Heilbuch der Schamanen

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Ursachen für eine fehlgeschlagene Reise

Wenn Sie an dieser Stelle weiterlesen, haben Sie bereits erste Reiseversuche unternommen. Es gibt nun grundsätzlich zwei Ergebnismöglichkeiten: Entweder Sie können auf bestimmte mehr oder weniger ausgeprägte Erlebnisse zurückblicken, oder es hat sich gar nichts getan. Zwischenstufen gibt es nicht.

Nichts zu erleben, kann sich auf zweierlei Weise äußern: Entweder ist bei Ihren Versuchen, schamanisch zu reisen, überhaupt nichts geschehen, oder Sie haben lediglich den Eingang zur unteren Welt visualisiert, den Sie sich vor der beabsichtigten Reise vorgestellt haben. Von dort aus ging es jedoch nicht weiter.

Nehmen wir zunächst den - weitaus unwahrscheinlicheren - Fall an, dass Sie wirklich gar nichts erlebt haben. Das ist kein Grund, gleich entmutigt zu sein. Verschiedene Ursachen können für diese verunglückte Reise verantwortlich sein. Um diese zu ergründen, beantworten Sie bitte ganz aufrichtig die folgenden Fragen.

Auch die Reise des Odysseus, des Helden der griechischen Mythologie, kann als Schamanenreise verstanden werden. Nach der Einnahme Trojas tritt er die Heimfahrt an, auf der er die seltsamsten Abenteuer bestehen muss. So wird er beispielsweise von einem einäugigen Riesen in eine Höhle gesperrt und soll am Eingang zur Unterwelt den Schatten eines Sehers über sein weiteres Schicksal befragen.

Die Frage nach der inneren Überzeugung

War es vielleicht Ihre bewusste oder unbewusste Absicht, sich selbst oder anderen zu beweisen, dass schamanisches Reisen grundsätzlich nicht möglich ist oder sogar, dass Schamanismus nichts anderes ist als Scharlatanerie oder Aberglaube?

Überdenken Sie dabei einmal das Folgende: Ein Mensch, der beispielsweise romantische Gefühle als unlogisch und unrealistisch oder lediglich als Symptome körpereigener chemischer Prozesse betrachtet, wird sich niemals aus vollem Herzen über die Schönheit eines bunten Schmetterlings freuen können und wird wohl auch niemals in der Lage sein, tiefe, bedingungslose Liebe zu empfinden.

Die Frage nach den Erwartungen

Hatten Sie vor Ihrer Reise überzogene oder ganz bestimmte, im Geist vorformulierte Erwartungen, und haben Sie sich dadurch womöglich unter eine Art Leistungsdruck gesetzt? Es muss jetzt unbedingt klappen! Andere können das schließlich auch. Ich darf keinesfalls versagen!

Bedenken Sie: Spirituelles Erleben lässt sich vom Verstand her nicht erzwingen. Stattdessen tritt meist eine Umkehrwirkung ein, die diese Art der Erfahrung eher behindert.

Die Frage nach Ängsten

Hatten Sie Angst, etwas Schreckliches oder Gefährliches könne Ihnen auf Ihrer Reise zustoßen, dem Sie sich nicht entziehen können und stellen müssen?

Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, dann können Sie es getrost gleich noch einmal mit einer Reise versuchen. Auf schamanischen Reisen geschieht nichts Gefährliches.

Auch bleiben Sie auf jeder Reise stets Ihr eigener Herr und vollkommen handlungsfähig. Der schamanische Bewusstseinszustand ist keine hypnotische Tieftrance. Wenn Sie der einfachen Reiseempfehlung in diesem Buch folgen und die vorgeschlagene Exkursion in die untere Welt unternehmen, dann können Sie sicher sein, dass Ihnen nichts Gefahrvolles oder Erschreckendes begegnet. Und sogar wenn Sie diesen Punkt überspringen und gleich von Anfang an daran gehen wollen, ein schweres Kindheitstrauma aufzuarbeiten, werden sich die Schrecknisse in verkraftbaren Grenzen halten. Schließlich hätte selbst die Konfrontation mit einem früheren traumatischen Erlebnis allenfalls den Charakter einer Heilkrise.

Um eine untere Welt geht es in dem berühmt gewordenen Roman »Alice im Wunderland« von Lewis Carroll, der 1865 erschienen ist. Die kleine Alice begibt sich auf die phantastische Reise dorthin.

Die Frage nach Befürchtungen für die Zukunft

Haben Sie befürchtet, Ihre beabsichtigte schamanische Reise könne etwas bewirken, das vielleicht Ihr gewohntes Leben verändern wird? Glauben Sie, dass Ihr ethisches oder streng naturwissenschaftliches Weltbild ins Wanken geraten könnte, wenn Sie auf der Reise erleben, dass Schamanismus tatsächlich funktioniert? Befürchten Sie aufgrund Ihrer Erlebnisse Veränderungen, weil Sie sich nun beispielsweise im Klaren darüber sind, dass Sie mit dem falschen Partner zusammenleben? Oder haben Sie Angst davor, eventuell erkennen zu müssen, dass Ihre bisherige berufliche Tätigkeit ethisch und im Sinn des Gemeinwohls unverträglich ist und dass es besser wäre sie aufzugeben, selbst wenn dies mit existenziellen Nachteilen verbunden wäre?

Wenn Derartiges im Spiel ist, dann überlegen Sie sorgfältig, was sich schlimmstenfalls in Ihrem Leben ändern könnte, wenn Sie einen spirituellen Weg beschreiten. Sind Sie nicht — oder noch nicht — bereit, einem möglichen Wandel zuzustimmen, dann unternehmen Sie keine weiteren Reiseversuche.

Denn eines muss gesagt sein: Beim schamanischen Erleben geht es wie beim ernsthaften Einschlagen jedes anderen spirituellen Wegs immer um alles oder nichts. Nur aus Neugier zu »schamanisieren« ist nicht möglich, man muss auch bereit sein, die Konsequenzen für sein Handeln zu ziehen. Wer ernsthaft eine Frage stellt, riskiert immer, eine Antwort zu erhalten. Wer ernsthaft um etwas bittet, muss damit rechnen, dass er es auch bekommt. Das gilt insbesondere auch für die fortgeschrittene schamanische Arbeit.

Die Frage nach der Religiosität

Befürchten Sie, dass die schamanische Arbeit mit Ihrer religiösen Einstellung unvereinbar ist?

Wenn Sie sich in diesem Punkt nicht sicher sind, dann lesen Sie noch einmal das Kapitel »Schamanismus und Religion«, bevor Sie weitere Reiseversuche unternehmen. Gegen Ihre religiöse Überzeugung schamanisch reisen zu wollen, funktioniert jedenfalls nicht. In einem schamanischen Basisseminar begegnete mir einmal ein katholischer Moraltheologe. Er erkannte bereits nach dem ersten Tag: »Wenn ich nur beobachtend dabeisitze, erfahre ich über Schamanismus gar nichts. Aber aktiv mitmachen? Darf ich das denn als praktizierender Christ?« Am folgenden Sonntag ging er morgens ins Hochamt und fragte in stillem Gebet den Heiligen Geist, um seine Zweifel zu beseitigen: »Darf ich Schamanismus praktizieren?« Die Antwort war: »Sicher. Was meinst du, was du jetzt gerade tust?«

Schamanisches Reisen setzt die Bereitschaft voraus, dem, was einem dabei möglicherweise begegnet, wirklich ins Auge schauen zu wollen. Es zeitigt mehr oder weniger einschneidende Konsequenzen für das eigene Leben.

Die Frage nach dem sozialen Umfeld

Befürchten Sie, dass Ihr persönliches Umfeld - Familie, Freunde und Arbeitskollegen - Ihre schamanischen Gehversuche ernsthaft ablehnen würde?

Wenn das der Fall sein sollte, Sie aber eine derartige Ablehnung nicht ertragen können, dann müssen Sie sich für das eine oder das andere entscheiden, bevor Sie weitermachen. Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen aus Ihrem Umfeld bereit sein werden, Ihren Weg zu respektieren, wenn Sie diesen nur entschieden genug vor sich selbst und Ihren Lieben vertreten.

Die Frage nach dem Selbstbewusstsein

Ist es möglich, dass Ihr Selbstbewusstsein nur schwach ausgeprägt ist und Sie sich der Reise einfach nicht gewachsen fühlen? »Wahrscheinlich können es wieder einmal alle, ich aber ganz bestimmt nicht.«

Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, dann bin ich ganz und gar nicht davon überzeugt, dass Sie nichts erlebt haben. Vielleicht sind Sie nach dem Eingang in die untere Welt lediglich in einen dunklen Raum geraten, aus dem Sie sich in Ihrer selbst auferlegten Bescheidenheit nicht heraus getraut haben. Versuchen Sie es weiter! Und achten Sie auf jede Kleinigkeit. Vielleicht sehen Sie das erste Mal ganz flüchtig ein paar Augen im Dunkel, vielleicht ahnen Sie ein unterirdisches Labyrinth mehr als Sie es sehen. Langsam aber sicher werden Ihre Reiseerlebnisse deutlicher und stärker werden.

Die Frage nach der Vorstellungskraft

Verfügen Sie über eine sehr lebhafte Phantasie, und können Sie gut visualisieren, also vor Ihrem inneren Auge willentlich Bilder wachrufen?

In diesem Fall laufen Sie wahrscheinlich Gefahr, alle schamanischen Reiseerlebnisse als bloße Produkte Ihrer eigenen Vorstellungskraft abzutun. Kümmern Sie sich nicht darum, wo Ihre Phantasie aufhört und das eigentliche Reisegeschehen beginnt. Später merken Sie das ganz von selbst und lernen beides sehr gut unterscheiden.

Eines der ersten Erlebnisse des Ritters Owein war ein dunkler, kellerartiger Raum, in dem er sich wiederfand. Mancher angehende Schamane hat es bei seinen ersten Gehversuchen tage- und wochenlang mit solchen Räumen zu tun. Dabei handelt es sich um eine wichtige und notwendige Entwicklungsphase.

Die Frage nach der sinnlichen Qualität der Erlebnisse

Haben Sie vielleicht etwas anderes erlebt als Sie erwartet haben und deshalb die Reise als Ganzes angezweifelt?

Manche Menschen glauben, vor ihrem geistigen Auge müsste eine Art lückenloser Spielfilm ablaufen. Sie sind dann enttäuscht, »nur« einzelne blitzlichtartige Standbilder oder überhaupt nichts gesehen zu haben. Vielleicht fühlten Sie nur einen kalten Luftzug und hatten einen bestimmten Geruch in der Nase. Auch das sind schamanische Reiseerlebnisse.

Lassen Sie alle vorgefassten Meinungen darüber fallen, wie eine schamanische Reise verlaufen könnte. Vielleicht wünschten Sie sich, durch einen Brunnenschacht in eine blühende Landschaft zu gelangen und fanden sich stattdessen auf der Rolltreppe eines U-Bahnhofs wieder. Sie sagten sich dann sofort: »Aber das will ich doch gar nicht.« Und schon war Ihre Reise zu Ende, bevor sie beginnen konnte. Nehmen Sie alles so, wie es kommt, und wenn Sie es nicht mögen oder verstehen, wie es ist, dann fragen Sie nach, warum Sie dies und nichts anderes erleben. Irgendjemand wird erscheinen und Ihre Fragen beantworten.

 

Die Frage nach spirituellen Alternativen

Haben Sie vielleicht bereits einen anderen spirituellen Weg gefunden, der Ihnen mehr liegt als Schamanismus, beispielsweise Zen-Meditation oder Raja-Yoga?

In diesem Fall möchte ich Ihnen empfehlen, auf Ihrem Weg zu bleiben. Verzetteln Sie sich nicht. Man kann einen Berg nicht auf zwei Wegen gleichzeitig besteigen.

Die Frage nach den äußeren Begleitumständen

Haben Sie Ihre Reiseversuche vielleicht unter innerem oder äußerem Stress durchgeführt? Waren Sie unter Zeitdruck, weil Sie gerade Besuch erwarteten? Oder litten Sie unter Kopfschmerzen oder Migräne, die Ihre Reise störten?

Am besten beginnt man schamanische Reisen in einem entspannten Zustand. Unter Stress ist Reisen besonders für Anfänger schwierig.

Die Frage nach Erfahrungen mit Nirwana-Meditation

Sind Sie erfahren in Nirwana-Meditation? In diesem Fall müssen Sie sich wahrscheinlich erst umgewöhnen. Schamanisches Reisen bedeutet nahezu das Gegenteil Ihrer bisherigen Meditationserfahrungen. Ging es bei Ihren bisherigen Bemühungen darum, Ihr Bewusstsein weitestgehend zu entleeren, so kommt es jetzt auf intensives Erleben an.

Nirwana bedeutet soviel wie verwehen, erlöschen. Der Begriff aus der buddhistischen Lehre bezeichnet das Heilziel dieser Religion. Nirwana ist der Zustand des Erlöstseins, der Überwindung allen Strebens und allen Leides.

Die Frage nach den bisherigen Antworten

Konnten Sie alle vorhergehenden Fragen aufrichtig mit Nein beantworten, und haben Sie trotzdem nichts erlebt?

Dieser Fall ist so selten, dass ich Sie bitten möchte, die zwölf Fragen noch einmal sorgfältig durchzugehen und genau zu prüfen, ob sich nicht vielleicht doch ein unzutreffendes Nein eingeschlichen hat.

Erst wenn das ganz bestimmt nicht der Fall ist, können Sie unverändert mit Ihren Reiseversuchen fortfahren. Wahrscheinlich wird Ihre Geduld dabei aber auf eine äußerst harte Probe gestellt. Ich habe einige wenige Menschen kennen gelernt, die jahrelang immer wieder vergeblich schamanische Reiseversuche unternahmen. Dann, auf einmal, stellte sich unvermittelt der Erfolg ein. Oft erweisen sich solche Menschen später als besonders befähigt für schamanische Arbeit. Denn nicht jeder ist das in gleichem Maß.

Einen neuen Versuch unternehmen

Wer sich mit seinen ersten schamanischen Reiseversuchen schwer tut, kann ein bisschen mit der Methodik spielen. Variieren Sie beispielsweise die Trommelfrequenz. Oder versuchen Sie es ohne Trommel, beispielsweise begleitend zu einer monotonen rhythmischen Körperbewegung wie Jogging.

Beginnen Sie in diesem Fall anstatt einer Exkursion in die untere Welt mit einer Mittelweltreise. Dazu schließen Sie die Augen und stellen sich zu den Trommelklängen einen gut bekannten Weg vor. Legen Sie ihn im Geist zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zurück, so wie Sie es im Alltag gewohnt sind. Achten Sie unterwegs darauf, was sich Ihnen anders präsentiert als im Alltag. Vielleicht trägt der Paketbote an der Straßenkreuzung auf Ihrer Reise keine braune Uniformjacke wie üblich, sondern ein langes gestreiftes Nachthemd. Vielleicht begegnen Ihnen Autos mit fünf Rädern. Wenn das der Fall ist, schleichen sich ganz langsam erste schamanische Elemente ein. Und bald werden Sie reisen können.

Wenn Sie mehrere Male scheinbar vergeblich versucht haben, allein schamanisch zu reisen, ist es möglicherweise sinnvoll, sich an einen guten Lehrer zu wenden und im Rahmen eines Seminars neue Erfahrungen zu gewinnen.

Der Ablauf einer gelungenen Reise

Wer von einer erfolgreich stattgefundenen Reise zurückkehrt, kann sehr Unterschiedliches erlebt haben. Dabei geht es um derart viele verschiedene Möglichkeiten, dass es unmöglich ist, sie hier alle aufzuzählen. Doch gibt es einige Standardelemente schamanischer Reisen, die häufiger vorkommen als andere. Ein paar davon möchte ich hier vorstellen. Vielleicht kommt Ihnen das eine oder andere bekannt vor.

Tunnelerlebnisse und Eingangsräume

Häufig sind so genannte Tunnelerlebnisse. Nachdem der Reisende seinen Eingang hinter sich gelassen hat, fühlt er sich plötzlich in eine Art Röhre oder einen dunklen Tunnel hineingezogen, der mehr oder weniger steil nach unten führt. Manchmal haben diese Röhren den Charakter von Wellrohren, oder ihre Wände zeigen spiralige Linien. Durch solche Eingänge kann man gehen, laufen, fliegen oder fallen.

Es muss aber nicht immer ein Tunnel oder eine Röhre sein. Andere Menschen finden sich stattdessen unmittelbar nach dem Eintritt in die untere Welt in dunklen kellerartigen Räumen wieder, mit Treppen, die weiter hinabführen, oder in weiträumigen natürlichen Grotten und Tropfsteinhöhlen. Wieder andere sehen sich zunächst unter Wasser.

Erlebnisse in den ersten Räumen

Alle Anfangsphasen einer Reise in die untere Welt können in eine Landschaft münden. Das kann ein Gebirge sein, ein Hügelland, aber auch eine Steppe, Wüste oder ein Meeresufer. Man kann sich aber auch in einer Großstadt wiederfinden, genauso wie im Inneren eines Palasts. Eine weitere Variante ist ein dunkler, leerer Raum, in dem der Reisende scheinbar stecken bleibt. Manchmal stellt sich dieser Raum auch gleich nach dem Reisebeginn ein. Das bedeutet nicht, dass die Reise erfolglos ist. Solche Räume sind oft äußerst nützlich. Vielfach finden sich Menschen dort wieder, die im Alltag mit viel Stress zu kämpfen haben und erst einmal zu sich selbst finden müssen, bevor sie weiterkommen.

Durch die Intensität des Erlebens während einer Reise verändert sich die Zeitwahrnehmung. Während tatsächlich vielleicht nur eine Viertelstunde vergangen ist, hat der Reisende nach seiner Rückkehr häufig das Gefühl, sehr viel länger fort gewesen zu sein.

Wesen, die einem begegnen können

Wer in eine wie auch immer geartete Landschaft gelangt ist, kann dort - abgesehen von Pflanzen - ganz allein gewesen sein. Oft begegnen einem aber schon auf der ersten Reise Tiere oder auch andere Menschen. Sie müssen keineswegs unseren Sehgewohnheiten entsprechen. Pferde mit Flügeln sind ebenso vorstellbar wie sprechende Fische oder Menschen mit Tierköpfen. Manchmal laden einen diese Wesen ein, mit ihnen gemeinsam eine Besichtigungsreise zu unternehmen. Dann sitzt man vielleicht auf einer Riesenschildkröte und fliegt mit ihr über eine endlose Sandwüste, oder ein Adler trägt einen durch ozeanische Korallengärten.

Den richtigen Rückweg einschlagen

Wenn die Trommel zur Rückkehr ruft, brechen Sie die Reise ab, indem Sie Ihren Weg in umgekehrter Reihenfolge zurücklegen. Das geht im Allgemeinen ohne weiteres Nachdenken und sehr rasch. Sie können auch auf Abkürzungen wieder in den Alltag zurückkehren, von wo aus Sie Ihre Reise in die andere Realität begonnen haben. Die Rückkehr auf demselben Weg wie dem Hinweg ist aber - besonders für Anfänger - sinnvoller. Man bekommt von Anfang an ein besseres Gespür dafür, wie man später selbst aktiv in das Reisegeschehen eingreifen kann.

Die Sprache der Seele

Wahrscheinlich haben Sie jetzt bereits Erfahrungen in der unteren Welt gesammelt und sind vielleicht ebenso überrascht wie irritiert von dem, was Ihnen begegnet ist. Die meisten Neulinge blicken auf wunderschöne Reiseerlebnisse zurück und wären gerne noch länger geblieben. Andere geben auch zu, dass sie etwas Angst verspürt hätten, weil sie nur in dunklen Kellerräumen herumgestolpert wären und dabei die Anwesenheit von unsichtbaren Kreaturen gefühlt hätten.

Gemeinsam ist den meisten Anfängern die Frage, ob sie das alles wirklich erlebt oder es sich nur eingebildet haben. Dazu lässt sich nur sagen, dass sie das noch eine ganze Weile nicht so recht unterscheiden können werden. In einigen verbindlichen Sätzen erklären lässt sich der Unterschied auch nicht. Stellen Sie die Frage daher erst einmal hintan. Später klärt sich für Sie alles von selbst.

Wichtiger ist zunächst etwas ganz anderes. Was bewirken all diese Erlebnisse? Warum erleben wir Tunnel, Höhlenlabyrinthe oder Berglandschaften, über die uns ein geflügeltes Pferd trägt? Was können wir damit anfangen?

Den Philosophen der Aufklärung gemeinsam war die Abkehr von der Vorstellung der Glaubenswahrheit der Theologie und die Überzeugung, die Vernunft sei die letztgültige Instanz zur Beurteilung dessen, was wahr ist.

Was ist eigentlich Wirklichkeit?

Um hierauf eine Antwort zu finden, muss ich mit einigen Irrtümern aufräumen, die im Abendland weit verbreitet sind und ihren Anfang bereits in der Philosophie der griechischen Antike nahmen. Seitdem schleppen wir sie in allen nur denkbaren Spielarten mit uns herum und werden durch sie als unserem kulturellen Hintergrund geprägt.

Von den griechischen Naturphilosophen über die mittelalterlichen Scholastiker hin zu den Aufklärern, Geschichts-, Transzendental- und Existenzphilosophen der Neuzeit reißt die müßige, weil ergebnislose philosophische Diskussion darüber nicht ab, was Wirklichkeit an sich ist, was wir in ihr wahrnehmen können und was nicht, und wie diese Wahrnehmungen überhaupt möglich sind. Dabei unterliegen alle diese Denker demselben, meiner Meinung nach der Philosophie generell innewohnenden Irrtum: Sie denken, und sie begnügen sich mit dem Denken. Denken aber geschieht immer in der Sprache des Geistes.

Wie wir Wirklichkeit erfassen können

Was aber, wenn es Ebenen der Wirklichkeit gibt, die sich dem verbalen Denken völlig entziehen? Schließlich gibt es viele Dinge um uns herum, die sich weder analysieren noch diskutieren lassen, weil sie nicht unseren Verstand, sondern unmittelbar unsere Seele ansprechen.

Nehmen wir als Beispiel den Versuch, ein Kunstwerk zu erfassen. Dazu stehen uns verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Wir können ein Gemälde rein wissenschaftlich erforschen. Das bedeutet, Farbanalysen vorzunehmen und technische Hilfsmittel, wie ein Mikroskop oder Röntgengerät, zu bemühen. Dasselbe Werk können wir auch geschichtsphilosophisch diskutieren. So werden wir versuchen, den Zeitgeist zu begreifen, in dessen Rahmen es entstand. Ein Schamane hingegen wird das Bild primär mit seiner Seele betrachten. Die Erkenntnisse, die sich ihm dadurch darbieten, sind durchaus eine Form der Wirklichkeit.

In anderen Kulturkreisen, im alten Indien oder Ägypten etwa, ebenso wie in den großen chinesischen Heilslehren, im Shintoismus oder in den schamanischen Gesellschaften, geht man ganz selbstverständlich von der Existenz von Wirklichkeiten aus, die sich nicht logisch erklären und in Worte fassen lassen. Die Sprache dient hier allenfalls dazu, diese Realitäten durch Gleichnisse zu beschreiben.

Die großen Offenbarungsschriften sind voll von Parabeln. Eine der großartigsten Reden Christi, die Bergpredigt, ist weitestgehend in Bildern ausgedrückt, die dem Verstand nur schwer, der Seele aber intuitiv zugänglich sind.