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Deutsche Humoristen, Zweiter Band

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Wohlauf denn!« sagte ich, »so haben wir heute Nacht gute Gesellschaft. Ich hätte den Kerl lange gern einmal gesehen, um seinen Jagdzug recht natürlich in einem Feuerwerke darstellen zu können.« Mein Weib Marinina aber, welche, um ja nichts zu versäumen, alles miteinander glaubte, machte ein saures Gesicht zu der Herberge. Das konnte aber nichts helfen, wir mußten den Weg wählen; er war ganz entlegen und sicher und ein Schleichweg der Kontrebandiers, mit welchen Martino einige Bekanntschaft hatte.

Die Nacht brach herein, es nahte ein Gewitter, und wir mußten uns auf den Weg machen. Martino machte unsere Wanderschaft etwas lustiger, er übergab meiner Marinina die Schnepfen und sagte: »Rupft sie unterwegs, damit wir in der Herberge dem wilden Jäger bald einen Braten vorsetzen können.« Und nun marschierte er mit tausend Späßen in seinem tollen Habit wie ein vazierender Waldteufel voraus. Ich folgte ihm auf dem schmalen Waldpfad und hatte meinen halben Daumen, der mich nicht wenig schmerzte, meistens in dem Mund, und hinter mir zog – daß Gott erbarm! – meine selige Marinina und rupfte die Schnepfen unter Singen und Beten. Über der rechten Hüfte war ihr ein ziemliches Loch in den Rock gebrannt, und sie schämte sich vorauszugehen, daß Martino, der seinen Witz in allen Nestern auszubrüten pflegte, an ihrer Blöße nicht Ärgernis nehmen möchte. Der Weg war steil, unheimlich und beschwerlich; der Sturm sauste durch den Wald, es blitzte in der Ferne, Marinina schlug ein Kreuz über das andere. Aber die Müdigkeit vertrieb ihre Furcht vor dem wilden Jäger immer mehr, von welchem Martino die tollsten Geschichten vorbrachte. »Es ist gut,« sagte er, »daß wir selbst Proviant bei uns haben; denn, wenn wir mit ihm essen müßten, dürften wir leicht mit dem Schenkel eines Gehängten oder mit einem unmarinierten Pferdekopf bewirtet werden. Fasset Mut, Frau Marinina, schaut mich nur an, ärger kann er nicht aussehen!« Unter solchen Gesprächen hatten wir die Gebirgshöhe erstiegen und waren ein ziemliches Stück Wegs in den wilden finsteren Wald geschritten, da hörten wir ein abscheuliches Katzengeheul, und kamen bald an eine Hütte mit Stroh und Reisern gedeckt; alte Lumpen hingen auf dem Zaun, und an einer Stange war ein großes Stachelschwein über der Tür herausgesteckt als Schild. »Da sind wir,« sagte Martino, »wie glaubt Ihr, daß dies vornehme Gasthaus heiße?« »Zum Stachelschwein!« sagte ich. »Nein!« erwiderte Martino, »es hat mehrere Namen. Einige nennen es des Teufels Zahnbürste, andere des Teufels Pelzmütze, andere gar seinen Hosenknopf.« Wir lachten über die närrischen Namen. Die Katze saß vor der Tür auf einem zerbrochenen Hühnerkorb, machte einen Buckel gegen uns und ein Paar feurige Augen und hörte nicht auf zu solfeggieren. In dem Hause aber rumpelte es wie in einem Raspelhause und leeren Magen. Nun schlug Martino mit der Faust gegen die Tür und schrie: »Holla, Frau Susanne, für Geld und gute Worte Einlaß und Herberge; Eure Katze will auch hinein.« Da krähte eine Stimme heraus: »Wer seid Ihr Schalksknechte zu nachtschlafender Zeit?« und Martino, der in Reimen wie ein Improvisator schwatzen konnte, schrie: »Ich bin ja der Rechte und komme von weit!« Nun keifte die Stimme wieder: »Wenn die Katze nicht draußen wär', ich ließ Euch nimmermehr ein!« Und Martino sagte: »Ihr denket so zärtlich ungefähr wie Euer Schild, das Stachelschwein.« Marinina war in tausend Ängsten; sie bat immer den Martino, die alte Wirtin nicht zu schelten, sie sei gewiß eine Hexe und werde uns nichts Gutes antun. Da ging die Tür auf, ein schwarzbraunes, zerlumptes, sonst glattes und hübsches Mägdlein, glänzend und schlank wie ein brauner Aal, leuchtete uns aus der Küche mit einer Kienfackel ins Gesicht, und war nicht wenig erschrocken, als Martino in seinem wilden Aufzug ihr rasch entgegenschritt und, indem er drängend sie verhinderte, die Tür wieder zuzuschlagen, ihr sagte: »Brauner Schatz, mach' uns Platz! Menschen sind wir, schönes Kind; hier hast zum Zeichen diesen Schmatz!« und somit küßte er sie herzlich; wir drangen indessen hinein. Die kleine Braune aber sagte: »Und wenn Du auch nicht der Satan selbst bist, so könnt Ihr heute hier doch nicht bleiben; meine Großmutter ist sehr brummig, sie fürchtet, das Waldgespenst komme heute Nacht, und da nimmt sie keine Gäste, um die Herberge nicht in bösen Ruf zu bringen; unsere Kammer, wo wir schlafen, ist eng, und sie rückt schon alten Hausrat vor ihr Bett, um das Gespenst nicht zu sehen, welches oft quer durch unsere Hütte zieht.« Martino aber erwiderte: »Eben in dieser Kammer wollen wir schlafen, und eben dieses Waldgespenst wollen wir mit gebratenen Schnepfen bewirten; wir sind des wilden Jägers Küchengesinde!« Und somit packte er ein Bund Stroh auf, das in der Ecke lag, und marschierte in die Kammer; wir kamen nach, trotz aller Zeremonien, welche die nußbraune Jungfer machen wollte.

Es war gar keine alte Großmutter in der Hütte; das Mädchen log uns etwas vor. Martino breitete das Stroh an die Erde, und Marinina, furchtsam und müde, legte sich gleich, mit dem Gesicht, über das sie noch ihre Schürze deckte, gegen die Wand gekehrt, nieder und rührte sich nicht. Martino begab sich mit den Schnepfen wieder in die Küche, in welcher die braune Jungfer schmollend und brummend zurückgeblieben war, und ich sah mich einstweilen in der Stube um. Eine Kienfackel brannte in der Mitte; sie war in einen Kürbis festgesteckt, der neben schmutzigen Spielkarten auf einem breiten Eichstumpfe lag, welcher als Tisch und Hackstock diente, und fest genug stand, denn er steckte noch mit allen seinen Wurzeln in der Erde, welche ungedielt der ganzen Hütte ihren Grund und Boden gab. Ein paar Bretter, auf eingepfählte Stöcke befestigt, waren die unbeweglichen Sitze. Die Wände bestanden aus Flechtwerk, mit Lehm und Erde verstrichen, und einzelne hereinragende Äste bildeten mancherlei Wandhaken, an denen zerlöcherte Körbe, Lumpen, Zwiebelbündel, Hasen-, Hunde-, Katzen- und Dachsfelle hingen, auch einige zerbrochene Garten-Werkzeuge. Auf einem derselben aber saß ein gräuliches Tier, eine ungeheure Ohreule, welche gegen die Kienfackel mit den Augen blinzte und sich in die Schultern warf, wie ein alter Professor, der soeben den Theriak erfunden hat. In einem ausgebauten Winkel der Stube lag auf zwei Baumstücken die Bettstelle der Großmutter, die sehr dauerhaft in einer ausgehöhlten Eiche bestand, an der die Rinde noch saß. Sonst war das Bett wohl bedacht, denn seine schmutzigen Federkissen lagen so hoch aufgebauscht, daß die niedere Hüttendecke, aus der das Stroh herabhing, weder hoch noch hart gefallen wäre, wenn sie einstürzte; aber, sich noch zu besinnen, schien sie unentschlossen hin und her zu schwanken. Der Hausrat, von welchem das Mädchen gelogen hatte, daß die Großmutter ihn vor das Bett rücke, bestand in einer zerbrochenen Tür und einer alten Tonne, mit welcher wahrscheinlich der Lärm gemacht worden war, den wir in der Hütte hörten. Sie waren beide vor den Bett-Trog der Großmutter gerückt. Außer allem diesen sah man nichts als eine sehr baufällige Leiter, die an einem Loch in der Ecke lehnte, durch welches ich einige Hühner oben gackern hörte, die das Geräusch unserer Ankunft erweckt hatte; die Katze nicht zu vergessen, welche auf einer alten Trommel hinter der Tür schlief. Eine Geige, ein Triangel und ein Tamburin hingen an der Wand, und neben ihnen ein zerrissener bunter tiroler Teppich. Ich hatte kaum alle diese Herrlichkeiten betrachtet, als Martino hereintrat und zu mir sagte: »Meister, ich habe alle Schwierigkeiten geebnet und weiß, wo wir sind. Wir hausen bei einer alten Zigeunerin, welche außer ihren Privatgeschäften, der Wahrsagerei, Hexerei, Dieberei, Viehdoktorei, auch eine Hehlerin der Kontrebandiers macht. Die Kleine draußen ist ihr Tochterkind, das auf der hohen Schule bei ihr ist, und der Großmutter Tod abwarten soll, um hinter einen Topf voll Gold zu kommen, von dem sie immer spricht, ohne doch je zu sagen, wo sie ihn hin versteckt hat. Das hat mir das Mädchen alles anvertraut. Ich habe ihr Herzchen gerührt, sie ist kirre wie ein Zeisig, und wenn wir wollen, läßt sie die Großmutter und den Goldtopf im Stich, läuft morgen mit uns und verdient uns das Brot mit Purzelbäumen, deren sie ganz wunderbare schlagen kann. Für all dies Vertrauen habe ich ihr versprechen müssen, zu glauben, daß der wilde Jäger heute Nacht wirklich durch die Hütte zieht, wir sollen uns nur um Gotteswillen ruhig halten. Die Großmutter wird in kurzer Zeit zurückkommen; sie ist mit Lebensmitteln zu einem Zuge Schleichhändler gegangen, der über das Gebirge zieht. Der wilde Jäger, sagt sie, treibe um Mitternacht durch die Stube, und wenn wir uns ruhig hielten, werde er uns kein Haar krümmen, sonst aber riskierten wir Leib und Leben. Ich denke aber, wir wollen es mit ihm versuchen.« Nun legte er meinen Prügel und seinen Dreizack neben uns auf das Stroh nieder und fuhr fort: »Es ist beinahe elf Uhr, die Kleine hat es an der Sanduhr gesehen; die Schnepfen weiß sie nicht am Spieße zu braten, sie hat sie mit Zwiebeln gefüllt in einen Topf gesteckt, und wenn wir die Schnepfensuppe gegessen, sollen wir das Fleisch mit Essig und Olivenöl als Salat verzehren; Wein muß hier in der Kammer ein Schlauch voll sein.« Da suchte Martino herum und fand unter einigen alten Brettern ein tiefes Loch in der Erde, das als Keller einen alten Dudelsack voll Wein enthielt. Er zog ihn heraus, wir setzten die zwei Pfeifen an den Mund und drückten den vollen Sack so zärtlich an das Herz, daß uns der süße Wein in die Kehle stieg. Nie hat ein Dudelsack so liebliche Musik gemacht. Wir labten uns herzlich. Ich weckte meine Marinina, und sie mußte auch eins drauf spielen. Dazu verzehrten wir unser Brot und einige Zwiebeln aus dem Vorrate, der an der Wand hing, und streckten uns, in der Erwartung des Weiteren, zur Ruhe auf das Stroh.

Marinina schlief fest ein. Ich betete mit Martino noch eine Litanei; dann legten wir uns neben unsere Waffen bequem, und Martino sagte: »Laßt uns nun ruhen; mir ist so rund und so wohl, daß mir das Blut in den Adern flimmert; wer den wilden Jäger zuerst sieht, stößt den andern, dann springen wir mit unsern Tröstern über ihn her und schlagen den Kerl zu Brei; ich habe noch einen Schwärmer in der Tasche, den will ich dem Schelm unter die Nase brennen.« Ich freute mich an seinem frischen Herzen; wir empfahlen uns dem Schutze des heiligen Markus und lauschten dem Schlaf entgegen, der uns den Rücken hinaufkroch und uns schon hinter den Ohren krabbelte. Nun ward alles mäuschenstill. Der Donner rollte fern, der Sturm hatte sich in den Waldwipfeln schlafen gelegt, die ihn mit leisem Rauschen einwiegten. Die Kienfackel knisterte, Grillen sangen, die Katze schnurrte auf der Trommel, welche, von dem Ton erschüttert, das ferne Donnern zu begleiten schien, Marinina pfiff durch die Nase, denn sie hatte sich einen Schnupfen geholt, in der Küche knackte das grüne Holz im Feuer, die Schnepfensuppe sauste im Topf, und unsere braune Köchin sang mit einer klaren und starken Stimme, wie ich noch keine Primadonna gehört, folgendes Lied:

 
 
»Mitidika! Mitidika!
Wien üng quatsch
Ba nu, Ba nu n'am tsche fatsch,
Waja, waja, Kur libu,
Ich bin ich, und du bist du;
Ich, spricht Stolz,
Du, spricht Lieb'!
Wer sich scheut vor Galgenholz,
Wird im grünen Wald zum Dieb.
 
 
Mitidika! Mitidika!
Wien üng quatsch.
Ba nu, ba nu n'am tsche fatsch,
Singt die Magd, so kocht der Brei,
Singt das Huhn so legt's ein Ei,
Er, spricht Schimpf,
Sie, spricht Fremd';
Fehlen mir gleich Schuh' und Strümpf',
Hab' ich doch ein buntes Hemd.
 
 
Mitidika! Mitidika!
Wien üng quatsch
Ba nu, ba nu n'am tsche fatsch,
Hör', was pocht dort an der Tür?
Draußen schrei'n sie nach Quartier.
Ist's der Er?
Ist's der Sie?
Mach' ich auf wohl nimmermehr,
Nur du Lieber, du schläfst hie.
 
 
Mitidika! Mitidika!
Wien üng quatsch
Ba nu, ba nu n'am tsche fatsch,
Waja, waja Kur libu,
In dem Topf hat's nimmer Ruh';
Saus und Braus,
'Rab und 'rauf',
Küchenteufel drinnen haus':
Daß es mir nicht überlauf'.««
 

Als der Feuerwerker den Anfang dieses Liedes: Mitidika! Mitidika! gesagt, nahm der Zigeuner Michaly seine Violine und sang es unter den lieblichsten Variationen der Gesellschaft vor: Alle dankten ihm, der Feuerwerker aber sagte: »Michaly, du sangst das nämliche Lied, wie die kleine Braune, und hast eine Ähnlichkeit mit ihr in der Stimme.« »Kann sein,« sagte Michaly lächelnd. »Aber erzähl' nur weiter, ich bin auf den wilden Jäger sehr begierig.« »Ich hob a a Schneid' uf den soakrische Schlankl,« sagte der Tiroler. Alle drangen auf die weitere Erzählung, und der Feuerwerker fuhr fort:

»Als die Kleine das Lied sang, ward sie von einem Schlage gegen die Tür unterbrochen: »Mitidika!« rief es draußen mit einer rauhen, heiseren Stimme. »Gleich, Großmutter!« antwortete sie, öffnete die Tür und erzählte ihr von den Gästen. Die Großmutter brummte allerlei, was ich nicht verstand, und trat sodann zu uns in die Stube. Ihr Schatten sah aus wie der Teufel, der sich über die Leiden der Verdammten bucklicht gelacht, und wäre er nicht vor ihr her in die Stube gefallen, um einen ein wenig vorzubereiten, ich hätte geglaubt, der Alp komme, mich zu würgen, als sie eintrat. Sie war von oben und rings herum eine Borste, ein Pelz und eine Quaste, und sah darin aus wie der Oberpriester der Stachelschweine. Sie ging nicht, lief nicht, hüpfte nicht, kroch nicht, schwebte nicht, sie rutschte, als hätte sie Rollen unter den Beinen, wie großer Herren Studierstühle. Wie die kleine flinke Braune hinter ihr drein und um sie her schlüpfte, um sie zu bedienen, dachte ich: So mag des Erzfeindes Großmutter aussehen, und die Schlange, ihre Kammerjungfer.

»Mache mir das Bett, Mitidika!« sagte sie, »und wenn ich ruhe, kannst du die Gäste besorgen.« Während das Mädchen die Kissen aufschüttelte, begann die Alte sich zu entkleiden, und ich weiß nicht zu sagen, ob ihre Kleidung oder ihr Bett aus mehreren Stücken bestand. Sie zog einen Schreckenswams, eine Schauderjacke und Zauberkapuze um die andere aus, und die ganze Wand, an der sie die Schalen aufhängte, ward eine Art Zeughaus. Ich dachte alle Augenblicke: noch eine Hülse herunter, so liegt ein bißchen Lung' und Leber an der Erde, das frißt die Katze auf, und die Großmutter ist all; keine Zwiebel häutet sich so oft. Bei jedem Kissen, welches die Kleine ins Bett legte und aufschüttelte, brummte die Alte und legte es anders, und befahl ihr dann, es ganz sein zu lassen und ihr ein Rauchbad zu geben: sie müsse in einen Ameisenhaufen getreten haben, das Gewitter mache alles Vieh lebendig. Da setzte sich die Alte auf die zerbrochene Leiter und hängte die tiroler Decke über sich, und die Junge zündete Kräuter unter ihr an und machte einen scheußlichen Qualm, den sie uns, da sie von neuem anfing, die Federbetten hin und her zu werfen, in dicken Wolken auf den Leib jagte, als gehörten wir auch zu den Ameisen, die vertrieben werden sollten.

Es sah ziemlich aus, als wenn man eine Hexe verbrennte oder einen ungeheuren Taschenkrebs räuchre, als die Alte so über dem Dampfe wie eine Mumie, in den bunten tiroler Teppich gehüllt, auf der Leiter saß.« – »Da sieht man, Wastl,« sprach der Zigeuner zu dem Tiroler, »wozu ihr die Teppiche fabriziert: um die Hexen darin zu räuchern.« »Potz Schlackri,« erwiderte Wastl, »wonns daine sakrische ziganerische Großmuetta is, so loß is poassira, i bin gawis, es möga a Legion Spodifankerl aus ihr raussi floga sein, un du bist a ains dervo.« Die Gesellschaft lachte über Wastls Antwort, und die Kammerjungfer, wie auch Lindpeindler, baten den Feuerwerker: er möge machen, daß die Alte ins Bett komme, die Schnepfen könnten übergar werden. »Ganz recht,« sagte Baciochi, »das meinte Martino auch, denn als der sie in der Decke zappeln sah, wie Hunde und Katzen, die in einen Sack gesteckt sind, und der Rauch zu dick zu werden begann, sprang er vom Stroh auf, trat vor die Alte hin und sagte: »Hochverehrte Frau Wirtin, ich versichere Euch im Namen Eurer Gäste, daß wir kein Rauchfleisch zu essen bestellt haben, und daß wir auch von keinem verpesteten Orte kommen, um eines so kostbaren Rauchkerzchens zu bedürfen; seid so gütig, dem Wohlgeruch ein Ende zu machen, wir müssen sonst mit all den Ameisen, die euch plagen, davon laufen.«

Da fing die Alte eine weitläufige Gegenrede an und sagte: »Schicksale und Verhältnisse haben mich so weit gebracht.« Martino aber nahm keine Vernunft an, packte die Alte mit beiden Händen, und warf sie von der Leiter in ihre Federbetten. Sie zappelte wie eine Meerspinne, aber er wälzte ein Federbett über sie, und sang ihr ein Wiegenlied mit so viel gutem Humor vor, indem er sie mit beiden Händen festhielt, daß sie endlich selbst mitlachte und sagte: »Nun, legt Euch nur wieder nieder, hätte ich doch nicht gedacht, heute von einem so lustigen Gesellen zu Bette gebracht zu werden. Mitidika, gib den Kavalieren zu essen!« und somit kriegte sie den Martino beim Kopf, und gab ihm unter großem Gelächter einen Kuß. »Profiziat!« sprach dieser, »schlaf wohl, du allerschönster Schatz!« und legte sich mit einem sauern Gesichte wieder neben mich.

»Gott sei Dank, Martino, daß sie weg ist!« flüsterte ich. »Hast du gewacht, Meister?« sprach der Schelm. »Leider Gottes!« erwiderte ich, »du hast ein Kunststück gemacht; sie raucht wie ein nasses Feuerwerk; für einen Hutmacher wäre sie ein sauberes Gestell, alle seine Mützen daran aufzuhängen, er brauchte keinen Nagel einzuschlagen.« »Ich werde mich wohl häuten müssen, da sie mich geküßt hat,« sagte Martino. »Warum?« fragte ich. »Ei,« entgegnete er, »ich werde sonst die Augen nie wieder zukriegen können und die Zähne immer blecken wie ein Mops; die Haut ist mir vor Schrecken zu kurz geworden.«

Unter diesen Scherzreden hörten wir die Alte einschnarchen. Mitidika ging ab und zu, und verbaute leise das Bett der Alten mit der Tonne und mit der Türe; die Küchentüre ließ sie auf, daß der Dampf hinaus zog. Dann zupfte sie den Martino bei den Haaren und flüsterte: »Komm hinaus, deine Schnepfen sind gar, ich habe die Brühe abgegossen, ich muß das Feuer löschen, die zwölfte Stunde naht, denn fährt der wilde Jäger mir durch das Feuer, steckt er uns die ganze Hütte an.«

Martino ging hinaus, und ich streckte den Kopf nach der Tür und hörte ihre Scherzreden. Mitidika sagte: »Ich habe dir deine Vögel trefflich gekocht und dir auch Kräuter an die Suppe getan, was gibst du mir nun?« – »Geben?« sagte Martino, »ich will dich mit der Münze bezahlen, welche hier zu gelten scheint, und in der mich deine Großmutter bezahlte; einen Kuß will ich dir geben.« »Das läßt sich hören,« erwiderte sie, »aber die Großmutter gab dir ein altes Schaustück, das kann ich nicht brauchen, die Münze ist verschlagen.« »Auch du bist verschlagen, Schelm!« erwiderte Martino, »ich will dir kleine Münze geben, wenn du herausgeben und wechseln kannst; wärst du nur nicht so schwarz!« »Und du nicht so weiß,« sagte sie. »Ich werde dir einen Schein geben, einen Wechsel schwarz auf weiß, aber gib mir keine Scheidemünze!« sagte sie. »Die kriegst du morgen früh beim Abschied,« erwiderte Martino, faßte sie beim Kopfe, küßte sie herzlich, und sagte: »Ich habe dich lieb und bleibe dir treu.« »Ei so lüge, daß du schwarz wirst!« sprach sie. »Dann wäre ich deinesgleichen und es könnte etwas daraus werden,« sprach Martino, und schenkte ihr eine Nadelbüchse von Elfenbein und Ebenholz, die er bei sich trug. Das Mädchen dankte und sprach: »Sieh, wie artig schwarz auf weiß zusammen aussehn; bleib bei uns, wenn die Alte stirbt, finden wir den Goldtopf und kontrebandieren.« »Ja, auf die Galeere!« sprach Martino. »Ich gehe mit auf die Galeere!« sagte sie; »pitsch, patsch! geht das Ruder, und ich singe dir dazu.« »Das wollen wir überlegen,« meinte Martino, »es ist eine zu glänzende Aussicht um Mitternacht.«

Da traten sie mit der Suppe und den Schnepfen herein, und stellten sie auf den Eichenblock. Die Suppe tranken wir aus dem Topf, ich wollte meine Marinina nicht wecken und ließ ihr Teil in die warme Asche setzen, die Vögel wollten wir morgen früh verzehren. Nun begann sich der Sturm in dem Walde wieder zu heben, und das Gewitter zog mit Macht heran. »Ach Gott!« sagte Mitidika, »lege dich nieder, Martino, und schlafe ein; hörst du das Wetter? Der Jäger bläst sein Horn, er wird gewiß bald kommen; lege dich nieder, gleich, gleich!« Dabei sah sie ängstlich in der Stube umher. »Nun, nun, was fehlt dir?« fragte Martino, und sie sagte: »Schlafen sollst du und das Angesicht von mir kehren, denn ich muß mich entkleiden und schlafen gehn, und das sollst du nicht sehen; ach, dreh dich um, Blanker!« »Bravo!« sagte Martino, »es freut mich, daß du so auf Zucht hältst, putze nur den Kien aus, bei der Nacht sind alle Kühe schwarz, selbst die schwarzen.« »Ja,« sagte sie, »auch die blanken Esel! Dreh dich um, ich bitte dich, ich will den Kien schon löschen, wenn es Zeit ist.« Da drehte sich der ehrliche Martino um. »Gute Nacht, Mitidika!« sagte er. »Gute Nacht, Martino!« sprach sie.

Nun breitete sie sich eine bunte wollene Decke an der Erde aus neben dem Eichenblocke, stellte einen halben Kürbis voll Wasser darauf, holte einen kleinen zierlichen Kasten gar heimlich hinter der Trommel hervor und setzte ihn neben sich auf die Bank, wobei sie sich ängstlich nach uns umsah. Ich blinzte durch die Augen und schnarchte, als läge ich im tiefsten Schlafe. Mitidika traute und schloß das Kästlein leise auf, musterte alle die Herrlichkeiten, die darin waren, und suchte sich einen Raum aus, die Nadelbüchse des Martino bequem hinein zu legen.

Ihr könnt euch meine Verwunderung nicht denken, als ich in dieser wüsten Zigeuner-Herberge die Kleine auf einmal in einem so zierlichen und reichgefüllten Schmuckkästchen kramen sah. Es sah nicht ganz so aus, als sei ein Affe hinter die Toilette seiner Herrschaft geraten, auch nicht, als richte der Satan einen Juwelenkasten ein, um einem unschuldigen Mädchen die Augen zu blenden; aber eine indianische Prinzessin, welche die Geschenke eines englischen Gouverneurs mustert, mag wohl so aussehen. Als sie so die Perlen- und Korallenschnüre, die brillantenen Ohrringe und die Zitternadeln durch die schwarzen Hände laufen ließ, konnte ich vor Augenlust gar nicht denken, daß dies gestohlenes Gut sein müsse. Nun stellte sie mehrere Kristall-Fläschchen mit Wohlgerüchen und Salben aus dem Kästchen auf den Block, zog feine Kämme und Zahnbürsten hervor und begann sich zu putzen und zu schmücken wie die Nacht, die mit dem Monde Hochzeit machen will. Sie nahm die kleine von buntem Stroh geflochtene Mütze von ihrem Kopf, und ein Strom von schwarzen Haaren stürzte ihr über die Schultern; sie gewann dadurch ein reizendes und wildes Ansehen, wenn ihre weißen Augäpfel und die blanken Zähne aus den schwarzen Mähnen hervor funkelten. Sie kämmte sich, schlängelte sich goldene Schnüre in die Zöpfe, die sie flocht und kunstreich wie eine Krone um das schöne runde Köpfchen legte. Sie wusch sich das Gesicht und die Hände, putzte die Zähne, beschnitt sich die Nägel und tat alles mit so unbegreiflicher Zierlichkeit, Anmut und hinreißender Schnelligkeit der Bewegungen, daß es mir vor den Augen zitterte und bebte. Als sie die brillantenen Ohrringe in den kleinen schwarzen Muschel-Öhrchen befestigte und die glitzernden Zitternadeln in den Flechtenkranz steckte, und die Korallen und Bernsteinschnüre um das braune Hälschen legte, und dabei hin und her zuckte wie ein Wunderwerkchen, gingen mir die Augen über. Sie begoß sich mit Wohlgerüchen, rieb sich die schwarzen Patschchen mit duftendem Öl und steckte sich ein blitzendes Ringlein um das andere an die schlanken Fingerchen. Nun stellte sie einen Spiegel auf und bleckte die Zähnchen so artig hinein, es ist nicht zu beschreiben. Und bei allem dem donnerte und blitzte es draußen, und ihre Eile ward immer größer. Ich verstehe mich auf Lichtwirkungen in der Nacht, aber ich habe mein Lebtag kein solches Feuerwerk gesehen, kein Blitzen auf so schönem dunkeln Grund, als das Spiel der Diamanten und Perlen auf ihr; denn sie war ein wunderschönes, frei, kühn, scheu und züchtig bewegtes Menschenbild.

 

Flüchtig packte sie nun alle Geräte wieder in das Kästchen, steckte noch eine handvoll weißes Zuckerwerk in das Mäulchen und knupperte wie eine Maus, sah mit scheuen Blicken um sich her, ob wir auch schliefen, während sie das Kästchen wieder unter die alte Trommel stellte. Die schwarze Katze, die auf derselben schlief, erhob sich dabei und machte einen hohen Buckel, als wundere sie sich über sie, da sie ihr mit den funkelnden Händen über den Rücken strich. Nun brachte sie ein feines Hemd von weißer Seide, legte es über den Arm und fing an, ihr Mieder aufzuschnüren, wobei sie uns den Rücken kehrte. Es sah aus, als werfe sie Kußhändchen aus, wenn sie die Nestel zog. Nun aber schlüpfte sie in die Küche und trat in wenigen Minuten wieder herein in einem schneeweißen Röckchen und einem Mieder von rotem venetianischem Sammet. So stand sie mitten auf der Decke und betrachtete ihren Staat mit kindischem Wohlgefallen. Der Donner rollte heftiger, Martino wachte auf. Mitidika faßte den Teppich mit beiden Händen über die Schultern, stieß mit dem Fuße die Kienfackel aus, wickelte sich schnell ein wie eine Schmetterlings-Larve, ein heller Blitz erleuchtete die Kammer, sie schoß wie eine Schlange an die Erde nieder und krümmte sich zusammen. Martino hatte sie im Leuchten des Blitzes noch gesehen, aber er wußte nicht, was es war; er sprach: »Meister, saht Ihr etwas?« Ich war aber so erstaunt, daß ich stumm blieb. Da sprach er: »Mitidika, schläfst du?« aber sie schwieg, Martino drehte sich um und schlief auch wieder.

Meine Gedanken über das, was ich gesehen, ließen mich nicht ruhen, der wunderbare Schmuck in dem Besitze der kleinen, braunen Bettlerin, und daß sie ihn jetzt so sorgsam und heimlich angelegt, befremdete mich ungemein. Alles kam mir wie Zauberei vor. Sie erwartet ein Waldgespenst und schmückt sich wie eine Braut. War dies gestohlenes Gut, ist sie eine verkleidete, versteckte Prinzessin, warum geht sie in dieser Pracht schlafen, und warum wickelt sie sich mit aller Herrlichkeit in den alten Teppich ein? Sollte alles dies geheim sein, wie war es möglich, da wir sie morgen früh doch in ihrem Putze finden mußten? So lag ich nachsinnend; das Gewitter war in vollem Grimm über uns, und das Licht der zuckenden Blitze zeigte mir öfters das Bild der Mitidika, welche wie eine Mumie, in den Teppich gehüllt, an der Erde ausgestreckt lag. Als ich aber durch das wilde Wetter ein Horn schallen hörte, stieß ich Martino an und flüsterte ihm zu: »Halte dich bereit, ich glaube, der wilde Jäger ist im Anzuge.« Wir hörten das Horn nochmals und Pferdegetrapp und Gewieher, und ich bemerkte, daß Mitidika aufstand. Ich kroch aber quer vor die offene Küchentür, und als sie mit dem Fuß an mich anstieß, glaubte sie umgegangen zu sein und wendete sich nach einer andern Seite: Martino stand auf, die Haustür öffnete sich, und es trat eine Gestalt mit raschem Tritte durch die Küche auf uns zu. Ich faßte sie bei den Beinen, daß sie niederschlug, und Martino drosch so gewaltig auf ihn los, daß der wilde Jäger zetermordio zu schreien begann. »Mitidika, Hilfe, Hilfe! man mordet mich!« schrie er. »Ha, ha! Herr wilder Jäger,« schrie nun Martino, »wir haben dich!« Und so zerrten wir ihn in die Stube herein und machten die Türe zu.

Der Lärm ward allgemein; der Kerl wehrte sich verzweifelt. Meine Marinina erwachte und schrie: »Jesus, Maria, Josef! Licht her, Licht her, was ist das, o Baciochi, Martino!« Die Alte fuhr aus ihren Betten auf, warf die alten Bretter um, die vor ihr standen, und schrie: »Mörder, Hilfe, Mitidika!« Dabei wurden die Hühner auf dem Boden rebellisch, die Trommel kollerte brummend durch die Stube. Mitidika allein ließ sich nicht hören. »Martino, schlage Feuer!« rief ich, und drückte meinen fremden Gast fest in die Gurgel, daß er sich nicht rühren konnte. Da stieß Martino einen Schwärmer in die glühende Asche des Herdes, der leuchtend durch die Kammer zischte und dem ganzen Spektakel ein noch tolleres Ansehen gab. Mein Gefangener fing von neuem an zu ringen, und indem ich ihn gegen die Wand drückte, trat ich gegen einige Bretter, die auswichen, ich warf ihn nieder. Ein großer Bock, der hinter den Brettern geruht hatte, sprang auf und fing nicht schlecht an zu stoßen, und ich warf meinen wilden Jäger so kräftig zur Erde, daß er keinen Laut mehr von sich gab. Martino brachte nun eine brennende Kienfackel herein, und wir sahen die ganze Verwirrung. Der wilde Jäger war ein schöner, schlanker Kerl in galanter Jagduniform. Er rührte sich nicht. Der Gedanke, daß ich ihn gar totgedrückt hätte, fuhr mir unheimlich durch die Glieder, ich stürzte zur Küche nach Wasser. Martino faßte die Alte, die fluchend und schreiend aus dem Bette gesprungen war, und warf sie wieder in die Federn mit den Worten: »Schweig still, Drache! wir wollen dir kein Haar krümmen; wir haben nur den wilden Jäger abgefangen.« Nun trat ich mit einem Eimer Wasser hinein und goß ihn pratsch! über den leblosen wilden Jäger; da sprang er wie eine nasse Katze in die Höhe.«

»Das Wasser, das kalte Wasser,« schrie hier Devillier aufspringend, »war das Allerfatalste!« Und die ganze Gesellschaft sah ihn verwundert an. »Nun, was schauen Sie,« fuhr er fort, »soll ich länger schweigen? Habe ich nicht schrecklich ausgehalten und mich hier in der Erzählung nochmals mißhandeln lassen?« Baciochi wußte nicht, was er vor Erstaunen sagen sollte über Devilliers Unterbrechung. Dieser aber sprach heiter: »Ja, Herr Baciochi, ich war der wilde Jäger, mich habt Ihr so kräftig zugedeckt, ich habe es von Anfang der Geschichte gewußt und hätte gern geschwiegen, aber das kalte Wasser lief mir wieder erweckend über den Rücken.« Da ward die ganze Gesellschaft vergnügt, der Feuerwerker reichte Devillier die Hand, und dieser sagte: »Es freut mich, Euch wieder zu sehen, alles ist längst vergessen, nur Mitidika nicht!« – »Das will ich hoffen,« meinte der Zigeuner ernsthaft, »ich bitte mir das Ende der Geschichte aus.« Da tranken alle lustig herum, und Devillier trank die Gesundheit der Mitidika, wozu Michaly einen Tusch geigte und Lindpeindler das hochpoetische freie Leben der Zigeuner pries, der Vizegespann meinte jedoch: sie hätten nicht die reinsten Hände. Die Kammerjungfer aber fragte: »Wo hat sie nur den Schmuck hergehabt?« Der Tiroler sagte: »Den wilda Jaaga hobts maisterli zuagdeckt!« und alle drangen, Devillier möge weiter erzählen.