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Die indischen Eskimos

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Absichtlich führte Richard seine Begleiter noch an demselben Tage weit ab von den menschlichen Niederlassungen, um sie, als sich die Müdigkeit einstellte, zu zwingen, in ihren Pelzsäcken auf dem Schnee zu schlafen. Er machte sie gewissermaßen mit Gewalt zu Eskimos.

Sie sollten gleich eine sehr starke Prüfung bestehen. Als sie sich hinlegten, hatte sich nämlich der Himmel verdüstert, und ein heftiger, schneidender Wind setzte ein. Doch als sie erst einmal in die Säcke gekrochen waren, merkten sie nichts mehr davon; so warm und behaglich war es darin. Die Säcke sollten ihr zwanzigstündiges Gefängnis werden. Ein Glück war es, daß jeder Proviant bei sich hatte, denn so oft sie auch, nachdem sie schon längst ausgeschlafen hatten, die Oeffnung über dem Kopfe aufschnürten und hinauslugten, sie konnten nicht aus ihrem Gefängnisse, denn immer heftiger wurde das Schneewetter, das sie schließlich vollständig unter einer Schneedecke begrub. Warm und sicher lagen sie so allerdings; aber sie wurden auch von Todesgedanken geängstigt.

Endlich wurde ihr Gefängnis von fremder Hand geöffnet, und zwar von Richard, der sich zuerst aus dem Schnee gegraben hatte. Ueber ihnen lachte die Sonne am blauen Himmel, und die sorglosen Eingeborenen lachten hinter ihren Kapuzen ebenfalls.

Richard dachte noch nicht an eine Rückkehr. Ja, er hatte sogar beschlossen, daß seine Begleiter die warme Grotte nie wieder sehen sollten. Allerdings verheimlichte er ihnen dies noch. Unter seiner Leitung mußten sie jetzt eine Schneehütte aufführen, wie er es in Reisebeschreibungen gelesen hatte, eine echte Eskimohütte. Zu diesem Zwecke wurden aus hartgefrorenem Schnee mit erhitzten Steinmessern Steine geschnitten und diese so übereinander gesetzt, daß ein runder Bau entstand, dann kam eine Lage Zweige darüber und dann wiederum Schnee. Auch eine Fensteröffnung wurde ausgeschnitten und eine Scheibe Süßwassereis dareingesetzt; aber man brachte keine Thür an, sondern statt dieser diente ein langer Gang unter dem Schnee, dessen äußere Oeffnung verstopft werden konnte. Später wurde noch ein zweiter nach der anderen Seite hin angelegt, sodaß derjenige, in welchen der Wind hineinblies, stets verschlossen gehalten werden konnte.

Möbel waren schnell hergestellt. Einfache Schneebänke liefen an der Wand entlang. Darüber wurden die Pelzsäcke ausgebreitet, und die gepolsterten Sitzplätze und Betten waren fertig.

Nun fehlte nur noch der Ofen und das Heizungsmaterial. Holz gab es freilich genug, aber zu einer Feuerung mit demselben wollte Richard sich nicht verstehen. Er dachte eben an alles und wollte sich in dieser Beziehung ganz nach den Eskimos richten, die, durch eine Erfahrung von vielen Jahrhunderten gewitzigt, sicherlich zur Einrichtung ihrer Wohnungen das Praktischste gewählt hatten und das Treibholz, das an ihren Küsten in Hülle und Fülle angespült wurde, auch nicht zur Feuerung benutzten, sondern nur die einfache Thranlampe.

Richard hatte schon immer aufmerksam um sich gespäht und so in der Nähe der siamesischen Ansiedlung eine Thongrube entdeckt, die infolge ihrer geschützten Lage nur wenig verschneit war. Hier wurde die erste Lampe geformt, ein einfaches, irdenes Gefäß, das man durch Brennen feuerfest machte. So lange es keine Moosflechten gab, aus denen die Eskimos Dochte fertigten, drehte man solche aus noch vorhandenen Geweben. Ein erfrorenes Wildschwein lieferte das erste Fett, und bald heizte die Lampe mit vier Dochten die Schneehütte vollständig und zugleich als Bratofen dienend.

Mochte nun draußen der Schneesturm toben, wie er wollte, hier drinnen war es ganz behaglich warm, und je mehr Schnee die Hütte zudeckte, desto wärmer wurde es, sodaß die Eingeborenen zuletzt nackt um die Ofenlampe herumsaßen.

Schmolz denn da aber nicht die ganze Hütte zusammen? Gingen denn da nicht die Schneebetten zu Wasser?

Nein, denn diese große Wärme war nur eine Täuschung, das Thermometer stieg nie über den Nullpunkt hinauf. Um dies zu erklären, dazu bedürfte es eigentlich einer langwierigen, physiologischen Erklärung. Doch wir wollen nur in der Kürze darauf hinweisen, daß, wenn man aus einer sehr großen Kälte in einen Raum tritt, dessen Temperatur noch unter dem Gefrierpunkte ist, man schon eine angenehme Wärme zu verspüren glaubt.

Die Fettlampe rauchte sehr stark. Alles überzog sich mit einer dicken Schicht Ruß. Aber das machte nichts. Wenn es nur warm war! So wurden die indischen Eingeborenen, deren braune Haut bereits wie schwarz angelaufener Speck glänzte, den Eskimos immer ähnlicher.

Bei den Malangos zeigte sich endlich Sorge nach Frau und Kind. Daher beschloß Richard, als er seine Schützlinge gesichert wußte, die Familien nachzuholen. Begleiten durfte ihn niemand auf dem Wege zu ihnen, die Zurückbleibenden sollten einstweilen eine zweite Schneehütte aufführen.

Richard fand die Frauen und Kinder noch in der heißen Grotte. Sie mochten wohl niedergeschlagen gewesen sein, aber ihre trübe Stimmung war sofort vorbei, als sie hörten, daß die Männer noch am Leben seien und auf sie warteten. Die Frauen hatten sich von ganz allein etwas acclimatisiert. Als das in der Grotte befindliche Fleisch verdarb, hatten sie sich in ihren Pelzkostümen hinausgewagt und neue Vorräte herbeigeschafft.

Mit ihnen trat Richard nun den Rückweg an, nachdem er ihnen jedoch vorher erklärt hatte, daß sie hier in der Grotte so wie so nicht bleiben könnten, weil die warme Quelle nach und nach erkalten würde. Dasselbe wiederholte er dann später den Männern, indem er ihnen außerdem noch etwas von erzürnten Geistern erzählte. Es kam ihm ja darauf an, die neuen Eskimos von dem Betreten der warmen Grotte abzuhalten. Am besten war es schon, wenn sie dieselbe ganz vergaßen, oder wenn ihre Kinder sie nur als Heiligtum betrachteten. Richard, der sich schon für den letzten seines Geschlechtes hielt, wollte nämlich die Grotte, in der sich die Indier nur verweichlicht hätten, für sich allein reservieren.

Die Zurückgebliebenen hatten unterdessen nach seinen Anweisungen und zu seiner Zufriedenheit eine zweite Schneehütte gebaut, in der nun die Familien untergebracht wurden. Einige Tage blieb Richard noch bei ihnen, bis er ganz sicher wußte, daß er sie nun sich allein überlassen durfte. Dann trat er, nachdem er ihnen nochmals eingeschärft hatte, sich von dem Platze, wo die Schneehütten ständen, nie zu entfernen und die warme Grotte nie wieder aufzusuchen, da der Wechsel von Hitze und Kälte ihnen, nachdem sie sich einmal an die letztere gewöhnt hätten, unfehlbar den Tod bringen müßte, seine Expedition nach Phunga wiederum ganz allein an. –

Nicht nur, daß er die große Stadt sehen und sich überzeugen wollte, wie dort die Kalte gewirkt habe, er hatte auch ein Experiment mit den Indiern vor, er wollte sie einige Zeit sich allein überlassen.

Neue Gefährten

Von Phunga war er nur zehn Meilen entfernt, die er auf Schneeschuhen bequem in einem Tage zurücklegen konnte, und er brauchte sich auch nur immer an der Küste zu halten, so konnte er sich nicht verirren. Für alle Fälle besaß er schließlich auch seinen Sextanten.

Neues sah er unterwegs wenig, nur noch einen Fuchs und ungezählte Schwärme von Polarvögeln, die schon ihre Nester bereiteten, indem sie dieselben mit den aus ihrer Brust gerupften Federn, den sogenannten Daunen, polsterten. Auch passierte Richard einige an der Küste gelegene Fischerdörfer, in denen sämtlich der Tod in Gestalt des plötzlichen Erfrierens Einzug gehalten hatte.

Zuletzt mußte er ein Gebirge überschreiten, an dessen jenseitigem Abhange und zugleich an der Küste Phunga lag. Bald sah er denn auch, als er einen hohen Gipfel erreicht, die Stadt zu seinen Füßen liegen.

Was er erblickte, übertraf alles, was er erwartet hatte. Hier in Phunga hatte die Umwälzung aller Verhältnisse noch viel schrecklichere Folgen gehabt; diese Stadt mußte der Orkan mit voller Wucht getroffen haben.

Wohl war der Hafen noch mit Schiffen gefüllt, aber sie lagen alle auf der Seite und auf dem Trockenen. Das Meer mußte zurückgetreten sein oder das Land sich gehoben haben, nachdem eine Sturmflut vorausgegangen war, die einige Schiffe auch ans Land geschleudert hatte. So lag mitten in der Stadt ein gewaltiger Passagierdampfer sicher zwischen den eingedrückten Häusern eingebettet, während ein Dreimaster gar hoch oben auf einem Felsen ruhte. Was für eine Kraft hatte den Koloß da hinaufgesetzt? Die Elemente spotteten eben jeder menschlichen Berechnung.

Unten am Gebirge und auch an den bis auf einige Vorsprünge glatten Wänden nisteten die Seeeisvögel, und als Richard den Blick weiter hinaus auf das grüne Meer lenkte, sah er auch hier Eisberge. Doch was war das dort? Was bedeutete diese von dunklen, sich bewegenden Massen ausgehende, aus dem Wasser aufspritzende Fontaine? Eine Herde spielender Walfische nahte da heran! Die Bewohner des Polarmeeres hatten den Weg schon hierher gefunden!

Richard stieg hinab. Plötzlich stieß er einen Jubelruf aus, denn dort unter dem Felsvorsprunge stand eine ganze Gruppe Menschen und zwar Europäer!

Aber immer mehr verlangsamten sich seine Schritte. Warum rief man ihm nicht wieder entgegen? Warum bewegte sich niemand? Warum waren alle bei dieser Kälte nur in dünne Tropenanzüge gekleidet?

Richard erstarrte vor Entsetzen bald ebenso zu Eis, wie diese Menschen. Kein Zweifel, sie waren vor der Katastrophe, vielleicht noch vor der Sturmflut, geflohen, hatten aufgerafft, was ihnen wertvoll dünkte, und waren dann hier oben erst nachträglich von der Kältewelle getroffen worden, die sie in Bildsäulen verwandelte. Noch trug einer der Männer ein Bündel Betten, eine vornehm gekleidete Dame ein Schmuckkästchen. Nur wenige hatten den Halt verloren und waren umgefallen, und so würden sie vielleicht nun für ewig dastehen.

Von kaltem Grausen gepackt, eilte Richard an ihnen vorbei. Es war ein Anblick, der den Wahnsinn herbeiführen konnte.

 

Endlich erreichte er die Stadt. Alles war darin tot. Hier aber hatten die Leichen nicht die gewöhnlichen Lebensstellungen beibehalten. Ihre Haltung zeigte, daß hier erst eine Flucht vor etwas Schrecklichem vor sich gegangen war, ohne daß sie dadurch dem Tode entrissen werden konnten. Die meisten Häuser waren demoliert. Sonst lag auch hier alles unter Eis und Schnee vergraben.

Sollte denn kein einziger dem Tode entgangen sein und sich nicht zufällig an einem Orte befunden haben, wo er vor der furchtbaren Kälte, die doch schnell wieder nachgelassen hatte, geschützt gewesen war?

Richard schoß, um sich bemerkbar zu machen, mehrere Male seinen Revolver ab und stieß kräftige ‚Hallohs‘ aus.

Da – erhielt er eine Antwort.

Richard, der sich schon so an die Einsamkeit und an den Gedanken gewöhnt hatte, nichts Lebendes mehr zu finden, das sich ihm anschließen könnte, schrak zusammen.