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Eine Nordpolfahrt

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Der Eisbär

Endlich brachte Richard Ordnung in die Ausgelassenen, indem er scherzhaft daran erinnerte, daß es ein namenloses Land sei, das sie betreten würden, ja, man könnte es auch ein unentdecktes nennen, und sogar ein jungfräuliches Eiland, wenn man die darauf wohnenden Eskimos nicht zu den Menschen rechnete.

Das zündete. Der Komiker nahm nun die Sache in die Hand und ordnete die Gesellschaft zu einem Zuge, indem er dabei jedoch nicht hin und her ging, sondern that, als säße er zu Pferde. Schließlich setzte er sich in Galopp, schlug mit den Beinen aus und ging durch.

Dem Zuge voran schritt als Fahnenträger der sentimentale Liebhaber mit dem Ueberzieher an einer Stange, dann folgte die Musik, dann die heilige Bundeslade, nämlich der Koffer mit dem Polareis, der dem Brautpaare vorausgetragen wurde, diesem schlossen sich die anderen Damen und Herren als Brautjungfern und Brautführer an, und den Beschluß bildeten als Train die drei Schlitten mit den Matrosen.

Als es so weit war, stieg der Komiker wieder vom Pferde ab und setzte sich, den Knüppel erhebend, selbst an die Spitze, indem er laut kommandierte:

„Musik! Den Hochzeitsmarsch aus Lohengrin. Vorwärts! Tschintretä, tschintretä!“

Er hatte den Spazierstock an die Lippen gesetzt und ahmte mit Virtuosität Trompetentöne nach; sofort fielen alle mit ein, und so bewegte sich der Brautzug unter Trompeten- und Posaunengeschmetter über das Eis auf das Land zu, hier, in der Nähe des achtzigsten Breitengrades, den nur verwegene Walfischfänger und todesmutige Polarfischer überschritten haben.

Die Matrosen konnten die Schlitten vor Lachen kaum ziehen, und Richard, der gleichfalls lachen mußte, hielt sich, um seine Autorität nicht zu verlieren, bei ihnen auf.

In solch feierlicher Prozession wurde das Land betreten; dann hob der Komiker den Knüppel, um Halt zu kommandieren; aber noch ehe er dies thun konnte, ereignete sich etwas, was die Musik von selbst verstummen machte und den Fuß auf den Boden festbannte.

Plötzlich stand nämlich seitwärts von dem Zuge, nur zehn Schritte von dem mittelsten entfernt, ein riesiger Eisbär, der im Schnee übersehen worden war. Knurrend fletschte er die Zähne gegen die frechen Ruhestörer in seinem Reiche und erhob schon die furchtbare Pranke zum Schlage.

Hier hörte der Scherz auf. Gelähmt vor Entsetzen standen sie alle da. Sie hatten einen Eisbären ja nur im Zwinger gesehen und dabei noch nicht einmal einen von solcher riesenhaften Größe. Wohl hatten sie sich alle in ihrer lebhaften Einbildungskraft, die ja den Künstler ausmacht, schon einmal ausgemalt, wie es sein müsse, wenn das Gitter plötzlich bräche, und sie dem freien Raubtiere Auge im Auge gegenüberstünden, und sich dann eines Grausens nicht zu erwehren vermocht! Jetzt war die Phantasie zur Wirklichkeit geworden!

Es war aber auch in der That eine böse Situation. Sämtliche Gewehre gewesen. Vielleicht, daß er sich noch besann und vor den vielen Menschen die Flucht ergriff.

Aber es sah gar nicht aus, als ob er sich fürchte. Vielmehr erwartete er nur einen Angriff und forderte ihn heraus.

Da trat der rettende Engel in Gestalt des Komikers auf.

Wer weiß, was für ein Gedanke durch den Kopf desselben beim Anblicke des Eisbären gezuckt war; ein Witz war die That, die er jetzt ausführte, sicher nicht, eher eine ganz mechanische Handlung, oder vielleicht glaubte er auch in dem Augenblicke, er befände sich auf der Bühne in einer Polarscenerie, und der Eisbär sei nur ein maskierter Statist.

Den Spazierknüppel wie ein Gewehr in Anschlag bringend, schritt er plötzlich auf den Eisbär zu und rief:

„Geh’ weg, oder ich schieße!“

Und richtig! Was der Eisbär dachte, ist allerdings noch nicht aufgeklärt worden – kurzum, er warf sich auf den Hinterbeinen herum und suchte schleunigst das Weite.

Aber das war noch nicht alles. Gleichzeitig drehte sich auch der kleine, dicke Mann zu seinen Gefährten um, stützte sich auf den Spazierstock, kreuzte die Beine, stemmte den anderen Arm in die Hüfte und machte ein unbeschreiblich dummstolzes Gesicht, das ungefähr ausdrückte. ‚Na, wer hat es denn gesagt? Bin ich nicht ein großer Held?‘

Jetzt war der Bann gebrochen, ein brüllendes Gelächter brach los, bis man endlich Worte fand.

„Schießt ihn! Steinigt ihn! Fangt ihn lebendig! Lauf’ ihm nach, Anton, streu’ ihm Salz auf den Schwanz!“ rief das lustige Völkchen wirr durcheinander.

Dann wurde nach den Gewehren gerufen; einige begnügten sich vorläufig damit, Schneebälle nach dem noch einmal auftauchenden Bären zu werfen.

„Ach, laßt doch das arme Tierchen laufen,“ sagte endlich der Komiker mit wegwerfender Handbewegung, „der Mann hat Frau und Kinder zu Hause.“

Man gab nun die geplante Jagd auf und brachte dafür dem berühmten Bärenjäger, ihn sofort Bärentöter nennend, Ovationen dar, die der Komiker huldvollst entgegennahm.

Die Entdeckung des Nordpoles

Dann setzte sich der Zug wieder unter Sang und Klang in Bewegung. Keine Ermüdung war zu verspüren, wenngleich auch den Kofferträgern die heilige Bundeslade schließlich doch zu schwer wurde und sie dieselbe an die Schlitten abgaben. Der fröhliche Ton schlug nicht um, und wenn der Witz zu Ende schien, kam doch immer wieder etwas Neues daran. Es waren eben geistreiche Menschen darunter, so albern sie sich auch manchmal benahmen, und diese heitere Stimmung steckte an, oder vielmehr, es schwebte ein ganz absonderlicher Geist über der ganzen Gesellschaft, den auch die arbeitenden Matrosen verspürten, sodaß sie ihre schwere Last gar nicht merkten und auch ihnen die strapaziöse Tour über Gletscher und Schneefelder, wobei die Schlitten oft umgeladen werden mußten, ohne daß die faulen Passagiere jemals Hand angelegt hätten, nur wie ein vergnügter Spaziergang durch eine deutsche Winterlandschaft erschien. –

Plötzlich tauchte das Gerücht auf, niemand wußte, wer zuerst davon gesprochen hatte, daß sich hier auf diesem Lande der Nordpol befände, und gerade durch diese Insel die Erdachse gehen müsse. Natürlich bestätigte der Kapitän die Richtigkeit dieser Annahme durch wissenschaftliche Erklärungen.

Selbstverständlich war diese Behauptung nur für diejenigen bestimmt, die nicht alle werden, für die Leichtgläubigen; wer aber eigentlich daran glaubte und wer nicht, das war kaum zu unterscheiden, denn es entstand jetzt ein allgemeines Suchen nach dem Nordpol, indem man alle Augenblicke zur Seite rannte, hinter einen Eisblock blickte, einen Stein aufhob und andere Possen trieb.

„Wo ist denn nun der Nordpol?“ fragte die Ballerina zum hundertsten Male.

„Ja, wo ist er nur? Dort, dort – nein, das ist nur ein Schneehaufen. Der Nordpol ist mit einem Gitter umgeben, daß niemand darüber stürzen kann. Grün angestrichen ist’s, ich habe schon einmal eine Photographie davon gesehen.“

So klang es durcheinander.

Jetzt bog man um eine Gletscherwand, und ‚aaah!‘ riefen die ersten, ‚der Nordpol!‘ flüsterten die nächsten, und die hinteren, Richard und die Matrosen nicht ausgeschlossen, drängten sich, um das Wunder zu schauen, vor.

Ein Wunder war es auch wirklich, was es hier zu sehen gab. Dort in dem eisigen Boden war nämlich ein Balken eingerammt worden. Wer hatte das gethan? Wozu war es geschehen? Waren es Schiffbrüchige gewesen? Oder hatten Polarforscher ein wichtiges Signal errichtet, eine Kundgebung hinterlassen?

Doch solche Fragen warfen die Schauspieler jetzt nicht auf; für sie war das eben der Nordpol; und sogleich vernahm man die Ausrufe:

„Der Nordpol!“

„Wir haben ihn erreicht!“

„Wie erhaben! Wie großartig! Mir wird ganz flau zu Mute.“

Und der Baß brummte:

„Das müssen wir feiern.“

Sie gingen nun näher an den alten Holzstumpf heran.

„Vorsichtig, auf den Zehenspitzen, er könnte umfallen,“ neckte der erste, und alle schlichen mit tieffeierlichen Gesichtern hinterdrein und umringten den Holzstamm.

Das war alles so feierlich, daß den Matrosen wirklich das Lachen verging und sie unbewußt selbst mit auf den Zehenspitzen schlichen.

„Großartig! Wie erbärmlich klein kommt sich doch der Mensch hier vor!“ rief einer.

„Und wenn man nun bedenkt, daß sich um dieses einfache Stück Holz die ganze Erde dreht,“ fiel der andere ein, und der dritte fuhr fort:

„Seit Jahrhunderten, seit Millionen von Jahren – mit einem Wort: seit der Weltschöpfung, als sich die Erde noch in feuerflüssigem Zustande befand.“

„Daß das Holz damals nur nicht verbrannt ist,“ meinte endlich kopfschüttelnd der Millionär. „Hm, hm, was man nicht alles erlebt!“

„Eigentlich habe ich mir den Nordpol ganz anders vorgestellt,“ piepste dann wieder die Balleteuse.

„Was? Anders? Etwa noch imposanter? Bedenken Sie doch, Fräulein, hier ist der Punkt, wo man sich nicht mehr fort bewegt. Setzen Sie sich oben auf den Pfahl, und Sie drehen sich nur noch um sich selbst.“

„Wo ist denn das große Loch?“

„Da drin steckt eben die Achse, hier ragt sie noch heraus.“

„Und der Pfahl muß geschmiert werden?“ fragte Ludewig mit berechtigtem Zweifel.

„Freilich, sonst fängt er an zu quietschen. Die Eskimos mit der Schmierkanne sind eben nur einmal weggegangen.“

„Diesen herrlichen Moment in der Weltgeschichte sollten wir doch durch ein Lied verherrlichen,“ schlug jemand vor, „was für ein Lied paßt am besten am Nordpol?“

„Wer hat Dich, Du schöner Wald,

Aufgebaut so hoch da droben,“

begann der Bassist mit mächtiger Stimme, und alle fielen mit ein. Singen konnten sie ja, und daß das Lied wie die Faust auf’s Auge paßte, that der Feierlichkeit keinen Abbruch.

„Wißt Ihr was,“ schlug dann ein anderer vor, als der letzte Ton verklungen war, „wir nehmen den Nordpol mit!“

Gesagt, gethan. Der ganze Schlitten mußte nun abgepackt werden, um einen geeigneten Strick zu finden, den man um den Nordpol schlingen konnte, dann legten alle mit Hand an und rückten und zogen nun so lange hin und her, bis es einen gewaltigen Krach gab und die ganze Gesellschaft sich in- und übereinander am Boden wälzte. Die nun folgenden Scenen waren so komisch und drollig, daß man nicht aus dem Lachen herauskam. Erst nach längerer Zeit trat endlich Ruhe ein.

 

Proviant hatten sie nicht tragen wollen, nicht einmal ein leichtes Gewehr, das belästigte sie schon – aber diesen schweren Baumstamm luden sich sechs Schauspieler auf die Schultern, und dann ging es im Triumpf weiter.

Schließlich stellte sich bei allen doch die Müdigkeit ein. Auch wurde es trotz der noch ziemlich hochstehenden Sonne, die ja hier für ein halbes Jahr überhaupt nicht unterging, schon Nacht.