Der Dom zu Speyer

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Der Dom zu Speyer
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Historisches Deutschland

Herausgeber

Erik Schreiber

Dom zu Speyer

1. Band

Saphir im Stahl

e-book 099

Dom zu Speyer 1. Band

Erscheinungstermin: 01.08.2021

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Lektorat: Saphir im Stahl

Vertrieb: neobooks

Vorwort

Mit der Reihe „historisches Deutschland“ möchte der Verlag den interessierten Lesern einen Einblick in die Geschichte einer Stadt, eines Ortes oder einer Landschaft bieten. Es sind Texte aus vergangener Zeit, teilweise buchstabengetreu aus der Frakturschrift übertragen.

Während der arbeit an dem Buch über den Dom zu Speyer fanden sich mehr Texte, als ich in einem Buch unterbringen kann, ohne dass sich der Preis ins Astronomische erhöht.

Daher werden zwei Bücher zum Dom zu Speyer erscheinen. Gleichzeitig sind auch zwei Bücher zum Dom von Worms und dem Dom zu Aachen, auch Pfalzkirche genannt, in Arbeit.

Die Geschichte des Domes ist sehr interessant und gleichzeitig hilft es, die Geschichte besser zu verstehen.

Bickenbach, 01.07.2021

Erik Schreiber

Inhaltsverzeichnis

Wahrhafte und umständliche Geschichts-Erzehlung

aus dem Jahr 1709

Der Kaiserdom und seine Gemälde, ein Führer für die Besucher des Domes

aus dem Jahr 1854

Wahrhafte und umständliche

Geschichts-Erzehlung/

Welchergestalt

Des Heiligen Reichs Freye

Stadt Speyer/

Nach

Des Königs in Frankreich

Vorgenommenen Bruch der am 5. / 15. Augustmondes 1684 zu Regenspurg geschlossenen zwanzig-jährigen Stillstandes / von desselben Kriegs-Völkern überfallen und besetzet worden

So dann /

Das von Ankunfft der Franzosen / bis auff die Zeit

der Stadt durch Mords-Brand und andere Grausamkeiten

vollbrachten jähmerlichen Verheer- und Verwüstung

einschlie゚lich / daselbsten Denckwürdiges vor-

gelossen seye.

Möniglichen / wie zu Nachricht / also auch zu

Erweckung gutthätigen Mitleydens an

den Tag gegeben.

Daselbst gedruckt bey Gustv Rosten /

Im Jahr 1709.

Nachdem Montags den 17. 27. Herbstmondes / im Jahre 1688 zu Speyer die Zeitung eingelossen / daß die Chur-Pfälzische Städte Kayserslautern und Neustadt an der Hardt / von Frantzösischen Völckern angefallen worden seyen / und man daher / auch in Betrachtung der Frantzösischen angemasseten Sprüche auf theils Chur-Fürstl. Pfälzische Lande und des Chur-Cöllnishen Wahl-wesens / in die sorgsame Gedancke gerathen müssen / daß an dem Rheinstrom ein verderbliches Kriegs-Feur sich wiederum entzünden dörffte: Haben Bürgermeistere und Rath gedachter Stad Speyr vor nothwendig befunden / nach Anweisung deß jüngsten Reichs Abschieds / vom Jahr 1654. mit einem Hochlöbl. Collegio deß Kayserl. Cammer-Gerichts über solchem weit außstehenden gefährlichen Wesen / die gewöhnliche Unterredung fürzunehmen / um gesamter Hand zu rathschlagen / was zu beeder Theile Sicherheit und Erhaltung dabey zu thun seyn möchte; gestalten sie auch darauf veranlasset / daß beyderseitige Herren Depurtirte / an gemeldetem Tage / in der Camer-Gerichts-Deputations-Stuben zusammen getretten; welche dann vor gut erachtet haben / daß ein Hochlöbl. Collegium seines Orts / etliche Schreiben / auff das hiebevor nützlich gebrauchte Mittel der Neutralität abzielend / ohne Verzug abgehen / die Stadt aber / wegen Beschaffenheit der Frantzösischen Völcker / von Landau her / durch eigenen Botten / nähere Kundschafft einholen lassen sollte.

Dinstags frühe / den 18. Herbstmondes / ist der ausgeschickte Bothe zurück gekehret / und hat mitgebracht / die Frantzösischen Völcker würden disseits Rheins von Marquis de Boufflers und Marquis d’Huxelles geführet. Boufflers stünde bey Kayserslautern; D’Huxelles seye mit einem Corpo vor Neustatt gegangen: Jenseits aber hätte Monclar, nicht weit von hier / mit einem andern Corpo / einen wichtigen Anschlag vor. Es seyen diese Nacht 2. Regimenter Dragoner zu Landau / 6. Schlachthaufen Fuß-Volcks zu Weissenburg / und das Regiment Daufin zu Langenkandel angekommen; Boufflers und d’Huxelles würden / nach Einnehmung gedachter zwo Städte / zusammen stossen / und vor Frankenthal rücken. Man glaubte / der Hertzog von Orleans werde nächster Tagen auch im Lande seyn.

Diesen Bericht nun E. Hoch-Löbl. Cammer-Gerichts-Collegio mitzutheilen / und desselben weitere Gedancken darüber zu vernehmen / haben deß Rahts geordnete / selbigen Morgens um 8. Uhren / in vorbesagter Deputions-Stuben / bey Eines Hochlöbl. Collegio-Deputirten sich wiederum eingefunden, da dann noch keinem Teil in den Sinn gestiegen zu glauben / daß der Stadt Speyer die Gefahr so nahe über den Haupt schweben solte.

Nachdeme aber die Herren Deputirten beyläuffig eine halbe Stunde sich mit einander besprochen gehabt / ist ihnen aus der Stadt-Rahts-Stuben zu wissen gemacht worden / es hielten bey 30. Frantzös. Reuther vor dem Kreutz-Thor / die führten 6. Chur-Pfälzische Soldaten mit sich / welche sie von dem Neuen Zoll-Hauß / vor der Landauer Wart / weggenommen hätten / und begehrten in die Stadt herein.

Ehe man über solchem Vorfall die Gedancken gegeneinander eröffnen können / ist ferner Nachricht eingeloffen; Es seyen itzund zween Frantzösische Beamte bey gemeltem Thor angekommen / die forderten etliche aus deß Rahts Mittel / mit denen sie reden könten. Weilen dann diese unvermuthete fremde Bothschafften allerseits eine grosse Bestürtzung erwecket; so ist die Unterredung gählings anfgehofen worden / und haben Burgermeistere und Raht zween der ihrigen zu den Frantzösischen Beamten an das Stadt-Thor eilends abgeschicket.

Diese nun haben daselbst zu Pferde angetroffen / den Bellecroix, Major zu Landau / und Weert Stadt-Schultheissen aldorten / deren jener im Stifft Lüttich gebürtig / der Teutschen Sprache wohl erfahren / und deßwegen von den Frantzosen vor einen Ausspäher und Kundschafter vielfältig gebrauchet / insonderheit im Jahr 1683. in Oesterreich geschickt worden seyn solle / das Keyserliche Kriegs-Heer in der grossen Musterung bei Kitsee zu beschauen; diser aber ein Teutscher und vor Zeiten in Fürstlich-Speyrischen Diensten gewesen. Bellecrois ohnerwartet ihrer Anrede / fragte trotziglich / in Frantzös. Sprache: Sie hätten von wegen ihres Königs / der Stadt / der Kayserl. Camer / dem Bisthum und der Clerisey etwas wichtiges vorzutragen / darum solte man sie einlassen / und nicht ferner aufhalten: Sie hätten ohne das schon lange gewartet. Als hierauff deß Raths Abgeschickte um eine kleine Gedult gebetten / biß sie wegen deß einlassens Befehl eingeholet hätten: die Frantzösische Bediente aber darzu sich nicht verstehen wollen / sondern harte Droh-Worte / von Anfallen und überwältigen der Stadt / von Aufhenckung der Fürnehmsten / und Nidermachung aller deren / die dem Kreigs-Volck unter die Hände kommen würden / ausgestossen / haben sie endlich zugeben müssen / daß genante zween / mit etlichen Dienern / in die Stadt geriten; welche doch die mit ihnen angekommene Reuter vor dem Thor gelassen haben.

Demnach soll Bellecroix und Weert geraden Wegs / in starckem Schritt / nach dem Raht-Hoff zugeritten / und / noch vor Widerkunft der Abgeschickten / unangemeldet in die Rahts-Versammlung eingetretten / da Bellecroix in Frantzösischer und nach ihme Weert in Teutscher Sprache / folgenden Inhalts den Vortrag gethan: Sie seyen von dem Königl. Frantzösichen Lieutenant General / Herrn Marquis d’Huxelles hierher geschickt / der begehrte im Namen deß Königs / daß die Stadt sich in desselben Protection oder Schutz ergeben / und gutwillig Völcker einnehmen solte / mit versprechen / sie solte wie andere Ihrer Majestät Unterthanen / mit Gelindigkeit gehandelt / und bey ungeschwächter Niessung aller ihrer alten Gnaden / Freyheiten / Rechten und Gewohnheiten / so wohl in Religions- als in weltlichen Sachen / gehandhabet werden. Widrigenfalls aber / und da sie sich widersetzen wolte / würde man sie mit Gewalt angreiffen / und allerley Feindseligkeiten / nach der äussersten Schärffe verüben / auch viel ärger / weder mit denen zu Neustatt / die es zu ihrem grossen Unglück auf den Gewalt hätten ankommen lassen / allhier verfahren. Sagten endlich / man solte in einer halben Stund ihnen mit sattem Bescheid begegnen / dann länger Bedenck-Zeit hätten sie nicht zu geben.

E. E. Raht hat dagegen eingewendet / es könte seines Teils in dieser hochwichtigen Vorfallenheit kein Schluß gestattet werden / man habe dann zuvor mit dem Kayserl. Camer-Gericht / und andern in der Stadt wohnhafften Obrigkeiten / daraus sich unterredet; darzu aber sey die bestunte Zeit viel zu kurz. Die Frantzösische sagten hinwider: Sie meynten es gut mit der Stadt / baten darum sehr / man wolte durch langen Auffschub / sich selbsten / sampt Weib und Kind / Haabe und Gut / in Unglück und Verderben ja nicht stürtzen. Dan es seye Mr. d’Huxelles bereits auf dem Wege hierherwärts / und wann der bey seiner Ankunfft / die Stadt geschlosen finde / so werde er gewißlich von Stund an Sturm laufen / die Stadt mit Gewalt einnehmen / und hernach keinen Vertrag weiters statt finden lassen.

Nächst denne mutheten sie dem Raht zu / das Kayserl. Cammer-Gericht / die Bischoffliche Regierung und die Cleristen alsobald in die Raht-Stube herfordern zu lassen / dann mit denselben hatten sie auf gleichmässigen Schlag auch zu reden. Als sie aber vernomen / daß dem Raht nicht zustünde / selbige zu beruffen / und man nochmahl widerholet / daß ohne vorangegangene Beredung mit denselben kein Schluß geschöpffet werden könte: seynd sie fortgegangen / um bey dem Kayserl. Cammer-Gericht und denen übrigen / angehörigen Orten / ihren Befehl gleicher gestalt außzurichten.

 

Nach ihrem Abtritt / wurde in gehaltener Umfrage für gut befunden / dem Cammer-Gerichts-Collegio und vorher benanten / fürzuschlagen / daß mit gesamter Hand eine Abordnung an den General, um Abbittung der begehrten Ubergab / gethan werden möchte / welche dann der Hr. Cammer-Präsident / Freyherr von Dahlberg / und etliche Herren Beysitzere / so zur Stelle waren / mit denen man zu erst davon geredet / sich wohl gefallen lassen / da hochgedachter Hr. Präsident sich erkläret / daß er selbsten mitgehen wolte.

Es haben dieselben eröffnet / daß ihnen nicht allein / wegen Annahm deß Königl. Schutzes / ebenmässiger Vortrag geschehen / sondern auch in deß Königs Namen anbefohlen worden seye / die Gerichts-Acta nicht mehr anzurühren / und deren fürhin müssig zu gehen / sintemahl der König allhier / als in seiner Souverainität / wegen des Justitz-Wesens / andere Anstalt machen würde. Wan sie verlangten / auch Haab und Güter / völlige Sicherheit haben / die in der Stadt verbleibende auch dabey geschützet / und andern / welche nicht Lust hätten / da zu bleiben / freyer Abzug gegeben; Im widrigen fall aber / wann sie deß Königs Protection sich nicht untergeben solten / sie ins geamt zu Kriegs-Gefangenen gemachet / und als solche gehandelt werden.

Indeme hierauf deß Rahts Geordnete weggehen wollen / um der Hoch-Fürstlich-Bischofflich-Speyrischen Regierung / wie auch der Cleristen / den beisherigen Verlauff zu wissen zu thun / und deren Meynung darüber zu vernehmen / kame ein Bischöfflicher Hof-Raht eylig herzu / erzehlete / es seye der Bischofflichen Regierung / und dem DomStift / anstatt der gesamten Cleristen auch zugemuthet worden / unter deß Königs Schutz sich zu ergeben / und hätten die Frantzösische Bediente darneben gesagt / die Stadt habe sich darzu bereits erkläret. Nachdeme aber deß Collegii und der Stadt Gedancken / wegen der Abordnung / auch mithin verstanden / daß die Stadt noch keine Erklärung von sich gegeben / sondern die Frantzös. Bediente solches Gedicht arglistig gebrauchet / um sie zu hindergehen / ist er seinen Weg schnell zurück gegangen.

Bald hernach aber erschienen die Frantzösischen Bedienten wiederum auf dem Vor-Gemach bey der Cammer-Gerichts-Audientz-Stuben /denen der Bischoffliche Herr Cantzley-Director und Rähte / wie auch zween Herren Dom-Capitularen stracks gefolget / also daß besagtes Vor-Gemach / von allerseits Deputirten / und vielen andern Leuten / welche sich dahin versamlet / guten Teils angefüllet gewesen und trungen die Königische starck auf einen satten endlichen Bescheid.

Wiewohl nun bey denselben um sicheres Geleit vor die Herren Abgeordnete an den General inständig angesuchet worden / schlugen sie es doch glatt ab / mit hoher Betheuerung / wann jemand aus der Stadt vor dem General sich sehen lassen solt / ehe dann alles richtig seye / würde er ihn niderstechen lassen / und solte man nicht daran zweiffeln / wo der General die Stadt-Thor geschlossen fünde / daß er alsobald stürmen lassen / und folgends die Stadt preiß geben würde.

Dessen allen ungeachtet / bliebe der Herr Camer-Gerichts-Praesident bey seiner Meynung / dem General entgegen zu reisen / so ferne andere Deputirte mitgehen wolten: Es thäten auch der Stadt Geordnete die Erklärung / daß dem Herrn General das Stadt-Thor unversperrt sey solte. Die Königische aber hatten daran kein genügen / sondern meldete Bellecroix, wo man ihm die Schlüssel der STadt nicht an dem Thor liefferte / würde er das Unterlassen vor eine Feindseligkeit aufnehmen / und darum die Stadt preiß machen.

Wie nun hierüber wiederum viel Reden hin und her gewechselt worden / ruffe endlich Bellecroix: Es seye anfanglich bestimte Bedenck-Zeit schon vielfältig verflossen / und könten sie nicht länger warten / weilen der General allhier zu Mittage essen wolte. Begehrte er deßwegen von allen Theilen zu vernehmen / ob sie sich / vorgeschlagener Massen / unter seines Königs Gewalt ergeben wolten / oder nicht? wendete sich damit gegen dem Herrn Camer-Praesidenten / welcher / nachdeme er vorher die gegenwärtige Herren Beysitzer angesehen / mit Ja geantwortet / und darauf dem Bellecroix, seinen Begehren nach / in die Hand geschlagen / deßgleichen die Bischoffliche Herren Rähte und Herren Dohm-Capitularen nachgehendes auch gethan haben. Der Stadt Geordnete aber / als die keinen Befehl gehabt / eine gewisse Erklärung zugeben / seynd der Raht-stube / in der Nähe / etwa 40 Schritte von dannen / zugeeilet / um daselbsten den Verlauf zu hinterbringen / und im weggehen von den Königischen ermahnet worden / es solte die Stadt sich eiligst entschliessen; dann nunmehr das Werck an dem Stadt-Raht stünde / und alle Verantwortung auf ihn allein kommen würde / im Fall Gewalt angewendet werden müste.

Nachdeme dann vor menschlichen Augen kein Mittel erschinen / die Stadt diesesmahl in freyem Stand zu erhalten / als welche / wie Reichs-kundig / weder befestigt / noch mit Besatzung / und andern zur Gegenwehr und Beschützung eines Platzes gehörigen Notdurfften versehen gewesen: so hat der Raht anders nicht gekönt / dann seine Erklärung auch dahin zu ertheilen / daß er in deß Königs Protection, auf die Weise und mit dem Gedinge / wie deß Bellecroix anfänglicher Vortrag gelautet / sich ergeben haben wolte. Warneben man / auf desselben ungestümes Anhalten / bestellen müssen / dem d’Huxelles die Schlüssel zur Stadt vor das Kreutz-Tho entgegen zu tragen, welches durch etliche aus deß Rahts Mittel Nachmittage zwischen zwölf und ein Uhren / mit betrübtenm Gemüthe verrichtet worden ist.

Bey Empfang solcher Schlüssel / hat d’Huxelles deß Rahts Angehörigen geantwortet; was er durch Bellecroix, im Namen des Königs habe versprechen lassen / das solte gehalten werden; Der Herr Marcheal de Duras würde sein Wort bestättigen: Selbigen wolte er der Stadt Abgeordnete vorstellen; die solten am zweyten Tag hernacah / zu solchem Ende / in Haupt-Quartier bey Mechtersheim zu ihme kommen. Worauf er mit 14. Fahnen zu Pferde / von den Regimentern de Rohan und de Florensac in die Stadt eingezogen ist.

Unlängst hernach hat er einen Evangelischen Stadt-Pfarrer ins Würts-Haus zu sich beruffen lassen / und deme die Versicherung gegeben / daß ihme / und seinen Mit-Brüdern / in Verrichtung ihres Kirchen-Amts / und Versehung des Gottes-Dienstes / kein Eintrag oder Hinterrung geschehen solte; inmassen er es der Stadt Abgeordneten schon auch gesagt hätte. Folgendes ist eine Wacht ans Thor deß Raht-Hauses gestellet / und dadurch so wol dem Kayserlichen Camer-Gerichte / als dem Stadt-Raht der Eingang zu ihren Raht-Stuben / und andern Zimmer versperret worden.

Am Abend dieses ersten Tages / ist ein Ungewitter / welches sich in der Lufft / bald nach der Frantzosen Einzug / über der Stadt zusammen gezogen / in so entsetzliches Donnern / Blitzen und Schlag-Regen außgebrochen / daß gleich damahl viel Leute die betrübte Muhtmassung geschöpffet haben / es dörffte solches schröckliche Wetter eine Bedeutung grossen Unglücks und Jammers auf sich tragen: Welcher Wahn auch durch den leydigen Außgang beähret worden.

Auf Mittwoch den 19. herbstmondes / seynd 8. Fahnen Dragoner / von Gramontischen Regiment / in die Stadt gekommen / und bey der Bürgerschafft eingeleget worden: Hergegen am folgenden Tag obgedachte 14. Fahnen Reuterey wiederum außgezogen / und ins Lager bey Mechtersheim gegangen.

Der offt gedachte Bellecroix hat hierzwischen sich angemasset / dem Raht die unverschämte Zumuthung zu thun / daß man ihme / wegen seiner gehabten Mühewaltung (nemlich die Stadt auffzufordern und sich zum ersten Werckzeug ihrer Unterdruckung gebrauchen zu lassen /) mit einer Vergeltung bedencken solte: da er dann vorgeschlagen / man solte ihme / als einem Commandeur deß Ordens Sancti Lazari von Jerusalem / die Nutzung des Gut-Leut- oder Sonder-Siechen-Hauses überlassen / und von Stund an Versicherung darüber geben; dann es dörffte der Raht noch von mehrern darum angesprochen werden: Er verhoffte aber / man werde ihme den Vortheil vor einem anderen gönnen / weilen er der Stadt (oblauts) auch gedienet hätte / und noch weiter / sonderlich bey Monclar, dienen könte und wolte. Die Stadt würde doch das Gut-Leut-Hauß unter ihrer Hand nicht behalten / dann es seye dasselbe / wie alle dergleichen in deß Königs Ober-Bottmässigkeit liegende Häusere / obbesagtem Orden verfangen / Krafft deßwegen hiebevor außgegangener Königl. Gebote und Verordnungen.

Es hat auch Bellecroix nicht geruhet / biß man ihme sein Begehren / welches in damahliger ersten Bestürtzung nicht erwogen werden können / verwilliget / und einen Ubergabs-Schein / den er selbsten vorgeschrieben / zugestellet hatte. Wiewol man sich nach der Hand / als er solchen Schein umgeschrieben / und die Uberlassung auff den gesamten Orden eingerichtet haben wollen / eines bessern bedacht / und ihne dahin beantwortet; wann es hinkünfftig geschehen solte / daß die Stadt dem König) wie er gleich im Anfang vorgegeben) huldigen müste / so wolte man thun / wie er verlanget.

Er hat es aber dabey nicht bewenden / sondern eine geraume Zeit hernach / der Stadt / durch einen Königl. Gerichts-Botten von Landau / eine schrifftliche Ladung verkünden lassen / inhalts derselben auffbestunten Tag vor der Grande Chambre zu Pariß zu erscheinen / um zu sehen / daß sie verdammet werde / besagtem Orden den Besitz des Gut-Leuth-Hauses abzutretten / und alle von (gewissen) vielen Jahren zurück eingehobene Nutzungen gut zu thun. Alleine / wie man damahl keine Zeit gehabt / Gerichts-Händeln abzuwarten / auch an sich selbsten die Ladung nichts geachtet; also hat der Raht die angesetzte Erscheinungs-Frist gerne verstreichen lassen / und ist fürters der Sache nicht mehr gedacht worden / ohne / daß ein Parisischer Zungen-Drecher / vermuthlich aus Anstifftung des Bellecroix, dem Raht seine Dienste bei der Grande Chambre durch Schreiben angebotten: den man aber eine Antwort nicht würdig geachtet hat.

Freytags den 21. Herbstmondes / seynd der Stadt Abgeordnete / am Rand des Rheins / eine halbe Stunde oberhalb der Philipsburger Schantze / den Herrn Marechal de Duras von oftgemeltetem Marquis D’Huxelles vorgestellet worden: Er redete gleich vorher mit dem Chur-Fürstlich-Trierischen Stadthaltern deß Stifts Speyr / welchemer die Versicherung gethan / daß alles bey Einnehmung der Stadt versprochene gehalten werden solte / und sprache mit wenigen Worten zu der Stadt Abgeordneten: Was er itzund dem Herrn Stadthaltern gesagt / das sage er ihnen auch. Man solte mit des Königs Völckern wolleben / und sie in der Stadt ihre Nohtdurfft um Geld einkauffen lassen. Meldete dabey / man sey den eingelegten Dragonern / ausser Herberge und Brods / nichts schuldig; das übrige müsten sie sich um ihren Sold schaffen.

Sonntags den 23. hat das kayserl. Cammer-Gerichts-Collegium bey dem Marechal de Duras im Lager einen Befehl außgewürcket / daß die vor der Raht-Hoff gestellte Macht abgeführet werden solte / sodann auch den 24. geschehen; an welchem Tag nicht allein gewöhnlicher Rahtgang / sondern auch Nachmittage offentliche Audienz gehalten worden ist.

Nachdeme der Königliche Daufin in Franckreich Mittwochs den 26. im Läger vor Philipsburg angelanget / hat der Raht zu Speyr am zehenden Tag hernach / war der 5. Winmondes / seine Abgeordneten gen Oberhaussen ins Haupt-Quartier geschickt / um demselben die Stadt auffs beste unterthänigst zu befehlen. Ihre Königl. Hoheit haben auffgethanen Vortrag (welcher gar kurtz seyn müssen / nach deß Herrn Hertzogen de Beauvilliers Anweisung / der vorher gesaget / vous ne lui ferés point de harangue) mit wenigem geantwortet; Wann die Stadt ihre Schuldigkeit wohl thäte / könte sie sich seines Schutzes allezeit versichert halten.

Am Dienstage / den 9. Weinmondes / hat der zu Speyr anwesende Kriegs-Commissarius La Serre, ein toller Gesell und feindseliger harter Verfolger aller Inwohner / das Kayserliche Cammer-Gericht / durch Versigelung beeder Raht-Stuben / der Leserey und der Gewölbe / wo Brieffschaften gestanden / auffs neue verschlossen; und ist wiederum eine Wacht in den Raht-Hoff geordnet worden; bey welchem GEschäffte er diese Hohn-Reden außgestossen / Er habe den Herrn von Brandenburg / die Herren von Braunschweig / und den Herrn von Cassel zugesigelt. J’ai mis le feel á Monsieur de Brandebourg & c. Als unterdesen ein Söldner von Nürnberg / welcher bey einem Consulenten selbiger Stadt sich dieser Zeit zu Speyr auffhielte / in den Rath-Hoff gegangen / um zu sehen / was allda gehandelt würde? Ist er von der Wacht tödlich geschossen / und also deß Gerichts endlicher Zuschluß mit Vergiessung unschuldigen teutschen Bluts desto denckwürdiger gemacht worden.

 

Dieweil sonsten durch erstgemeldete Wacht auch dem Raht und dessen Angehörigen / der Zugang in der Raht-Stube / Cantzley / Rechen-Cammer / Schooß-Stube und zugehörige Gewölbe verleget worden / hat man sich bemühet / dessen Abstellung auszubitten / und deswegen nachher Hof geschrieben / nachmahl auch den Intendanten de la Grange so vielfältig darum behälliget / biß er endlich in den Raht-Hoff gegangen / und die Gelegenheit selbsten besichtiget: alleine / da er befunden / daß des Cammer-Gerichts und der Stadt Raht-Stuben / Cantzleyen / und andere Zimmer / in einem Gebäu aneinander stossend / und unter einem Dach begriffen seyen: hat solches ihme zum Vorwand dienen müssen / dem Raht sein Begehren abzuschlagen. Aber dessen wahrhaffte Ursache ist folgende Zeit an den Tag gekommen.

Mittwochs den 22. Weinmondes / ist die Vöstung Philipsburg / mittels Abzug der Kayserlichen Besatzung / denen Frantzosen völlig eingeraumet worden.

Montags den 5. Wintermondes / haben die in Speyer gelegene Dragoner vom Gramontischen Regiment ihren Abschied / und den Weg nachher Heidelberg / in ihr bestimmtes Winter-Läger / genommen.

Dienstags / den 6. Wintermondes / ist der General de Monclar mit allen seinen Leuten und Plunder / aus dem lager vor Franckenthal zu Speyer angekommen / und hat seine Wohnung in dem Bischöfflichen Hauß / die Pfalz genant / genomen. An eben diesem Tage seynd auch die Bischöffliche Weine vor confiscirt erkläret worden.

Mittwochs / den 7. Wintermondes / als man vernommen / daß der Königliche Dauphin nächster Tagen zurück in Franckreich reisen würde / hat der Raht demselben durch seine Abgeordnete noch einmal unterthänigst auffwarten / und die Stadt zu Gnaden befehlen lassen. Seine Hoheit haben bezeugt / daß es Ihro wohl gefallen / und der Stadt ihre Protection wiederum versprochen.

An itztgemeldetem Mittwoch / haben etliche Speyerische Fischer und Schiff-Leute / laut ihrer Gerichtlichen Aussage / bey dem Dorff Ketsch / im Rhein / einen ungeheuren Wunder-Fisch gesehen / und dafür halten wollen / er gehöre unter eine Gattung der Wall-Fische / weilen er viel Wassers in die Höhe gesprützet hatte. Dem Bericht nach / ist er im Strohm geschwinder weggeschwommen / als ein gutes Pferdhätte lauffen können; und hat das Wasser so hefftig beweget / als ob ein starcker Wind gegangen wäre.

Sambstags / den 10. Wintermondes / gienge Monclar von Speyer weg über Rhein / des Weges nacher Heilbronn zu: liesse vorher ein Verbott anlegen / daß keine Cameralische Gütere aus der Stadt gelassen werden solten / ungeachtet / daß der Herr Marechal de Duras des Kayserl. Cammer-Gerichts Angehörigen / zu ihrem Abzug über Rhein / vollständige Paß-Briefe ertheilet hatte. Er mußte aber solches Verbott bald wieder fallen lassen.

Sambstags / den 17. ist ein Battaillion des Regiments de Jarcé, (vor Zeiten Hamilton genannt) in 16 Fähnlein Fuß-Volcks bestehend / von Franckenthal her / zu Speyer eingezogen / um daselbsten im Winter-Quartier zu verbleiben. Der Obriste war lange zuvor in der Stadt angekommen / um sich heilen zu lassen; dann er in der Belägerung vor Philipsburg / durch einen Schuß die rechte hand verlohren hatte.

Besagte 16. Fähnlein Volcks seynd von stund an / aus Befehl und mit Zutuhn des Commissarii, grösten theils bey der Bürgerschafft eingelegt worden: Das Kayserl. Cammer-Gericht aber / so dann die Bischoffliche und der Geistlichkeit weltliche Bediente haben auch ihre gewisse Theile an Befehlshabern und Gemeinen übernommen / und unter sich umgeleget.

Der Königliche Befehl / welches dieses Volck mitgebracht / hat also gelautet:

De par le Roy.

Sa Majesté ordonne au Regiment d’Infantrie de Jarcé, de S’acheminet à Spire, ou il demeurera jusques à nouuel ordre, i vivan en pajant, & en bonne discipline & police, mande & ordonne Sa Majesté à celuy, qui commande pour son service à Spire, d’i recevoir & faire loger ledit Regiment & de tenir la main à ce que les vivres necessaires luy sojent fournis, en pajant de gré à grè, Fait à Fontainebleau, ce 4. Novembre, 1688.

Louis. Le Tellier

Montags / den 19. Wintermondes hat der Königliche Amtmann zu Weissenburg / Menweeg / bey Raht der Stadt Speyer die Anzeig gethan / daß er von dem Intendanten Befehl empfangen / die die versiegelte Camer-Gerichts-Stuben und Gewölbe zu eröffnen / die in der Leserey befindliche Gelder zu erheben / und die Gerichts-Acta einpacken zu lassen: Begehrte demnach / der Raht solte ihme / zu Abzählung der Gelder / etliche seines Mittels zuordnen: Welches dann mit des Rahts grossen Wehleyden / geschehen müssen. Man hat aber von Stunde an / den nächst dabey wohnenden Leser wissen lassen / was vorgehen: der dan in der Leserey sich alsobald eingefunden; gleich nach ihme der Herr Reichs-Fiscalis auch gethan hat.

Sonntags / den 25. und Freytags den 30. Wintermondes / seynd zween Fahnen Reutery / von dem Regiment de Crillon, zu Speyr eingezogen / welche bey den Bürgern umgeleget / und auf den Fuß des Winter-Quartiers auch verpfleget werden müssen / zu Folge des Monclars Befehl / der also gelautet: Que ces deux Compagnies demeureront à Spire, jusques à nouuel ordre, & y vivront conformement aux reglemens du Roy.

Zu Ende dieses Wintermondes ist die Königliche Verordnung / wie die Völcker in den Winter-Quartieren zu verpflegen / angekommen. Diese war ausgegangen zu Versailles den 22. Wintermond: und führte mit sich / daß einem jeglichen Fuß-Knecht und Rottmeister von seinem Wirth / täglich ein Pfund Ochsen- oder Kuh-Fleisch gereichet / und an Fast-Tagen vor solches Fleisch 3. Kreutzer bezahlt werden: Der Hauptmann aber 6. Pfund Fleisch / oder 18. Kreutzer / der Unter-Hauptmann 4. Pfund / oder 12. Kreutzer / und der Fähndrich 3. Pfund / oder 9. Kreutzer / nach eines jeglichen Wahl zu geniessen haben solte.

Nach Empfang sothaner Verordnung / haben der Obriste Jarcé, der Obrist Lieutenan L’hullier, und übrige Officiers gesuchet / daß man dem Regiment / vor die ersten 14. Tage seines hiesigen Auffenthalts / vom 17. dieses anzurechnen / das Fleiscch oder den Wehrt darfür nachtragen solte. Wargegen der Raht sowohl / von wegen der Bürgerschafft / als übrige mit dem Winter-Quartier beschwehrte Inwohner der Stadt / eingewendet / daß ihr Begehren umbillich seye / weilen sich wenig Officiers und gemeine Soldaten finden würden / welche nicht die ersten vierzehen Tage über / mit ihren Würthen gegessen / und weit mehr genossen hätten / als das Fleisch wehrt gewesen.

Es konte aber diese Einrede / so gültig sie auch in sich selbsten gewesen / kein Gehör finden; sondern gedachter Obrist-Lieutenant, um seinen Vorsatz mit Gewalt zu erzwingen / hat Sambstags den 1. Christmondes / um 10. Uhr Vormittags / die damahl auff der so genannten Neuen Stuben gewesene Bürgermeistere / Syndicum, Rahts-Verwandte und Cantzley-Bedienten / zusamen eingesperrt / eine Wacht vor das Zimmer gestellt / und anfangs nicht gestatten wollen / daß man ihnen Speiß und Tranck zutragen solte.

Hieselbsten nun seynd sie biß auf den Abend nachfolgenden Sontags in Hafft enthalten / und mittels dessen wieder erlassen worden / daß die Stadt vor ihrem Antheil solches Fleisch-Nachtrags / auf achthalb hundert Gulden zusammen bringen / und bey dem Bischofflichen Herrn Statthaltern hinterlegen müssen: allwo dieses Geld so lange bleiben sollen / biß von Hof ein Entscheid über dieser strittigen Frage eingelanget seyn würde; Der eine geraume Zeit hernach dahin verfolget / daß dem Regiment nur die Helffte des Fleisches gut gethan werden sollte.