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Eine Nordpolfahrt

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„Jawohl, meine Gnädige, und am Südpol kommt diese Achse wieder heraus.“

„Na, wer schmiert da denn eigentlich die Achse?“ fragte schnell der in der Nähe stehende Bräutigam, der nämlich sein Geld in einer Schmierölfabrik verdient hatte.

„Das thun die dort oben angestellten Eskimos,“ erklärte der Kapitän.

„Ach nee!“ rief die Balletteuse staunend. „Ich wollte es nämlich mit die Achse gar nicht recht glauben, weil ich’s doch gar nicht merke, wie sich die Erde dreht. Mich hat einmal ein Baron erzählt, eigentlich wäre der sogenannte Nordpol nur sozusagen ein großes Loch, und wenn man da hineinfiele, käme man unten am heißen Südpol wieder heraus. Stimmt das?“

„Das ist gar nicht so unmöglich, die Gelehrten sind sich selbst noch nicht ganz einig, ob der Nordpol ein Loch oder eine Achse ist.“

„Ach, da möchte ich einmal jemand hineinwerfen!“ freute sich die Balletteuse. „Aber sagen Sie mal, Herr Kapitän, wenn die Eskimos nun immer das Schmieröl in das Loch gießen –“

„Ich bitte um Entschuldigung, meine Gnädige, nur einen Augenblick, ich werde gerufen, stehe gleich wieder zur Verfügung.“ Aber Richard hütete sich, wieder zur Verfügung zu stehen. Er hatte nämlich in derartigen Sachen mit solchen Passagieren schon seine bitteren Erfahrungen gemacht.

Am Abend zeigte sich ein herrliches Nordlicht. Das mußte mit einem allgemeinen Punsch gefeiert werden; da es aber an Deck schon zu kalt war, wurde derselbe in der Kajüte eingenommen, und Richard sorgte dafür, daß bis zum Schlafengehen niemand wieder heraufkam, denn er wollte schleunigst die Rückfahrt antreten.

Es sollte aber anders kommen.

Eingefroren

Frühaufsteher waren die Passagiere alle nicht, obgleich es unter diesem Breitengrade schon gar keine Nacht mehr gab. Warum sollten sie sich strapazieren? Es waren ja Ferien. Aus der Koje zu springen und an Deck zu eilen, um die Wunder der Natur anzustaunen, das fiel ihnen gar nicht ein. Auf dem Theater hatten sie ja das alles auch. Waren sie aufgestanden, so wurde erst lange Toilette gemacht, gemächlich gefrühstückt, und erst dann erschien einer nach dem anderen an Deck, soweit sie nicht von anderen Beschäftigungen in der Kajüte festgehalten wurden.

Heute aber kamen sie auch nicht so weit; es war draußen zu neblig und kalt.

Als der Kapitän in die Kajüte trat – er sah sehr ernst aus – malte der Musiker, klimperte der Maler auf dem Klavier, aß der Dichter, trank der Baß, spielten der Heldentenor und der Komiker Sechsundsechzig, während die anderen lasen, plauderten und rauchten.

„Herr Kapitän, wie weit sind wir noch vom Nordpol entfernt?“

„Herr Kapitän, warum ist das Schiff stehen geblieben?“

„Herr Kapitän, warum ist es heute so kalt und neblig?“

„Herr Kapitän, wenn Sie zufälligerweise einen Walfisch sehen, bitte, rufen Sie mich, ich möchte gern einmal einen fangen. Aber zu klein darf er nicht sein, sonst lohnt sich’s nicht.“

So und anders scholl es Richard entgegen, und niemandem fiel dessen ernstes Gesicht auf.

„Meine Herrschaften,“ konnte dann Richard endlich das Wort nehmen, „ich muß Ihnen leider die Mitteilung machen, daß wir in Treibeis geraten und eingefroren sind.“

Er hatte noch andere Worte bereit, Worte des Trostes und der Ermutigung, er wollte den Herrschaften sagen, daß die Lage noch keine so schlimme sei, doch er kam nicht dazu.

„Trumpf! Warte Du Luder,“ sagte nämlich der Heldentenor, die Karte auf den Tisch hauend, und:

„Da sehen Sie man zu, wie sie uns wieder herauskriegen,“ meinte der Baß. „Also eingefroren sind wir? Steward, ein Glas Punsch, mit etwas Cognak hinein, nicht zu wenig!“

„Kommen schon Eisbären gelaufen?“ fragte der Walfischfänger, der Intrigant. „Bitte rufen Sie mich, wenn einer kommt, ich möchte gern einmal einen Eisbären schießen. Aber er darf nicht zu klein sein, sonst lohnt sich’s nicht.“

Der Komiker aber hatte die Karten hingelegt, stand auf, schaute mit vernichtenden Blicken um sich – und alles verstummte. Denn wenn dieser schweigsame Mensch, der immer voll bitterer Galle war wie ein Ei voll Dotter, einmal sprechen wollte, so hatte das etwas zu bedeuten.

„Kapitän,“ begann der Komiker mit unheilvoller Stimme, und seine Augen loderten in furchtbarem Grimm, „wir sind faktisch eingefroren?“

„Leider, ja, doch glaube ich –“

„Wir sind vom Treibeis umschlossen.“

Da sagte der finstere Mensch nichts mehr, setzte seine Pelzkappe auf, ergriff seinen Spazierstock, einen unheimlich dicken Knüppel, und ging schweigend an Deck.

Der Nebel hatte sich gelichtet, nichts weiter war zu sehen, als eine aufgestaute Eiswüste! An Deck aber arbeiteten zwar die Matrosen schon in Pelzkostümen, aber alle waren verstimmt. Das konnte eine böse Geschichte werden. Zu einer Polarexpedition hatten sie sich nicht anheuern lassen!

Der finstere, dicke Kerl in der Pelzmütze und mit dem Spazierknüppel ging jetzt an ihnen vorüber, blickte sich nicht um und lehnte sich über die Bordwand. Dann brüllte er mit bierheiserer Stimme:

„Schutzmann! Schutzm – a – a – an!“ ging darauf ebenso ernst, wie er gekommen, in die Kajüte, warf Pelzmütze und Stock weg und spielte weiter.

Erst sahen sich die Matrosen erstaunt an, dann brachen sie gleichzeitig in ein schallendes Gelächter aus, und auch unten in der Kajüte lachte der Kapitän und alle anderen stimmten mit ein.

Daß der Komiker in der Nähe des Nordpols nach einem Schutzmann rief, weil das Schiff eingefroren war, das war allerdings wohl verrückt zu nennen, die Art und Weise aber, wie er es ausgeführt hatte, war zu urkomisch gewesen. Gerade in der Kürze seines Ausrufs lag die Seele des Witzes, die wunderbare Wirkung, die sich unmöglich wiedererzählen läßt.

Nur eine Person hatte den Witz nicht ganz verstanden.

„Giebt es denn hier auch Schutzleute?“ fragte nämlich die erste Ballerina naiv.

Dann besann sie sich.

„Ach so, ja – aber eigentlich hat er doch recht, eigentlich sollte so ein Treibeis polizeilich verboten sein!“

Jebenfalls aber war die trübe Stimmung, die zuerst auf den Passagieren gelastet hatte, plötzlich verschwunden, denn den ganzen Tag riefen die Matrosen nach dem ‚Schutzmann‘ und jedesmal erscholl ein neues Gelächter.

Dabei verschlechterte sich die Lage immer mehr; immer fester stauten sich die Eisschollen und Blöcke um das Schiff, und so groß auch die Eisbank war, sie stand doch nicht fest, sie wurde von einer heimtückischen Strömung nach Osten getrieben, und das war das Allerschlimmste, denn dort geriet man vollends zwischen Eisberge.

Der Kapitän konnte auf alles gefaßt sein, sogar auf eine Ueberwinterung im Eise auf dem achtzigsten Breitengrade. Nun sind zum Glücke solche Nordlandsdampfer thatsächlich auf die schlimmsten Fälle vorbereitet, und da man an einen Schiffbruch so wie so stets denken muß, der ja an jeder Eisbank stattfinden kann, so haben sie immer genügend Proviant und Kohlen an Bord und sogar für die Passagiere Pelzkostüme aus Seehundsfellen, die dort ebenso gut zur Ausrüstung gehören, wie die Rettungsgürtel auf anderen Schiffen.

Nachdem Richard einmal den Charakter seiner Passagiere erkannt hatte, machte er aus der Gefährlichkeit der Lage kein Hehl mehr. Er bereitete ihnen damit ja nur eine Freude. Die einen waren durch das Theaterleben gegen alle äußerlichen Eindrücke vollkommen abgestumpft, die anderen schwammen immer in höheren Regionen, die dritten waren zu dumm, um etwas zu begreifen, und machten mit, was die anderen thaten.

Eine kleine Veränderung brachte das Einfrieren aber doch mit sich. Jetzt malte der Maler nur noch Eisberge und das eingefrorene Schiff hinein, der Dichter begann ein Epos von zwei Dutzend Gesängen, der Virtuose aber komponierte – paukte auf dem Klavier und fragte jeden, ja, sogar die Matrosen, die er deswegen herunterholte, ob dies nicht genau klänge, als ob die Eisschollen brächen und die Eisberge zusammenkrachten ....

„Passen Sie auf – jetzt kommt’s – jetzt berstet das Schiff – klatsch, klatsch, schnedderedengdeng – das sind die Wellen – die sich am Rumpfe brechen – bruch, bruch, bums, kladderadatsch – jetzt ist’s gebrochen – bumberumbumbum – jetzt sinkt’s. Ist das nicht schön?“

„Na, dat ist nich scheun,“ sagte der Matrose kopfschüttelnd, „und wat die Wellen sünt, die seggen och nich schnedderedengdeng.“

„Jetzt schreien die Männer in Todesnot: huhu, hoho, hohoooh, halloh – nun jetzt wimmern die Kinder: kui, kui, kui, kui, kui. – Klingt das nicht ganz natürlich?“

„Na, dat kling just, als wenn man een junges Swien absticht.“

„Mensch,“ sprang da der Pianist rasend auf und griff nach einem Bündel Noten, „hinaus, hinaus! Fort, aus meinen Augen! Sie sind ja unmusikalisch wie ein Wiedehopf!“

Oben an Deck aber lag die Primadonna an des krummbeinigen Bräutigams Brust und weinte Thränen der Rührung.

„Ludewig, ich danke Dir,“ schluchzte sie, „ich danke Dir für diese Ueberraschung, Du hast uns einfrieren lassen – Du göttlicher Mann! Nun stürze noch einem Eisberg auf uns, und ich habe nichts mehr in diesem Leben zu wünschen.“

„Ach nee, Bauline, ach nee, warum denn awer nur?“ stotterte Ludewig.

Und da hätte Kapitän Richard auch noch ermutigen sollen? – –

Inzwischen nahm die Kälte, die von den Eisschollen ausgestrahlt wurde, immer mehr zu.

„Wollen die Herrschaften nicht die Pelzkostüme anziehen?“ mahnte Richard.

„Pelzkostüme! Genialer Gedanke! Her mit ihnen!“

Wie aber die Damen die dicken, plumpen Fellsachen sahen, besannen sie sich doch.

„Das sind die echten Pelzanzüge aus Seeotter, wie sie auch die Walfischjäger und Polarforscher tragen,“ erklärte der Kapitän, „alles ist wasserdicht und –“

„Was? Seeotter! Walfäschjäger?“ erklang es da freudig erstaunt seitens der Damen. „Her damit, wir ziehen sie an!“

„Haben Sie nicht einen Anzug, den ein berühmter Polarforscher getragen hat?“ fragte die Heldenmutter.

 

Der junge zweite Steuermann konnte damit dienen und brachte einen Anzug, in dem angeblich Franklins Gerippe gefunden wurde. Sofort zog die Schauspielerin ihn an.

Als auch die anderen Künstler die Pelzkostüme angelegt hatten, erscholl es plötzlich von allen Seiten: „Photographieren! Auf dem Eise! Ein Gruppenbild! Hat nicht jemand ein paar Eisbären bei sich?“

O ja, damit konnte gedient werden, denn Eisbärenfelle waren ja vorhanden. So bekleideten sich denn einige Matrosen mit ihnen, stellten sich auf allen vieren in den Hintergrund, und einer von ihnen mußte sogar ein blutiges Stück Fleisch in den Rachen nehmen.