Heilbuch der Schamanen

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Nutzen und Gefahren schamanischer Rhythmen

Dosiert angewandt, können sich 3- bis 7-Hertz-Rhythmen sehr segensreich auf unser Leben auswirken. Sie sind physiologisch höchst relevant, da sie alle der Herbeiführung eines tranceartigen Zustands dienen. Nur die Anwendung unterscheidet den Klang der Schamanentrommel klar von Militär- und Beatmusik. Die Schamanentrommel gibt im Gegensatz zu den anderen beiden Rhythmusgebern einen neutralen Trancerhythmus vor. Dieser steht weder im Dienst eines gesellschaftlichen Anliegens, noch fördert er den Konsum psychisch krank machender Musik. Die beiden anderen Musikformen setzen mit ihren Rhythmen das Denk- und individuelle Entscheidungsvermögen eines Menschen herab und werden so zu einem äußerst gefährlichen Machtinstrumentarium.

Mögliche Folgen psychoaktiver Rhythmen

Je häufiger und unkontrollierter man sich höchst psychoaktiven Rhythmen aussetzt, desto folgenreicher sind die seelischen und körperlichen Schäden:

 Die Konzentrationsfähigkeit sinkt auf Zeiträume deutlich unter einer Minute

 Nervöse Ticks setzen ein

 Die emotionale Erlebnisfähigkeit sinkt

 Lustlosigkeit und Antriebsarmut nehmen zu

 Das Verlangen nach ständiger Unterhaltung und gebotenen Attraktionen wächst

 Die natürlichen eigenen Bedürfnisse nach Leistung und Kreativität sinken

 Es kommt zur Abhängigkeit von hektischen Rhythmen und stimulierenden Klängen

 Das vegetative Nervensystem nimmt Schaden

 Angstzustände werden häufiger

 Es kommt zu Kopfschmerzanfällen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Gehörschäden, Rückenschmerzen und anderen Stresserscheinungen wie Ohrgeräuschen (Tinnitus)

Unter den Jugendlichen ist es sehr populär, sich auf Massenparties mehrere Tage und Nächte pausenlos solcher Musik auszusetzen. Die Folgen können verheerend sein.

Dem Missbrauch ein Ende setzen

Wir haben gesehen, dass mit Hilfe von Militärmusik emotional Kampfbereitschaft hergestellt werden kann. Beat und Techno werden von den kommerziellen Musikmachern dieser Tage allerdings ebenso gezielt eingesetzt, um die Beeinflussbarkeit ihrer Zuhörer noch zu verstärken.

Wir sehen an diesem Beispiel, wie unscharf die Grenze zwischen Schamanismus und moderner schwarzer Magie und Massensuggestion ist. Die Rezeptur für Erfolgsmusiken manipulativer Natur ist meist dieselbe: Man nehme eine möglichst primitive Melodie, die kaum über die große Terz hinausreicht. Man spiele dieses Thema zwei- bis dreimal relativ moderat an, wodurch auch dem schlichtesten Gemüt ein Erfolgserlebnis gestattet ist. Nun wird ihm das Gefühl von Stärke vermittelt, indem das Ganze noch etwas lauter wird. Danach setzen mehr und mehr Instrumente ein, um das einfache Thema klangvoller, aber nicht gehaltvoller zu gestalten. Die Gesangsuntermalung derartiger Melodien besteht in der Regel darin, einen einfachen Text endlos zu wiederholen.

Diese etwas drastisch aber durchaus realistisch beschriebene Zusammenfassung der Schöpfung suggestiver Musikwerke zeigt die perfekte Form einer Psychoattacke. Es wird die Möglichkeit des eigenen Verständnisses jener Melodie vorgetäuscht, durch die Intensivierung der Lautstärke wächst das Selbstgefühl von Größe und Wachstum, alles begleitet von einem eintönigen euphorisierenden Rhythmus. Auf diese Weise schafft die moderne Musikindustrie heute bewusst psychische Abhängigkeiten von bestimmten Hörgewohnheiten und macht nicht zuletzt natürlich auch Milliardenumsätze.

Man muss nicht unbedingt eine Trommel haben, wenn man schamanisch arbeitet. Wenn keine zur Hand ist, tut es auch ein Suppenlöffel, der mit der gewölbten Seite rhythmisch auf ein Holzbrett oder ein Buch geschlagen wird.

Rhythmusinstrumente der Schamanen

Die schamanische Anwendung von Rhythmen ist weit entfernt von den oben beschriebenen Exzessen. Sicher, auch sie wirken direkt auf unser Nervensystem und unsere Psyche. Doch ist die schamanische Arbeit immer zielgerichtet auf die individuellen Bedürfnisse eines Menschen und nicht massenwirksam. Vergleichen wir sie einmal mit dem Einsatz bestimmter Medikamente, die unter bestimmten Umständen heilsam wirken, bei Missbrauch hingegen gesundheitsschädliche oder gar tödliche Folgen nach sich ziehen. Beispielsweise können einige Digitalistropfen pro Tag ein schweres Herzleiden ausgleichen, obwohl Digitalis an sich giftig ist.

Kulturell bedingte Variationen

Die Schamanentrommel ist weltweit verbreitet. Dennoch gibt es in manchen Kulturen Ausnahmen: Manche südasiatische Schamanen verwenden ein Saiteninstrument mit einer einzigen, straff gespannten Saite, die rhythmisch angerissen oder gezupft wird. Mit der Trommel hat dieses Instrument gemein, dass es neben dem typischen 3- bis 7-Hertz-Grundton, der im Diagramm als Sinuskurve sichtbar wird, eine Vielfalt an Oberwellen produziert. Sie sind für die Herbeiführung einer Trance zwar ohne Bedeutung, wirken sich aber erfahrungsgemäß sehr positiv auf die Inhalte der Trancearbeit aus.

Die nordaustralischen Aborigines wiederum benutzen als reines Rhythmusinstrument meist Klanghölzer und ersetzen die dabei weitgehend fehlenden Oberschwingungen durch die variationsreichen Brummtöne eines begleitenden Didgeridoos.

Der Herzschlag der Erde

Viele Stammesschamanen bezeichnen den 3- bis 7-Hertz-Rhythmus der Trommel als Pulsschlag von Mutter Erde. Mit dieser Benennung scheinen sie tatsächlich seinen wahren Charakter getroffen zu haben. Vor rund einem Jahrzehnt haben Geophysiker mit ihren höchst sensiblen Messinstrumenten und -methoden herausgefunden, dass die Erde als Ganzes »atmet«. Sie dehnt sich dabei rhythmisch um einige Zentimeter aus und zieht sich wieder zusammen, wie ein aufgeblasener Luftballon, in den man stoßweise zusätzliche Luft hineinbläst, um sie gleich danach wieder entweichen zu lassen. Dieser »Atemrhythmus« der Erde liegt, so die wissenschaftlichen Ergebnisse, genau im Frequenzbereich der geschlagenen Schamanentrommel und auch der rhythmischen optischen Reize bei der Autobahnhypnose. Hier drängt sich nun eine Frage auf: Sind wir alle unbewusst von diesem Erdrhythmus beeinflusst und deshalb gerade für den schamanischen Trommelrhythmus so empfänglich? Als Antwort lässt sich das folgende Beispiel anführen. Haben Sie einmal eine junge Mutter beobachtet, die ihr Neugeborenes in den Armen wiegt? Ganz instinktiv und ohne es jemals zuvor gelernt zu haben, schaukelt sie das kleine Wesen, und das nicht etwa in langsamen und schwingenden Bewegungen, sondern im rascheren Takt der schamanischen Frequenz.

Im schamanischen Bewusstseinszustand bleibt ein Teil des Bewusstseins an die Realitätsebene des Alltags gebunden.

Trance - ein vieldeutiger Begriff

Bisher habe ich in diesem Buch stets von schamanischer Trance gesprochen, und ich werde das auch weiterhin tun. Denn das Wort ist kurz und gebräuchlich, auch wenn es keineswegs im eigentlichen Sinn uneingeschränkt zutreffend ist.

Unter Trance kann man vielerlei verstehen. Ihr Spektrum reicht beispielsweise von tiefer hypnotischer Trance, über die Trance des Schlafwandlers, bis hin zu narkotischen Zuständen. Von Trance spricht man auch bei einer bewusst durchgeführten Meditation. Und selbst hier ist zu unterscheiden, um was für eine Art von Versenkung es sich handelt.

Auch Medien nehmen bei spiritistischen Sitzungen für sich in Anspruch, in Trance zu fallen, um mit Geistern oder Verstorbenen in Kontakt zu treten. Von der Seherin Pythia, die in der griechischen Antike über das Delphische Orakel waltete, ist überliefert, dass sie sich durch postvulkanische Schwefeldämpfe in Trance versetzen ließ.

Der schamanische Bewusstseinszustand

Die schamanische Trance hat mit alldem nichts zu tun. Am ehesten ist sie noch mit der Trance bei einer Mantrameditation verwandt. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte man daher korrekterweise nicht von schamanischer Trance sondern besser vom schamanischen Bewusstseinszustand sprechen. Der Kürze und Gängigkeit wegen werde ich jedoch den Begriff »Trance« verwenden.

Bei diesem Zustand handelt es sich um nichts Außergewöhnliches oder gar Exotisches. Wir alle haben ihn schon oft — allerdings meist unbewusst - erlebt. Schließlich ist es ein wesentliches Kennzeichen des schamanischen Bewusstseinszustands, dass man hierbei bei vollkommen klarem Verstand ist und zu jeder Zeit selbstbestimmt und gezielt handeln kann. Auch lässt sich diese Art Trance jederzeit willentlich beenden.

Damit rückt die schamanische Trance ihrem Wesen nach sehr nahe an das Alltagsbewusstsein, nur sind die Erlebnisinhalte deutlich andere.

Man kann versuchen, sein Gehirn völlig von allen Gedanken zu entleeren, etwa um Nirwana-Erfahrungen zu machen, oder ganz bewusst über etwas meditieren, beispielsweise über ein Mantra oder einen bestimmten Gegenstand.

Ein alltägliches Beispiel für schamanische Trance

Wohl jeder routinierte Autofahrer, der Tag für Tag dieselben Strecken abfährt, könnte das Folgende erzählen: »Ich bin soeben eine mir sehr gut bekannte Strecke von meinem Arbeitsplatz bis nach Hause gefahren. Die Fahrt muss wie gewöhnlich etwa eine Stunde lang gedauert haben. Währenddessen war ich allerdings die ganze Zeit mit meinen Gedanken woanders. Dabei habe ich die Strecke und auch die Fahrt gar nicht mehr richtig wahrgenommen, obwohl ich an sich aufmerksam für den Verkehr war. Ich weiß, dass ich an der großen Ampelkreuzung vorbeigefahren sein muss, dann das kurze Waldstück passiert haben muss und danach am Supermarkt vorbeigefahren bin. Aber ich kann mich an diese einzelnen Etappen überhaupt nicht mehr erinnern. Ich habe nicht einmal die Dauer der Fahrt realisiert; mir kam es eher so vor, als seien es nur fünf oder höchstens zehn Minuten gewesen.«

 

Kennen Sie diesen Zustand? Ja? Dann wissen Sie auch, um was es sich beim so genannten schamanischen Bewusstseinszustand handelt. In den folgenden Kapiteln werden Sie lernen, wie man solche Trancezustände durch schamanische Reisen gezielt herbeiführen kann und wie überraschend einfach und wunderbar es sich in ihnen spirituell arbeiten lässt.

Der Kosmos der Schamanen

Erlebnisberichte über das Erreichen schamanischer Bewusstseinszustände liegen uns aus den verschiedensten Kulturen vor. Legenden, Sagen, Märchen und Lieder künden von Menschen, die sich auf spirituelle Reisen begeben haben. Ihre Erfahrungen dabei sind durchaus ähnlich. Berühmt ist die Geschichte des Ritters Owein, der zur Zeit der Regentschaft des englischen Königs Stephan von Blois (1135-1154) lebte. Er macht sich eines Tages auf den Weg, um dem Bischof der irischen Diözese Clogher seine zahlreichen und schweren Sünden zu beichten. Seine Bußübung hatte sich der Ritter bereits im Vorfeld ausgedacht. Auf sein Drängen hin erlaubte ihm der geistliche Herr widerwillig, zur spirituellen Reinigung das Fegefeuer des heiligen Patrick, »St. Patrick's Purgatory«, zu besuchen, welches in seinem Amtsbereich lag.

Die Erlebnisse des irischen Ritters Owein geben bereits erste Hinweise darauf, wie sich das schamanische Weltbild aufbaut.

St. Patrick's Fegefeuer

Dieses Fegefeuer befand sich in einer schmalen Höhle, nur etwa einen Meter breit, drei Meter tief und so niedrig, dass man darin nur knien konnte. Die Höhle war auf einer kleinen Insel von nicht mehr als 8000 Quadratmetern Fläche inmitten eines einsamen Sees im Norden der heutigen Republik Irland gelegen. Lough Derg, wie er genannt wird, liegt in völliger Abgeschiedenheit in einer weiten, grünen Hügellandschaft.

Der Prior des Inselklosters warnte den Ritter vor dem Weg, der ihm bevorstand. Schon viele hätten die Höhle besucht, aber so mancher sei nicht lebendig zurückgekommen. 16 Tage lang bereitete sich Ritter Owein auf das Fegefeuer vor, mit Fasten, Gebeten und Bußritualen. Dann betrat er den Felsspalt.

Genau 24 Stunden, nachdem er die Höhle betreten hatte, verließ er sie wieder, freudig vom Prior und seiner Gemeinde empfangen. Was er dort erlebt hatte, erzählte er später einem Zisterzienser- Bruder aus dem Kloster Saltery im englischen Lincoln. Der Mönch protokollierte den Bericht in lateinischer Sprache.

Der Bericht des Ritters

Zunächst gelangte Owein in verschiedene düstere Gebäude, dann durchstreifte er Täler und weite Ebenen. Dabei begegnete er gefährlichen Dämonen, die ihn zehn verschiedenen Martern unterzogen. Er sah Teufel, die sündenbeladene Seelen mit weißglühenden Nägeln und in Kesseln voll mit brodelndem geschmolzenem Metall quälten.

Schließlich überquerte er sicher einen trügerischen Steg, der zum Eingang der Hölle führte, und gelangte schließlich in ein Paradies voller Schönheit und Freuden. Auf demselben Weg, den er gegangen war, kehrte er später auch wieder zurück, diesmal jedoch ohne weiteren Schwierigkeiten und Gefahren ausgesetzt zu sein.

Es heißt, der Owein-Bericht habe den berühmten italienischen Dichter Dante Alighieri zu seiner »Göttlichen Komödie« inspiriert.

Die Verbreitung des Berichts in Europa

Die Beschreibung der visionären Erlebnisse des englischen Ritters machte in Europa rasch die Runde, und die kleine Insel in dem einsamen irischen See wurde zum berühmten Wallfahrtsort. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war er sogar so bekannt, dass beispielsweise auf einer Weltkarte aus dem Jahr 1492 das »St. Patrick's Purgatory« als einzig erwähnenswerter Ort in ganz Irland verzeichnet war.

Für uns ist der Bericht über das Höhlenerlebnis des Ritters Owein heute so interessant, weil er erstaunliche Gemeinsamkeiten mit den Erlebnissen sibirischer, schwarzafrikanischer oder indianischer Schamanen aufweist.


Als Eingang in die untere Welt kann beispielsweise der Quelltopf eines Geysirs dienen, eine heiße Quelle, die in regelmäßigen Zeitabständen eine Wasserfontäne ausstößt.

Warum der Bericht schamanische Elemente aufweist

Nun mag es den Gegeneinwand geben, dass der Ritter als gläubiger Katholik schon aufgrund seiner religiösen Erziehung mit Höllen- und Himmelsvisionen vertraut war und sein Bericht über das Fegefeuer deshalb nichts mit schamanischem Erleben zu tun habe. Doch umfasste seine Erzählung weit mehr als die bekannten Elemente aus der christlichen Überlieferung. So schritt er, lange bevor er das Höllenszenario erreichte, durch düstere Gebäude und durchstreifte im Anschluss daran noch Täler und weite Ebenen. Dieses ausgedehnte Herumschweifen kann niemand erleben, der - getrieben von strengen Selbstbeschuldigungen und Bußfertigkeit - ausschließlich strafende Höllenvisionen erwartet. Genau diese Art der Wanderungen und des Erlebens ist jedoch typisch für schamanische Reisen.

Auch ein Schamane ist bei der Wahrnehmung und Deutung der Bilder, die ihm im schamanischen Bewusstseinszustand begegnen, nicht frei von der Prägung durch sein kulturelles Umfeld.

Volksmärchen mit schamanischen Wurzeln

Schöne Beispiele finden wir auch in unseren alten Volksmärchen, die ebenfalls schamanische Wurzeln haben. So fällt im Märchen von »Frau Holle« die Heldin der Geschichte, Goldmarie, in einen tiefen Brunnen und gelangt anschließend in ein blühendes Land. Hier bittet sie ein Apfelbaum darum, geschüttelt zu werden und Brote mit menschlicher Stimme rufen, das Mädchen möge sie doch aus dem Backofen befreien. Danach erst trifft sie auf das Haus von Frau Holle und lässt es beim Bettenschütteln auf der Erde schneien. Diese Geschichte könnte in anderer Gestalt genauso gut das Protokoll der Trancereise eines schamanischen Regenmachers sein.

Welche Erfahrungswelten Trancereisen zugrunde liegen

Doch zurück zu Ritter Owein. Gewiss war er als Kind seiner Zeit von der Vorstellungswelt des christlichen Mittelalters in Bezug auf die Begriffs- und Bildwelten von Himmel und Hölle beeinflusst. Aber woher stammen diese Vorstellungen ursprünglich? Welche Erfahrungen stecken darin?

Ein ganz besonderes Beispiel aus der christlichen Überlieferung gibt uns die Kreuzigungserfahrung Jesu Christi. Im Neuen Testament ist sehr präzise aufgezeichnet, was Jesus nach seiner Kreuzigung auf dem Hügel Golgatha widerfuhr: »Gekreuzigt, gestorben und begraben; niedergefahren zur Hölle; am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten. Aufgefahren zum Himmel...«

Die Nahtodeserfahrung Jesu Christi

Es ist in diesem Zusammenhang müßig, hier die viel diskutierte Frage aufzuwerfen, ob Christus nach seiner Kreuzigung wirklich tot war oder nicht. Mediziner und Physiologen gehen heute übereinstimmend davon aus, dass er nach den Folterqualen am Kreuz in ein Koma verfiel. Dies bedeutet nichts anderes, als dass Jesus sich zwar in tiefster Bewusstlosigkeit befand, nicht aber tot im eigentlichen Sinn war.

Im 24. Kapitel des Lukas-Evangeliums lässt dessen Autor Christus selbst nach seiner Auferstehung zu seinen versammelten Jüngern sagen: »Seht meine Hände und meine Füße: Ich bin es selbst. Fühlt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Beine, wie ihr seht, dass ich habe.« Danach verlangte er etwas zu essen, wie um sich und den anderen seine wiedererwachte Lebendigkeit zu beweisen.

Nahtodeserlebnisse weisen Konstanten auf, die von Raum und Zeit unabhängig sind.

Die Berichte von Nahtodespatienten ähneln sich

Ganz ähnliche Fälle von Koma und sogar klinischem Tod mit nachfolgender erfolgreicher Wiederbelebung durch künstliche Beatmung, Herzmassage oder Elektroschock kennen wir zu tausenden. Die moderne Medizin ist heute in der Lage, derartig starke Weckreize zu bieten, dass manche Komapatienten aus jener »anderen Welt« wieder zurückgeholt werden. Und - das ist das Erstaunliche - die meisten dieser Nahtodespatienten berichten anschließend, befragt auf ihre Gedanken und Erlebnisse während ihrer Bewusstlosigkeit, von ähnlichen Erfahrungen wie die, die von Ritter Owein oder Jesus Christus überliefert sind. Sie alle gelangten durch eine Art dunkle Röhre oder einen ähnlichen Eingang in eine »untere« oder in eine »obere« Welt, oft sogar in beide nacheinander.

Das Erlebnis des »schamanischen Todes«

Vernunftbetonte, aufgeklärte Menschen mögen bei diesen wundersam anmutenden Berichten ungläubig den Kopf schütteln. Einen Schamanen hingegen werden sie nicht im mindesten aus der Fassung bringen. Schließlich sind ihm diese Erfahrungen bestens vertraut.

Alle Menschen, die in unseren Beispielen genannt wurden, Owein, Christus sowie die Patienten, die aus einem Koma wiedererwachten und gesundeten, haben tatsächlich eine gemeinsame Erfahrung: den an Leib und Seele erlebten »schamanischen Tod«. Den beschriebenen Reisen in die untere und die obere Welt kam dabei »nur« die Bedeutung eines begleitenden, wenngleich höchst lehrreichen Szenarios zu. In den meisten Fällen änderte dieses tiefe Erlebnis das spätere Leben und die Lebensweise dieser Menschen sehr drastisch. Nicht selten handelten sie verantwortungsbewusster sich und anderen gegenüber, vertraten eine höhere Moral und Ethik als in ihrem früheren Leben; und nicht wenige fanden erst durch dieses einschneidende Ereignis zu einer tiefen Religiosität.

Das Entscheidende an dieser Erfahrung war der eigene Tod an sich, den die Betroffenen erlebten, also die als wirklich erlebte Vernichtung des Ich. Auf diesen Aspekt werde ich an anderer Stelle noch genauer eingehen.

Menschen, die den Tod geschaut haben, verlieren die Angst vor dem Sterben. Möglicherweise ist es diese neue Freiheit, die sie anders leben lässt.

Die Wirklichkeit schamanischer Reisen

Spirituelle Reisen ins Jenseits sind jedem Menschen, der sich mit Mystik beschäftigt, vertraut. Dabei ist es ganz gleich, ob es sich dabei um einen Schamanen, Christen oder Andersgläubigen handelt. So ist auch von Mohammed, dem großen Propheten des Islam, zumindest eine spirituelle Reise bekannt, die uns überliefert ist.

Auf einem weißen, geflügelten Ross ritt er eines Nachts von der Kaaba in Mekka aus zunächst nach Jerusalem und von dort weiter durch Hölle und Himmel. Für ihn selbst war diese »Nachtfahrt «, nach der die 17. Sure des Korans benannt ist, wirklich. Und das steht auch in keinem Widerspruch zu den Beteuerungen seine Gattin, er habe die ganze Nacht auf den 17. Rabî'al-awwal im Jahre vor der Auswanderung nach Medina, zu Hause in seinem Bett verbracht.