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Deutsche Humoristen, Zweiter Band

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»Wohlan!« sagte dieser: »Ich hatte damals Geschäfte mit der Contrebande, und manche andere politische Berührungen diesseits und jenseits auf der Grenze. Ich dirigierte den ganzen Schleichhandel und forschte auf höhere Veranlassung dem Orden der Carbonari nach. Auf meinen Streifereien hatte ich Mitidika kennen gelernt und mich leidenschaftlich in dies schöne, unschuldige und geistvolle wilde Naturkind verliebt. In bestimmten Nächten besuchte ich sie. Der Schmuck, den Ihr, Baciochi, sie anlegen sahet, war ein Geschenk von mir. Sie hatte den Glauben der Alten an den wilden Jäger benutzt, um sich unentdeckt einige Stunden von mir unterhalten zu lassen. Wenn ich kommen sollte, schmückte sie sich immer wie eine Zauberin; ich setzte sie dann auf mein Pferd und brachte sie nach einer Höhle, eine Viertelstunde von ihrer Hütte, welche das Warenlager meines Schleichhandels war. Da saß sie in einem mit dem feinsten englischen bunten Kattun ausgeschlagenen Raume mit mir, und ergötzte mich und meinen verstorbenen Freund mit Tanz, Gesang und freundlicher Rede. Gegen Morgen ging sie zurück, einen Bündel Holz in die Küche tragend, und wurde von der Großmutter wegen ihres Fleißes gelobt.

Ich liebte sie unaussprechlich um ihrer Tugend und Schönheit, und ihr ganzes Wesen war so wunderbar, und bei allem Mutwillen und aller kindlichen Ergebenheit so gebieterisch, daß ich nie daran denken konnte, ihre Unschuld auch nur mit einem Gedanken zu verletzen. O, sie war gar nicht mehr wie ein Mensch, sie war wie eine Zauberin, wie ein Berggeist, wenn sie in dem Edelsteinschmucke vor uns tanzte, sang, lachte und weinte. Ich kann sie nie vergessen. In der Nacht, wo Ihr und Martino mich so häßlich zerprügeltet, ging die ganze Herrlichkeit zu Ende. Anfangs hielt ich meine Angreifer für italienische Gendarmen, die mir auf die Spur kamen; als wir uns aber erklärt hatten, nahm mir die Entdeckung vom Gegenteil allen Zorn hinweg, und unsere erste Sorge war: wo Mitidika hingekommen sei. Die alte Zigeunerin jammerte auch nach ihr, wir suchten alle Winkel aus und fanden sie nicht, bis die Alte die Leiter vermißte. Baciochi sagte: zur Türe könne sie nicht hinausgekommen sein, er habe davor gelegen. Da machte uns der Regen, der durch das Loch in der Decke hereinströmte, aufmerksam. Martino kletterte auf den Schultern Baciochis hinan und fand die Leiter. Aber Mitidika, welche die Leiter nach sich gezogen, war durch das Strohdach hinausgeklettert und nirgends zu finden. Ich eilte nach der Tür und vermißte mein Pferd, nun war ich gewiß, daß sie nach meinem Schlupfwinkel entflohen sein müsse und war ruhig. Ich durfte diesen weder an Baciochi noch an die Zigeunerin, die nichts von meinem Verhältnisse mit Mitidika wußte, verraten und suchte deshalb noch lange mit. Das Wetter war aber so abscheulich, daß wir bald wieder zurückkehrten, und die Alte jammerte nicht mehr lange, da hörten wir Hufschlag, und Mitidika stürzte in ihrem ganzen Schmucke mit wilder Gebärde in die Stube auf mich zu: »Geschwind fort, geflohen!« schrie sie. »Die italienischen Gendarmen streifen in der Nähe, Euren Freund haben sie mit einem ganzen Zuge Schleichhändler gefangen; es ist ein Glück, daß hier der Spektakel losging, ich bin aus Angst durch das Dach geschlüpft, dadurch habe ich die Gefahr zuerst entdeckt. Geschwind fort!« »Wohin?« schrie ich und Baciochi. Martino und Marinina, die sich auch vor der Entdeckung fürchteten, folgten alle mit mir der treibenden Mitidika zur Türe hinaus. Sie schwang sich auf mein Pferd, ich hinter sie, und so sprengten wir beide nach unserem Schlupfwinkel, unbekümmert um Euch, Herr Baciochi, und die Eurigen.«

»Ja,« sagte der Feuerwerker, »Ihr rittet nicht schlecht, und wir hatten in dem wilden Wetter übles Nachsehen, übrigens war es Euch nicht zu verargen, daß Ihr uns nicht eingeladen mitzugehen, wir hatten Euch schlecht bewillkommt. Ich will mein Lebtag an den Mordweg denken. Meine Marinina ward krank und starb zwei Monate nachher in Kroatien. Gott habe sie selig! Martino ließ sich bei der österreichischen Artillerie anwerben und war neulich mit in Neapel, wenn er noch lebt. Ich fand mein Brot, Gott sei gelobt! bei unserem gnädigen Herrn. Es freut mich, daß Ihr so gut davon gekommen. Aber was ist denn aus der braunen Mitidika geworden?«

»Ja, wer das wüßte!« sagte Devillier; »wir kamen vor der Höhle an und zogen das Pferd herein. Sie war voll Sorge um mich, wusch mir meine Kopfwunden und Beulen mit Wein und bewies mir unendliche Liebe. So brachten wir die Nacht in steter Angst und Sorge zu. Gegen Morgen hatte sie keine Ruhe mehr, sie verlangte nach der alten Mutter; sie beschwor mich, sogleich die Höhle zu verlassen und zu fliehen. Das Schicksal meines Freundes erschütterte mich tief, ich war entschlossen, ihn aufzusuchen. Sie schwur mir ewige Treue. Ich versprach ihr, wenn ich sie nach einiger Zeit hier wieder fände, sie zu meiner Frau zu machen. Sie lachte und meinte: sie wolle nie einen Mann, der kein Zigeuner sei, und nun auch keinen Zigeuner; sie wolle gar keinen Mann. Dabei scherzte und weinte sie, tanzte und sang sie noch einmal vor mir, und als ich sie umarmen wollte, schlug sie mich ins Gesicht und floh zur Höhle hinaus. Ich verließ den Ort gegen Abend.

Als ich vom Tode meines Freundes gehört hatte und zu Mitidika zurückkehrte, war ihre Hütte abgebrannt; ich ging nach der Höhle, sie war ausgeplündert. Auf der Wand aber fand ich mit Kohle geschrieben: Wie gewonnen, so zerronnen! Ich behalte dich lieb, tue, was du kannst, ich will tun, was ich muß. Ich habe das holdselige Geschöpf durch ganz Ungarn aufgesucht, aber leider nicht wiedergefunden; hundert Mitidikas sind mir vorgestellt worden, aber keine war die rechte.« »Es gibt auch nur eine,« sagte hier Michaly, »und wird alle tausend Jahre nur eine geboren.« »Kennt Ihr sie?« sprach Devillier heftig. »Was geht es Euch an,« erwiderte Michaly, »ob ich sie kenne? Habt Ihr nicht die Ehe ihr versprochen und doch eine Ungarin geheiratet? Sie hat Euch Treue gehalten, bis jetzt, sie ist meine Schwester, und ich wollte sie abholen, da die Großmutter in Siebenbürgen gestorben, wo sie sich mit Goldwaschen ernährten, der Pest-Cordon hat mir aber den Weg abgeschnitten.«

Da ward Devillier äußerst bewegt. Er sagte: »Ich habe sie lange gesucht und nicht gefunden, sie hatte mir ausdrücklich gesagt, sie werde nie einem Blanken die Hand reichen, und nun auch keinem Zigeuner; nur in der Hoffnung, sie wieder zu sehen, blieb ich jetzt in Ungarn, und ich würde nicht die Mittel gehabt haben, hier zu bleiben, wenn ich die alte Dame nicht geheiratet hätte, die mir jetzt mein schönes Gütchen zurückgelassen. Könnt Ihr mich mit Mitidika wieder zusammenbringen, so will ich sie gern heiraten und ihr alles lassen, was ich habe.« »Das ist ein nicht zu verachtender Vorschlag, Michaly,« sagte der Vizegespann, »schlagt das nicht so in den Wind, Ihr habt Zeugen!« Michaly aber lachte und sprach: »Mitidika wird nicht an dem Stückchen Erde kleben, sie wird nicht in einem gemauerten Hause gefangen sein wollen und sich um Abgaben und Zinsen zerquälen. Wer nichts hat, hat alles. Es war immer ihr Sprichwort: Der Himmel ist mein Hut; die Erde ist mein Schuh; das heilige Kreuz mein Schwert; wer mich sieht, hat mich lieb und wert.«

»Das ist echt zigeunerisch gesprochen,« sagte der Vizegespann, »drum bleibt ihr auch immer vogelfreies Gesindel.« Michaly nahm seine Geige und wollte ein Lied auf die Freiheit singen, aber der Nachtwächter blies zwölf Uhr und mahnte die Gesellschaft zur Ruhe. Lindpeindler hatte mit dem Feuerwerker und der Kammerjungfer, welche durch die erwachte Neigung Devilliers für Mitidika sehr gekränkt worden war, denn sie spitzte sich selbst auf ihn, noch eine Viertelstunde nach dem Edelhof. Als sie sich der Gesellschaft empfahlen, bot Devillier der Zofe seine Begleitung an. Sie sagte aber: »Ich danke, ich möchte das werte Andenken an die unbeschreibliche Mitidika nicht stören.« Damit machte sie einen höhnischen Knicks und verließ die Stube mit Lindpeindler, der diese Nacht als eine der romantischsten seines Lebens pries. Der Kroate, der Tiroler und der Savoyarde waren bereits eingeschlummert, und der Vizegespann lud Wehmüllern, der mit seiner Arbeit ziemlich fertig war, wie auch den Zigeuner und Devillier zu sich in sein Haus ein. Sie nahmen es mit Freuden an, da sie dort doch ein Bett zu erwarten hatten. Frau Tschermack, die Wirtin, ward bezahlt und schloß die Türe mit der Bitte zu: wenn sie länger hier blieben, nochmals eine so schöne Gesellschaft bei ihr zu halten.

Vor Schlafengehen wußten Devillier und der Zigeuner den Vizegespann zu bereden, am andern Morgen den Cordon mit durchschleichen zu dürfen, denn Michaly und Devillier sehnten sich ebensosehr nach Mitidika, die jenseits war, als Wehmüller nach seiner Tonerl. Sie schliefen bis zwei Uhr, da packte der Vizegespann jedem eine Jagdflinte auf, und sie zogen, als Jäger, einem Waldrücken zu. Aber kaum waren sie hundert Schritte vor dem Dorf, als sie seitwärts bei den Cordon-Piketten verwirrtes Lärmen und Schießen hörten, und bald einen Husaren, dem das Pferd erschossen war, querfeldein laufen sahen, welcher auf das Anrufen des Vizegespanns schrie: »Cordonus est ruptus cum armis in manibus a pestiferatis loci vicini!« »Der Cordon ist mit bewaffneter Hand von den Pestkranken des benachbarten Ortes durchbrochen!«

Als der Vizegespann dies hörte, ließ er seine Gesellschaft im Stich und lief über Hals und Kopf nach dem Dorfe zurück, um seine Bauern unter die Waffen zu bringen. Wehmüller und der Zigeuner schrieen: »Gott sei Dank, nun laßt uns eilen!« Devillier besann sich auch nicht lange, und sie liefen spornstreichs nach dem verlassenen Pikett-Feuer hin, wo sie Bauern beschäftigt fanden, unter großem Geschrei das Brot und die andern Vorräte zu teilen, welche das Pikett zurückgelassen hatte. Als sie sich näherten, kam ihnen ein Reiter entgegen und schrie: »Steht, oder ich schieße Euch nieder!« Sie standen und warfen die Waffen hinweg. Sie wurden gefragt: wer sie seien? Und als sie erklärt, sie wollten über den Cordon, und der Reiter ihre Stimme vernommen, stürzte er vom Pferd und fiel dem Zigeuner und Devillier wechselweise um den Hals, und schrie immer: »Michaly! Devillier! Ich bin Mitidika!« Vor Freude des Wiedersehens ganz zitternd, riß das Mädchen sie in die Erdhütte des Piketts, wo sie dieselbe in männlicher Kleidung, mit Säbel und Pistole bewaffnet, erkannten, und sie wollte eben zu erzählen anfangen, als sie Wehmüllern scharf ansah und zu ihm sprach: »Bist du noch immer hier, Betrüger? ich meinte, du seiest gestern zu deiner angeblichen Frau nach Stuhlweißenburg gereist.« Alle sahen bei diesen Worten auf den bestürzten Wehmüller; dieser sperrte das Maul auf vor Verwunderung. »Ich?« fragte er endlich, »ich, gestern zu meiner angeblichen Frau?« »Ja, Du!« sagte Mitidika. »Du, der Du Dich Wehmüller nennst, und es nicht bist; Du, der Du deine Frau nicht einmal kennst.« »O, das ist um rasend zu werden!« schrie Wehmüller. »Welche tollen Beschuldigungen, und das von einer wildfremden Person, die ich niemals gesehen.« »Unverschämter Gesell!« schrie Mitidika, »Du kennst mich nicht? Hast du mir nicht seit mehreren Tagen mit deinen Liebes-Versicherungen zugesetzt? Hat der wirkliche Wehmüller dir nicht deswegen schon ins Gesicht bewiesen, daß du Wehmüller nicht sein könnest, weil der rechte Wehmüller an niemand denkt als an sein liebes Tonerl?« »Der rechte Wehmüller?« schrie nun Wehmüller, »wo haben Sie den je gesehen? er wenigstens kennt Sie nicht.« »Kennt mich nicht?« erwiderte Mitidika, »und reist mit mir?« »Ich werde verrückt!« schrie Wehmüller, »nun ist gar noch ein Dritter auf dem Tapet; wo sind die zwei andern? Geschwind, ich will sie sehen, ich will sie erwürgen!« »Den Dritten lügst Du hinzu,« versetzte Mitidika, »der echte wird nicht weit von hier sein; ich will ihn holen, da sollst du beschämt werden.« Nun lief sie schnell zur Hütte hinaus. Dieser Wortwechsel war so schnell und heftig, und die Veranlassung so wunderbar, daß Michaly und Devillier nicht Zeit hatten, dem verblüfften Maler zu bezeugen, daß er seit gestern in ihrer Gesellschaft sei und unmöglich der sein könne, welchen Mitidika kannte.

 

Sie waren eben noch beschäftigt, den weinenden Wehmüller zu trösten, als eine ganz ähnliche Figur, wie er selbst, in die Hütte trat; bei dem erloschenen Feuer war es unmöglich, jemand bestimmter zu erkennen. Kaum hatte Wehmüller sein Ebenbild in derselben Gestalt und Kleidung erkannt, als er wie eine Furie darauf losstürzte; der andre tat ein Gleiches, und beide schrieen: »Ha, ertappe ich dich bei Deiner Buhlerei unter meinem ehrlichen Namen!« Sie rissen sich wie zwei Hähne herum. Devillier und Michaly brachten sie mit Gewalt auseinander, und Mitidika führte den dritten Wehmüller herein. Wie groß war die Bestürzung aller, da nun wirklich drei Wehmüller zugegen waren. »Nein, das ist zum verzweifeln!« rief der Wehmüller, den Mitidika mitgebracht hatte, »da ist noch einer!« »Herr Jesus!« schrie nun unser Wehmüller, »Tonerl, bist du es, bist du hier, Tonerl?« »Franzerl, lieber Franzerl?« schrie der andere, und sie sanken sich als Mann und Frau in die Arme. Da wurde es dem einen Wehmüller, den Devillier festhielt, nicht recht wohl, und er sank vor Schreck zur Erde. Michaly schürte nun das Feuer wieder an, daß man sehen konnte, und Mitidika bezeugte die größte Freude, daß Tonerl, die in einem ganz ähnlichen Kleide, wie ihr Mann, von Stuhlweißenburg mit ihr diesem entgegen gereist war, ihn endlich gefunden habe, nachdem sie zu ihrem großen Schrecken von dem falschen Wehmüller in dem Dorfe, das man wegen Pestverdacht eingeschlossen, sehr geplagt worden war, ohne sich ihm als Wehmüllers Weib zu entdecken, denn sie war auf einen alten Paß ihres Mannes gereist.

Sie hatten sich kaum von der ersten Freude erholt, als Mitidika sagte: »Wir müssen doch den falschen Wehmüller, der die Sprache verloren hat, wieder zu sich bringen.« Da aber ihr Rütteln und Schütteln ganz vergeblich war, sagte sie: »Ich habe ein untrüglich Mittel von der seligen Großmutter gelernt; das Herz ist ihm gefallen, wir wollen es ihm wieder heraufziehen.« Da nahm sie ein Schoppenglas und gab es Michaly nebst einem Endchen Licht, – das sie am Feuer anzündete, – und einem Scheibchen Brot. »Aha, ich weiß schon,« sagte Michaly, und öffnete dem Ohnmächtigen die Weste über dem Magen, setzte ihm das Licht, auf der Brotscheibe befestigt, auf den Leib und stülpte das Glas darüber. Das brennende Licht, welches die Luft unter dem Glase verzehrte, machte ihm den Leib, wie in einem Schröpfkopf in das Glas aufsteigen. Die ganze Gesellschaft lachte über dieses zigeunerische Kunststück, und der falsche Wehmüller kam bald zu Sinnen. Der echte ging auf ihn zu und sprach: »Wer sind Sie, der auf eine so unverschämte Weise meinen Namen mißbrauchte?« Da antwortete der Patient, welchen Devillier und Michaly an der Erde festhielten: »Was Kuckuck habe ich auf dem Leib? Es ist, als wollten Sie mir den Magen herausreißen; tun Sie mir die vermaledeite Laterne vom Leib, eher sage ich kein Wort; ich bin Wehmüller und bleibe Wehmüller!« »Gut,« sagte Mitidika, »wenn du noch nicht bei Sinnen bist, wollen wir dir etwas Süßes eingeben.« »Recht,« sagte Michaly, »Katzenkot mit Honig, Zigeunertheriak.« Auf dieses Rezept bekam der Patient andere Gesinnung und sprach: »Um Gotteswillen, laßt mich aufstehen, ich will alles bekennen! Ich bin der Maler Froschauer von Klagenfurt.«

»Das habe ich gleich gedacht,« sagte Wehmüller, »jetzt habe ich Sie in meinen Händen, ich kann Sie als einen Falsarius bei der Obrigkeit angeben, aber ich will großmütig sein, wenn Sie mir einen körperlichen Eid schwören: daß Sie auf ewige Tage resignieren, ungarische Nationalgesichter in meiner Manier zu malen.« »Das ist sehr hart,« sagte Froschauer, »denn ich habe ganz darauf studiert und müßte verhungern; den Eid kann ich nicht schwören.« »Er ist noch hartnäckig!« sagte Michaly; »geschwind den Zigeunertheriak her!« Und da Mitidika sich stellte, als wolle sie ihm etwas eingeben, entschloß er sich kurz und schwor alles, was man haben wollte; worauf sie ihn losließen und ihm die Laterne vom Leibe nahmen.

Die Freude und der Mutwille ward nun allgemein. Aber der Tag näherte sich, und Mitidika rief eben die Cordonbrecher zusammen, um mit ihrem erbeuteten Proviante sich dahin zurück zu ziehen, wo sie hergekommen waren. Aber der Vizegespann kam mit dem Kroaten, dem Feuerwerker, dem Gutsbesitzer und einigen Heiducken und Panduren herbei und brachte die freudige Nachricht, daß sie gar nicht nötig hätten, sich zurückzuziehen, denn der Cordon-Kommandant habe soeben bekannt gemacht: nur durch Mißverständnis sei das Dorf, in dem sie vierzehn Tage blockiert waren, in den Cordon eingeschlossen worden. Es solle ihnen deshalb verziehen sein, daß sie den Cordon durchbrachen, wenn sie dagegen auch keine Klage über den Irrtum erheben wollten. Der Cordon habe sich schon nach einer andern Richtung bewegt. Der Gutsbesitzer bestätigte dies und lud die Gesellschaft, von der ihm Baciochi, Nanny und Lindpeindler so viel Interessantes erzählten, sämtlich nach seinem Edelhof ein.

Die Bauern und Zigeuner, die unter der Anführung Mitidikas den Cordon durchbrochen hatten, waren hoch erfreut über diese Nachricht, dankten ihrer Anführerin herzlich und kehrten singend nach ihrer Heimat zurück. Michaly aber nahm seine Violine und spielte lustig vor der Gesellschaft her, die dem Edelmanne folgte. Unterwegs gab es viele Aufklärungen und Herzensergießungen. Devillier und Mitidika hatten ihre Neigung bald zärtlich erneuert und gingen Arm in Arm, dann aber folgten die drei Wehmüller, Tonerl in der Mitte, und die anderen gingen hinterdrein über das Stoppelfeld. Mitidika sagte, daß sie Tonerl in Stuhlweißenburg kennen gelernt, die, sehr bekümmert über das Ausbleiben ihres Mannes, eine Reisegesellschaft nach Kroatien gesucht, und da sie selbst, nach dem Tode ihrer Großmutter, zu ihrem Bruder Michaly habe ziehen wollen, hätten sie sich entschlossen, zusammen zu reisen in männlicher Kleidung. Frau Tonerl sei in einem Habit ihres Mannes und sie als ungarischer Arzneihändler gereist, bis sie in dem Dorfe plötzlich von dem Cordon eingeschlossen worden seien, wo sie auch Froschauer, unter dem Namen Wehmüller, ganz in derselben Kleidung vorgefunden, was die arme Tonerl nicht wenig erschreckt habe. Nach vierzehn Tagen sei die Ungeduld und der Mangel der Einwohner, die wohl Hunger aber keine Pest gehabt, über alle Grenzen gestiegen, und so habe sie sich an ihre Spitze gesetzt und den Cordon durchbrochen; das sei ihr aber gar leicht geworden, denn die Cordonisten wären, aus Furcht angesteckt zu werden, gleich ausgerissen, als sie mit ihrem Haufen unter ihnen erschien.

Nun mußte Froschauer erzählen. Er war eigentlich ein guter Schelm und sagte: »Lieber Herr Wehmüller, ich will Ihnen die Wahrheit sagen; der Spaß kostet mich 25 Dukaten und meine Braut. Ich bin der Maler Froschauer von Klagenfurt, und liebe die Tochter eines Fleischhauers; das Mädchen aber wählte immer zwischen mir und einem wohlhabenden Siebmacher, der auch um sie freite. Er setzte dem Vater des Mädchens in den Kopf: es sei in den kaiserlichen Erblanden kein Maler, der eine Frau ernähren könne, und der überhaupt Genie habe, als der Wehmüller in Wien, der die ungarischen Nationalgesichter male, und der so und so gekleidet gehe; dabei hörte er nicht auf, von Ihnen und Ihrer Arbeit zu reden, so daß der alte Fleischhauer und seine Tochter mir endlich erklärten: sie würden den Siebmacher vorziehen, wenn ich Ihnen in Ungarn den Rang nicht abliefe. Und nun wettete ich mit dem Siebmacher: daß ich ihm in Jahr und Tag das Mädchen abtreten und noch 25 Dukaten dazu geben wollte, wenn ich Ihnen den Rang nicht ablaufen könne. Ich reiste nach Wien und nach Ungarn, forschte nach allen Ihren Bildern und warf mich so in Ihre Manier, daß man unsere Bilder nicht mehr unterscheiden konnte. Da ich nun erfuhr, daß Sie die Reise nach Stuhlweißenburg machen würden, wo Sie noch nicht gewesen, und sich auf dem Gute des Grafen Giulowitsch vorbereiteten, benutzte ich die Gelegenheit, Ihnen vorzukommen, denn ich wußte durch einen Freund bei der Hof-Kriegs-Kanzlei, daß die dortigen Regimenter verlegt werden würden. Mit einem Vorrate von Nationalgesichtern in einer Blechbüchse, und ganz gekleidet wie Sie, machte ich mich nun als neuer Wehmüller auf, und als ich auf der Grenze an der Maut ein Päckchen liegen sah, »An Herrn Wehmüller, wenn er durchreist,« überschrieben, ward es mir von den Mautbeamten ausgeliefert. Es war dies das Bild Ihrer Gemahlin, welches sie auf ihrer Reise in einem Posthause hatte liegen lassen, ich nahm es mit, um es ihr einhändigen zu lassen, habe aber vergessen es dem Boten abzunehmen, der es trug, als er mich durch den Cordon brachte; denn meine Eile war groß, und ich triumphierte schon, daß ich, indem der Cordon Sie aussperrte, Ihnen gewiß zuvorkommen würde. Aber wie war mir zu Mute, da ich mich mit Ihrer Frau, als einem zweiten Wehmüller, den ich auch nicht für den echten erkannte, weil er von der Malerei gar nichts verstand, eingesperrt sah. Bald ward ich aber von der Kühnheit und Schönheit Mitidikas, die es kein Hehl hatte, daß sie eine verkleidete Jungfer sei, so hingerissen, daß ich gern auf meine Braut und Wehmüllerschaft resigniert und alles gleich eingestanden hätte, aber Ehrgeiz und die 25 Dukaten hielten mich zurück. Ihr Erscheinen fuhr mir aber so durch alle Glieder, daß ich die Besinnung verlor; die fatale Laterne auf dem Magen und der angedrohte Theriak haben mich gänzlich hergestellt, und nun bleibt mir nichts übrig, als Sie herzlich um Verzeihung zu bitten, mit dem Vorschlage: mich in Ihren Unternehmungen zum Kompagnon zu machen. Sie können meine Arbeiten untersuchen, und gehen Sie den Vorschlag ein, so glaube ich, daß wir einen solchen Vorrat von Nationalgesichtern anfertigen, daß unser Glück begründet ist, wenn wir redlich teilen.«

»Das läßt sich hören!« sagte Wehmüller. »Die ganze Geschichte macht mir jetzt Spaß, und wenn ich meine Tonerl nicht so lieb hätte, so möchte ich, um es Ihnen wett zu machen, nach Klagenfurt reisen und Ihre Fleischerstochter und die 25 Dukaten Ihnen wegschnappen, aber so geht es nicht.« Da umarmte er Tonerl herzlich und ward mit Froschauer eins: daß er ihm, wenn er seine Arbeiten untersucht, ein eigenhändiges Attest schreiben wolle: daß er ihn in allem sich gleich achte; gewänne er dann seine Wette, so könne er sein Mädchen heiraten und sich mit ihm auf gleichen Vorteil vereinigen. »Ja,« sagte Tonerl, »da habe ich doch eine Gesellschaft an Frau Froschauer, wenn Ihr herumzieht.«

So ward der Friede gestiftet, und sie kamen auf dem Edelhof an. Die Kammerjungfer und Lindpeindler standen unter der Tür und waren in großem Erstaunen über die drei Wehmüller, noch mehr aber über Mitidika. Schnell liefen sie, der gnädigen Frau und dem jungen Barone die interessante Gesellschaft anzukündigen, und diese trat, von dem Edelmanne geführt, in eine geräumige Weinlaube, wo die Hausfrau bald mit einem guten Frühstück erschien, und alle die Abenteuer nochmals berichtet werden mußten. Der Tiroler und der Savoyarde stellten sich auch ein, und der Edelmann bat alle, bei der Weinlese ihm behilflich zu sein, was zugesagt wurde.

 

Am Abend, als noch viel über die drei Wehmüller gescherzt worden war, wollte Devillier der Gesellschaft eine Geschichte erzählen, die er selbst erlebt, und bei welcher die Verwechselung zweier Personen noch viel unterhaltender war – als der Graf Giulowitsch und Lury, sein Hofmeister, mit seinen Eleven bei dem Edelmanne zum Besuche kamen. Sie freuten sich ungemein, den guten Wehmüller zu finden und die Aufklärung seines Abenteuers zu hören. Die Erzählung Devilliers ward aufgeschoben, aber nach dem Abendessen mußte die schöne Mitidika all ihren Schmuck, den sie einst von Devillier empfing, anlegen; die Edeldame half ihr selbst bei ihrer Toilette, denn Nanny, die Kammerjungfer, wurde unpäßlich. So geschmückt trat das braune Mädchen wie eine Zauberin vor die Gesellschaft; der Tiroler breitete seine Teppiche aus, und das reizende Geschöpf tanzte, schlug das Tamburin und sang – wozu Michaly sie begleitete – so ganz wunderbar hinreißend, daß alles vor Erstaunen versteinert war. Sie schloß ihren Tanz damit, daß sie den Teppich plötzlich erfaßte, sich schnell in ihn einpuppte und an die Erde niederstreckte, wie damals in der Hütte. Ein lebhaftes Beifallklatschen rauschte durch den Saal. Devillier aber kniete vor ihr, weinte wie ein Kind und wurde ausgelacht. So schied die Gesellschaft für diesen Abend auseinander. Die Erzählung, welche Devillier versprochen, eine andere des Tirolers und eine des Savoyarden unterhielten an den folgenden Tagen, und ich werde sie mitteilen, wenn ich Lust dazu habe.