Jugendsprache

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

4.3 Jugendsprache als Gruppenphänomen

Jugendsprache wird in der aktuellen Sprachforschung insbesondere als eine GruppenspracheGruppensprache, genauer gesagt: als Mittel gruppenspezifischer Kommunikation aufgefasst und ethnographisch und gesprächsanalytisch untersucht. Hier geht es um die Erfassung bestimmter SprechstileSprechstile1Schlobinski, Peter/Kohl, Gaby/Ludewigt, Irmgard, wie sie in bestimmten Situationen, oft auch an bevorzugten Orten von gewissen Jugendlichen gebraucht werden. Eine dieser Situationen ist beispielsweise das Zusammenstehen in der GruppeGruppe und die Beobachtung und Kommentierung anderer Leute (z.B. Besucher, Passanten)2Schwitalla, Johannes sowie das LästernLästern über andere Jugendliche (SchubertSchubert, Daniel 2008).

Solche SprechstileSprechstile sind keine Erfindung einzelner Personen; vielmehr bilden sie sich als gemeinsames Produkt einer kollektiven „Stil-BasteleiStil-Bastelei“ im Prozess der GruppenkommunikationGruppenkommunikation heraus. Die geteilte Erfahrungswelt und übereinstimmende Normen und Wertsetzungen der Gruppe bilden einen gemeinsamen Bedeutungskontext als Voraussetzung für das Funktionieren einer gruppenspezifischen Verständigungsweise, wie sie in der interaktionistischen Jugendsprachforschung erfasst wird (vgl. Kap. II.3.8). Nur so können im Gespräch Stichwörter aufgegriffen und AnspielungenAnspielung verstanden, SprachspieleSprachspiele mit neuen Runden fortgeführt und bisherige Gesprächsbeiträge von folgenden kompetitiv nach dem Topping-Prinzip übertroffen werden. In einem von DeppermannDeppermann, Arnulf/Schmidt, Axel/Schmidt (2001) aufgezeichneten Beispiel unterhalten sich die Jugendlichen J und D darüber, wie viele „shots“ M von der Zigarette, die sie beide rauchen, gerade abbekommen soll:

J: Markus krIEgt am End auch noch ana,

D: Ah, Markus [krIEgt]

J: [N ganz kleiner]

D: KrIEgt EInen kleinen mini-shot. J: Der KRiegt den KarTON.

D: MArkus kriegt so einen normalen zug reingeshottet.

Beispiel: „Shots“

(Zit. n. DeppermannDeppermann, Arnulf/Schmidt, Axel/Schmidt 2001, S. 35)

Ein Verständnis von Jugendsprache als GruppenspracheGruppensprache öffnet den Blick sowohl für die Vielfalt jugendlicher Sprechweisen als auch für die Fähigkeit der Jugendlichen, in verschiedenen Situationen (z.B. informell-formell, vertraut-unvertraut) flexibel zwischen verschiedenen Sprechweisen zu wechseln. In dieser Hinsicht zeigen sich auch deutlich die Grenzen des FremdverstehensFremdverstehen, vor allem von Erwachsenen. Als „Angehörige fremder Welten“ bleibt ihnen der Zugang zu solchen gruppenspezifischen Kommunikationsprozessen oft versperrt.

Eine neue Perspektive ergibt sich im Bereich der digitalen Kommunikation mit virtuellen GruppenGruppevirtuelle in sozialen MedienMediensoziale, die nicht durch Kopräsenz der Mitglieder, aber doch durch auf gemeinsame Interessenschwerpunkte gerichtete Interaktionen und gemeinsam geteilte thematische Wissensbestände gekennzeichnet sind. Dies zeigt AndroutsopoulosAndroutsopoulos, Jannis (2003) am Beispiel von Online-GemeinschaftenOnline-Gemeinschaft als selbstdefinierte NetzwerkeNetzwerke im virtuellen Raum. Sie zeichnen sich durch bestimmte thematische und stilistisch Präferenzen aus, wie das folgende Beispiel eines Eintrags in das Gästebuch eines HipHop-Portals mit typischen Mündlichkeitseinflüssen und subkulturtypischen Fachwortanteilen veranschaulicht:

(www.hiphop.de)

hey ho leudde!

na wie gehts euch so suche ma n paar leudde die bock ham mit mir n paar freestyleparts zu kicken. also wenn ihr bcok habt mal gegen n mädel zu battln und zu

verliern schreibt ma.

also bsi dann

Beispiel: Eintrag auf dem Gästebuch eines HipHop-Portals

(Zit. n. AndroutsopoulosAndroutsopoulos, Jannis 2003, S. 173.

4.4 Jugendsprache als Medienphänomen

Bereits einleitend wurde darauf hingewiesen, dass populärwissenschaftliche Lexika und Szenewörterbücher entscheidend zu dem Vorurteil beitragen, dass Jugendsprache aus einer Ansammlung besonderer Wörter und Wendungen bestehe. Die Jugendsprachforschung setzt sich kritisch mit diesem von den Medien konstruierten Bild von Jugendsprache in der Öffentlichkeit auseinander und analysiert das komplexe Wechselverhältnis von Jugendsprache und Medien. Medienkonsum und Medienwissen bilden ihrerseits eine wesentliche RessourceRessource für jugendlichen Sprachgebrauch. Jugendliche nehmen in spielerischer, oft kritisch-ironisierender Weise auf ihre Medienerfahrungen Bezug. AnspielungenAnspielung und Zitate z.B. aus Songtexten, Kultfilmen, Jugendmagazinen, aber auch aus Werbe- und Familiensendungen im Fernsehen werden kreativ in den eigenen Sprachgebrauch eingearbeitet.

So wird in einem von Schlobinski u.a. (1993, S. 59f.) präsentierten Beispiel nach WachauWachau, Susanne eine assoziative Verkettung im Gespräch von Jugendlichen (und simone hat schon wieder ’n neuen freund?) analysiert, die von der Figur eines Griechen aus der Fernsehserie „Lindenstraße“ ausgehend Assoziationen zum Schlager „Griechischer Wein“ folgt, einen Phraseologismus aus der Drogenszene verwendet und schließlich zu einem Schlüsselwort aus dem Film „Das Leben des Bryan“ kommt.


I: Und Simone hat schon wieder ’n neuen Freund?
M: Einen Griechen.
A: Ey!
J: Vasily ha ha ((lacht))!
V: So ’n Quark (.) Alex!
M: Ich will nich mehr in Deutschland bleiben.
V:. ((lacht)) Ach ja sicher
M: Und dann zieht Simone zu ihm nach Griechenland (.) dann müssen wer die erstmal einmal im Jahr besuchen.
J: Ja ich schätze wenn wir die besuchen dann sitzt die vor ihrer Veranda ((singt)) griechischer Wein ((lacht))!
V: Völlig Chaos stoned!
J: Ha ihr wollt mich besuchen (.) ich hab jetzt leider keine Zeit der FC Athen spielt heute!
((Lachen))
J: Gladiatorenkampf oder so ((lacht)) und dann hängt se da (.) wir gucken da zu und dann ey Rübennasen ((lacht)) Otternasen ((lacht)) eine Tüte Otternasen! ((Lachen))

Beispiel: „Der neue Freund“

(Zit. n. SchlobinskiSchlobinski, Peter/Kohl, Gaby/Ludewigt, Irmgard/Kohl/Ludewigt 1993, S. 59f.)

Die Betrachtung von Jugendsprache als ein Medienphänomen kann wichtigen Aufschluss sowohl über die Bildung, Verbreitung als auch Vermarktung jugendlicher Sprachstile durch das Spektrum der klassischen Print- und AV-Medien geben. SpreckelsSpreckels, Janet (2014) analysiert in einem Beitrag zur humoristisch-subversiven Medienaneignung einer Mädchengruppe die Verwobenheit von Medienformaten und MedienrezeptionMedienrezeption. Die Jugendlichen nutzen die medialen Texte als Terrain für SelbstinszenierungenSelbstinszenierung, sprachliche Spielereien und kritische Auseinandersetzungen mit den medialen StereotypenStereotyp:


23 ( (Larissa setzt mit einem neuen Lied ein, das sie voller Inbrunst singt; Zeilen 25–37 werden parallel zu ihrem Gesang gesprochen) )
24 St <<affektiert> ich trag auch immer voll die ROCK-t-shirts –
25 mit <<englische Aussprache > ROSes-> (-)
26 mit ROsen drauf und->
27 Ke <<kindlich> und=nem krEU:z>
28 St <<kindlich>↑ja:>
29 Ke <<kindlich> auf einem [ist sogar ]
30 St [und SCHWA:rz;]
31 Ke =ne SCHLANGe drau:f;>
32 St ( ( lacht lauthals) )
33 ( ( 1.0: nur Larissa Gesang ) )
34 Ke <<kindlich> mit bissel GRAU drum->
35 St <<p, krächzend> ja:>
36 Ke <<kindlich> wo ums SCHERT drum geht;>
37 St ( ( lacht ) )
38 ( ( 1.0: nur Larissa Gesang ) )
39 St < <affektiert> und viele DO:Rnen drauf>
40 Ke <<imitiert lachend St>DO:Rnen> hahaha
41 St <<affektiert> und voll SCHWARZ;>
42 Mod <<p> schön,
43 danke schön;
44 ich kann nur sagen –

Beispiel: „ich trag auch immer voll die ROCK-t-shirts“

 

(zit. n. SpreckelsSpreckels, Janet 2014, S. 171f.; Fettdruck hier: Imitation der Castingshow-Teilnehmerin)

Zunehmend bildet aber der Sprachgebrauch Jugendlicher als intensive Nutzer der elektronischen Medien einen aktuellen Schwerpunkt der Jugendsprachforschung, und zwar weltweit. Als Vertreter der „Generation EGeneration E“ beherrschen sie den medientypischen Sprachgebrauch oft virtuoser als manche Erwachsene. Dies zeigt der folgende Abschluss einer ChatChat-KommunikationChat-Kommunikation:1Neue Medien

Glykeia: Milo mal ganz dolle knuddelt […]

Milo23: hui freu, glyk mal n Schmatza geb[…]

Glykeia: cool

Glykeia: winkt zum Abschied. *fg*

Beispiel: „Chattertreffen“ (Originalorthographie) (Zit. nach Henn-Memmesheimer/HoferHenn-Memmersheimer, Beate/Hofer 2006, S. 198)

4.5 Jugendsprache als internationales Phänomen

Vielen sprachinteressierten und sprachbesorgten Laien ist unbekannt, dass die Bildung besonderer Sprechweisen Jugendlicher sich durchaus nicht auf den deutschen Sprachraum beschränkt. Jugendsprache ist auch ein internationales Phänomen. Ein vergleichender Blick über die Grenzen unserer Nationalsprache hinaus führt rasch zu der Erkenntnis, dass Jugendliche auch in den skandinavischen Ländern, im anglo-amerikanischen Sprachraum, in Frankreich, Spanien und Italien sowie in anderen, zum Teil noch weniger gut untersuchten Ländern einen besonderen, von der jeweiligen Standardsprache unterschiedlichen Sprachgebrauch ausgebildet haben.

Kontrastive Analysen1Zimmermann, Klaus haben ähnliche Strukturmerkmale von Jugendsprachen verschiedener Nationen herausgearbeitet, darunter: die Bildung von AbkürzungenAbkürzungen und neuartigen Zusammensetzungen, Prozesse von Bedeutungsveränderungen sowie EntlehnungenEntlehnungen. Dabei zeigt sich, dass der Einfluss des Englischen auch in anderen Nationalsprachen nachzuweisen ist (frz.: se shooter; span.: shootear; frz./engl./dt.: cool, trip). Auch die Vorliebe für bildliche Ausdrucksweisen, witzige Redensarten und SprachspieleSprachspiele (vor allem das französische VerlanVerlan) scheint sich als ein generelles Generationsspezifikum im Sprachgebrauch Jugendlicher zu erweisen. Ebenso wird deutlich, dass Jugendliche aus den verschiedenen Ländern in vergleichbaren Gegenstandsfeldern (z.B. Musik, Freizeit, Sozialkontakte) differenzierte Wortschatzregister ausgebildet haben.

Die vergleichende Perspektive auf jugendlichen Sprachgebrauch in anderen Ländern macht einerseits auf nationale Grenzen überschreitende allgemeine soziokulturelle Entwicklungen aufmerksam, die sich im Sprachgebrauch der Jugendlichen verschiedener Nationalitäten und Kulturen niederschlagen und zu deren globaler Verbreitung die MedienMedien entscheidend beitragen. NeulandNeuland, Eva 2007 (S. 12f.) stellt einige solcher Besonderheiten im Sprachgebrauch Jugendlicher verschiedener nationaler Herkunft vor, die vor allem aufgrund ihrer Gebrauchsfrequenzen als jugendtypisch gelten können:

 Phonetik und Prosodiez.B. Apokopen, Synkopen, Kontraktionen (hass`e für hast du), InterjektionenInterjektionen (ey), Onomatopoetika als allgemeine Kennzeichen mündlichen Sprachgebrauchs

 WortbildungWortbildungz.B. Derivation: Präfigierung: ab-, rum-, durchhängen; SuffigierungSuffigierung: dt. Schlaffi, Prolo, frz. prolo; KurzformenKurzformen: dt. Bib, Prof, frz. ado, sp. biblio, profe/profa, Komposition: dt. oberaffengeil

 LexikLexikz.B. Neubildungen: Tussi, Proll; EntlehnungenEntlehnungen, nicht nur, aber vorwiegend aus dem Englischen: dt. (un)cool, trip, ausgeflippt, Null-, Durchchecker, frz. cool (coule), killer, killerie, span. flipar, flipadoWortfelder: Differenzierung typisierender Personenbezeichnungen und WertungsausdrückeWertungsausdrücke: cool, geil, krass, fett, Verwendung von Schimpfwörtern und Fäkalausdrücken

 Semantik, v.a. BedeutungswandelBedeutungswandelz.B. Bedeutungserweiterung: dt. geil, krass, korrekt, frz. méchant, dt. Braut, Penner, Bedeutungsverengung: Schlampe

 PhraseologiePhraseologie, MetaphorikMetaphorikz.B. tote Hose, total Banane sein, voll der Hammer

 Stilistikz.B. Stilmittel der Intensivierung: dt. echt, HyperbolikHyperbolik, hyperbolisch: intern. mega, super, hyper, Zitierungen, AnspielungenAnspielung, SprachspieleSprachspiele

 Stil- und SprachmischungenSprachmischungz.B. in BegrüßungsformelnBegrüßungsformeln: hadi ciao, hadi tschüss, hadi bye bye

 PragmatikPragmatik (der Jugendsprache)PragmatikBegrüßungs- und VerabschiedungsformelnVerabschiedungsformeln, AnredeformenAnredeformen: dt. na, du Penner?, ey, AlterAlter!, frz. t`es prêt, champion? alors, trouduc, tu dors?

 kommunikative HandlungsmusterHandlungsmusterFrotzeln, LästernLästern, Dissen.Dissen

Andererseits werden aber auch kulturspezifische Bedingungen historisch-gesellschaftlicher Entwicklungen sichtbar. So spiegelt sich der politische Wandel in den baltischen Staaten auch im sprachlichen Wandel am Beispiel von Entlehungsprozessen aus dem Russischen, aus dem Englischen und Deutschen wider.2Tidrike, Laura

4.6 Jugendsprache als Sprachkontaktphänomen

In der jüngsten Zeit wird eine neue Perspektive von der Jugendsprachforschung in den Blick genommen, und zwar die des „gemischten Sprechens“ vor allem von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. „SprachmischungenSprachmischung“ sind, wie eben erwähnt, ein historisches Phänomen, das schon in der deutschen StudentenspracheStudentensprache des 17. bis 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.1 Die GebersprachenGebersprache haben sich allerdings heute verändert: es sind nicht mehr die klassischen BildungssprachenBildungssprache Latein, Griechisch und späterhin Französisch. Vielmehr bilden heute die nichtdeutschen Muttersprachen Türkisch, Russisch und Polnisch eine wichtige Quelle des Sprachkontakts für Jugendliche in Deutschland, vor allem in multikulturellen Schulklassen.2Mehrsprachigkeit Das gemischte Sprechengemischtes Sprechen, das aus einer Außensicht oft als „doppelte Halbsprachigkeitdoppelte Halbsprachigkeit“ angesehen wird, bringt dabei eine besondere, oft bikulturell geprägte IdentitätIdentität dieser Jugendlichen zum Ausdruck3 (Hinnenkamp 2000, 2003; KeimKeim, Inken/Cindark, Ibrahim/Cindark 2003; OBST 65/2003).

O: Indim, Selda’yı arıyom bakıyom.

Bin ausgestiegen, bin los nach Selda schauen

Bi baktım Matthias’ı diyor hey kannsch du mi mitnehmen?

Auf einmal seh ich Matthias, sagt er

Is isn Freund von mir, mit dem ich früher inner Sch eh Klasse war.

He, kannschte mi mitnehmen diyo, eh i hab niemand diyo sonst muss

sagt er sagt er

ich mit mitm Dings (.) mitm Bus oder mit der U-Bahn

A: Bus fahren

 

O: Augsburg’a gelmem lazım diyo (.) I˙yi dedim, gel (.) baktım

muss ich nach Augsburg fahren, sagt er. Gut hab ich gesagt, komm (.) hab ich geschaut

Selda da geldi, Selda’yı da aldım (.) Und dann hab I gsehn

und Selda ist auch gekommen, Selda hab ich auch mitgenommen

Veli kommt auch (.)

Beispiel: „Matthias taucht auf“

Deutsche ÜbersetzungÜbersetzung hier in normaler Type (Zit. n. HinnenkampHinnenkamp, Volker 2003, S. 400)

Besonderes öffentliches Aufsehen haben die Arbeiten zum „KiezdeutschKiezdeutsch“ von WieseWiese, Heike und ihrem Team (2012 u.a.) gefunden. Sie vertreten die These, dass es sich dabei um einen neuen multiethnischen DialektDialekt des Deutschen handele, der im Zusammenhang mit KontaktsprachenKontaktsprachen und Jugendsprachen entstanden ist und der keine Fehlentwicklung, sondern eine Bereicherung des Deutschen darstelle.

Abb. II.4.1:

KiezdeutschKiezdeutsch als Jugend- und KontaktspracheKontaktsprachen (WieseWiese, Heike 2006, S. 46)

Damit wird eine Gegenposition zur These der „doppelten Halbsprachigkeitdoppelte Halbsprachigkeit“ von Migrantenjugendlichen eingenommen und der produktive Aspekt zusätzlicher sprachlicher Variationsmöglichkeiten im Kontext von MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit betont, der auch bei Jugendlichen in urbanen Zentren in anderen Ländern Westeuropas anzutreffen ist. Zu solchen Innovationen werden im Deutschen nichtkanonische Konstruktionen gerechnet, u.a. Ortsangaben ohne Präpositionen und Artikel, neue Funktionsverbgefüge und Wortstellungsoptionen, so als Fokusmarker. Einiges davon veranschaulicht der folgende Textauszug:


Seda: Ich bin eigentlisch mit meiner Figur zufrieden und so, nur isch muss noch bisschen hier abnehmen, ein bisschen noch da.
Dilay: So bisschen, ja, isch auch.
Seda: Teilweise so für Bikinifigur und so, weißt doch so.
[…]
Dilay: Isch hab von allein irgendwie abgenommen. Isch weiß auch nisch, wie. Aber dis is so, weißt doch, wenn wir umziehen so, isch hab keine Zeit, zu essen, keine Zeit zu gar nix. […]
Heute muss isch wieder Solarium gehen.

Beispiel: „Heute muss isch wieder Solarium“

(Zit. n. WieseWiese, Heike 2012, S. 9)

Die auch linguistisch kontroverse Diskussion um KiezdeutschKiezdeutsch ist noch nicht abgeschlossen. Einwände werden v.a. gegen den reklamierten Dialektbegriff sowie gegen ihre für überregional und herkunftssprachenunabhängig gehaltenen Merkmale vorgebracht.