selbst in ihrer Berufsfreiheit betroffen ist bzw sich überhaupt unmittelbar auf Art. 12 GG stützen kann.

5. Fazit

89

Da die IHK Pfalz ihren gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich verlassen hat bzw jedenfalls die konkrete Kampagne ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ergangen ist, steht L ein Unterlassungsanspruch gegen die IHK Pfalz zu. Die Klage ist somit auch begründet.

B. Der Anspruch auf Auskunft bzw Akteneinsicht
I. Die Zulässigkeit der Klage (Organstreitverfahren)
1. Verwaltungsrechtsweg

90

Auch die internen Rechtsverhältnisse zwischen Mitgliedern der IHK und deren Organen gehören dem öffentlichen Recht an. Für Streitigkeiten zwischen Organen einer Kammer um organschaftliche Kompetenzen ist, ebenso wie im Kommunalverfassungsrecht, verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben[77]. Auch die Mitwirkungsrechte von Kammermitgliedern unterliegen der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen eines sog. Organstreits.

2. Statthafte Klageart

91

Da es sich insoweit um eine Innenrechtsstreitigkeit handelt, kommt nach hM von vorneherein nur die allgemeine Leistungsklage in Betracht, da es auch bei Maßnahmen mit Regelungswirkung jedenfalls an der für einen VA nach § 35 VwVfG vorausgesetzten Außenwirkung fehle[78].

3. Klagebefugnis

92

In entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn und soweit sich der Kläger auf eine Rechtsposition berufen kann, die ihm als Organ oder Organteil eingeräumt ist[79]. L macht einen Anspruch auf Akteneinsicht geltend. Unmittelbar ergibt sich ein solcher aus dem IHKG nicht. § 4 IHKG regelt die rechtliche Bedeutung der Vollversammlung und bestimmt die ihr vorbehaltenen Zuständigkeiten, trifft aber zu möglichen Akteneinsichts- und Informationsrechten genauso wenig eine Regelung wie (nach den Sachverhaltsangaben) die Kammersatzung. Ob sich in Entsprechung zum Kommunalrecht ein solcher Anspruch aus der Stellung der Vollversammlung als demokratisch legitimiertem Hauptorgan und ihren gesetzlichen Kontrollbefugnissen (vgl § 4 S. 2 Nr. 5 IHKG) oder gar dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG ableiten lässt[80], bedarf im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung keiner abschließenden Entscheidung. Es reicht aus, wenn die Möglichkeit der behaupteten Rechtsverletzung besteht. Ein berechtigtes Interesse fehlt nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch aus dem Mitgliedschaftsrecht dem Kläger offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen kann[81].

4. Klagegegner, Beteiligten- und Prozessfähigkeit

93

Die Beteiligtenfähigkeit des Kl. ergibt sich aus § 61 Nr. 2 VwGO, da er ihm als Vollversammlungsmitglied zugewiesene Mitgliedschaftsrechte verfolgt[82]. Die Klage ist im Organstreitverfahren gegen das zuständige Organ zu richten, dem die behauptete Verletzung des Mitgliedschaftsrechts anzulasten ist, hier also den Präsidenten[83].

II. Die Begründetheit der Klage

Die Klage der L ist begründet, wenn ihr das begehrte Auskunfts- bzw Akteneinsichtsrecht zusteht.

1. Keine ausdrückliche Regelung

94

Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage im IHKG findet sich nicht (s. schon iRd Klagebefugnis). In Rheinland-Pfalz wird – anders als zB in NRW[84] – auch die Anwendbarkeit des LIFG auf Kammern in § 2 Abs. 5 LIFG ausdrücklich ausgeschlossen, so dass allenfalls ein ungeschriebenes Akteneinsichtsrecht in Betracht kommt.

 

2. Ableitung aus der Organstellung

95

L ist gewähltes Mitglied der Vollversammlung, so dass sich der Anspruch möglicherweise aus dieser Stellung als Mitglied der Vollversammlung ableiten lässt[85]. Die Vollversammlung ist das demokratisch legitimierte Hauptorgan der Kammer, der die wesentlichen Entscheidungen über die Arbeit der Kammer vorbehalten sind, wie sich aus § 4 IHKG ergibt[86]. Dem einzelnen Mandatsträger erwachsen aus der Mitgliedschaft alle Rechte, auf deren Wahrnehmung er zur angemessenen Erfüllung seiner Funktion angewiesen ist. Die Mitglieder der Vollversammlung einer Industrie- und Handelskammer haben umfassende Mitwirkungsrechte bei der Beratung und der Entscheidung in allen in der Zuständigkeit der Vollversammlung liegenden Kammerangelegenheiten. Außerdem wählen sie die Leitungsorgane, die nach allgemeinen Grundsätzen gegenüber dem sie wählenden Organ rechenschaftspflichtig sind, so dass sich daraus ein Kontrollrecht der Vollversammlung ergibt[87]. Die Kontrolle des Präsidiums kann nur durch umfassende Informations- und Akteneinsichtsrechte gewährleistet werden. Insoweit ergeben sich Parallelen zur Rechtsstellung eines parlamentarischen Abgeordneten[88].

Da das IHKG keine Instrumente zur Ausübung dieses Kontrollrechts vorsieht, sind diese autonom von der Kammer zu regeln[89]. Die Satzung sieht ein solches Akteneinsichts- bzw Informationsrecht allerdings nicht vor. Darin könnte ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG liegen. Industrie- und Handelskammern gehören zum Bereich der funktionalen Selbstverwaltung. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt es, durch Gesetz für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Nicht nur die Auswahl der auf Organisationseinheiten der funktionalen Selbstverwaltung zu übertragenden Aufgaben, sondern auch die Regelung der Strukturen und Entscheidungsprozesse, in denen diese bewältigt werden, stehen weitgehend im Ermessen des Gesetzgebers[90]. Der Gesetzgeber konnte daher das Kontrollorgan der IHK, die Vollversammlung, trotz des insoweit irreführenden Namens, als Repräsentativorgan ausgestalten[91] und diesem auch die Kontrolle des Präsidiums übertragen. Grundsätzlich stehen daher auch die für die Kontrolle unerlässlichen Informationsrechte zunächst einmal der Vollversammlung als Gesamtorgan zu[92]. Nach allgemeinen Grundsätzen kann daher ein einzelnes Mitglied nicht im Wege der Prozessstandschaft die Rechte des Gesamtorgans geltend machen[93].

Andererseits ist zu beachten, dass sich die Rechtsstellung eines Mitglieds der Vollversammlung keineswegs ausschließlich aus derjenigen des Gesamtorgans ableitet. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um ein pluralistisch besetztes Repräsentativorgan handelt, vgl § 5 Abs. 3 S. 2 IHKG. Diese pluralistische Gestaltung einer IHK ist auch verfassungsrechtlich gefordert (s. oben Rn 70). Gerade deswegen sind „Minderheitsrechte“ von besonderer Bedeutung. Nachdem das Kammerrecht anders als das Parlamentsrecht keine Fraktionen kennt, die Minderheitsrechte gemeinsam geltend machen können, besteht für diese Kontrollbefugnisse ein besonderes Bedürfnis[94].

Damit steht dem L aufgrund seiner Stellung als Mitglied der Vollversammlung ein Akteneinsichtsrecht zu[95].

Hinweis:

Aufgrund des eindeutig angelegten Sachverhalts war vorliegend einzig nach einem aus der Zugehörigkeit zu der Organschaft Vollversammlung abzuleitenden Akteneinsichtsrecht gefragt. Insbesondere da dieser Anspruch zu bejahen ist, bedarf es im Rahmen des zu erstellenden Gutachtens keiner Erwägungen zur Herleitung eines solchen Anspruchs aus weiteren Gesichtspunkten. Denkbar – und bei entsprechender Formulierung der Fallfrage gutachterlich zu erörtern – wäre allerdings auch, dass sich das Akteneinsichtsrecht bereits aus der bloßen Mitgliedschaftsstellung herleiten lässt. Eine solche Anknüpfung muss wohl deshalb grundsätzlich möglich sein, da die Kammerzugehörigkeit nicht auf einem freien Willensentschluss der Mitglieder beruht, sondern zwangsweise begründet wurde, was sich verfassungsrechtlich nur dann legitimieren lässt, wenn den Mitgliedern ein Anspruch gegen die Körperschaft auf Unterlassung jeglicher kompetenzüberschreitender Maßnahmen eingeräumt wird (s.o.). Dieser vermag die Zwangsmitgliedschaft jedoch nur dann zu legitimieren, wenn er hinreichend effektiv ist, was insbesondere die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände voraussetzt.

Die Problematik wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass selbst gänzlich außenstehenden Gewerbetreibenden in Situationen, in denen diesen ein – freilich eine Rechtsverletzung voraussetzender – Unterlassungsanspruch gegen die Kammer zusteht, ein entsprechendes Akteneinsichtsrecht bereits nach allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zur Anspruchsverwirklichung eingeräumt wird[96].

Zu beachten ist schließlich, dass sich ein solcher Auskunftsanspruch aus dem jeweiligen LIFG ergeben kann, das jedenfalls nicht vom IHKG verdrängt wird[97]. Das IFG RP war vorliegend allerdings nach dem Bearbeitervermerk nicht zu prüfen. Es ist nach § 2 Abs. 5 auf Kammern allerdings auch nicht anwendbar.

Anmerkungen

[1]

Zum Verhältnis zum Gewerbesteuerrecht BVerwG, NVwZ 2011, 1390.

[2]

Vgl § 13d HGB; die Eintragung als solche basiert auf EU-Richtlinien, so dass nur Folgefragen an den Grundfreiheiten geprüft werden. S. etwa EuGH, NJW 2006, 3195 zur Unionsrechtskonformität des Kostenvorschusses für die Handelsregistereintragung.

[3]

Dazu schon BVerwG, NJW 1978, 904: die Pflichtmitgliedschaft finde ihren verlässlichen Anknüpfungspunkt allein in dem durch den Kammerpflichtigen selbst bestimmten Gegenstand, nicht dagegen in dem nur begrenzt steuerbaren und zeitlich schwankenden Umfang seiner beruflichen Tätigkeit.

[4]

Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit sich L als juristische Person auf Art. 12 GG als Deutschengrundrechte berufen kann (dazu bereits Fall 2 und Fall 4). Dass Art. 12 GG ein Deutschengrundrecht ist, kann allerdings genauso wenig ein Argument gegen seine Anwendung auf die Zwangsmitgliedschaft sein wie der Umstand, dass auch bei Berufsausübungsregelungen die Anforderungen strenger sind als diejenigen nach Art. 2 Abs. 1 GG, s. aber in dieser Richtung Hatje/Terhechte, NJW 2002, 1849.

[5]

Scholz, in: MDHS, GG, Art. 9 Rn 91; Manssen, in: v. MKS, GG, Bd. I, Art. 12 Rn 213.

[6]

BVerfGE 13, 181, 186; 97, 228, 253. An dieser berufsregelnden Tendenz fehlt es, wenn die betreffende Maßnahme weder auf eine Berufsregelung zielt noch sich unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit auswirkt, BVerfGE 13, 181, 186.

[7]

BVerfGE 10, 354, 363 zur Pflichtmitgliedschaft von Ärzten. Zur IHK BVerwGE 107, 169 (171 ff); die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, s. BVerfG, NVwZ 2002, 335.

[8]

BVerfGE 15, 235, 239.

[9]

Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 122, 127 mwN. Zu diesem Merkmal auch Cornils, FS Bethge (2009), 137, 151 ff.

[10]

Cornils, FS Bethge (2009), 137, 151.

[11]

BVerfGE 10, 89, 102; aA Ipsen, Staatsrecht II, Rn 592 ff, der die negative Vereinigungsfreiheit generell Art. 2 Abs. 1 GG zuordnet.

[12]

Pieroth/Schlink, Rn 790 ff.

[13]

Insbesondere BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1106/13 Rn 78; s. zuvor BVerfGE 38, 281, 298; 50, 290, 353; BVerfG, NVwZ 2002, 335; s. auch BVerwGE 107, 169, 172; Di Fabio, in: MDHS, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn 22. Zu weiteren Argumenten s. Kluth, NVwZ 2002, 298, 299.

[14]

Anders insbesondere Schöbener, VerwArch 2000, 374, 385 ff mwN. Auch bei der parallelen Vorschrift des Art. 11 EMRK werden öffentlich-rechtliche Korporationen von der Vereinigungsfreiheit nicht erfasst, vgl OVG Münster: Beschluss v. 26.5.2010 – 17 A 2617/08.

[15]

BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1106/13 Rn 81 f.

[16]

Dort wird sie von der Rspr weiterhin zugrunde gelegt, s. nur BGHZ 178, 192. Um die Gründungstheorie wird sie nach dieser Auffassung nur bei solchen Gesellschaften ergänzt, die nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates gegründet worden sind und dort ihren satzungsmäßigen Sitz haben. Diese sind nach Maßgabe ihres Gründungsrechts im Inland rechts- und parteifähig, vgl BGHZ 154, 185 – Überseering; BGH, NJW 2005, 1648. Für die Frage der Grundrechtsfähigkeit spielt sie keine Rolle, da eine solche sich als inländische „juristische Person“ darstellt, was bei Art. 19 Abs. 3 GG keine Rechtsfähigkeit verlangt. Zu den gewerberechtlichen Konsequenzen aus der Gründungstheorie vgl Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 264.

[17]

BVerfGE 129, 78. S. auch Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 152; anders wäre bei (selbstständigen) Tochterunternehmen zu entscheiden.

[18]

An dieser Stelle zeigt sich, dass der obige Streit, was die Subsumtion der Zwangsmitgliedschaft unter ein bestimmtes Grundrecht angeht, keineswegs rein dogmatischer Natur ist, da Art. 9 Abs. 2 GG darüber hinausgehende Anforderungen an eine Rechtfertigungsmöglichkeit aufstellt.

[19]

BVerfG, NVwZ 2002, 335.

[20]

BVerfGE 38, 281, 299; BVerfG, NVwZ 2002, 335, 336.

[21]

Dazu insbes der ausführlich begründete Nichtannahmebeschluss BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337; BVerfG v. 12.7.2017 Rn 88 ff.

[22]

BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1106/13 Rn 94.

[23]

BVerfG aaO. Rn 102.

[24]

S. auch Ruthig, in: Ruthig/Storr Rn 142; vgl allg bereits Emde, Die demokratische Legitimation der funktionellen Selbstverwaltung, 1991, S. 435 f.

[25]

S. auch VG Ansbach, GewArch 2010, 301; anders verhält es sich bei der Handwerkskammer, vgl Ruthig, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht § 3 Rn 73 ff.

[26]

EuGH, Rs. 8/74, Slg 1974, 837 Rn 5.

 

[27]

Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl 2009, § 2 Rn 7; Kluth, NVwZ 2002, 298, 301; Burgi, in: Kluth, Jahrbuch des Kammerrechts 2002, S. 23, 35.

[28]

Classen, EWS 1995, 97, 103. Für eine Begrenzung auf den Marktzugang auch Kingreen, Grundfreiheiten, in: v. Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2009, 705, 732 ; Eberhartinger, EWS 1997, 43, 49.

[29]

Diesen Ansatz ablehnend Diefenbach, GewArch 2006, 217. Der EuGH hat sich bislang noch nicht abschließend geäußert. Allerdings hat er – ohne die dort nicht entscheidungserhebliche Frage zu vertiefen – im Fall Corsten (der die Dienstleistungsfreiheit betraf) lediglich die Rechtfertigung einer Pflicht zur Mitgliedschaft in der Handwerkskammer problematisiert, eine Beschränkung also ohne nähere Erörterung angenommen, vgl EuGH v. 3.10.2000, Rs. C-58/98 – „Josef Corsten“, Slg 2000, I-7919 = EuZW 2000, 763. S. dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Fall 3 (Rn 46).

[30]

So aber Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 337 f. Hier gilt nichts anderes als im Verfassungsrecht, wo auch das BVerfG in der Pflichtmitgliedschaft zu Recht einen (rechtfertigungsbedürftigen) Eingriff in die Freiheitssphäre gesehen hat, vgl oben Rn 67 ff.

[31]

Vgl zur Zusammenfassung des Prüfprogramms EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – „Gebhard“, Rn 37, Slg 1995, I-4165, 4197. dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 63 f.

[32]

Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 339. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der EuGH bei der Anerkennung der von den Mitgliedstaaten mit einer Regelung verfolgten Zwecke sehr großzügig ist, dann aber hohe Anforderungen an die Kohärenz der getroffenen Regelungen stellt, dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 68 ff; ders., in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht § 3 Rn 75.

[33]

Dies dürfte grundsätzlich auch der Auffassung des EuGH entsprechen, s. bereits EuGH v. 27.10.1983, NJW 1984, 2222, 2223. Im Zusammenhang mit einer Berufsgenossenschaft zuletzt EuGH v. 5.3.2009, Rs. 350/07, EuZW 2009, 290 m. Anm. Gundel. Zweifelhaft erscheint allerdings dabei die gängige Lesart in Deutschland, dass der EuGH die Zwangsmitgliedschaft in dieser Entscheidung (uneingeschränkt) bestätigt habe, so etwa Martens, GewArch 2011, 15. Ausführlicher hierzu Ruthig, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht § 3 Rn 75.

[34]

Näher zur Regelungssystematik im Bereich der sog. „reglementierten Berufe“ am Beispiel des Handwerksrechts Ruthig, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht § 3 Rn 30 ff.

[35]

Vgl zur stRspr BVerwG, GewArch 1999, 73; sehr weit gehend BVerwG, NVwZ-RR 2017, 427. Die Anknüpfung an die Gewerbesteuermessbeträge verweist daher nach dem BVerwG nicht nur auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder, sondern zugleich auf das Gewicht des Vorteils, den der Beitrag abgelten soll. Dies basiert auf der Überlegung, dass leistungsstarke Unternehmen aus der Tätigkeit der Kammer in der Regel einen höheren Nutzen ziehen können als wirtschaftlich schwächere. Die Kammern vertreten in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder, so dass die Vorteile der einzelnen Kammerzugehörigen nicht konkret messbar sind. Daher hat auch der Kammerbeitrag keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil auszugleichen, der sich bei dem einzelnen Kammerangehörigen niederschlägt.

[36]

BVerfG, GewArch 2002, 111; BVerwG, GewArch 1998, 410; BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1106/13 Rn 105 ff.

[37]

In der Praxis führt dies dazu, dass häufig mehr als ein Drittel der Mitglieder einer IHK tatsächlich keine Beiträge zahlen.

[38]

VG Würzburg, GewArch 2011, 125: „Für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf den vorliegenden Fall besteht kein Bedürfnis. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er dies geregelt. Die Beitragsbefreiung stellt nun einmal auf das formale Element der Eintragung im Handelsregister ab. Wer für die Eintragung optiert, kann nicht nur selektiv die Vorteile des Kaufmannstandes genießen, sondern muss auch die Nachteile in Kauf nehmen“.

[39]

So auch VG Würzburg, GewArch 2011, 125; ausf Rieger, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 13 Rn 107.

[40]

Folgt man den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften (vgl insb EuGH v. 30.9.2003, Rs. C-167/01 – „Inspire Art“, Slg 2003 I-10155; dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 237ff) sind Anforderungen an die Errichtung von Zweigniederlassungen zumindest rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung für die Beitragspflicht ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie das Sekundärrecht bestätigt. Art. 16 Abs. 2 lit. b der DienstleistungsRL lässt die Pflichtmitgliedschaft nur noch in den ausdrücklich gemeinschaftsrechtlich geregelten Fällen zu und auch Art. 6 lit. a der BerufsanerkennungsRL lässt eine Pro-Forma-Mitgliedschaft nur zu, wenn sie für den Betreffenden keine Kosten verursacht, s. auch Schmidt-Kessel, in: Schlachter/Ohler, Dienstleistungsrichtlinie, Art. 16 Rn 56.

[41]

Zu solchen näher Ruthig, in: Kopp/Schenke, § 40 Rn 55.

[42]

GmS-OGB,; ausführlich zu den bei der Auslegung dieser Ausgangsthese verbundenen Schwierigkeiten Ruthig, in: Kopp/Schenke, § 40 Rn 6 ff.

[43]

S. auch Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 32. Nicht überzeugend BGH, NJW 1987, 329, der bei einer Äußerung einer Handwerkskammer im Wettbewerb (auch) eine Streitigkeit nach § 1 UWG angenommen und für diese den Zivilrechtsweg bejaht hatte. Krit zur damit verbundenen Annahme einer Doppelnatur Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 40 Rn 287. Im vorliegenden Fall ist diese jedoch schon deswegen nicht einschlägig, weil die Äußerung gerade nicht „zu Zwecken des Wettbewerbs“ erfolgte.

[44]

StRspr, vgl BVerwGE 95, 25, 27. Speziell zum Kammerrecht BVerwGE 112, 69; Jahn, GewArch 2001, 146, 151.

[45]

Kopp/Schenke, VwGO § 43 Rn 28; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn 5 f.

[46]

So allerdings BVerwG 112, 69, 71; OVG Münster, GewArch 2003, 418; krit auch hier die Literatur, vgl Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 84.

[47]

S. nur zum Streit um die (vorläufige) Vollstreckbarkeit eines entsprechenden Leistungsurteils VGH Mannheim v. 3.11.2011 – 6 S 2904/11.

[48]

BVerwGE 107, 169, 174 f; 112, 69, 72. Ausf Nachweise zum Unterlassungsanspruch im Rahmen der Begründetheitsprüfung unter II 1.

[49]

Ausf Laubinger, VerwArch. 80 (1989), 261, 289 ff. Zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auch Antweiler, NVwZ 2003, 1466 (bezogen auf kommunalwirtschaftliche Betätigung); Büllesbach/Köckerbauer/Peter, JuS 1991, 373; Kemmler, JA 2005, 908. Das BVerwG hat zu dieser Frage bisher noch keine eindeutige Stellung bezogen.

[50]

BVerwGE 112, 69, 72; OVG Münster, GewArch 2000, 378. Das Verhältnis zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ist nicht geklärt. Jahn, GewArch 2002, 353 sieht darin einen „mitgliedschaftsrechtlichen, also öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch“, will damit aber nur von zivilrechtlichen Ansprüchen abgrenzen. Die grundlegende Untersuchung von Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261, 268 beschränkt sich von vornherein auf andere in der Praxis häufigere Fallkonstellationen.

[51]

Zu dieser „Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes“ ausf BVerfG, NJW 2011, 3428, 3430 ff.

[52]

BVerwGE 122, 69, 72 f; VGH München, GewArch 2007, 417, 418; krit dazu weite Teile der Literatur, vgl Fröhler/Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, 1974, S. 77; Laubinger, VerwArch 74 (1983), 263, 272 ff; Hendler, DÖV 1986, 675, 683; Kluth, DVBl. 1986, 716; ausf Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 97 mwN.

[53]

S. auch Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 98; Jahn, GewArch 2001, 146, 151. Auch BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337 argumentiert bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Pflichtmitgliedschaft ausdrücklich mit dem mitgliedschaftsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

[54]

Zu dieser Differenzierung BVerwGE 112, 69, 72 f; Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 98.

[55]

Möllering, in: Frenzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl, § 1 Rn 18.

[56]

BVerwG, GewArch 2010, 400; s. auch VGH Mannheim, GewArch 2001, 422, 424; Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 106.

[57]

Möllering, in: Frenzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl, § 1 Rn 6.

[58]

BVerwG, GewArch 2010, 400 m Anm Eisenmenger. S. auch Möllering, GewArch 2011, 56; Schöbener, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl, § 14 Rn 106.

[59]

Frenz, Hdb. Europarecht, Bd. 1, Rn 316.

[60]

S. EuGH v. 12.12.1974, Rs. C-36/74 – ,,UCI“, Rn 4 ff, Slg 1974, 1405, 1418 ff.

[61]

EuGH v. 17.6.1981, Rs. C-113–80 – ,,Kommission/Irland“, Rn 21, Slg 1981, 1625; s. auch Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rn 15.

[62]

Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU Art. 49 AUEV Rn 76.

[63]

EuGH, Rs. C-321-324/94, Slg 1997, I-2324 (2374, Rn 42 ff) – Pistre.

[64]

Wichtig war an dieser Stelle zu erkennen, dass vorliegend die typische „Buy Irish“-Konstellation nicht gegeben ist, da es dort, wie in den Folgeentscheidungen auch, um einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gegenüber solchen Unternehmen ging, die in dem entsprechenden Land keine Produktions- und Vertriebsstätte unterhielten, der grenzüberschreitende Bezug also (anders als hier) ohne Weiteres bejaht werden konnte.

[65]

Dazu näher Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 66.

[66]

EuGH, Rs. 8/74, Slg 1974, 837 Rn 5.

[67]

Vgl die vergleichbare Argumentation des EuGH in: Rs. C-325/00, Slg 2002, I-9977 – CMA.

[68]

EuGH verb. Rs. C-267 u. C-268/91, Slg 1993, I-6097, Rn 17 – Keck und Mithouard. Dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 61.

[69]

EuGH, Rs. C-120/78, Slg 1979, 649 Rn 8 – Cassis de Dijon. Zur Frage, ob alle oder nur offen diskriminierende Maßnahmen vom Anwendungsbereich der Formel ausgenommen sind vgl Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 34-36 AEUV Rn 82 ff; kritisch zu der dogmatisch „nicht zu befriedigenden“ Rechtsprechung des EuGH Streinz, Europarecht Rn 946.

[70]

EuGH, Rs. 13/78, Slg 1978, EuGH, Slg. 1978, S. 1935, Rn 31 – Eggers.

[71]

Ehlers, JZ 1996, 776, 781; Wernsmann, Jura 2000, 657; aA Bauer/Kahl, JZ, 1995, 1077, 1085.

[72]

Herdegen, in: MDHS, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn 94.

[73]

Vgl BVerfGE 105, 252, 253 ff. Ebenso zum Vergaberecht BVerfGE 116, 135, 151 f; 116, 202, 221.

[74]

Vgl auch Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 118. Ausf Kritik an der Glykolweinentscheidung bei Schoch, NVwZ 2001, 193, 198; grundlegend zur Rechtsprechung des BVerfG zum staatlichen Informationshandeln ders., NVwZ 2011, 193.