Heilbuch der Schamanen

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Die Wiederhol- und Reproduzierbarkeit der Reisen

Es gibt eben in der Mystik wie im Schamanismus, die sich beide ohnehin weitgehend überschneiden, verschiedene Realitätsebenen. In ihrem Wirklichkeitsanspruch sind sie gleichberechtigt. Wie real schamanische Reisen in einer ganz anderen Hinsicht sind, belegt auch ihre Wiederhol- und Reproduzierbarkeit. Zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen erlebten und erleben Schamanen auf ihren Reisen grundsätzlich Gleichartiges, wie in den obigen Beispielen beschrieben.

Es gibt tatsächlich eine ganz Reihe von Bereichen, die früher oder später jeder schamanisch arbeitende Mensch kennen lernt: die untere Welt, die obere Welt, das große Nichts, die Höhle der verlorenen Kinder, das Grenzgewässer zum Reich der toten Seelen (das in zahlreichen Mythologien eine dominierende Rolle spielt), eine weite, ruhige grüne Tallandschaft und noch unzählige andere Welten.

Die Übereinstimmungen dieser Szenarien sind derart augenfällig, dass sich Michael Harner's Foundation of Shamanic Studies in einem wissenschaftlichen Großprojekt daran wagte, Zehntausende von Reiseberichten auf verwandte Bilder zu untersuchen, um eine »Kartografie der nicht alltäglichen Realität« zu erarbeiten.

Jung definierte das transpersonale Unbewusste als »die geistige Erbmasse der Menschheitsentwicklung«. Ausdruck dieser Gemeinsamkeit sind nach Jung die so genannten Archetypen (Urbilder), die - unabhängig von Kultur und Zeitalter - in Träumen, religiösen Symbolen, Mythen und Märchen auf tauchen.

Subjektive Empfindungen und objektive Wirklichkeit

Wer solche nicht alltäglichen Szenarien das erste Mal als erwachsener Mensch bereist, ist danach im Allgemeinen sehr erstaunt und hält das subjektiv Erlebte für Früchte seiner eigenen Phantasie. Doch schon in einem schamanischen Basisseminar mit etwa zehn Personen lassen sich interessante Vergleiche ziehen. Bei allen Teilnehmern, die diese Räume erstmals betreten haben, ergeben sich erstaunlich viele Übereinstimmungen - auch im Vergleich mit »Reiseberichten« von Stammesschamanen aus uns fremden Kulturen.

Das überpersönliche Unbewusste C.G. Jungs

Der Psychologe Carl Gustav Jung (1875-1961), dessen Arbeiten nicht nur stark auf die Psychotherapie sondern daneben auch auf die Religions- und Mythenforschung sowie die Ethnologie wirkten, prägte nicht von ungefähr den Begriff des transpersonalen Unbewussten. Er hatte selbst durch tibetisch inspirierte Meditationsübungen und im Zug seiner Forschungsarbeiten zum Sinnzusammenhang von Natur und Seele erfahren, dass Erlebnisse in nicht alltäglichen Realitätsräumen weit über die eigene Phantasie und über das eigene Unbewusste hinausführen können.

Diese Erfahrungsräume erscheinen uns zwar zunächst fremdartig, sind aber trotzdem wirklich und objektiv. Solche Bereiche bezeichnete Jung als transpersonal, über die persönliche Erfahrung, das Unbewusste und die subjektiv empfundene Wirklichkeit hinausgehend.

Unterwegs in bekanntes Land

Wollen wir uns heute dem Schamanismus praktisch nähern, dann können wir uns die gesammelten Erfahrungen der in früheren Zeiten und heute praktizierenden Schamanen zunutze machen. Das ist von großem Vorteil. Schließlich zeigen uns diese Erlebnisse, wohin wir reisen können und was uns dort erwartet, ohne Schaden zu nehmen.

Für die europäischen Seefahrer und Eroberer des 15. und 16. Jahrhunderts beispielsweise war es weitaus schwerer und risikobehafteter, in ferne Länder wie das unbekannte Amerika, Südafrika, in arktische Gewässer oder nach Südostasien zu gelangen, als später für ihre Kinder und Kindeskinder. Schließlich mussten die Pioniere ihre Zielhäfen erst einmal entdecken und dafür eine mühevolle Reise ins Ungewisse mit Gefahren für Leib und Leben auf sich nehmen.

Auf den Schamanismus übertragen, bedeutet dies: Wenn man vor Antritt einer spirituellen Reise weiß, wo das Ziel liegt und was einen dort erwartet, wird das Reisen leichter, und man benötigt nur noch einen Bruchteil der Vorbereitungen.

In der nordischen Mythologie nimmt der Weltenbaum, die Weltesche Yggdrasil, ebenfalls eine zentrale Stellung ein. Die Weltesche breitet ihre Äste über das All, und ihre Wurzeln sind die Quellen der Weisheit und des Schicksals.

Die viergeteilte Welt

Was genau erwartet uns nun auf unserer schamanischen Reise? Dazu möchte ich mit wenigen Strichen ein Bild der schamanischen Kosmologie skizzieren.

Der Schamane versteht die Welt als viergeteilt. Es gibt eine untere Welt, die Religionen wie das Christentum oder der Islam als Hölle »umfunktioniert« haben. Und es existiert eine obere Welt, die Christen und Moslems in ihren Überlieferungen als Himmel bewerten. Auch die Naturvölker kennen eine untere und obere Welt, nur fehlt die auf Belohnung und Strafe, Gut und Böse zielende Wertung. Die eine Welt ist nicht schlechter oder besser als die andere. Beide sind notwendig und lediglich verschieden in ihrer Art und Darstellung.

Vergleichen wir dies einmal mit einem pflanzlichen Lebewesen. Ein Baum benötigt mehrere Faktoren, wie etwa Erde und Luft, zum Leben und Gedeihen. In vielen Kulturkreisen ist er daher auch ein zentrales Symbol für die schamanischen Wirklichkeitsbereiche. Und damit wird er zum Weltenbaum, dessen Wurzeln den Erdmittelpunkt erreichen und dessen Krone bis in den Himmel ragt.

Die mittlere Welt

Zwischen unterer und oberer Welt liegt die mittlere Welt. Das ist die Welt, in der wir in unserem irdischen Alltag leben. Die mittlere Welt in sich ist zweigeteilt: in eine alltägliche Wirklichkeit und eine nicht alltägliche. Alltäglich sind beispielsweise Schule und Finanzamt, Urlaubsreise und Zahnarzt. Nicht alltäglich sind die Zusammenhänge und Vorstellungen hinter diesen materiell und sinnlich wahrnehmbaren Fassaden. Hier ist eine Beschreibung mit Worten schwer. Lassen Sie mich diesen Bereich grob und nicht völlig zutreffend als Seelenleben bezeichnen. Ein Beispiel soll das erläutern.

In der Vorstellungswelt der germanischen Religion gibt es Midgard, den Lebensraum der Menschen, Utgard, dort wohnen die Riesen, die Unterwelt Hel sowie Asgard, das Land der Götter.

Alltägliche und nicht alltägliche Welt

Wenn ich den täglichen Weg zu meinem Arbeitsplatz zu Fuß, mit dem Auto oder mit der Straßenbahn zurücklege, dann tue ich das in der alltäglichen Realität der mittleren Welt. Wenn ich abends im Bett die Augen schließe und mir den Weg zur Arbeit Schritt für Schritt genau vorstelle, dann ist auch das noch alltägliche Realität. Wenn sich währenddessen aber vor meinem geistigen Auge plötzlich Ereignisse abspielen, die mit der erlebten Alltagswirklichkeit nicht übereinstimmen, wenn also an einer Straßenkreuzung plötzlich ein Gemüsehändler mit seinem Karren steht, der sonst niemals dort ist, dann ist das eine nicht alltägliche Realität in der mittleren Welt.

Andere Sphären - untere und obere Welt

In der unteren und der oberen Welt hingegen ist alles Erlebte nicht alltäglich. Schon ihr Aufbau macht dies deutlich. Sowohl bei der unteren Welt als auch der oberen Welt handelt es sich nicht um homogene Räume, d. h., sie sind nicht einheitlich aufgebaut und lassen sich vielfach in bestimmte Regionen unterteilen, die von uns oft auch als Sphären erlebt werden.

Alltägliche und nicht alltägliche Wirklichkeit sollten immer im richtigen Gleichgewicht zueinander stehen. Nur so erhalten wir uns unsere seelische und emotionale Gesundheit. Wenn wir also zu Reisenden zwischen den Welten werden und schamanisch arbeiten, so sollten wir unsere spirituellen Bemühungen mit Bedacht, Umsicht und Selbstbewusstsein in unser irdisches Leben einbauen, ohne jedoch die Anforderungen unseres Alltagslebens an uns als Gemeinwesen in einer vielschichtigen Gesellschaft zu vernachlässigen.

Reisewege der Seele

In anderen Realitätsebenen liegen die Ziele der schamanischen Reisen durch Raum und Zeit. Sie durchdringen unser alltägliches Leben spirituell und haben darauf Einfluss ,auch wenn wir nur in der Lage dazu sind, sie mit der Seele zu besuchen. Wie wir uns auf eine schamanische Reise begeben können, welche Rolle der Rhythmus dabei spielt, um uns in den schamanischen Bewusstseinszustand zu versetzen, erfahren Sie in diesem Kapitel. Auch der richtige Umgang mit den Visionserlebnissen und unseren Lehrern und Beschützern, den Krafttieren, wird hier gezeigt. Sie alle sind Wegweiser zu körperlicher und seelischer Harmonie und jener Gesundheit, die in unserem Inneren, unserer Seele angesiedelt ist.


Reise in die untere Welt

Beginnen wollen wir unsere schamanischen Gehversuche mit einer Reise in die untere Welt. Vorausschicken möchte ich gleich hier: Es kann durchaus der Fall sein, dass sich bei Ihrer ersten Reise nichts besonders Aufregendes ereignet. Betrachten Sie sie daher wie eine Art erstes »schamanisches Sightseeing«.

Wer einen Berg besteigen will, muss allerdings zuerst einmal wissen, wo sich dieser befindet und wie er zu ihm hinkommt. Und dann sollte er auch wissen, wie und auf welchem Weg er am besten hinaufgelangt.

 

Wo also befindet sich unser Reiseziel, die untere Welt, und wie kommt man am einfachsten dorthin? Und schließlich: Welche Reisevorbereitungen sind notwendig, um den Weg gut zu überstehen und ans Ziel zu gelangen?

Als nützliche Begleiter empfehlen sich für spirituelle Arbeit geeignete Räucherstäbchen. Bewährt haben sich beispielsweise die Padminis, die man in Indienläden bekommt, und die sehr dicken Stäbe aus Thai-Geschäften. Schwere Duftnoten wie »Fichtennadeln« oder »Winternacht« und so erfrischende wie »Lemongras« eignen sich nicht.

Die richtigen Vorbereitungen treffen

Für den Anfänger besteht die beste Vorbereitung für seine erste schamanische Reise darin, sich in einem Kreis Gleichgesinnter unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers auf den Weg zu machen. Er erspart sich damit unter Umständen Fehlversuche und zeitraubende Umwege, wird von dem spirituellen Feld profitieren, das sich erfahrungsgemäß in einem gemeinsamen Übungsraum aufbaut und wird auch Antworten auf seine Fragen erhalten. Allein tun sich die meisten Menschen zu Beginn schwerer. Trotzdem kann sich auch dieser Versuch lohnen.

Zunächst ziehe man sich in einen ruhigen Raum zurück, den man mit Hilfe von Jalousien und Vorhängen fast völlig abdunkeln kann. Ein sonnenbeschienenes Zimmer beispielsweise, das zudem auf eine stark befahrene Straßen hinausgeht, ist für den noch leicht störungsanfälligen Anfänger ungeeignet.

Wer zu Hause »reisen« möchte, sollte außerdem dafür sorgen, dass er während seiner spirituellen Reise nicht gestört wird. Dazu gehört auch, die Wohnungsklingel abzustellen, den Stecker aus der Telefonbuchse zu ziehen und sich von Mitbewohnern oder Familienmitgliedern Ruhe und Ungestörtheit zu erbitten.

Die richtige Trommel

Mit das wichtigste Utensil für die schamanische Reise ist die Trommel. Am besten eignet sich eine flache Rahmentrommel von etwa 40 Zentimeter Durchmesser (oder mehr) mit einem nicht allzu harten Schlägel.

Man erhält solche Instrumente in vielen Musikaliengeschäften, meist mit Kunststoffrahmen und Synthetikfell. Sie können aber auch auf einem Trödel- oder Flohmarkt oder beispielsweise in einem Afrikashop eine typische Schamanentrommel kaufen. Letztere ist zwar oft schöner als die anderen Trommeln, meist aber erheblich teurer und lässt sich häufig nur mühevoll und mit viel Übung nachspannen.

Helfer für den Anfang

Leider spielt sich die Trommel nicht von selbst. Dieser Punkt bereitet besonders Anfängern Probleme. Für sie ist es meist sehr schwierig, gleichzeitig zu trommeln und schamanisch zu reisen. Günstig ist es daher, sich für die erste Reise einen Helfer zu suchen, der das Trommeln übernimmt. In Seminaren ist das der Lehrer.

Am besten bitten Sie einen Freund oder eine Ihnen nahestehende Person aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis, Sie zu begleiten und für Sie zu trommeln. Dabei sollten Sie sich allerdings seines Interesses und seiner positiven Einstellung gegenüber dem Schamanismus sicher sein. Im Zweifelsfall können Sie auch selbst vor einem Mikrofon trommeln, die rhythmischen Schläge auf Tonband aufnehmen, um sie danach für Ihre Reise abzuspielen.

Besonders empfehlenswert ist das traditionelle irische Boghdran, eine leicht spannbare schwere Folkloretrommel, wie sie in den Pubs der Grünen Insel verwendet wird. Eine Bezugsquelle für gute Trommeln dieser Art finden Sie im Kapitel Hersteller geeigneter Fachtrommeln

Den Rhythmus finden

Wichtig sind auf jeden Fall ein gleichmäßiger und gleichbleibender Rhythmus, gleichbleibende Lautstärke und Monotonie. Unter Monotonie ist die ganz gleichmäßige Betonung jedes einzelnen Schlags zu verstehen.

Am besten geht es, wenn Sie leise dabei zählen: 21, 22, 23, 24 ... Jede Zahl sollte etwa eine Sekunde ausmachen. Geschlagen wird die Trommel auf jede einzelne Silbe: eín-únd-zwán-zíg, zweí-únd- zwán-zíg ... So erreichen Sie einen 4-Hertz-Rhythmus, nach dem man gut reisen kann. Manche bevorzugen auch ein etwas schnelleres oder langsameres Tempo.

Alternative Möglichkeiten

Tonträger mit Trommelmusik kann man auch im Handel erstehen. Wenn Sie sich für diese Möglichkeit entscheiden, achten Sie bitte darauf, dass sich auf den Tonbandkassetten oder CDs nichts anderes findet als ein monotoner 3- bis 7-Hertz-Rhythmus. Angeboten werden heute auch völlig ungeeignete Machwerke, die von Synthesizer-Meeresrauschen und Vogelgezwitscher bis hin zu esoterischen Sphärenklängen oder säuselnder Schlummermusik mit Subliminals reichen und als schamanische Reisebegleitmusik vertrieben werden. Sie bringen samt und sonders nur Geld für den Produzenten und beinhalten nichts anderes als ablenkende Fremdbeeinflussung.

Wer sich zu solchen Geräuschen auf eine schamanische Reise begibt, was einem sogar recht leicht fallen kann, setzt das eigene Erleben völlig unkontrollierbaren äußeren Einflüssen aus. Gerade das jedoch gilt es unbedingt zu vermeiden. Ernsthafte schamanische Arbeit ist nämlich das genaue Gegenteil von äußerer Manipulation.

So genannte Subliminals sprechen das Unterbewusste an. Auf esoterischen Musikkassetten oder CDs sind häufig Affirmationstexte als Subliminals zu finden. Während man die Musik hört, wendet sich beispielsweise eine Affirmation wie »Es geht mir jeden Tag in jeder Hinsicht besser und besser« direkt an tiefere Wahrnehmungsschichten.

Abschluss der Reisevorbereitungen

Um Ihre Reisevorbereitungen abzuschließen, dunkeln Sie den Raum, in dem Sie Ihre Reise antreten, weitgehend ab. Das Licht einer Kerze reicht vollkommen. Zünden Sie, wenn Sie möchten, ein Räucherstäbchen an, und legen Sie sich dann auf eine nicht allzu harte Matte oder Decke. Anstatt der Rückenlage können Sie auch eine andere bequeme Haltung einnehmen.

Dauer und Rückrufsignal

Die erste Reise führt Sie in die untere Welt und sollte etwa 20 Minuten dauern. Damit das Ende der Reise nicht zu überraschend kommt, wird der Trommler ein Rückrufsignal schlagen. Das sieht so aus:

A . . . . . . .

B .... .... .... ....

C ....................

A besteht noch aus dem Trommelrhythmus der Reise, B ist das eigentliche Rückrufsignal, C zeichnet sich durch ein etwas leiseres schnelles Trommeln von etwa 30 Sekunden Länge aus und sollte auf keinen Fall kürzer ausfallen. Während dieser Zeitspanne findet der Reisende genügend Zeit, in seine Alltagsrealität zurückzukehren.

Eingänge in die untere Welt

Den äußeren Vorbereitungen folgen noch einige innere, die unentbehrlich sind. Zunächst muss man sich einen Eingang zu seinem Reiseziel, der unteren Welt, suchen. Dazu kann man sich alles vorstellen, was hinabführt: Goldmaries Brunnen ebenso wie die Kellertreppe im eigenen Haus. Als besonders gut haben sich Plätze in der Natur bewährt, die der Reisende kennt und mit denen er angenehme Eindrücke und Erfahrungen verbindet. Auch sie sollten nach unten führen. Eine natürliche Höhle bietet sich dazu an, ebenso wie der Eingang zu einem Fuchs- oder Kaninchenbau, ein hohler Baum o. Ä. Die Größe des Eingangs spielt dabei keine Rolle. Ein mächtiger Vulkankrater eignet sich ebenso wie ein fingerbreiter Felsspalt.

Sie brauchen keine Angst zu haben, dass Ihnen auf der Reise Schreckliches oder Alptraumhaftes widerfahren könnte. Sollte Ihnen auf Ihrem Weg wirklich etwas Störendes begegnen, dann schicken Sie es einfach fort oder weichen Sie ihm aus. Nichts kann Ihnen gefährlich werden.

Wie der Zutritt auch beschaffen sein kann

Der Eingang zum Weg nach unten braucht nicht offensichtlich frei zu sein. D. h., er kann auch im Verborgenen liegen. So können Sie beispielsweise gedanklich in einen gesunden Baumstamm schlüpfen und von dort aus den Wurzeln in die Erde folgen oder in einen Teich springen, untertauchen und sich durch den weichen Boden weiter abwärts bewegen.

Haben Sie einen solchen Eingang für sich gefunden, dann sollten Sie ganz kurz die Augen schließen und versuchen, Ihr Eingangsszenario bildlich vor sich zu sehen. Das vereinfacht das spätere Reisen. Gelingt diese Visualisierung nicht, so ist das auch kein Problem. Dann können Sie versuchen, sich alles um den Eingang herum auf andere Weise sinnlich zu vergegenwärtigen. Vielleicht können Sie den Wind in den Blättern des Baums hören, in dessen Stamm Sie schlüpfen wollen. Vielleicht können Sie die raue Borke fühlen, vielleicht sind Sie auch ganz einfach von dem Wissen durchdrungen: »Ich bin da, wo ich sein möchte, obwohl ich weder etwas sehe, noch fühle, noch rieche...«

Bevor Sie den ersten Schritt tun

Ist es im Raum noch zu hell, dann decken Sie jetzt Ihre Augen ab. Dazu eignet sich beispielsweise eine Schlafmaske oder ein weicher Schal.

Bevor Sie nun endgültig zu Ihrer ersten schamanischen Reise aufbrechen, formulieren Sie dreimal still: »Ich reise in die untere Welt, um sie kennen zu lernen.«

Während Sie diesen Satz leise vor sich hin sagen oder denken, beginnt die Trommel. Kümmern Sie sich jetzt nicht weiter um die Formulierung, und lassen Sie sie so stehen. Das Einleitungsanliegen haben Sie gleichsam als Mission vorausgeschickt. Denken Sie sich stattdessen jetzt an Ihren Eingang zur unteren Welt, und gehen, springen oder schlüpfen Sie hinein.

Unternehmen Sie schamanische Reisen nüchtern und nicht nach Alkohol- oder Drogengenuss, sonst schleicht sich der Schrecken von ganz woanders her ein. Und machen Sie nie den zweiten Schritt vor dein ersten, d. h., halten Sie sich an die Reihenfolge der Reisevorschläge in diesem Buch.

Sich treiben lassen

Schon wenig später wird sich die Umgebung verändern. So kann es sein, dass Sie zwar in den Kanal, der vor Ihrem Haus vorbeifließt, gesprungen sind, sich aber plötzlich in einer weiträumigen Tropfsteinhöhle wiederfinden. Sobald ein solcher Wandel eintritt, hören Sie auf, Ihre Reise selbst zu beeinflussen; es sei denn, Sie kommen an bestimmten Stellen nicht weiter.

Ist das der Fall, dann überprüfen Sie zunächst erst einmal, ob Sie überhaupt weiter wollen oder nicht. Wenn nicht, bleiben Sie, wo Sie sind, und sei es auch noch so dunkel um Sie herum. Zieht es Sie aber weiter, dann suchen Sie nach einem Ausweg; zwängen Sie sich durch einen engen Spalt, oder gehen Sie durch eine scheinbar kompakte Wand hindurch. Sie werden sich wundern, wie leicht das geht. Dies allerdings nur unter einer Voraussetzung: Seien Sie sich bewusst, dass Sie nichts erzwingen können.

Machen Sie Ihre Erfahrungen

Bevor Sie Ihre Lektüre an dieser Stelle fortsetzen, sollten Sie auf jeden Fall erste Reiseerfahrungen - auch negativer Art - gesammelt haben. Sonst fühlen Sie sich durch alles, was auf den folgenden Seiten ausgeführt ist, auf Ihren späteren Reisen von vorneherein bevormundet. Dann sehen Sie zwar etwas, können es aber nicht wirklich mit eigenem Erleben identifizieren, weil Sie glauben werden, sich lediglich bildhaft das von einem Fremden Gesagte vorzustellen. Um dieser Gefahr zu entgehen, wiederhole ich meine dringende Bitte: Lesen Sie hier erst weiter, wenn Sie über eigene Reiseerfahrungen verfügen, sonst mag sich der Rest dieses Buchs als ziemlich wertlos für Sie herausstellen. Wie bereichernd dagegen ist es, selbst Erfahrungen zu sammeln und danach die Bestätigung zu finden: Was ich erfahren habe, ist keine bloße Phantasie, sondern eine fremde aber objektive Realität, die sich anderen Menschen ganz ähnlich darstellt und meist auch ähnlich empfunden wird.