Untergrundkirche und geheime Weihen

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

73 Die aus ihrer Heimat im Osten vertriebenen Weihebewerber oder Kleriker konnten nach einem Reskript des Staatssekretariates von 1946, wenn keine andere Möglichkeit bestand, ad titulum missarum geweiht werden, und dies sogar auch, wenn sie in ihrer alten Heimatdiözese bereits inkardiniert worden waren. Vgl. Eichmann, Eduard / Mörsdorf, Klaus, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. II, 109.

74 Es genügt nicht die Legitimierung durch eine nachträgliche Ehe oder durch ein päpstliches Reskript. Vgl. Jone, Heribert, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. I, 113. C. 1117 (Legitimierung durch eine nachträgliche Ehe) lässt bestimmte Ausnahmen gelten – ein ähnliches Hindernis wie für das Bischofsamt gibt es ebenfalls für das Kardinalat (c. 232 § 2,1°) und für gefreite Äbte und Prälaten (c. 321 § 2).

75 Vgl. Paul VI., MP De episcoporum muneribus (Normae Episcopis impertiuntur ad facultatem dispensandi spectantes) vom 15. Juni 1966, in: AAS 58 (1966) 467-472.

76 Den Antimodernisteneid hat Papst Pius X. im Jahre 1919 eingeführt. Der Kleriker musste ein Formular mit dem Eid eigenhändig unterschreiben. Vgl. Jone, Heribert, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. II, 598-599. Wer die Ablegung des Glaubensbekenntnisses ohne gerechten Grund ablehnte, sollte bestraft werden, auch mit dem Entzug seines Amtes, Benefiziums oder seiner Würde (c. 2403). Der Antimodernisteneid wurde 1967 durch Papst Paul VI. abgeschafft.

77 Verlangt wird das männliche Geschlecht seit Geburt. Personen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung (Transsexualität), die dank medizinischer Eingriffe erfolgreich ihr physisches Geschlecht wechselten, dürfen sowohl zur Weihe als auch zur Eheschließung nicht zugelassen werden. „Ein Mann, der operativ zu einer Frau umgewandelt wurde, könnte zwar (theoretisch) gültig die Weihe empfangen, darf aber (auch im Blick auf seine psychische Identität und Gesundheit) nicht zugelassen werden. Eine zu einem Mann umgewandelte Frau ist biologisch weiterhin als Frau zu sehen, die das Weihesakrament nicht gültig empfangen kann.“ Althaus, Rüdiger, Kommentar zu c. 1024/6, in: MK CIC (Stand: Februar 2006). Ausführlicher: Bitterli, Marius Johannes, Wer darf zum Priester geweiht werden?, 50-77.

Die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oft aufgetauchte dogmatische Frage nach der Frauenordination in der katholischen Kirche wurde durch die Erklärung der Glaubenskongregation Inter insigniores zur Frage der Zulassung von Frauen zum Priestertum vom 15. Oktober 1976 (DH 4590-4606), das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. Ordinatio sacerdotalis vom 22. Mai 1994 (DH 4980-4983) und die darauf folgende Antwort der Glaubenskongregation vom 11.

Dezember 1995 (DH 5040-5041) mehr oder weniger beendet. Die Erklärungen betreffen jedoch nur die Frage nach dem Priestertum von Frauen, die Frage nach dem Frauendiakonat bleibt dagegen noch unentschieden.

78 Standardwerk zu diesem Thema: Bitterli, Marius Johannes, Wer darf zum Priester geweiht werden?.

79 Plöchl, Willibald M., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. IV, 173

80 Vgl. Ott, Ludwig, Das Weihesakrament, 73.

81 Zu dieser Zeit beschäftigte sich mit dem Problem der anglikanischen Weihen auch Pietro Gasparri. Er schlug eine Ordination sub condicione statt der bisherigen absoluten Wiederholung der Weihe vor. 1896 war Gasparri Mitglied der Päpstlichen Kommission zur Untersuchung der Gültigkeit anglikanischer Weihen. Vgl. Ott, Ludwig, Das Weihesakrament, 177.

Mörsdorf zählt zu den aufgrund der fehlerhaften Form und der Intention ungültig Geweihten auch die dänischen und schwedischen Bischöfe. Vgl. Eichmann, Eduard/Mörsdorf, Klaus, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. II, 96.

82 Tillard, Jean-Marie, Zur Intention des Spenders und des Empfängers der Sakramente, in: Concilium 4 (1/1968) 54-61, hier: 54.

83 Scheffczyk, Leo / Ziegenaus, Anton, Katholische Dogmatik, Bd. VII (Die Heilsgegenwart in der Kirche: Sakramentenlehre), Aachen 2003, 162.

Das Heilige Offizium benutzte andere Begriffe für die aktuelle und virtuelle Intention, aber der Sinn bleibt derselbe, wie es aus einer Erklärung des Offiziums vom 30.1.1830 deutlich hervorgeht: „Ad valorem sacramenti necessariam non esse eam intentionem quam vocant expressam seu determinatam, sed sufficere intentionem tantum genericam, nimirum faciendi quod facit ecclesia, seu faciendi quod Christus instituit, vel quod Christiani faciunt.“ Übernommen von Stöhr, Johannes, Wann werden Sakramente gültig gespendet? Eine Untersuchung zur Frage der erforderlichen Intention des Sakramentenspenders, Aschaffenburg 1980, 63, Fn. 39.

84 Vgl. Huels, John M., Liturgy and Law. Liturgical Law in the System of Roman Catholic Canon Law, Montréal 2006, 187.

85 Bei der Simulationsabsicht im Zusammenhang mit dem Ehewillen unterscheidet man ebenfalls die aktuelle, virtuelle und habituelle Absicht. Aus einem Urteil coram Janosik vom 27.6.1940 geht hervor: „Mit der aktuellen Absicht ist die Aufmerksamkeit verbunden; anders die habituelle, bei der das nicht der Fall ist; ein Mittelding zwischen beiden ist die virtuelle Absicht, d. h. jene, mit dem am Anfang die Aufmerksamkeit verbunden war, die aber dann wegfiel, weil der Geist sich mit etwas anderem beschäftigt hat. Die aktuelle Absicht wird ganz richtig eine wirkliche Absicht genannt, weil sie der Ausgangspunkt eines menschlichen Handelns ist. Auch die virtuelle Absicht ist eine wirkliche Absicht […] Die habituelle Absicht dagegen verdient in Hinsicht auf die Handlungsweise keineswegs den Namen einer Intention; denn was aus dieser Intention folgt, geschieht eigentlich nicht aufgrund des Willens, sondern aufgrund der persönlichen Eigenart.“ Deutsche Übersetzung aus dem Lateinischen in: Laukemper-Isermann, Beatrix, Ausgewählte Beispiele aus der jüngeren Rota-Judikatur: Total- und Partialsimulation, in: DPM 4 (1997) 45-135, hier: 63-64.

86 Vgl. Stöhr, Johannes, Wann werden Sakramente gültig gespendet?, 17.

87 Vgl. ibid., 8-55.

88 Das Konzil von Trient erklärte gegen die Lehre mehrerer Reformatoren, dass „wer sagt, ein in einer Todsünde befindlicher Spender vollziehe oder erteile, selbst wenn er alles Wesentliche, was für den Vollzug oder die Erteilung des Sakramentes wichtig ist, beachtet, das Sakrament nicht: der sei mit dem Anathema belegt.“ (DH 1612)

89 John Huels formulierte es in folgender Weise: „The minister does not necessarily have to know what the sacrament means or what its ends are, but he or she cannot intend something other than what the Church intends.“ Huels, John M., Liturgy and Law, 187.

Da nach der Lehre der lateinischen Kirche sogar ein Ungetaufter das Sakrament der Taufe gültig spenden kann (c. 861 § 2), ist die Aussage von SC 59: „Den Glauben setzen sie [d. h. die Sakramente] nicht nur voraus, sondern […]“ (mindestens für den Fall der Taufe) nicht bindend dogmatisch.

90 Vgl. Stöhr, Johannes, Wann werden Sakramente gültig gespendet?, 38-55.

91 Die Sakramentenspendung ist auch eine Rechtshandlung und wenn sie äußerlich vorschriftsgemäß vorgenommen wurde, wird die Handlung als gültig vermutet (c. 124 § 2).

92 Vgl. Scheffczyk, Leo / Ziegenaus, Anton, Katholische Dogmatik, Bd. VII, 164.

93 Vgl. Althaus, Rüdiger, Kommentar zu c. 1026/3, in: MK CIC (Stand: Februar 2006).

94 „While not sufficient in the minister of a sacrament, a habitual intention is sufficient for valid reception of most of the sacraments, because no obstacle is placed against valid reception. Penance is the exception, since the penitent must have contrition.“ Huels, John M., Liturgy and Law, 188.

95 Scheffczyk, Leo /Ziegenaus, Anton, Katholische Dogmatik, Bd. VII, 166.

96 Vgl. Tillard, Jean-Marie, Zur Intention des Spenders, 58-59.

97 Vgl. Ott, Ludwig, Das Weihesakrament, 54.

98 Vgl. Klöckener, Martin, Das Pontifikale als liturgisches Buch, in: Haunerland, Winfried (ed.), Manifestatio Ecclesiae. Studien zu Pontifikale und bischöflicher Liturgie, FS R. Kaczynski, Regensburg 2004, 79-127, hier: 82-83.

99 Pius XII., CA Sacramentum Ordinis.

100 Paul VI., CA Pontificalis Romani recognitio vom 18. Juni 1968, in: Pontificale Romanum 1968. De Ordinatione diaconi, Presbyteri et Episcopi, ex decreto Sacrosancti Œcumenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum, Vatican 1968, 7-11.

101 Paul VI. wiederholte nicht die Lehre von der ausreichenden moralischen Berührung, was bedeuten könnte, dass sie widerrufen wurde. In den Rubriken der liturgischen Bücher steht immer nur die Formulierung: „imponit manus super caput“, welche die moralische Berührung nicht ausschließt. Für Huels bleibt die bloße moralische Berührung bei der Weihespendung zweifelhaft gültig („doubtfully valid“). Vgl. Huels, John M., Liturgy and Law, 205, Fn. 53.

2. DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN STAAT UND KIRCHE UND KIRCHE IN DER TSCHECHOSLOWAKEI 1948-1989. DIE ERSTEN GEHEIMEN BISCHOFSWEIHEN

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 1945 das Protektorat Böhmen und Mähren und die unabhängige Slowakische Republik (1939-1945) aufgelöst und die Tschechoslowakische Republik (ČSR) entstand wieder – jedoch nicht in ihren Vorkriegsgrenzen, sondern ohne den östlichen Teil, die Karpatenukraine, die von nun an zur Sowjetunion gehörte.

Ein tragischer Tag in der tschechoslowakischen Geschichte war der 25. Februar 1948, als der noch demokratisch gewählte Präsident Edvard Beneš unter Druck die Abdankung der meisten nichtkommunistischen Mitglieder der Regierung annahm. So war die Tür für die Bildung einer neuen, kommunistischen Regierung geöffnet. Diese Ereignisse werden Februarumsturz, Februarputsch, Februar 1948 oder in der kommunistischen Terminologie „der Siegreiche Februar“ genannt.102 Sie bilden den unmittelbaren historischen Kontext der weiteren Beziehungen zwischen Staat und Kirche.103

 

2.1 Die Bischöfe im Jahre 1948 – Besetzung der Bischofsstühle

Zur böhmischen Kirchenprovinz gehörten im Jahre 1948 vier Diözesen: die Erzdiözese Prag (Praha, Erzbischof Josef Beran104, Weihbischof Antonín Eltschkner105), die Diözese Budweis (České Budějovice, Diözesanbischof Josef Hlouch106), die Diözese Königsgrätz (Hradec Králové, Diözesanbischof Mořic Pícha107), die Diözese Leitmeritz (Litoměřice, Diözesanbischof Štěpán Trochta108).

In der mährischen Kirchenprovinz gab es zwei Diözesen: die Erzdiözese Olmütz (Olomouc, Erzbischof Josef Matocha109, Weihbischof Stanislav Zela110), die Diözese Brünn (Brno, Diözesanbischof Karel Skoupý111). Der mährisch-schlesische Teil der Breslauer Erzdiözese wurde als Apostolische Administratur Teschen112 durch den Administrator František Onderko geleitet, der jedoch nicht die Bischofswürde erlangte.

In der Slowakei gab es im Jahr 1948 fünf Diözesen und eine Apostolische Administratur des lateinischen Ritus, außerdem eine griechisch-katholische Eparchie. Die slowakischen Teilkirchen bildeten jedoch bis zum Jahr 1978 keine eigene Kirchenprovinz, sondern waren direkt dem Apostolischen Stuhl unterstellt. Die Apostolische Administratur von Tyrnau (Trnava) verwaltete als Administrator der Titularbischof Ambróz Lazík113, zur Seite hatte er den Weihbischof Michal Buzalka.114 Der Diözesanbischof von Neutra (Nitra), Karol Kmetko115, starb im Dezember 1948, sein Weihbischof Eduard Nécsey116 wurde zum Apostolischen Administrator von Neutra ernannt. Der Diözesanbischof von Neusohl (Bánská Bystrica), Andrej Škrábik117, starb zwei Jahre nach dem Februarputsch. Das Bistum Kaschau (Košice) wurde vom Diözesanbischof Jozef Čárský118 geleitet. Die Diözese Zips (Spiš) stand unter Leitung von Bischof Ján Vojtaššák119, der emeritierte Weihbischof Martin Kheberich120 lebte bis 1951. Das letzte slowakische Bistum des lateinischen Ritus, Rosenau (Rožňava), bekam nach einer vierjährigen Sedisvakanz erst 1949 den Apostolischen Administrator Robert Pobožný.121

Im Jahre 1948 existierte in der damaligen Tschechoslowakei eine griechischkatholische Eparchie, nämlich in Preschau (Prešov, Eparch Pavol Gojdič122, Weihbischof Vasil Hopko123).

2.2 Staat und Kirche nach dem Februar 1948

Das Vorgehen der neuen Regierung gegen die katholische Kirche, die eindeutig größte Kirche der Republik, war gut geplant und deswegen schrittweise. Die Strategie versuchte, die Konflikte zwischen der Hierarchie und dem Klerus auszunutzen, durch die neu eingeführte Entlohnung der Geistlichen durch den Staat diese an den Staat zu binden (sog. neue staatliche Kirchengesetze von 1949 mit der neu geschaffenen staatlichen Zustimmung zur Ausübung der priesterlichen Tätigkeit), die Kontakte mit dem Vatikan zu unterbrechen und eine neue Nationalkirche zu bilden, die griechisch-katholische Kirche in die orthodoxe Kirche einzugliedern usw.124 Die kommunistische Partei wagte einen offenen Kampf gegen die katholische Kirche auch deswegen nicht, weil ungefähr 70% der Mitglieder der Partei katholisch waren.125 Deswegen wurden von Anfang des Kommunismus an die katholische Kirche und der Apostolische Stuhl mit dem Papst nicht als eine geistliche Gemeinschaft und eine Autorität in Sachen des Glaubens und der Moral angegriffen, sondern der Vatikan wurde eher als eine politische Macht, als ein fester Verbündeter des amerikanischen Imperialismus präsentiert.

Die offizielle diplomatische Vertretung des Apostolischen Stuhles wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei nur in der Form einer Internuntiatur wiederhergestellt. Einer der Gründe dafür war bestimmt, dass nach dem Krieg nicht mehr der vatikanische, sondern der sowjetische Botschafter der Doyen des diplomatischen Korps wurde. Als Internuntius wurde der frühere Prager Nuntius Mons. Saverio Ritter nach Prag gesandt. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands vertrat ihn seit Februar 1948 der Chargé d’affaires Gennaro Verolino. Dieser wurde jedoch von der kommunistischen Regierung bald abberufen und musste im Juni 1949 Prag verlassen. Sein interimistischer Vertreter Otavio de Liva folgte ihm als persona non grata im März 1950.126 Erst nach 40 Jahren, im Jahr 1990, konnte ein Vertreter des Apostolischen Stuhles für die Tschechoslowakei nach Prag zurückkehren, der Nuntius Giovanni Coppa.

Mit dem Staat verhandelte nach dem Februarumsturz nicht wie gewöhnlich der Nuntius als Vertreter des Apostolischen Stuhles, wie es auch der Vatikan wünschte, sondern eine Delegation der tschechoslowakischen Bischöfe unter Führung des Leitmeritzer Bischofs Štěpán Trochta. Seine Verhandlungsweise mit den Kommunisten unterschied sich von dem kompromisslosen Prager Erzbischof Josef Beran, zu dessen Richtung auch Bischof Mořic Pícha und die meisten slowakischen Bischöfe, insbesondere Bischof Ján Vojtaššák, zu zählen sind. Die verschiedenen Zugänge der Bischöfe zu den Verhandlungen mit dem Staat beruhten wahrscheinlich u. a. auch auf den unterschiedlichen Überzeugungen bezüglich der Dauer des kommunistischen Regimes im Lande. Diejenigen, die einen längeren Bestand des Kommunismus erwarteten, suchten nach einem möglichen, für die Kirche noch akzeptablen Kompromiss für das Zusammenleben vom Kirche und vom Staat.127 Es ist allerdings gut vorstellbar, dass Bischöfe Trochta und Beran, die sich schon seit ihrem Aufenthalt im Konzentrationslager Dachau sehr gut kannten, im Voraus miteinander über die Vorgehensweise der Verhandlungen mit dem Staat vereinbart wurden. Im März 1949 entdeckten die Bischöfe bei ihrer Versammlung eine geheime Abhöranlage. Darauf, sowie weiter auf die Gründung der schismatischen Katholischen Aktion seitens des Staates und auf die sich verschlechternde Situation der tschechoslowakischen katholischen Kirche, reagierten die Bischöfe mit einem sehr kritischen Hirtenschreiben („Hlas biskupů a ordinářů věřícím v hodině velké zkoušky“). Dieses Hirtenschreiben wurde durch geheime Kuriere aus den Reihen der Gläubigen unter die Priester verbreitet und sein Verlesen wurde vom Staat bestraft. In der staatlichen Katholischen Aktion wie auch in anderen Organisationen, die jetzt nur noch nominell katholisch waren (Zeitschrift der katholischen Geistlichkeit, Caritas, Volkspartei), übernahmen die Ämter die sog. patriotischen Priester128, großenteils suspendierte oder exkommunizierte katholische Priester. Die freiwillige Mitgliedschaft in der pseudo-Katholischen Aktion wurde vom Apostolischen Stuhl durch Dekret vom 20. Juni 1949 mit der Tatstrafe der Exkommunikation belegt, die dem Apostolischen Stuhl speciali modo reserviert ist.129 Die bewusste und freiwillige Mitgliedschaft der Katholiken in jeder kommunistischen Partei wurde weltweit mit einem Exkommunikationsdekret des Heiligen Offiziums vom 1. Juli 1949 verboten.130

In demselben Jahr wurde in der Tschechoslowakei die katholische Presse unter staatliche Kontrolle und Zensur gesetzt, die meisten katholischen Schulen und Vereine wurden geschlossen. Das totalitäre Regime führte eine totale Informationskontrolle ein. Das Schulministerium bestellte in die bischöflichen Kurien je einen eigenen Vertrauensmann, den staatlichen Bevollmächtigten. Seit Fronleichnam im Juni 1949 war Erzbischof Beran in seinem Haus isoliert.

Die Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten hatte die Leitungs- und Überwachungsfunktion für die Kirchen. Im Hinblick auf die Priester konnte sie die neu geschaffene staatliche Zustimmung für die Ausübung der priesterlichen Tätigkeit nicht nur gewähren, sondern auch entziehen (Gesetz Nr. 218/1949, §§ 2, 7). Ebenfalls konnte die Staatsbehörde über die Höhe des Gehaltes entscheiden (§ 3). Dies alles bedeutete für die Kirchen den größten Verlust der Selbständigkeit und eine Einschränkung des autonomen kirchlichen Lebens. Über die Einsetzung der Priester in ihr Amt entschied von nun an in letzter Instanz eine weltliche Institution, weil sich der Staat das Recht aneignete, einer gewählten oder ernannten kirchlichen Person die staatliche Zustimmung zu erteilen und über die Ämter, die länger als 30 Tage vakant sind, zu entscheiden, damit „der ordnungsgemäße Betrieb“ der Kirche gewährleistet bleibt (§ 7). Die Priester, die trotz dem Fehlen der staatlichen Zustimmung irgendwie sakramental handelten, z. B. die Beichten hörten oder zu Hause für eine kleine Gruppe die Messe feierten, machten sich nach dem neuen Strafrecht strafbar (§ 13 und Gesetz Nr. 86/1950, §§ 173-174 über die Vereitelung der Aufsicht über die Kirchen und religiöse Gemeinschaften). Die tschechoslowakischen Bischöfe beriefen sich im Protest gegen solche Eingriffe in die inneren kirchlichen Angelegenheiten auf den immer noch geltenden Modus vivendi von 1928, jedoch ohne Erfolg.

2.3 Das Jahr 1950

Das Jahr 1950 brachte für den kommunistischen Staat einen großen Sieg über die Kirche. Die Kontakte mit dem Vatikan wurden völlig abgebrochen, die meisten Bischöfe wurden interniert. Es begannen die Monsterprozesse (nicht nur) gegen aktive Geistliche und Laien. Die kommunistische Maschinerie gewann an Selbstbewusstsein und scheute sich vor nichts mehr. Für die Verurteilung genügte ohne weitere Beweise das Eingeständnis des Verhörten, das jedoch durch psychischen oder auch physischen Zwang, in einigen Fällen durch Drogen und Betäubungsmittel gewonnen wurde.131 Die Vorbereitung der großen Schauprozesse dauerte oftmals über Monate, die Verhafteten mussten vor dem Prozess ihre Rollen nach einem Szenario auswendig lernen. Manche der Festgenommenen starben an den Folgen der Tortur noch vor dem Abschluss des Prozesses (z. B. der Priester Josef Toufar im Februar 1950) oder bald danach. In der Untersuchungshaft gestand z. B. Weihbischof Barnáš: „[…] ich wurde ein aktiver und direkter Spion der westlichen Imperialisten, denen meine Spionageberichte zum Dritten Weltkrieg dienen sollten, in dem die westlichen Imperialisten im Namen der Interesse der Kapitalisten unschuldige Menschen hinmorden wollen […].“132 In den 1950er Jahren fanden viele Prozesse von Bischöfen (6 Bischöfe), Mitarbeitern der Bischöfe (Kanoniker, Sekretäre, Professoren u. a.), anderen aktiven Priestern oder einzelnen Ordensgemeinschaften statt.

Eine Woche nach dem Prozess mit den Vertretern der Orden, die das Gericht als „Zentren der staatsfeindlicher Tätigkeit“ bezeichnete, fand die erste Etappe der „Aktion K“ (kláštery = Klöster) statt, die auch „Bartholomäusnacht der Klöster“ oder „Nacht der Barbaren“ genannt wurde. Sie erfolgte in der Nacht vom 13. zum 14. April 1950 in der ganzen Tschechoslowakei, die zweite Etappe dann vom 27. zum 28. April (Tschechien) und vom 3. zum 4. Mai (Slowakei). Betroffen waren alle männlichen Klöster133. Es folgte von Juli bis September 1950 die „Aktion Ř“ (řeholnice = Ordensfrauen), die die kontemplativen Orden und die Institute betraf, die in Schulen und Internaten tätig waren. An allen Orten hatte sie denselben Ablauf. Die Mitglieder der Staatspolizei, der Geheimpolizei und der Kampftruppen okkupierten ohne vorherige Anmeldung gegen Mitternacht das Kloster. Die Ordensmänner durften nur die wichtigsten Sachen mitnehmen und wurden in die Sammelklöster bzw. ins Internierungskloster (für die Provinziale, Oberen und die aktivsten Ordensmitglieder) gebracht. Die kranken und überalterten Ordensmitglieder blieben zunächst in ihren Klöstern, bis sie in Altenheime gebracht wurden. Die ganze Aktion sollte im Gegensatz zu den Monsterprozessen ohne Propaganda, im Verborgenen ablaufen. Begründet wurde sie als Schutz gegen das verärgerte Volk, als Prävention gegen die staatsfeindliche Tätigkeit, als Ermöglichung einer besseren Verwendung der klösterlichen Gebäude und als Ermöglichung eines rein geistlichen Lebens für die Ordensleute (sic!).134 An einigen Orten, besonders in der Slowakei, verteidigten die Gläubigen ihre Geistlichen und versuchten die Deportation zu verhindern, jedoch vergeblich. Für eine solche Liquidierung des Ordenslebens gab es keine rechtliche Norm, alles geschah auch in dem kommunistischen totalitären Staat gesetzeswidrig. De iure hörten die Institute des geweihten Lebens nicht auf zu existieren, de facto wurden sie zum Aussterben durch die „biologische Lösung“ verurteilt und jeder Versuch zu einem Ordensleben wurde als eine Straftat klassifiziert.135 Die Novizen und die jüngeren Ordensmänner mussten ab September 1950 ihren Wehrdienst in besonderen Arbeitsbrigaden (sog. PTP, ohne Waffe, weil sie politisch unzuverlässig waren) anfangen. Es wurde versucht, sie zum Ordensaustritt und zur Heirat bzw. zum Eintritt in das staatliche Priesterseminar zu überreden. Die übrigen wurden aus den Sammelklöstern bis 1953, aus dem Internierungskloster manche sogar erst 1960 entlassen, meistens in Zivilberufe oder in die Diözesanseelsorge. Nachher nahmen einige von ihnen das Ordensleben wieder auf, jedoch in kleinen Gemeinschaften und geheim. Die Schwestern arbeiteten in der Industrie, vor allem in Textilfabriken oder in den Agrargenossenschaften im ehemaligen Sudetenland. Sie lehnten es ab, auf ihren Habit zu verzichten.136 Bis auf wenige Ausnahmen durften die Novizinnen öffentlich keine Gelübde ablegen und sollten entlassen werden. Aus den Krankenhäusern wurden die Schwestern nach und nach in Altenheime oder in Heime für Geistesbehinderte entfernt. Aus der Industrie und der Landwirtschaft wurden die Schwestern später zur Anfertigung gottesdienstlicher Gegenstände (Hostien, Messgewänder usw.) geschickt.

 

Bereits seit Juni 1949 wurde der Prager Erzbischof Beran in der Internierung gehalten. Die Internierung bedeutet in diesem Zusammenhang Verbot der Amtsausübung, Aufenthalt an einem bekannten oder auch unbekannten Ort (Residenz, Altenheim usw., meistens außerhalb der eigenen Diözese), sehr strenge Kontrolle der Kontakte mit der Umgebung, in manchen Fällen Verbot der Besuche von Verwandten, Kontrolle der Post, Verbot der Zeitung, des Rundfunks usw., die Bedingungen änderten sich). Ab dem Jahr 1950 waren acht Bischöfe interniert: Pícha, Matocha, Hlouch, Skoupý, Lazík, Nécsey, Čárský und Pobožný. In demselben Jahr wurden folgende fünf Bischöfe verhaftet: Zela, Vojtaššák, Buzalka, Gojdič, Hopko. Im Jahre 1951 wurde Bischof Trochta interniert, und zugleich verließen die slowakischen Bischöfe Čárský, Lazík, Nécsey und Pobožný die Internierung. 1953 wurde Bischof Trochta verhaftet und Bischof Pobožný wieder interniert (bis 1956). Der einzige Bischof, der die ganze Zeit seine Freiheit behielt, war der Prager Weihbischof Antonín Eltschkner. Bis zu seinem Tod 1961 war er der einzige tschechische Bischof, der öffentlich tätig sein konnte, Firmungen erteilte und die Priesteramtskandidaten aus Leitmeritz weihte.137 In der Slowakei gab es zu der Zeit dagegen vier freie Bischöfe. In den 1960er Jahren änderte sich langsam das Regime; demzufolge lockerte sich auch die Internierung, die inhaftierten Bischöfe wurden freigelassen. Diejenigen, die es überlebten, durften jedoch bis 1968 nicht in ihr Amt zurückkehren. Während des Zeitraums 1950-1968 wurde kein vakanter Bischofssitz in der Tschechoslowakei neu besetzt.

Die griechisch-katholische Kirche wurde in den Nachbarländern schon seit 1946 systematisch liquidiert – ukrainisch-sowjetisches Galizien (1946), Rumänien (1948), Karpatenukraine (1949).138 Nach demselben Muster wurde die griechisch-katholische Kirche auch in der Tschechoslowakei (meistens in der Ostslowakei) verboten bzw. mit der orthodoxen Kirche zwangsuniert. Ende April 1950 wurden Eparch Gojdič und Weihbischof Hopko festgenommen und zum Übertritt zur Orthodoxie überredet, auch durch Versprechungen einer Karriere in der orthodoxen Kirche, jedoch vergeblich. Sie verbrachten deswegen viele Jahre in Gefängnissen, wo Bischof Gojdič starb und woher Bischof Hopko mit schweren psychischen Folgen zurückkehrte. Die kommunistische Macht organisierte noch im April 1950 in Preschau eine Versammlung („sobor“) der Unierten, an der die vom Regime ausgewählten Delegaten, wenige Geistliche und kein Bischof teilnahmen. Diese zu jedweder Entscheidung rechtlich unfähige Versammlung genehmigte einstimmig das Auflösen der Union von Uschhorod (1646)139 und die Rückkehr zur Orthodoxie. Dies bestätigte ein Monat später die Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten, wodurch die griechisch-katholische Kirche faktisch, jedoch nicht formal gesetzlich verboten wurde.140 Die unierten Priester mussten ihre Kirchen, Pfarrhäuser und alles kirchliche Vermögen an die Orthodoxen übergeben, sie selbst wurden u. a. durch Erpressung ihrer Familien zur Konversion gezwungen. Die Ehefrauen und Kinder waren jedoch in den meisten Fällen sehr stark und lehnten jeden Übertritt ab. Nur wenige, man schätzt etwa ein Viertel der griechisch-katholischen Geistlichen, sind von der Kirche abgefallen. Viele von den Treuen wurden interniert und dann mit ihren Familien, bekannt sind 124 Familien, in das böhmische Grenzgebiet, das ehemalige Sudetenland, umgesiedelt. Andere lebten jahrelang in der Illegalität und versteckten sich bei den Gläubigen, die meisten von diesen wurden jedoch von der Polizei entdeckt und inhaftiert. Die Gläubigen besuchten lieber lateinische als orthodoxe Gottesdienste oder trafen sich zum Gebet auch zu Hause, nachts auf den Friedhöfen oder in Kapellen.141

2.4 Das Theologiestudium

Bis zum Jahr 1950 existierten in der Tschechoslowakei drei theologische Fakultäten an den staatlichen Universitäten – in Prag, Olmütz und Pressburg. Alle anderen Diözesen hatten eigene Diözesanseminare, außerdem gab es sechs theologische Hochschulen, die von Ordensinstituten geleitet wurden. Das Gesetz Nr. 58/1950 vom März 1950 schloss die theologischen Fakultäten aus den Universitäten aus. Anschließend übernahm die Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten statt dem Schulministerium die Zuständigkeit für das theologische Studium. Die Ordenshochschulen wurden im April verboten, die Ausbildung der Diözesanpriester wurde seit dem Wintersemester 1950/1951 nur an der Prager und der Pressburger Theologischen Fakultät ermöglicht. Zuständig für die Fakultäten waren die Staatssekretäre, nicht die Bischöfe. Das Studium wurde auf vier Jahre verkürzt, es wurden neue Veranstaltungen wie Marxismus-Leninismus eingeführt. In Prag änderte sich das Professorenkollegium im Vergleich mit den früheren Jahren zum Teil. Dem Prodekan in Prag gelang es, für fast alle Professoren die missio canonica von dem internierten Erzbischof Beran zu bekommen.142 Trotzdem war die Stellung der Bischöfe zu der neuen Fakultät zwiespältig, zu den kritischsten gehörten der Budweiser Bischof Hlouch und der Brünner Bischof Skoupý. Alle Bischöfe waren im Sommer 1950, als das Schicksal der neuen Fakultät entschieden werden sollte, interniert oder kontrolliert und konnten nur über Mittelsmänner mit ihren Diözesen kommunizieren. Während des Sommers änderten auch einige Bischöfe ihre Meinung über die Fakultät; eine solche Änderung war für viele Gläubige und Priesteramtskandidaten jedoch nicht glaubwürdig. Der Apostolische Stuhl äußerte sich nicht zu den neuen theologischen Fakultäten in der Tschechoslowakei, Radio Vatikan, wo tschechische und slowakische Emigranten tätig waren, sendete Warnungen an die Priesteramtskandidaten über die Illegalität der neuen (schismatischen) Fakultäten.143 Karel Kaplan schreibt zu diesem Problem: „Am längsten verweigerte Beran seine Zustimmung. Auch Matocha wollte den Übergang der Professoren und Hörer auf die neue Lehranstalt nicht genehmigen. Als erster gab Pícha nach und erklärte sein Einverständnis, es folgte Skoupý. Danach verstummten die Kommentare des Vatikans zu dieser Frage.“144

Aus diesen Gründen hatte die neue Fakultät (gemeinsam mit der Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten) in den Anfangsjahren Probleme, überhaupt irgendwelche Studenten zu gewinnen. Die meisten der Priesteramtskandidaten unter den Ordensmännern lehnten das Studium an der neuen Fakultät ab, wie es ihnen ihre Oberen rieten. Die bereits studierenden Priesteramtskandidaten mussten im Juli 1950 eine (politisch motivierte) Kontrollprüfung ablegen. Falls sie diese nicht bestanden oder an der neuen Fakultät nicht weiter studieren wollten, mussten sie ihren Wehrdienst in den Arbeitslagern PTP antreten und waren später oftmals beruflich benachteiligt. Im Dezember 1950 feierte die neue Fakultät die Übergabe von Titeln doctor theologiae honoris causa an zwei „patriotische“ Priester, die für ihre politische Tätigkeit ipso facto exkommuniziert waren – Josef Plojhar145 und Alexandr Horák.146 Im Jahre 1953 wurde die Prager Theologische Fakultät nach Leitmeritz verlegt.