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Der rote Messias

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Ein Wink des Häuptlings, dann huschte ein Krieger davon. Schon nach einer Viertelstunde, die ruhig mit Rauchen ausgefüllt wurde, kam er zurück. Mit kurzen Worten bestätigte er die Angaben des Fremden. Zehn Krieger, darunter die erprobtesten Männer, lagen nebeneinander gebunden und geknebelt am Boden, sie glaubten, ein Geist habe sie plötzlich überfallen, und konnten gar keine Angaben machen, auch der nächste, der diesem Schicksale entgangen war, wußte durchaus nichts davon, was dicht neben ihm sich ereignet hatte.

Diesmal konnte niemand mehr sein grenzenloses Staunen unterdrücken, selbst der rote Adler rannte davon, um sich von dem Wunder zu überzeugen, denn daß Todespfeil zehn der berühmtesten Krieger, während sie wachten, gebunden hatte, das war für ihn in der That ein größeres Wunder, als für die Juden die Wiedererweckung der Toten durch den Heiland.

„Wer bist Du, mächtiger Häuptling?“ fragte er scheu, als er zurückgekommen war.

Stolz richtete sich Todespfeil auf.

„Du sagst es, ich bin ein mächtiger Häuptling. Mein Vater ist der große Geist. Auch Ihr seid seine Kinder, aber Ihr seid von einem irdischen Weibe geboren worden, während ich aus den ewigen Jagdgefilden, wo ich am Beratungsfeuer des großen Geistes als sein Sohn an seiner rechten Seite saß, zu Euch geschickt worden bin, um Euch von der Herrschaft der Blaßgesichter zu befreien.“

Und mit gewandten, einem Indianer verständlichen Worten schilderte er das jetzige und das zukünftige Los der Rothäute, zeigte, wie sie, denen doch ganz Amerika von einem Ocean bis zum anderen gehört hatte, ein Gebiet nach dem anderen an die Bleichgesichter hatten abtreten müssen, und malte mit glühenden Farben alles das aus, was einer Rothaut wohlgefällt und sie aufreizen kann.

„Da ergrimmte endlich mein Vater in seinem Zorn,“ fuhr er fort, „und er schickte mich als Euren Retter. ,Verkünde meinen roten Kindern,‘ sagte er zu mir, ,daß ich sie stark machen will wie Bären, gewandt wie Schlangen und schnell wie Hirsche. Und die Pferde, auf denen sie sitzen, sollen nimmer müde werden. Und ihre Pfeile sollen niemals ihr Ziel verfehlen, während sie selbst von keiner Kugel und keinem Messer der Blaßgesichter verwundet werden können. Und Du, mein Sohn, sollst sie von Sieg zu Sieg führen, bis im ganzen Lande kein Bleichgesicht mehr vorhanden ist, und dann sollen sie wieder auf ihren Jagdgründen leben wie zuvor. Aber das fordere ich: niemals darf ein Krieger auch nur einen Tropfen des verfluchten Feuerwassers, das mein Volk entnervt hat, über seine Lippen bringen, und nie wieder darf ein Indianer die Waffe gegen einen anderen Indianer erheben.‘

Wer meine Worte hört und glaubt daran, der ist von jetzt ab gefeit gegen jede Kugel und jeden Stahl. Aber wer mir nicht gehorcht und das Blut seines roten Bruders vergießt, oder wer nur einmal seine Zunge in Feuerwasser taucht, der ist abermals dem Tode verfallen. So spricht Todespfeil, der Sohn des großen Geistes. Dies ist der Beweis meiner Sendung.“

Der Fremde hatte das Feuer mit den Füßen angeschürt. Jetzt hielt er seine rechte Hand in die lodernden Flammen. Man sah sie darin, aber sie veränderte sich nicht.

Entsetzt wichen die Indianer zurück.

„Thuet desgleichen,“ sagte Todespfeil, „glaubet an mich, und ihr seid unüberwindlich.“

Scheu kam einer nach dem anderen näher und streckte ebenfalls die Hand in das Feuer, aber das Fleisch verkohlte nicht, auch fühlten sie nicht den geringsten Schmerz – da begriffen sie die göttliche Sendung des roten Messias, und bis zum Tagesanbruch währte, in die Sprache der Sioux übersetzt, das ,Hosiannah!‘

Die Kriegserklärung

Das Fort Lamarie ist die stärkste und befestigteste Garnison auf der östlichen Indianergrenze, es hat stets dreihundert Soldaten, versorgt die anderen Forts auf dieser Seite mit Munition und Proviant, und der Kommandant, ein Oberst, ist der Vorgesetzte aller übrigen Forts.

Eines Morgens saß im Rauchzimmer des Kommandeurs dieser selbst mit zwei anderen Offizieren und einem Herrn in Civil.

Die drei Offiziere wollten sich halb totlachen über den neuesten Witz des anderen Herrn, eines Beamten, der direkt aus New-York kam.

Danach hatten die Indianer, wie es oft vorkommt, eine Deputation nach Washington an den ,alten Vater‘ geschickt und diesmal um nichts mehr und nichts weniger gebeten, als daß sämtliche Bleichgesichter sofort ganz Amerika verlassen sollten, weil es doch von Rechts wegen ihnen, den Rothäuten, gehöre.

Also das war des Pudels Kern! Denn daß im Indianerterritorium irgend etwas wieder einmal vor sich ginge, wußte man an der Grenze schon lange. Ein roter Messias sollte auferstanden sein, der den Rachezug gegen die verhaßten Bleichgesichter predigte. Dieser Sohn Gottes nahm natürlich auch göttliche Eigenschaften für sich in Anspruch, und nicht nur das, er übertrug sie auch auf alle anderen, die an ihn glaubten und ihm gehorchten, machte sie unverwundbar, unsterblich und so weiter. Sehr klug war es von ihm, daß er lehrte, alle diese Eigenschaften gingen bei dem Genusse von Branntwein verloren, während es einem phantastischen Indianerkopfe entsprach, daß in dem zukünftigen Kampfe nur Bogen und Pfeile, die Waffen der alten Helden, benutzt werden dürften. Der rote Messias sollte eine sehr lebhafte Thätigkeit entwickeln, er zog predigend durch das ganze Territorium und warb immer neue Jünger, denen er die Vollmacht zur Austeilung seiner göttlichen Kräfte übertrug.

Nun, man fürchtete das Kommende nicht, man war auf alles vorbereitet. Eine Vereinigung aller Indianerstämme war einfach undenkbar. Noch weit undenkbarer war das Abgewöhnen des Schnapsgenusses.

Doch einen schlimmen Streich hatte der rote Messias mit seiner Mission den Grenzwächtern bereits gespielt. Man hatte so hübsch einen Krieg zwischen Sioux und Cherokesen eingeleitet gehabt, aber Todespfeil, wie sie ihn nannten, hatte ihn durch sein Dazwischentreten verhindert, und außerdem war dabei auch noch Kurzhand, der beste politische Spion, der die Hauptrolle gespielt, zu Tode gemartert worden. Ferner wurden alle weißen Händler, Trapper und so weiter, einer nach dem anderen, aus dem Territorium verwiesen, wozu die Indianer berechtigt waren, sodaß man schon seit einiger Zeit gar nicht mehr wußte, was da drinnen vorging. Da mußte man einmal ein paar Fässer des köstlichen Feuerwassers spendieren. Trotz des Verbotes des roten Heilandes würden diese sicherlich schon bald die Erlaubnis bewirken, wieder einige politische Agenten als unschuldige Jäger in das Indianerterritorium hineinschmuggeln zu dürfen.

Aber daß die Herren Skalplocken gleich verlangten, ganz Amerika sollte geräumt werden, das war der herrlichste Witz, den man je gehört hatte. Die drei lachenden Offiziere konnten sich gar nicht wieder beruhigen.

Ein Trompetensignal übertönte plötzlich ihr Gelächter.

„Das war die Fanfare, die eine Indianerdeputation meldet,“ meinte der aufstehende Kommandeur, sich die Augen wischend. „Vielleicht kommt man schon jetzt, uns mitzuteilen, daß wir hier mit der Räumung gleich den Anfang machen sollen. Führe den Boten sofort hier herein!“ wandte er sich darauf an den eintretenden Soldaten.

„Ein weißer Missionar ist mit ihm.“

„Ein Missionar? Ja, die Schufte stecken immer mit den Rothäuten unter einer Decke. Er soll mit hereinkommen!“

Ohne Förmlichkeit wurde der Indianerdeputierte empfangen. Es war Todespfeil, natürlich ohne Waffen, aber doch in kriegerischer Ausrüstung. Vor der imposanten, herkulischen Erscheinung des jungen Indianers gaben die Offiziere doch etwas ihre nachlässige Haltung auf den Stühlen auf, und man vergaß ganz den schwarzgekleideten Missionar, einen jungen Mann mit edlen Zügen, der sich bescheiden zurückhielt.

„Wer bist Du? Was bringst Du?“ fragte der Oberst, sich zu dem barschem Ton zwingend, der gegen die verachteten Rothäute an der Grenze Mode ist.

„Ich bin Todespfeil, der Häuptling der vereinigten Indianerstämme des Territoriums,“ entgegnete der Gefragte in fließendem Englisch und hätte wohl noch mehr gesagt, wurde aber von dem Oberst, der interessiert den Klemmer auf die Nase setzte, unterbrochen:

„Ah, so bist Du selbst wohl der rote Heiland der Indianer, der Mensch gewordene Sohn des großen Geistes?“

„Du sagst es.“

„Jesus vor Pilatus,“ bemerkte der Beamte trocken. Und über diesen Witz brachen alle Offiziere in erneutes Gelächter aus. Der Bann war gebrochen.

„Und Du verlangst wohl, daß wir in Fort Lamarie mit der Räumung Amerikas beginnen?“ lachte der Oberst.

„Du sagst es.“

„Schön, mein roter Messias, es soll gleich geschehen. Bis wann haben wir mit Deiner hohen Genehmigung Zeit?“

„Bis heute mittag.“

„Und wenn wir nun bleiben?“

„So würden meine Krieger eine halbe Stunde später im Fort sein und weder Frauen noch Kinder schonen. Du hast die Wahl: freien Abzug oder Tod.“

„Hm. Dürfen wir auch etwas mitnehmen, Messias?“

„Alles. Wir brauchen nichts.“

„Auch das Feuerwasser? Du bist ein schlauer Junge, denn Du verbietest Deinen Kriegern das Feuerwasser doch nur, damit Du alles allein trinken kannst.“

Da trat plötzlich der Missionar hastig vor.

„Um Gotteswillen, meine Herren,“ rief er, „spotten Sie nicht weiter, Sie verkennen die Lage ganz und gar. Sämtliche Indianerstämme sind vereint. Dreißigtausend Krieger stehen in Waffen. Alle Weißen sind ausgewiesen worden. Nur einige Leute, denen die Krieger trauten, behielten sie als Gefangene und zur Warnung für die anderen Weißen noch bei sich, darunter auch mich. Ich flehe Sie mit erhobenen Händen an, geben Sie jeden Widerstand auf. In sämtlichen zweiundzwanzig Forts an der Grenze ergeht jetzt dieselbe Aufforderung, und hinter diesem Häuptling stehen vierhundert wohlbewaffnete Sioux.“

Die Offiziere erbleichten. Sie hatten gar nicht gedacht, daß es überhaupt so weit kommen würde. Doch ihr Schreck war nur ein ganz oberflächlicher. Was wollten denn vierhundert nackte Indianer gegen die mit modernsten Geschützen gespickten Festungswälle ausrichten, hinter denen dreihundert Soldaten lagen!

 

„Ich glaube, Sie sind von der Verrücktheit dieses Messias schon angesteckt,“ höhnte der Kommandant.

„Bei Gott, er ist mit himmlischen Kräften begabt und vollbringt Wunder wie unser Heiland selbst,“ sagte aber der Missionar feierlich. „Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie er feuerfest und unverwundbar ist, und wie er alle die ebenso macht, die sich seinem Willen unterwerfen. Ja, er ist ein Gesandter des Herrn, um die an den Indianern von uns Weißen verübten Greuelthaten zu rächen.“

„Was?“ schrie der Oberst. „Mensch, sind Sie wahrhaftig wahnsinnig? Fangt den roten Burschen, ich will doch sehen, ob er sich auch aus dem Kellerverließ wie der heilige Petrus herauszaubern kann.“

Sofort hatten sich die beiden Offiziere auf den Häuptling gestürzt, außerdem stürmten noch draußen bereitstehende Soldaten herein. Ruhig in seiner hoheitsvollen Würde stehen bleibend, hatte Todespfeil die beiden Offiziere dicht an sich herankommen lassen, als ergebe er sich in sein Schicksal. Doch jetzt ergriff er sie plötzlich mit einer blitzschnellen Bewegung, packte mit jeder Hand einen an der Brust, hob sie so ohne jede Anstrengung frei in die Luft, warf den einen auf den Oberst, daß dieser selbst zu Boden stürzte, schleuderte den anderen dem auf ihn losstürmenden Soldaten entgegen – und war mit einem leichten Satze aus dem offenstehenden Fenster entsprungen.