Fjodor Dostojewski: Hauptwerke

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Er war schon längst während des Redens aufgestanden. Der Alte sah ihn jetzt erschrocken an. Lisaweta Prokofjewna, die früher als alle andern merkte, was vorging, rief: »Ach, mein Gott!« und schlug die Hände zusammen.

Aglaja lief schnell zu ihm hin, fing ihn gerade noch in ihren Armen auf und hörte voller Angst mit schmerzverzerrtem Gesicht den wilden Schrei des Dämons, der den Unglücklichen schüttelte und niederwarf. Der Kranke lag auf dem Teppich. Jemand hatte noch Zeit gefunden, ihm schnell ein Kissen unter den Kopf zu schieben.

Das hatte niemand erwartet. Eine Viertelstunde darauf versuchten Fürst N., Jewgeni Pawlowitsch und der Alte das Zusammensein wieder etwas lebendiger zu gestalten; aber schon nach einer weiteren halben Stunde brachen alle Gäste auf. Dabei erfolgten zahlreiche Äußerungen der Teilnahme und des Bedauerns; manche sprachen auch ihre Meinung über den Vorfall aus. Iwan Petrowitsch sagte unter anderm, der junge Mann sei ein Slawophile oder etwas Ähnliches, indes sei das nicht weiter gefährlich. Der Alte äußerte sich gar nicht. Nachher allerdings am nächsten und übernächsten Tag, waren alle in etwas ärgerlicher Stimmung; Iwan Petrowitsch fühlte sich sogar beleidigt, wenn auch nur ein wenig. Der General, der Iwan Fjodorowitschs Chef war, benahm sich eine Zeitlang gegen diesen etwas kühl. Der Patron der Familie, der Würdenträger, murmelte dem Oberhaupt der Familie unter Kaubewegungen ein paar tröstende Worte zu, wobei er in schmeichelhafter Weise zum Ausdruck brachte, daß er an Aglajas Geschick sehr, sehr großen Anteil nehme. Er war wirklich ein ganz gutherziger Mensch, aber unter den Gründen, aus denen er bei der Abendgesellschaft dem Fürsten seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte, spielte eine besondere Rolle das Verhältnis, in welchem der Fürst unlängst zu Nastasja Filippowna gestanden hatte; er hatte davon gehört, interessierte sich sehr dafür und hätte sogar gern danach gefragt.

Die alte Bjelokonskaja sagte, als sie am Abend wegfuhr, zu Lisaweta Prokofjewna:

»Na ja, er hat sein Gutes und sein Schlechtes; aber wenn du meine Meinung wissen willst, so muß ich sagen: das Schlechte überwiegt. Du siehst ja selbst, was er für ein Mensch ist, ein kranker Mensch!«

Lisaweta Prokofjewna kam im stillen zu der endgültigen Überzeugung, daß er als Bräutigam unmöglich sei, und nahm sich beim Schlafengehen vor, solange sie lebe, solle der Fürst nicht der Mann ihrer Aglaja werden. Mit diesem Entschluß stand sie auch am Morgen auf. Aber noch an demselben Vormittag zwischen zwölf und ein Uhr, beim Frühstück, setzte sie sich in einen wunderlichen Widerspruch zu sich selbst.

Auf eine, übrigens sehr behutsame Frage der Schwestern antwortete Aglaja kalt und hochmütig, als wolle sie die Sache damit abtun:

»Ich habe ihm nie mein Wort gegeben und ihn nie in meinem Leben als meinen Bräutigam betrachtet. Er steht mir ebenso fern wie jeder andere.«

Da fuhr Lisaweta Prokofjewna plötzlich auf.

»Das hatte ich nicht von dir erwartet«, sagte sie gekränkt. »Daß er als Bräutigam unmöglich ist, das weiß ich, und Gott sei Dank, daß es so gekommen ist; aber von dir hätte ich solche Reden nicht erwartet. Ich hatte geglaubt, du würdest dich anders dazu stellen. Ich würde am liebsten alle, die gestern hier waren, fortjagen und ihn allein dabehalten; so ein Mensch ist das ...!«

Hier brach sie plötzlich ab, da sie selbst über das, was sie gesagt hatte, einen Schreck bekam. Aber wenn sie gewußt hätte, wie sehr sie ihrer Tochter in diesem Augenblick Unrecht tat! Aglaja hatte sich in ihrem Kopf schon alles zurechtgelegt; auch sie wartete auf ihre Stunde, die alles entscheiden sollte, und jede Andeutung, jede unvorsichtige Berührung schlug ihrem Herzen eine tiefe Wunde.

VIII

Auch für den Fürsten begann dieser Tag damit, daß er sich von üblen Ahnungen bedrückt fühlte; diese ließen sich ja zwar durch seinen krankhaften Zustand erklären, aber seine Traurigkeit hatte doch einen gar zu unbestimmten Charakter, und das war für ihn das Qualvollste. Allerdings standen ihm bestimmte Tatsachen deutlich vor Augen, schmerzliche, peinliche Tatsachen; aber seine Traurigkeit ging doch über alles hinaus, was ihm Gedächtnis und Denkkraft als Stoff dafür darboten; er sah ein, daß er sich nicht beruhigen werde, wenn er allein bliebe. Allmählich setzte sich in seinem Kopf die Erwartung fest, daß sich noch an diesem Tag mit ihm etwas Besonderes und Entscheidendes begeben werde. Der Anfall, den er tags zuvor gehabt hatte, war von leichterer Art gewesen: außer einer starken Niedergeschlagenheit, einer gewissen Schwere im Kopf und einen Schmerz in den Gliedern fühlte er keine andere gesundheitliche Störung. Sein Kopf arbeitete durchaus normal, obgleich die Seele krank war. Er stand sehr spät auf und erinnerte sich sofort mit aller Deutlichkeit an den gestrigen Abend; auch daran erinnerte er sich, wenn auch nicht ganz klar, daß man ihn eine halbe Stunde nach dem Anfall nach Hause gebracht hatte. Er erfuhr, daß bereits ein Bote von Jepantschins bei ihm erschienen war, um nach seinem Befinden zu fragen. Um halb zwölf erschien ein zweiter; das freute ihn. Wjera Lebedjewa war die erste, die ihn besuchte und für seine Bedürfnisse sorgte. Im ersten Augenblick, als sie ihn erblickte, fing sie auf einmal an zu weinen; aber als der Fürst sie sofort beruhigte, lachte sie auf. Ihn überraschte das starke Mitgefühl, das dieses Mädchen für ihn empfand; er ergriff ihre Hand und küßte sie ihr. Wjera errötete.

»Ach, was tun Sie, was tun Sie!« rief sie erschrocken und zog schnell ihre Hand weg.

Sie ging in seltsamer Aufregung bald wieder weg. Unter anderm hatte sie ihm erzählt, ihr Vater sei an diesem Tag schon ganz frühmorgens zu dem »Dahingeschiedenen« gelaufen, wie er den General nannte, um nachzufragen, ob er in der Nacht gestorben sei; es verlaute, er werde wahrscheinlich bald sterben. Kurz vor zwölf Uhr kam auch Lebedjew selbst nach Hause und zum Fürsten, aber eigentlich »nur auf einen Augenblick, um sich nach dem kostbaren Befinden zu erkundigen«, und so weiter und außerdem dem »Schränkchen« einen Besuch abzustatten. Da er nichts anderes tat als ächzen und stöhnen, so machte der Fürst, daß er ihn bald wieder los wurde; aber Lebedjew versuchte doch noch, sich nach dem gestrigen Anfall zu erkundigen, obgleich er offenbar darüber bereits in allen Einzelheiten orientiert war. Nach ihm kam Kolja herangelaufen, ebenfalls nur auf einen Augenblick; dieser hatte es wirklich eilig und befand sich in einer starken düsteren Unruhe. Er begann damit, daß er den Fürsten geradezu und inständig bat, ihm alles mitzuteilen, was man ihm noch verberge; das meiste habe er schon am gestrigen Tag erfahren. Er war tief und heftig erschüttert.

Mit aller möglicher Teilnahme, deren er nur fähig war, erzählte ihm der Fürst den ganzen Hergang, indem er die Tatsachen in voller Deutlichkeit hinstellte; diese Mitteilungen waren für den armen Jungen ein Donnerschlag. Er vermochte kein Wort herauszubringen und weinte schweigend. Der Fürst fühlte, daß dies einer jener Eindrücke war, die sich nie wieder verwischen und im Leben eines Jünglings für alle Zeit einen Merkstein bilden. Er beeilte sich, ihm seine Ansicht über die Angelegenheit mitzuteilen, und fügte hinzu, daß seiner Ansicht nach vielleicht auch der Tod des alten Mannes seine Ursache hauptsächlich in dem Gefühl des Schreckens gehabt habe, das in seinem Herzen nach dem Vergehen zurückgeblieben sei, und daß dazu nicht jeder Mensch fähig sei. Koljas Augen funkelten, während er den Fürsten reden hörte.

»Abscheuliche Menschen sind Ganja und Warja und Ptizyn! Ich werde mich nicht mit ihnen herumstreiten; aber unsere Wege gehen von nun an auseinander! Ach, Fürst, ich habe seit gestern sehr viel neue Empfindungen durchgemacht; das ist eine schwere Prüfung für mich! Auch für meine Mutter glaube ich jetzt selbst sorgen zu sollen; sie befindet sich ja zwar in Warjas Pflege; aber das ist doch nicht das Richtige ...«

Er sprang auf, da er sich erinnerte, daß er erwartet werde, fragte noch schnell nach dem Gesundheitszustand des Fürsten und fügte, als er die Antwort gehört hatte, plötzlich eilig hinzu:

»Gibt es sonst nichts Neues? Ich hörte, daß gestern ... übrigens habe ich kein Recht, davon zu reden; aber wenn Sie jemals in irgendeiner Sache einen treuen Diener nötig haben, so steht ein solcher vor Ihnen. Es scheint, daß wir beide nicht ganz glücklich sind, nicht wahr? Aber ... ich stelle keine Fragen, ich stelle keine Fragen ...«

Er ging weg; der Fürst aber versank noch mehr in seine Gedanken: alle Leute prophezeiten ihm Unheil; alle hatten bereits aus dem Geschehenen ihre Schlüsse gezogen; alle sahen so aus, als ob sie etwas wüßten, etwas, was er nicht wisse; Lebedjew fragte ihn aus; Kolja machte direkte Andeutungen; Wjera weinte. Zuletzt machte er ärgerlich eine Handbewegung, als würfe er alles hinter sich: »Weg mit der verdammten krankhaften Zweifelsucht!« dachte er. Sein Gesicht hellte sich auf, als er zwischen ein und zwei Uhr die Jepantschinschen Damen eintreten sah, die ihm »auf ein Augenblickchen« einen Besuch machen wollten. Lisaweta Prokofjewna hatte, als sie vom Frühstückstisch aufstand, erklärt, sie würden jetzt alle spazierengehen, und zwar alle zusammen. Diese Mitteilung war kurz, trocken, ohne Erläuterungen in Form eines Befehls erfolgt. Alle hatten sich demnach aufgemacht, das heißt die Mama, die jungen Mädchen und der Fürst Schtsch. Lisaweta Prokofjewna hatte ohne weiteres die entgegengesetzte Richtung von derjenigen eingeschlagen, die sie täglich einzuschlagen pflegten. Alle hatten gemerkt, um was es sich handelte, und alle hatten geschwiegen, da sie sich fürchteten, die Mama zu reizen; diese aber war, wie wenn sie einen Vorwurf und die Erwiderung darauf vermeiden wollte, allen vorangegangen, ohne sich umzudrehen. Schließlich hatte Adelaida bemerkt, auf einem Spaziergang brauche man doch nicht so zu laufen, und sie könnten mit der Mama gar nicht mitkommen.

 

Da hatte sich Lisaweta Prokofjewna auf einmal umgedreht und gesagt: »Also wir kommen jetzt bei ihm vorbei. Wie nun auch Aglaja darüber denken mag, und was sich auch weiter ereignen mag, jedenfalls ist er uns kein Fremder, und jetzt ist er obendrein unglücklich und krank; ich wenigstens werde jetzt zu ihm herangehen und ihn besuchen. Wer mit mir hereinkommen will, kann es tun; wer es nicht will, kann vorbeigehen; dem ist der Weg nicht versperrt.«

Alle waren selbstverständlich mit hereingekommen. Der Fürst beeilte sich gebührendermaßen, noch einmal wegen der gestrigen Vase und ... wegen des erregten Anstoßes um Verzeihung zu bitten.

»Na, es hat nichts auf sich«, antwortete Lisaweta Prokofjewna. »Um diese Vase ist es nicht weiter schade, sondern um dich. Also merkst du jetzt selbst, daß du Anstoß erregt hast; da sieht man, was es bedeutet: ›sich eine Sache beschlafen‹. Aber auch das macht nichts, da jeder jetzt sieht, daß du dafür nicht verantwortlich gemacht werden kannst. Nun aber auf Wiedersehen; wenn du dazu imstande bist, so geh ein bißchen spazieren und lege dich dann wieder schlafen; das ist mein Rat. Und wenn du magst, so besuche uns wie früher; sei ein für allemal versichert, daß, was sich auch ereignen und begeben mag, du doch immer ein Freund unseres Hauses bleibst, wenigstens mein Freund. Für mich wenigstens kann ich einstehen ...«

Auf diese Herausforderung reagierten alle und schlossen sich den von der Mama ausgesprochenen Empfindungen an. Sie gingen fort; aber in Lisaweta Prokofjewnas gutmütiger Eile, etwas Freundliches und Ermutigendes zu sagen, hatte doch eine arge Grausamkeit verborgen gelegen, was ihr gar nicht zum Bewußtsein gekommen war. In der Einladung, »wie früher« zu kommen, und in den Worten »wenigstens mein Freund« hatte wieder ein Art Voraussagung gelegen. Der Fürst rief sich Aglajas Verhalten ins Gedächtnis zurück; gewiß, sie hatte ihm sehr freundlich zugelächelt, beim Kommen und beim Abschied, hatte aber kein Wort gesagt, nicht einmal da, als alle ihm ihre Freundschaft versicherten, obgleich sie ihn zweimal unverwandt angesehen hatte. Ihr Gesicht war ungewöhnlich blaß gewesen, wie wenn sie in der Nacht schlecht geschlafen gehabt hätte. Der Fürst nahm sich vor, am Abend unbedingt »wie früher« zu ihnen zu gehen, und blickte in fieberhafter Erregung nach der Uhr.

Da trat, gerade drei Minuten, nachdem Jepantschins weggegangen waren, Wjera ins Zimmer.

»Ljow Nikolajewitsch, Aglaja Iwanowna hat mir soeben heimlich eine Bestellung an Sie aufgetragen.«

Der Fürst begann stark zu zittern. »Ein Billett?«

»Nein, eine mündliche Bestellung; auch dazu hatte sie nur knapp Zeit. Sie läßt Sie dringend bitten, heute den ganzen Tag das Haus auch nicht eine Minute zu verlassen, bis sieben Uhr abends, oder sogar bis neun Uhr; das habe ich nicht ganz deutlich gehört.«

»Ja ... warum denn? Was bedeutet das?«

»Das weiß ich nicht; aber sie hat mir aufs strengste befohlen, es auszurichten.«

»Hat sie den Ausdruck ›aufs strengste‹ gebraucht?«

»Nein, so geradezu hat sie es nicht gesagt; sie hatte kaum Zeit sich umzudrehen und es mir zu sagen; zum Glück sprang ich selbst noch schnell zu ihr heran. Aber schon an ihrem Gesicht war zu sehen, wie sie es befahl: ob aufs strengste oder nicht. Sie sah mich so an, daß mir beinah das Herz stehenblieb ...«

Der Fürst richtete noch einige Fragen an Wjera, und obgleich er nichts weiter erfuhr, beunruhigte er sich nun noch mehr. Als er allein geblieben war, legte er sich auf das Sofa und fing wieder an nachzudenken. »Vielleicht ist heute jemand bis neun Uhr bei ihnen, und sie fürchtet wieder, daß ich in Gegenwart der Gäste etwas anrichte«, dachte er endlich und begann wieder ungeduldig auf den Abend zu warten und nach der Uhr zu sehen. Aber die Auflösung des Rätsels erfolgte erheblich früher als am Abend, und ebenfalls in Form eines neuen Besuches, und diese Auflösung hatte die Gestalt eines neuen qualvollen Rätsels: genau eine halbe Stunde, nachdem Jepantschins weggegangen waren, trat Ippolit bei ihm ein, dermaßen müde und erschöpft, daß er beim Eintritt, ohne ein Wort zu sagen, wie besinnungslos auf einen Sessel niederfiel und sofort einen entsetzlichen Hustenanfall bekam. Er hustete so, daß er Blut auswarf. Seine Augen funkelten, und rote Flecken brannten auf seinen Backen. Der Fürst murmelte ihm etwas zu; aber er antwortete nicht und winkte noch lange, ohne zu antworten, nur mit der Hand ab, der Fürst möchte ihn vorläufig in Ruhe lassen. Endlich kam er wieder zu sich.

»Ich werde gleich davongehen!« brachte er endlich unter großen Anstrengungen mit heiserer Stimme heraus.

»Wenn Sie wollen, werde ich Sie nach Hause bringen«, sagte der Fürst und erhob sich von seinem Platz; aber er verstummte schnell, da ihm einfiel, daß ihm soeben verboten war, das Haus zu verlassen.

Ippolit lachte.

»Ich meine nicht, daß ich von Ihnen weggehen will«, fuhr er, beständig hüstelnd und mit Atemnot kämpfend, fort. »Ich habe es vielmehr nötig gefunden, zu Ihnen zu kommen, in einer ernsten Angelegenheit ... sonst hätte ich Sie nicht belästigt. Ich will in das unbekannte Land gehen, und diesmal scheint es ernst zu sein. Ich bin kaputt! Glauben Sie mir, ich sage das nicht, um mich bedauern zu lassen ... ich hatte mich heute gegen zehn Uhr schon hingelegt, um vor dem Jüngsten Tag überhaupt nicht mehr aufzustehen; aber ich habe meine Absicht geändert und bin noch einmal aufgestanden, um zu Ihnen zu kommen ... also muß es wohl etwas Dringliches sein.«

»Es ist mir ein Schmerz, Sie anzusehen; Sie hätten mich doch lieber rufen lassen sollen, statt sich selbst herzubemühen.«

»Na, nun lassen Sie es genug sein! Sie haben mich bedauert und somit der gesellschaftlichen Höflichkeit Genüge getan ... Ja, das hatte ich vergessen: wie steht es mit Ihrer Gesundheit?«

»Ich bin gesund. Ich befand mich gestern ... nicht ganz ...«

»Ich habe davon gehört, ich habe davon gehört! Die chinesische Vase hat daran glauben müssen; schade, daß ich nicht dabei war! Ich bin in einer ernsten Angelegenheit gekommen. Erstens hatte ich heute das Vergnügen, Gawrila Ardalionowitsch bei einem Rendezvous mit Aglaja Iwanowna an der grünen Bank zu sehen. Ich bin darüber erstaunt gewesen, was für ein dummes Gesicht ein Mensch machen kann. Ich sagte das zu Aglaja Iwanowna selbst, nachdem Gawrila Ardalionowitsch weggegangen war ... Es scheint, Sie wundern sich über nichts, Fürst«, fügte er hinzu, indem er mißtrauisch das ruhige Gesicht des Fürsten ansah. »Man sagt, sich über nichts zu wundern sei ein Kennzeichen von großem Verstand; meiner Ansicht nach könnte es in gleichem Maß als ein Kennzeichen großer Dummheit dienen ... Ich spiele übrigens damit nicht auf Sie an; entschuldigen Sie ... Ich bin heute in der Wahl meiner Ausdrücke sehr unglücklich.«

»Ich habe schon gestern erfahren, daß Gawrila Ardalionowitsch ...« Der Fürst verstummte, sichtlich verlegen, obwohl Ippolit sich darüber ärgerte, daß er sich nicht wunderte.

»Sie haben es gewußt! Das ist eine Neuigkeit! Übrigens brauchen Sie mir meinetwegen nichts zu erzählen ... Aber Zeuge des Rendezvous sind Sie heute nicht gewesen?«

»Wenn Sie selbst dort waren, werden Sie ja gesehen haben, daß ich nicht da war.«

»Na, Sie konnten ja in einem Busch gesessen haben. Übrigens freue ich mich jedenfalls über den Ausgang, selbstverständlich für Sie; sonst hätte ich schon geglaubt, Gawrila Ardalionowitsch liefe Ihnen den Rang ab!«

»Ich bitte Sie, Ippolit, mit mir darüber nicht zu reden und nicht in solchen Ausdrücken.«

»Das ist um so weniger nötig, da Sie bereits alles wissen.«

»Sie irren sich; ich weiß fast nichts, und Aglaja Iwanowna weiß sicherlich, daß ich nichts weiß. Ich habe auch von diesem Rendezvous nicht das geringste gewußt. Sie sagen, es habe ein Rendezvous stattgefunden? Nun gut, verlassen wir dieses Thema ...«

»Aber was heißt denn das? Bald haben Sie es gewußt, bald haben Sie es nicht gewußt! Sie sagen: ›Gut, verlassen wir dieses Thema‹? Aber seien Sie doch nicht so vertrauensselig! Besonders wenn Sie nichts wissen. Eben darum sind Sie so vertrauensselig, weil Sie nichts wissen. Aber wissen Sie wohl, was für Pläne diese beiden Menschen, der Bruder und die Schwester, verfolgen? Haben Sie darüber vielleicht einen Argwohn ...? Gut, gut, ich verlasse dieses Thema ...«, fügte er hinzu, als er bemerkte, daß der Fürst eine ungeduldige Handbewegung machte. »Aber ich bin in einer eigenen Angelegenheit hergekommen und möchte Ihnen in dieser Hinsicht eine Erklärung geben. Hol's der Teufel, man kann absolut nicht sterben ohne ›Erklärungen‹; es ist schrecklich, wieviel Erklärungen ich abgebe. Wollen Sie mich anhören?«

»Reden Sie; ich höre.«

»Ich ändere aber doch wieder meine Absicht: ich fange doch mit Ganja an. Können Sie sich das vorstellen, daß auch ich heute angewiesen wurde, nach der grünen Bank zu kommen? Übrigens, ich will nicht lügen: ich selbst habe um ein Rendezvous ersucht, habe dringend darum gebeten; ich versprach, ein Geheimnis zu enthüllen. Ich weiß nicht, ob ich zu früh hinkam (wie es scheint, kam ich tatsächlich zu früh); aber kaum hatte ich meinen Platz neben Aglaja Iwanowna eingenommen, da sehe ich, daß Gawrila Ardalionowitsch und Warwara Ardalionowna erscheinen, beide Arm in Arm, als ob sie spazierengingen. Sie mochten wohl beide sehr überrascht sein, mich dort zu finden; das hatten sie nicht erwartet; sie wurden ganz verlegen. Aglaja Iwanowna wurde dunkelrot und, mögen Sie es nun glauben oder nicht, kam sogar aus der Fassung, ob nun deswegen, weil ich da war, oder einfach weil sie Gawrila Ardalionowitsch sah, der ja ein sehr schöner Mann ist. Jedenfalls wurde sie dunkelrot und brachte die Sache in einem Augenblick auf eine sehr komische Art zum Abschluß: sie stand auf, erwiderte Gawrila Ardalionowitschs Verbeugung und Warwara Ardalionownas schmeichlerisches Lächeln und sagte kurz: ›Ich bin nur deshalb hergekommen, um Ihnen meine persönliche Befriedigung über Ihre aufrichtigen freundschaftlichen Gefühle gegen mich auszusprechen, und wenn ich derselben bedürfen sollte, so seien Sie überzeugt ...‹ Hier machte sie ihnen eine Abschiedsverbeugung, und beide gingen weg, ich weiß nicht, ob mit dem Gefühl, zum Narren gehalten zu sein, oder mit einem Gefühl des Triumphes; Ganja jedenfalls mit dem ersteren; er hatte von der Sache noch nichts begriffen und war rot wie ein Krebs geworden (er hat manchmal einen ganz wunderlichen Gesichtsausdruck!); aber Warwara Ardalionowna hatte wohl verstanden, daß sie sich möglichst schnell davonmachen mußten und von Aglaja Iwanowna nichts mehr zu erwarten hatten, und zog den Bruder mit sich fort. Sie ist klüger als er und triumphiert jetzt; davon bin ich überzeugt. Ich meinerseits war zu dem Gespräch mit Aglaja Iwanowna hingegangen, um mit ihr alles wegen ihrer Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna zu verabreden.«

»Mit Nastasja Filippowna!« rief der Fürst.

»Aha! Jetzt, scheint es, verlieren Sie Ihre Kaltblütigkeit und fangen an, sich zu wundern? Ich freue mich sehr, daß Sie einem Menschen ähnlich werden wollen. Zum Lohn dafür will ich Ihnen auch etwas Interessantes erzählen. Das hat man davon, wenn man jungen, hochgesinnten Mädchen Dienste erweist: ich habe heute von ihr eine Ohrfeige bekommen!«

»Im ... im übertragenen Sinne?« fragte der Fürst unwillkürlich.

»Ja, nicht im physischen. Ich glaube, gegen einen solchen Menschen, wie ich, kann niemand die Hand aufheben; nicht einmal eine Frau wird jetzt nach mir schlagen; nicht einmal Ganja wird es tun! Wiewohl ich gestern eine Zeitlang dachte, er werde sich auf mich stürzen ... Ich möchte wetten, daß ich weiß, woran Sie jetzt denken. Sie denken: ›Schlagen darf man ihn allerdings nicht; aber dafür könnte man ihn mit einem Kissen ersticken oder im Schlaf mit einem nassen Lappen ... und das müßte man sogar tun ...‹ Es steht Ihnen auf dem Gesicht geschrieben, daß Sie das denken, in eben dieser Sekunde.«

»Das habe ich nie gedacht!« versetzte der Fürst voll Widerwillen.

»Ich weiß nicht, mir hat heute nacht geträumt, daß mich jemand mit einem nassen Lappen erstickte ... na, ich will Ihnen auch sagen, wer: denken Sie sich – Rogoschin! Was meinen Sie, kann man einen Menschen mit einem nassen Lappen ersticken?«

»Das weiß ich nicht.«

»Ich habe gehört, daß das möglich sei. Nun gut, verlassen wir dieses Thema! Na, wieso bin ich eine Klatschschwester? Warum hat sie mich heute eine Klatschschwester gescholten? Wohlgemerkt: erst nachdem sie alles bis auf das letzte Pünktchen angehört und sogar ihrerseits Fragen gestellt hatte ... Aber so sind die Weiber! Ihr zu Gefallen bin ich zu Rogoschin in Beziehung getreten, zu diesem interessanten Menschen; in ihrem Interesse habe ich eine persönliche Zusammenkunft zwischen ihr und Nastasja Filippowna arrangiert. Vielleicht trägt sie es mir nach, daß ich ihr Ehrgefühl verletzt habe, indem ich darauf hindeutete, daß sie sich an einem von Nastasja Filippowna abgenagten Knochen vergnüge. Und ich will nicht leugnen, daß ich ihr das in ihrem eigenen Interesse die ganze Zeit über klarzumachen suchte, indem ich ihr zwei Briefe dieses Inhalts schrieb und dann an dritter Stelle dieses Rendezvous mit ihr hatte ... Ich habe auch bei dem Rendezvous mit ihr das Gespräch mit dem Hinweis begonnen, daß dies für sie erniedrigend sei ... Und dabei rührt die Wendung vom abgenagten Knochen eigentlich nicht von mir her, sondern von einem andern; wenigstens bedienten sich bei Ganja alle dieses Ausdrucks; und sogar sie selbst hat ihn in den Mund genommen. Na also, warum nennt sie mich da eine Klatschschwester? Ich sehe, ich sehe: es ist Ihnen jetzt bei meinem Anblick sehr lächerlich zumute, und ich möchte darauf wetten, daß Sie auf mich die dummen Verse anwenden:

 

›Und auf mein Ende glänzt, obgleich es trübe,

Vielleicht ein holder Abschiedsblick der Liebe.‹

Hahaha!« Er brach plötzlich in ein krampfhaftes Lachen aus und bekam einen Hustenanfall. »Beachten Sie auch«, fuhr er während des Hustens mit heiserer Stimme fort, »was für ein Mensch dieser Ganja ist: er redet vom abgenagten Knochen, und was ist das, woran er sich jetzt delektieren möchte, anderes als ein solcher?«

Der Fürst schwieg lange; er war sehr erschrocken.

»Sie sprachen von einer Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna?« murmelte er endlich.

»Ei, ist Ihnen denn das wirklich nicht bekannt, daß heute eine Zusammenkunft Aglaja Iwanownas mit Nastasja Filippowna stattfinden wird, zu welchem Zweck Nastasja Filippowna expreß durch Rogoschin, auf Aglaja Iwanownas Einladung hin und infolge meiner Bemühungen, brieflich aus Petersburg herberufen ist, und daß sie sich jetzt, ebenso wie Rogoschin selbst, gar nicht weit von Ihnen in ihrer früheren Wohnung befindet, bei jener Dame, Darja Alexejewna heißt sie, einer sehr zweideutigen Dame, ihrer Freundin, und daß ebendorthin, in dieses zweideutige Haus, sich heute auch Aglaja Iwanowna zu einem freundschaftlichen Gespräch mit Nastasja Filippowna und zur Lösung verschiedener schwieriger Aufgaben begeben wird? Die beiden wollen sich wohl mit Mathematik beschäftigen. Das haben Sie nicht gewußt? Ehrenwort?«

»Das ist unglaublich!«

»Na, das ist ja schön, wenn es unglaublich ist. Übrigens, woher hätten Sie es auch wissen sollen? Allerdings, wenn hier auch nur eine Fliege vorbeifliegt, so wird das gleich allgemein bekannt; so ein Nest ist Pawlowsk! Aber ich wollte Ihnen doch vorher davon Mitteilung machen, und Sie können mir dankbar sein. Nun, auf Wiedersehen ... wahrscheinlich in jener Welt. Und noch eins: ich habe mich zwar Ihnen gegenüber gemein benommen; aber sagen Sie freundlichst selbst: warum hätte ich meine Chancen verlieren sollen? Etwa zu Ihrem Vorteil? Ich habe ihr ja meine Beichte gewidmet (wußten Sie das nicht?). Und wie hat sie diese Widmung aufgenommen! Hehe! Aber ihr gegenüber habe ich mich nicht gemein benommen; ihr gegenüber habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen; und doch hat sie mich beschimpft und verhöhnt ... Übrigens habe ich mich auch Ihnen gegenüber nicht schuldig gemacht; wenn ich auch zu ihr das von dem abgenagten Knochen und noch manches in diesem Genre gesagt habe, so teile ich Ihnen doch zum Entgelt jetzt Tag, Stunde und Ort der Zusammenkunft mit und decke dieses ganze Spiel auf ... selbstverständlich aus Ärger und nicht aus Edelmut. Verzeihen Sie, ich bin redselig wie ein Stotterer oder wie ein Schwindsüchtiger. Seien Sie also auf Ihrer Hut und ergreifen Sie baldigst die erforderlichen Maßregeln, wenn anders Sie den Namen Mensch verdienen! Die Zusammenkunft findet heute abend statt; das ist sicher.« Ippolit ging zur Tür; aber der Fürst rief ihm nach, und er blieb in der Tür stehen.

»Also Aglaja Iwanowna wird Ihrer Ansicht nach heute selbst zu Nastasja Filippowna gehen?« fragte der Fürst.

Auf seinen Wangen und auf seiner Stirn traten rote Flecke hervor.

»Genau weiß ich es nicht; aber wahrscheinlich wird es so sein«, antwortete Ippolit, sich halb umwendend. »Es kann ja übrigens auch nicht anders sein. Nastasja Filippowna kann doch nicht zu ihr kommen? Und bei Ganja ist es auch unmöglich; der hat ja fast einen Toten bei sich in der Wohnung. Wie geht es denn dem General?«

»Schon aus einem Grund ist es unmöglich!« rief der Fürst. »Wie kann sie denn dort hingehen, selbst wenn sie es wollte? Sie kennt die Sitten in dieser Familie nicht; sie kann nicht allein zu Nastasja Filippowna hingehen. Das ist Unsinn!«

»Sehen Sie mal, Fürst: für gewöhnlich springt niemand aus dem Fenster; aber wenn eine Feuersbrunst ausbricht, dann springen am Ende auch der vornehmste Gentleman und die vornehmste Dame aus dem Fenster. Wenn es nötig ist, dann ist eben nichts zu machen, und unser Fräulein geht zu Nastasja Filippowna. Oder verwehrt man es etwa Ihrem Fräulein überhaupt auszugehen?«

»Nein, das nicht ...«

»Nun, wenn das nicht der Fall ist, dann braucht sie nur die Stufen vor der Haustür hinabzusteigen und geradewegs hinzugehen, nötigenfalls unter Verzicht auf die Rückkehr nach Hause. Es gibt manchmal Fälle, in denen man die Schiffe hinter sich verbrennt und sich die Rückkehr nach Hause benimmt; das Leben besteht doch nicht allein aus Dejeuners und Diners und Männern wie Fürst Schtsch. Mir scheint, Sie halten Aglaja Iwanowna für ein Modedämchen oder für ein Pensionsfräulein; ich habe darüber schon mit ihr gesprochen, und sie schien meiner Ansicht zu sein. Passen Sie um sieben oder acht Uhr auf ... Ich würde an Ihrer Stelle jemand dorthin schicken, um Wache zu halten, damit Sie genau den Augenblick abpassen, wo sie aus der Haustür tritt. Schicken Sie doch Kolja hin; Sie können sicher sein, daß er mit Vergnügen Spionsdienste leisten wird, das heißt für Sie ... denn diese moralischen Dinge haben alle nur einen relativen Wert ... Haha!«

Ippolit ging hinaus. Der Fürst sah keinen Anlaß dazu, jemand um Spionsdienste zu ersuchen, selbst wenn er dazu fähig gewesen wäre. Aglajas Befehl, er solle zu Hause bleiben, war jetzt beinah aufgeklärt: vielleicht wollte sie ihn abholen. Denkbar war allerdings auch, daß sie nicht wünschte, daß er durch irgendeinen Zufall dorthin geriete, und ihm deshalb befohlen hatte, zu Hause zu bleiben ...

Auch das war möglich. Der Kopf schwindelte ihm; das ganze Zimmer drehte sich um ihn. Er legte sich auf das Sofa und schloß die Augen.

So oder so, jedenfalls kam die Sache jetzt zur Entscheidung, zum Abschluß. Nein, der Fürst hielt Aglaja nicht für ein Modedämchen oder für ein Pensionsfräulein; er fühlte jetzt, daß er schon längst gerade etwas Derartiges gefürchtet hatte; aber zu welchem Zweck wollte sie mit Nastasja Filippowna zusammenkommen? Ein kalter Schauder lief ihm über den ganzen Leib; er fieberte wieder.

Nein, er hielt sie nicht für ein Kind! Manche ihrer Blicke, manche ihrer Worte hatten ihn in der letzten Zeit erschreckt. Manchmal war es ihm vorgekommen, als ob sie sich zu sehr Zwang antat, sich zu sehr zurückhielt, und er erinnerte sich, daß ihn das geängstigt hatte. Allerdings hatte er sich alle diese Tage her bemüht, nicht daran zu denken, hatte die bedrückenden Gedanken verscheucht; aber was lag in dieser Seele verborgen? Diese Frage hatte ihn schon lange gequält, obgleich er an diese Seele glaubte. Und nun sollte dies alles heute zur Entscheidung gelangen und aufgedeckt werden! Ein entsetzlicher Gedanke! Und dann auf der andern Seite »dieses Weib«! Warum hatte er nur immer die Vorstellung gehabt, daß dieses Weib gerade im letzten Augenblick erscheinen und sein ganzes Schicksal wie einen mürben Faden zerreißen werde? Daß er immer diese Vorstellung gehabt habe, das hätte er jetzt beschwören mögen, obgleich seine Gedanken fast so wirr waren wie im Fieber. Wenn er sich in der letzten Zeit bemüht hatte, »sie« zu vergessen, so hatte er das einzig und allein getan, weil er sie fürchtete. Wie stand es: liebte er dieses Weib, oder haßte er es? Diese Frage legte er sich heute kein einziges Mal vor; in dieser Hinsicht war sein Herz rein: er wußte, wen er liebte ... Er fürchtete nicht sowohl die Zusammenkunft der beiden, nicht die Seltsamkeit und den ihm unbekannten Grund dieser Zusammenkunft, nicht die Entscheidung, wie auch immer sie fallen mochte: er fürchtete Nastasja Filippowna selbst. Er erinnerte sich sogar später, nach einigen Tagen, daß ihm in diesen fieberhaften Stunden fast die ganze Zeit über ihre Augen und ihr Blick vor der Seele gestanden hatten, daß er ihre Worte, seltsame Worte, zu hören geglaubt hatte, obgleich nach diesen fieberhaften, kummervollen Stunden ihm nachher nur sehr wenig Erinnerung zurückgeblieben war. Er erinnerte sich zum Beispiel kaum daran, daß Wjera ihm das Mittagessen gebracht und er gegessen hatte; aber er erinnerte sich nicht, ob er nach dem Essen geschlafen hatte oder nicht. Er wußte nur, daß er an diesem Abend alles erst von dem Augenblick an völlig klar zu unterscheiden angefangen hatte, als Aglaja auf einmal zu ihm auf die Veranda gekommen und er vom Sofa aufgesprungen und in die Mitte des Raums getreten war, um sie zu begrüßen: es war ein Viertel auf acht. Aglaja war ganz allein; sie trug einfache Kleidung, die sie anscheinend in der Hast angelegt hatte, darüber einen leichten Burnus. Ihr Gesicht war blaß wie vorhin; aber ihre Augen funkelten in einem hellen, trockenen Glanz; einen solchen Ausdruck der Augen hatte er bisher nie an ihr kennengelernt. Sie blickte ihn aufmerksam an.