Untergrundkirche und geheime Weihen

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Seit den 1960er Jahren empfahlen auch die kritischsten Bischöfe, die jedoch immer noch nicht in ihre Ämter zurückkehren durften, den jungen Männern das Studium an der neuen Fakultät, wie z. B. Bischof Hlouch im Jahre 1964 dem späteren Kardinal Miloslav Vlk.147

2.5 Die außerordentliche Leitung der Teilkirchen

Für den Fall, dass ein Bischof nicht in der Lage ist, seine Diözese zu verwalten (in analoger Weise in einer quasidiözesanen Teilkirche), trifft das Kirchenrecht konkrete Vorkehrungen. Die Normen des alten (CIC/1917) und neuen (CIC/1983) Rechtes sind recht ähnlich. Es wird zwischen der Behinderung und der Vakanz des bischöflichen Stuhles unterschieden. Die Behinderung kann eine tatsächliche (c. 429 §§ 1-4 CIC/1917) oder eine rechtliche (c. 429 § 5) sein. Für unser Thema kommt nur die tatsächliche Behinderung in Frage, weil bekannterweise keiner der tschechoslowakischen Bischöfe in den 1950er Jahren bestraft wurde bzw. sich eine kirchliche Strafe zuzog. Die Erklärung eines Bischofsstuhles für behindert und nicht für vakant kann eine politische Bedeutung haben: „Die Kirche signalisiert damit, daß sie sich der Einflußnahme von außen nicht beugt.“148

Die Vakanz des bischöflichen Stuhles tritt nach dem Tod des Bischofs, nach dem vom Apostolischen Stuhl angenommenen Verzicht des Bischofs, durch seine Versetzung oder seine Absetzung ein (c. 430 CIC/1917). Die Leitung der Diözese geht dann auf das Kathedralkapitel über, wenn der Apostolische Stuhl nicht anders bestimmte (c. 431 § 1) und etwa den Metropoliten oder einen anderen Bischof mit der Bestimmung eines Administrators beauftragte. Das Kapitel der Kathedralkirche wählt innerhalb von acht Tagen einen Kapitelsvikar (c. 432 § 1). Falls diese Frist nicht eingehalten wird, geht das Recht der Bestellung auf den Metropoliten bzw. auf den ältesten der Suffraganbischöfe über (§ 2). Es darf in einer kanonischen Wahl nur ein einziger Kapitelsvikar gewählt werden (c. 433 § 1), und zwar mit einer absoluten Stimmenmehrheit (§ 2). Es müssen alle kanonischen Vorschriften über die Wahl eingehalten werden (cc. 160-182). In unserem Zusammenhang sind besonders die Normen der Canones 166 (ungültige Wahl, wenn sich Laien auf irgendeiner Weise gegen die kanonische Freiheit in die Wahl einmischen)149 und 169 (ungültige Wahl unter absolut oder relativ schwerer Furcht, Überlistung) von Gewicht.

Wenn der Bischof nicht einmal auf schriftlichem Wege seine Diözese verwalten kann, etwa aufgrund von Gefangenschaft, Verbannung, Exil oder seiner Unfähigkeit, tritt die Behinderung des Bischofsstuhles ein. Die Leitung der Diözese übernimmt dann der Generalvikar oder ein anderer vom Bischof delegierter Kleriker, falls der Apostolische Stuhl nicht etwas anderes anordnete (c. 429 § 1). In einer schwierigen Situation kann der Bischof eine Liste mehrerer Kleriker unter Wahrung ihrer Reihenfolge erstellen (§ 2). Wenn auch diese Personen behindert sind, dann soll das Kathedralkapitel innerhalb von acht Tagen einen anderen mit der Verwaltung der Teilkirche beauftragen.150 Dieser erhält die Gewalt eines Kapitelsvikars (§ 3) und muss den Apostolischen Stuhl von dem behinderten Bischofssitz und von der Übernahme der Leitung informieren (§ 4). Der erwählte Kapitelsvikar muss von niemandem bestätigt werden (c. 438). Der Canon über den Eintritt der Behinderung der kirchlichen Amtsträger ist leider relativ unpräzis formuliert. Was konkret bedeutet „auf schriftlichem Wege“? Wer ist befähigt, über den Eintritt einer solchen Situation zu entscheiden?151

Der Kapitelsvikar ist bis auf einige Ausnahmen mit der vollen ordentlichen Jurisdiktionsgewalt des Bischofs ausgestattet (c. 435 § 1). Ein Kapitelsvikar war also ein interimistischer Vertreter, dessen Amt etwa dem des heutigen Diözesanadministrators entspricht.

Falls die Teilkirche neben ihren Diözesanbischof auch einen Auxiliarbischof bzw. Koadjutor hat, übernimmt dieser bei der Behinderung des Bischofsstuhles alle bischöflichen Rechte und Pflichten, wenn das Apostolische Schreiben (Ernennungsschreiben) nicht anders bestimmt (c. 351 § 2). Mit Eintritt der Sedisvakanz gilt der Bischofskoadjutor (auch Koadjutor mit Recht der Nachfolge, coadiutor cum iure successionis) als ein ernannter Diözesanbischof.152

Wie bereits oben angeführt, maßte sich der Staat im Gesetz Nr. 218/1949, § 7 das Recht an, den neu erwählten oder ernannten kirchlichen Amtsträgern eine staatliche Genehmigung zu erteilen und über die länger als 30 Tage vakanten Stellen selbst zu entscheiden. Als Beispiel der weiteren staatlichen Eingriffe in die Freiheit der Kirchen dient der Fall der Besetzung des Amtes des Kapitelsvikars in Neusohl (Bánská Bystrica) im Frühjahr 1950, wo letztendlich der staatliche Kandidat durchgesetzt wurde.153 Dies war ein für die Kirche gefährlicher Präzedenzfall, denn seitdem übernahmen die vom Staat eingesetzten bzw. abgesegneten Kapitelsvikare die Leitung der Teilkirchen in der Tschechoslowakei. In Februar 1951 wurden nämlich in den Diözesen Olmütz, Brünn und Kaschau, im März in Prag, Budweis und Tyrnau neue Kanoniker installiert, die vom Staat ausgewählt wurden, und der jeweilige Bischof unterschrieb bloß ihre Ernennungsdekrete.154 Meiner Meinung nach sind diese Ernennungen wie auch die darauf folgenden Wahlen der sog. Kapitelsvikare ungültig, weil die Bischofsstühle nicht vakant, sondern bloß behindert waren, Wahl- und Handlungsfreiheit der Bischöfe und auch andere innere Vorschriften des Kirchenrechts verletzt wurden. Ebenfalls wurde auf die Bischöfe Druck ausgeübt, mit dem Regime konforme Priester ins Amt des Generalvikars zu ernennen.155 Dennoch scheint es, dass der Apostolische Stuhl die gegebene Situation in der Tschechoslowakei tolerierte und gegen die Wahl der Kapitelsvikare (außer Ján Dechet aus Neusohl) nicht eingriff - sie waren mehr oder weniger geduldet. Das betrifft z. B. den Teschener ‘Ordinarius’ Antonín Veselý, der auf Druck der staatlichen Organe vom Teschener Apost. Administrator Onderek mit der Leitung der Administratur beauftragt wurde, aber nie vom Apost. Stuhl zum Apost. Administrator ernannt wurde.156

2.6 Die 1960er Jahre

In den 1960er Jahren war eine gewisse Aufwärmung der politischen Situation in den Ländern des damaligen Ostblocks beobachten. Die Stellung der politischen Gefangenen verbesserte sich, in den Jahren 1960, 1962 und 1965 kam es in der Tschechoslowakei zu großen Amnestien, wodurch viele Priester aus dem Gefängnis entlassen wurden. Sie bekamen allerdings keine staatliche Genehmigung für eine priesterliche Tätigkeit und mussten in minderwertigen Zivilberufen arbeiten. Im Jahre 1963 begannen die (sich dann jahrelang hinziehenden) vatikanischtschechoslowakischen Verhandlungen. Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Gespräche gehörte im Jahre 1963 die Entlassung der Bischöfe aus den Gefängnissen oder aus der strengen Isolation (der griechisch-katholische Weihbischof Hopko wurde erst ein Jahr später entlassen) und im Jahr 1965 die Ernennung des Bischofs František Tomášek zum Apostolischen Administrator von Prag sede plena sofort nach der Abfahrt des Erzbischofs Josef Beran aus der Tschechoslowakei nach Rom zu seiner Kardinalskreierung, aus der ihm die Rückkehr in seine Heimat nicht mehr gestattet wurde.

2.7 Überblick: Die Beziehung zwischen Staat und Kirche 1968-1989

2.7.1 Das Jahr 1968

Der sog. Prager Frühling ist durch die Bemühungen um einen „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“ gekennzeichnet, und diese Auflockerung der politischen Situation spiegelte sich auch in der Stellung der katholischen Kirche wider. Im März 1968 wurde der bisherige Chef des Sekretariates für kirchliche Angelegenheiten, Karel Hrůza (nomen omen, sein Nachname bedeutet „Entsetzen“), durch die Soziologin Erika Kadlecová ersetzt. Viele der ungerechten Urteile der Justiz aus den 1950er Jahren wurden aufgehoben.

Innerhalb weniger Frühlingsmonate kehrten die Bischöfe, die zu dem Zeitpunkt noch lebten, in ihre Diözesen zurück und traten wieder ihre Ämter an. Auf diese Weise wurden die Bischofssitze in Leitmeritz (Trochta), Brünn (Skoupý) und Budweis (Hlouch) wieder besetzt. Die Gemeinschaften des geweihten Lebens gründeten ein gemeinsames Sekretariat der Ordensinstitute, das ihre Interessen vertrat. Auf diese Weise gelang es, mit dem Staat zu verhandeln, der die Aufnahme des weiblichen Nachwuchses für die caritativ tätigen Institute erlaubte. Die kollaborierende Friedensbewegung der katholischen Geistlichkeit löste sich auf, an ihre Stelle trat die konziliare Bewegung. Ebenfalls erneuerten sich die katholische Presse und die Caritas.

Der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes vom 21. August 1968 änderte die positive Entwicklung der Beziehungen Staat-Kirche zunächst nicht oder nur sehr langsam. Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte in einem Brief vom November 1968 an die Ordensinstitute, dass ihre Auflösung im Jahr 1950 widerrechtlich war und sie weiterhin rechtlich existieren, einschließlich ihres Vermögens.157 Im Wintersemester 1968 nahm die Olmützer Zweigstelle der Leitmeritzer Theologischen Fakultät ihre Tätigkeit auf.

Eines der bedeutsamsten Ereignisse dieser Zeit war für die Kirche die staatliche Legalisierung der griechisch-katholischen Kirche. Da der Eparch Gojdič bereits 1960 im Gefängnis gestorben war und Weihbischof Hopko durch die langjährige Gefangenschaft stark sowohl physisch als auch psychisch gezeichnet war, wurde der Priester Ján Hirka158 zum Apostolischen Administrator ernannt. Die Ostkirche wurde mehr oder weniger vom Staat geduldet, das Problem des kirchlichen Vermögens, das 1950 komplett an die orthodoxe Kirche übertragen worden war, wurde aber nicht ganz gelöst.

 

Jede weitere positive Entwicklung in der Beziehung Staat - Kirche wurde durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes am 21. August 1968 gestoppt. Wenn auch nicht unmittelbar, so kehrte doch in den nächsten Jahren während der Normalisierung die alte Ordnung fast unverändert zurück (Chef des Sekretariates für kirchliche Angelegenheiten Hrůza zurück im Amt, Rehabilitationen aufgehoben, Verbot für die Aufnahme des Ordensnachwuchses, Schließung der Theologiestudiums in Olmütz, Erneuerung der Friedensbewegung159). Die Diözesanbischöfe blieben jedoch in ihren Ämter, ebenfalls durfte die griechischkatholische Kirche weiter legal existieren.

2.7.2 Die Ostpolitik

Als der Urheber der sog. vatikanischen Ostpolitik wird Agostino Casaroli (1914-1998) bezeichnet. Casaroli, der 1961 Untersekretär der Heiligen Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten der Kirche wurde, reiste bereits als vatikanischer Diplomat 1963 und 1965 nach Prag, um mit der Regierung zu verhandeln.160 1967 wurde Casaroli zum Sekretär der Kongregation (später in einen Rat umgewandelt) ernannt und zum Titularbischof geweiht. 1979 wurde er zum Kardinal kreiert und zum Kardinalstaatssekretär ernannt, in diesem Amt blieb er bis 1990. Als Sekretär führte Casaroli in den Jahren 1970-1973 in Italien die Verhandlungen mit der tschechoslowakischen Regierung, im Ausland wurde er durch Mons. Giovanni Cheli vertreten. In den 1980er Jahren führten die diplomatischen Gespräche mit der Tschechoslowakei Luigi Poggi, Nuntius für besondere Aufgaben, Monsignore Achille Silvestrini, Vertreter von Casaroli, und Poggi’s Nachfolger Francesco Colasuonno. Seit Anfang der 1970-iger Jahre arbeitete mit diesen Diplomaten Ján (John) Bukovský als Dolmetscher und Berater zusammen.161

In den Jahren 1968-1972 starben sechs tschechoslowakische Bischöfe. Nach diesen tragischen Ereignissen durften mit staatlicher Genehmigung in der ganzen Tschechoslowakei nur der Prager Administrator Tomášek, der Leitmeritzer Bischof Trochta und der griechisch-katholische Weihbischof Hopko öffentlich wirken. In dieser Situation sah sich der Apostolische Stuhl gezwungen zu verhandeln. Das Ergebnis der Verhandlung bezeichnet man als den größten Erfolg der kommunistischen Diplomatie gegenüber der vatikanischen Ostpolitik in der Tschechoslowakei. Es wurden im Jahre 1973 vier neue Bischöfe (Gábriš, Feranec, Pásztor, Vrana) für die Tschechoslowakei geweiht, von denen jedoch zwei (Vrana und Feranec) in der Friedensbewegung stark engagiert waren. Die ganzen 1970er Jahre gelang es dem kommunistischen Staat, die katholische Kirche zu unterdrücken. Das Millennium der Prager (Erz-) Diözese im Jahr 1973 wurde nur sehr begrenzt gefeiert, wie auch das Heilige Jahr 1975, die beiden Kardinalskreierungen (Trochta veröffentlicht 1973, Tomášek 1977) oder die Heiligsprechung des gebürtigen Tschechen und späteren Bischof von Philadelphia, Johannes Nepomuk Neumann, im Jahr 1977.162

Die Taktik der vatikanischen Diplomatie änderte sich allmählich mit dem Pontifikat von Johannes Paul II. Das Motto „die Kommunisten lieber nicht reizen“ wurde gegen „nicht nachgeben“ gewechselt. Das spiegelte sich besonders im Jahre 1982 wider, als die Erklärung (declaratio) der Kleruskongregation Quidam episcopi163 veröffentlicht wurde, die die politisch engagierten Priestervereine verbietet. Sowohl die staatlichen Organe als auch die Leiter der Organisation SKD PIT verbreiteten die Auffassung, dass sich die Erklärung nicht auf die SKD PIT bezieht. Kardinal Tomášek fragte deswegen bei der Kongregation nach, ob damit auch konkret SKD PIT verboten wird, und bekam eine affirmative Antwort, die er jedoch in der heimischen katholischen Presse nicht veröffentlichen durfte.164

Erst kurz vor dem Fall des kommunistischen Regimes, in den Jahren 1988 und 1989, gelang es der Kirche in der Tschechoslowakei, sechs Bischöfe zu bekommen, die für beide Seiten akzeptabel waren - kirchlicherseits bedeutet dies, dass keiner der Kandidaten in der „patriotischen“ Organisation SKD PIT engagiert war.

Die Strategie der vatikanischen Ostpolitik wurde schon in vielen Büchern beschrieben.165 Die Taktik do ut des wurde mehrfach kritisiert, nicht nur von Katholiken in den osteuropäischen Ländern. Es gab überall Befürworter eines (nachgiebigen) Dialoges und ebenfalls seine Kritiker. Keiner wusste in der damaligen Zeit, wie lange der Kommunismus noch andauert, und die Diplomaten wollten wenigstens einen minimalen Raum für eine offizielle Seelsorge schaffen. Nur ein kleiner Teil der Gläubigen war nämlich fähig, sich den anspruchsvollen Bedingungen der Untergrundkirche anzupassen. Trotzdem äußerten die Gläubigen wiederholt, es sei besser keine als schlechte Bischöfe zu haben. Die vatikanischen Diplomaten genossen unter den Gläubigen in den osteuropäischen Staaten auch deswegen wenig Vertrauen, weil man im Vatikan viele Agenten der osteuropäischen Geheimdienste vermutete, wenn nicht gleich die Diplomaten selbst als solche bezeichnet wurden.166 Erst in den Jahren nach der politischen Wende 1989 zeigte es sich langsam, wie viele inoffizielle Mitarbeiter und Agenten in Rom und im Vatikan engagiert waren. Ihre Gesamtzahl erfahren wir nie, ebenfalls nicht ihre persönliche Motivation, die Folgen und die „Erfolge“ ihrer Tätigkeit. Was die tschechoslowakischen geheimen Agenten angeht, so „emigrierten“ einige von ihnen mit der (geheimen) Erlaubnis der StB und studierten dann an den päpstlichen Universitäten in Rom.167 Andere traten erst nach der Emigration und der Weihe aus unterschiedlichsten Motiven in die Geheimdienste ein.168

Bis Ende der 1970er Jahre starben noch der Leitmeritzer Bischof Kardinal Trochta (1974) und der griechisch-katholische Weihbischof Hopko (1976). Es sollte daran erinnert werden, wie Kardinal Trochta gestorben ist, nämlich nach einem stundenlangen heftigen Gespräch mit einem kommunistischen Kirchensekretär. Auf dieselbe Art und Weise war zwei Jahre zuvor auch der Budweiser Bischof Hlouch gestorben. Bischof Gábriš absolvierte auch ein solches aggressives Gespräch, bekam einen Herzschlag, überlebte aber (1977).169

Wie lückenhaft das tschechoslowakische Bischofskollegium war, zeigte der ad limina Besuch im Jahre 1987. Die drei slowakischen Bischöfe kamen aus gesundheitlichen Gründen nicht und der Olmützer Administrator Vrana reiste vorzeitig ab, so dass der Papst die abschließende Rede nur einem einzigen tschechoslowakischen Bischof vortrug, nämlich dem fast neunzigjährigen Kardinal Tomášek. Einige Monate später starben die Bischöfe Gábriš und Vrana, ein Jahr später Bischof Pásztor.

Aufgrund der neuen diplomatischen Verhandlungen konnten 1988 drei neue tschechoslowakische Bischöfe mit staatlicher Erlaubnis geweiht werden: Jan Lebeda170 und Antonín Liška171 als Weihbischöfe für Prag und Ján Sokol172 als Apostolischer Administrator der Tyrnauer Erzdiözese. Ein Jahr später, noch vor der Samtenen Revolution im November 1989, erfolgten folgende Bischofsweihen: František Vaňák173 als Apost. Administrator von Olmütz, Josef Koukl174 als Diözesanbischof von Leitmeritz und František Tondra175 als Diözesanbischof von Zips. Alle diese Personen galten als Kirchenmänner, deswegen könnte man das Ergebnis der diplomatischen Verhandlungen als erfolgreich bezeichnen. Dennoch gehörten alle mehr oder weniger zum „Mittelstrom“ der Geistlichen in der Tschechoslowakei, der mit den geheimen kirchlichen Aktivitäten wenig zu tun hatte.

Da die griechisch-katholische Kirche nach dem Tod des Weihbischofs Hopko (1976) keinen eigenen Bischof des östlichen Ritus mehr hatte, durfte die vom Staat genehmigten Ordinationen Joakim Segedi, Weihbischof der griechisch-katholische Eparchie von Križevci im damaligen Jugoslawien, durchführen. Seit dem Jahr 1983 übernahm die Weihen der Eparch von Križevci, Slavomir Miklovš.176

2.7.3 Die außerordentliche Leitung der Teilkirchen

Teilkirchen, deren Bischofsstühle vakant waren oder deren Diözesanbischöfe bzw. Apost. Administratoren verhindert waren, bekamen einen Kapitelsvikar mit der staatlichen Zustimmung. Obwohl im Jahr 1983 ein neues Gesetzbuch der katholischen Kirche in Kraft trat, in dem die Kapitelsvikare durch die Diözesanadministratoren ersetzt wurden, blieben die alten Kapitelsvikare im Amt und es änderte sich nichts. Nach der Veröffentlichung der Erklärung Quidam episcopi trat nur ein Kapitelsvikar, nämlich der Brünner Ludvík Horký, aus der patriotischen Bewegung SKD PIT aus. Trotzdem wurde der Status quo vom Apost. Stuhl geduldet.

Es kam nur zu einem Zwischenfall. Nach dem Tod des Olmützer Administrators Bischof Vrana 1987 wählte das Kathedralkapitel (nach Eingriff der staatlichen Organe) František Vymětal zum Kapitelsvikar.177 Vymětal war durch seine Nähe zum kommunistischen Staat bekannt, er wirkte als Vorsitzender der SKD PIT. Der Apost. Stuhl akzeptierte seine Ernennung nicht. Für den Zeitraum bis Juli 1989, als František Vaňák zum Apost. Administrator ernannt wurde, erhielten die Pfarrer und Administratoren der Erzdiözese besondere Fakultäten vom Apost. Stuhl, jeder Diakonen- bzw. Priesterweihe und Versetzung musste der Apost. Stuhl zustimmen.178

2.7.4 Die Justiz und die (Geheim-)Polizei

Nach dem Eintritt der politischen Normalisierung anfangs 1970er Jahre kehrte die von der kommunistischen Ideologie beeinflusste Justiz zurück. Die meisten religiös aktiven Verurteilten verstießen gegen §§ 173 und 174 des Strafgesetzes Nr. 86/1950 (Vereitelung der Aufsicht über die Kirchen und Religionsgemeinschaften) mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren; im Vergleich mit den früheren Jahren war dies viel weniger.

Die Geheimpolizei blieb jedoch wach und versuchte jede Form eines aktiven christlichen Lebens zu beseitigen. Alle Ordinariate wurden mit Hilfe von Abhöranlagen und eigenen Mitarbeitern überwacht, ebenso viele aktive Christen, geheime Ordensgemeinschaften usw. Vom Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre sind einige ungeklärte Morde bekannt. Die Polizei klärte diese Fälle nicht auf (oder nicht glaubwürdig), und bis auf die heutigen Tage diskutiert man in manchen Fällen über Mord, Selbstmord oder Zufall. Das betrifft z. B. den ‘bekehrten’ Priester Jaroslav Rusnák (gest. 1977)179, die geheim geweihten Priester Milan Gono (gest. 1979)180 und Přemysl Coufal (gest. 1981)181, den Studenten Pavel Švanda (gest. 1981)182, den Priester Štefan Polák (gest. 1987)183 usw. Im Vergleich zu den Opfern der Geheimpolizei der 1950er und 1960er Jahre scheint bei diesen späteren Morden eher das Motiv der Abschreckung derer, die die Zusammenarbeit mit der StB beenden wollten, besonders wichtig zu sein.

Nach dem Sturz des Kommunismus wurden mehrere Listen der inoffiziellen Mitarbeiter und Agenten der Geheimpolizei veröffentlicht. Man findet hier viele Namen auch aus dem kirchlichen Milieu. Es kann vermutet werden, dass einige (besonders die aktiven) Personen hier sogar fehlen. Es sind zu wenige Dokumente und Materialien erhalten, die uns von der konkreten Art der Mitarbeit berichten könnten. Trotzdem ist es offensichtlich, dass die meisten Betroffenen zur Unterzeichnung der Mitarbeit und zur Mitarbeit selbst mehr oder weniger gezwungen wurden und der Anteil der von sich aus aktiven Agenten sehr gering ist.184 Die StB selbst verbreitete in manchen Fällen das Gerücht über die angebliche Mitarbeit einer bestimmten Person mit der Geheimpolizei, um die verschiedenen Gruppierungen der Kirche und ihre Gläubigen gegeneinander aufzuhetzen.

Dies alles muss man bedenken und kritisch unterscheiden, wenn man die Namen von Bischöfen (Štěpán Trochta, František Tomášek, Josef Vrana, Ján Sokol), Kapitelsvikaren (Eduard Oliva, Josef Hendrich, Karel Jonáš, Josef Kavale usw.) oder in der Verborgenen Kirche tätigen Personen (Felix M. Davídek, Ludmila Javorová, Anton Srholec) in solchen Listen185 findet.

2.8 Die ersten nichtöffentlichen und geheimen Bischofsweihen

Wie oben dargestellt, verschlechterte sich schon seit Februar 1948 die Situation der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei (bzw. in der Slowakei noch früher), auch wenn erst im Jahre 1950 die große Verfolgung einsetzte. Im November 1948 statteten drei tschechoslowakische Bischöfe, der Prager Erzbischof Beran, der Leitmeritzer Bischof Trochta und Bischof Čárský, Administrator von Kaschau, in Rom den Besuch ad limina apostolorum ab. Es wurde ihnen empfohlen, wie Bischof Trochta später berichtete, keine Konflikte mit dem kommunistischen Regime zu suchen, sondern zu verhandeln und ‘procrastinare’ (die Verhandlungen zu

 

verlängern), um auf diese Weise genügend Zeit zu gewinnen, um neue Strukturen und Bedingungen für das Leben der tschechoslowakischen Kirche zu schaffen.186

2.8.1 Die nichtöffentlich geweihten Bischöfe

Der Apost. Stuhl verfolgte in mehreren osteuropäischen Ländern dieselbe Taktik – es wurden Weihbischöfe ernannt und geheim geweiht. Da jedoch die Geheimhaltung (hauptsächlich) seitens des Apost. Stuhles nicht perfekt war, gab es für die meisten neu Geweihten dieselben Folgen – Gefängnis oder Internierung. In der Tschechoslowakei wurden schon seit 1949 einige Bischofsweihen erst nicht öffentlich, später dann geheim gespendet. Die Terminologie diesbezüglich ist nicht einheitlich. Es könnte als Unterscheidungskriterium zwischen den nichtöffentlichen und späteren geheimen Bischofsweihen die vorherige Ernennung seitens des Apostolischen Stuhles, nicht die mehr oder weniger strikte geheime Durchführung und die Geheimhaltung der betroffenen Weihen gegenüber dem kommunistischen Staat angeführt werden. Einige dieser nichtöffentlichen Bischofsweihen wurden von der staatlichen Polizei aber nie entdeckt (Anton Richter, Miron Podhájecký), deswegen waren sie geheimer als die anderen sog. geheimen Weihen.

Zuerst wurden einige Priester nach ihrer Ernennung seitens des Apost. Stuhls zu Weihbischöfen geweiht, jedoch ohne Bekanntgabe an die kommunistische Regierung, und zwar staatskirchenrechtlich gesehen ganz legitim. Dies ermöglichte der Wortlaut des Modus vivendi von 1927/1928187: der Apostolische Stuhl verpflichtete sich, die Namen der Kandidaten für das Amt eines Erzbischofs, Diözesanbischofs, Koadjutors cum iure successionis und des Militärordinarius vor ihrer Ernennung der tschechoslowakischen Regierung mitzuteilen und sich zu vergewissern, dass diese keine Einwände politischer Art hat (Nr. IV). Die letzten öffentlichen Weihen von Weihbischöfen (Lazík, Pobožný) fanden im August 1949 statt. Die katholische Kirche musste damals die Regierung nicht vorher über die Namen informieren, und die Regierung fühlte sich damals noch nicht so stark, dass sie versucht hätte, die Weihen zu verhindern.

Wenige Monate später sah die Situation schon ganz anders aus. Trotzdem handelte es sich eher um nichtöffentliche, aber keine geheime Weihen stricto sensu. Diese Bischofsweihen der ersten Generation der Geheimbischöfe aus den Jahren 1949/1950 fanden nach vorheriger Ernennung seitens des Apost. Stuhles meistens in den Hauskapellen der Bischofsresidenzen statt, unter Anwesenheit des Bischofs-Konsekrators, des neu Geweihten und mindestens zweier Mitarbeiter der Kurie. Es gab auch ein Ernennungsdekret (das oft erst nach der Konsekration zugestellt wurde). Die Namen der im Jahre 1949 geweihten Bischöfe konnte man leider im vatikanischen Jahrbuch Annuario Pontificio 1950 finden (Matoušek, Barnáš, Tomášek, es fehlen Hlad, Richter, Otčenášek, Podhájecký). Später verriet Radio Vaticana sogar, dass sich Priesteramtskandidaten während ihres Wehrdienstes im PTP zur Priesterweihe vorbereiten.188 Das Schicksal der neuen Bischöfe war sehr unterschiedlich. Einige waren jahrelang in Gefängnissen inhaftiert, die anderen wurden für ihre bischöfliche Würde bloß durch ihre Inhaftierung im Internierungskloster, durch das Verbot der bischöflichen bzw. priesterlichen Tätigkeit, durch ihre Abschiebung in eine ländliche Pfarrei usw. bestraft.189 Rom versuchte auf diese Weise eine Ersatzgarnitur für die Ortskirche zu bilden, aber die meisten dieser Weihen wurden sehr bald bekannt.190

Als erster wurde am 17. September 1949 der Prager Pfarrer Kajetán Matoušek191 durch den Prager Weihbischof Eltschkner in der St. Ignatius-Kirche in Prag zum Prager Weihbischof geweiht. Er wirkte in den nächsten Jahren als Pfarrer in Prag. Bischof Matoušek durfte nur von 1968 bis 1970 als Prager Weihbischof tätig sein, danach wurde ihm die staatliche Genehmigung für den bischöflichen Dienst wieder entzogen, und erst ab 1988 wurde seine öffentliche Tätigkeit als Bischof vom Staat geduldet.192

Am 14. Oktober 1949 spendete der Olmützer Erzbischof Matocha die Bischofsweihe an den Professor František Tomášek.193 Zwei Tage vorher war er nach Prag zur Internuntiatur eingeladen worden, wo er von der Absicht des Papstes Pius XII. erfuhr, ihn zum Bischof zu ernennen. Die Weihe selbst spendete ihm Matocha unter abenteuerlichen Umständen. Das bischöfliche Palais war zu dieser Zeit bereits für die Öffentlichkeit geschlossen, und Tomášek musste sich über den Zaun und durch einen Hintereingang zu seinem Bischof einschleichen.194 Drei Jahre wurde Tomášek interniert und wirkte dann als Pfarradministrator auf dem Lande.

Einen Monat später, am 5. November 1949, weihte der Zipser Bischof Vojtaššák ohne große Feier in seiner Hauskapelle den Professor Štefan Barnáš.195 Zehn Jahre lang verbrachte Bischof Barnáš dann in Gefängnissen.

Im Jahre 1950 gab es weitere nichtöffentliche Bischofsweihen in der Tschechoslowakei; diese Weihen wurden von der Seite der Kirche besser geheim gehalten, die Namen der Neugeweihten wurden nicht mehr im Annuario Pontificio erwähnt. Damit hängt zusammen, dass auch die konkrete Bestimmung des Dienstes der neuen Bischöfe schwieriger wird.

Am 26. März 1950 wurde von Bischof Trochta und Weihbischof Matoušek in Leitmeritz in der Hauskapelle des Bischofshauses Pfarrer Ladislav Hlad196 geweiht, nachdem er ein Schreiben von der Internuntiatur vorwies. Der Bischofsweihe wohnten noch drei weitere Mitarbeiter der Leitmeritzer Kurie bei. Entweder bekam durch diese Weihe die Prager Erzdiözese einen zweiten geheimen Weihbischof oder Bischof Hlad wurde für das ganze Gebiet Böhmen und Mähren geweiht.197 In den 1950er Jahren wurde er zweimal ins Gefängnis geschickt.

Am 29. April 1950 spendete der Tyrnauer Weihbischof Buzalka die Bischofsweihe an den Dechant Anton Richter. Laut Ján Bukovský, dem Mitarbeiter von Kard. Casaroli, sollte Richter für die katholische Kirche in der Slowakei geweiht werden. Richter wurde noch im Jahr seiner Bischofsweihe interniert.198 Diese Bischofsweihe ist weniger bekannt, sie wird von den tschechischen Autoren nicht erwähnt. Richter übte keine bischöfliche Tätigkeit aus und entging sein ganzes Leben lang der Aufmerksamkeit der kommunistischen Polizei.199

Eine noch weniger bekannte Bischofsweihe stellt die Weihe von Miron Podhájecký200 dar. Laut Ján Bukovský sollte Podhájecký im Jahre 1950 für die griechisch-katholische Kirche geweiht werden. Diese Weihe blieb wie im Falle von Richter ebenfalls von der Polizei unentdeckt.201

Der letzte uns bekannte Fall in dieser Reihe der nichtöffentlich geweihten Weihbischöfe stellt Karel Otčenášek202 dar. Er war 30 Jahre alt, als ihm sein Bischof von Königsgrätz Pícha die Entscheidung aus Rom mitteilte. Falsch ist die Information, dass Karel Otčenášek Bischof cum iure successionis wurde.203 Karel Otčenášek wurde nur zum Weihbischof von Königsgrätz mit der Bestimmung geweiht, dass er im Falle der Behinderung des Diözesanstuhles Administrator der Diözese mit den Fakultäten eines Diözesanbischofs wird.204 Seine Bischofsweihe fand am 30. April 1950 geheim in der Bischofskapelle statt. Die nächsten knapp 40 Jahre bis zur Wende 1989 verbrachte er im Gefängnis, im Zivilberuf oder als ländlicher Pfarrer.

Es ist gut vorstellbar, dass in den Jahren 1949/1950 noch weitere Bischöfe für die Kirche in der Tschechoslowakei seitens des Apost. Stuhls geheim ernannt wurden. Ihre Namen bleiben allerdings verborgen.205 Die ganze Zeit des kommunistischen Totalitarismus kursierten unter den Gläubigen „gesicherte“ Nachrichten über die Bischofswürde bestimmter Priester – z. B. Antonín Šuránek, Vojtech Bošanský SVD, Gabriel Souček OP u. a.