Fjodor Dostojewski: Hauptwerke

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Zweites Kapitel
I

An diesem Morgen, am 15. November, traf ich ihn beim »Fürsten Serjosha«. Ich war es auch gewesen, der ihn mit dem Fürsten zusammengeführt hatte, obwohl sie auch ohne mich genug Berührungspunkte hatten (ich ziele damit auf diese früheren Geschichten im Ausland und so weiter). Außerdem hatte ihm der Fürst sein Wort darauf gegeben, ihm von der Erbschaft mindestens ein Drittel zu überlassen, was jedenfalls gegen zwanzigtausend Rubel gewesen wären. Ich erinnere mich, es befremdete mich damals sehr, daß er ihm nur ein Drittel überließ und nicht die ganze Hälfte; aber ich schwieg. Dieses Versprechen hatte der Fürst damals aus eigenem Antrieb gegeben, Wersilow hatte nicht mit der leisesten Andeutung darauf hingewirkt, kein Wort darüber geäußert; der Fürst war damit von selbst herausgekommen, und Wersilow hatte es nur schweigend hingenommen und der Sache nachher nie Erwähnung getan, ja nicht einmal eine Miene gemacht, als ob er sich an das Versprechen erinnere. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß der Fürst anfangs von ihm ganz bezaubert war, besonders von seinen Reden; er geriet geradezu in Entzücken und sprach das mir gegenüber mehrmals aus. Über sich selbst aber rief er mitunter, wenn wir unter vier Augen miteinander sprachen, beinahe verzweifelt, er sei »so ungebildet« und befinde sich »auf einem so falschen Wege«! Oh, wir waren damals miteinander noch so gut befreundet! ... Auch Wersilow gegenüber bemühte ich mich damals, über den Fürsten nur Gutes zu sagen; ich verteidigte seine Fehler, obgleich ich sie selbst sah, aber Wersilow schwieg dazu oder lächelte.

»Wenn er Fehler hat, so besitzt er doch mindestens ebenso viele Vorzüge wie Fehler!« rief ich einmal, als ich mit Wersilow allein war.

»Herrgott, wie du ihm schmeichelst!« erwiderte er lachend.

»Wieso schmeichle ich ihm?« fragte ich, da ich den Sinn nicht recht verstanden hatte.

»Ebenso viele Vorzüge! Da muß er ja nach seinem Tode heiliggesprochen werden, wenn er so viele Vorzüge hat wie Fehler!«

Aber natürlich war es nicht ganz so gemeint. Überhaupt vermied er es damals, von dem Fürsten zu sprechen, wie auch von allem, was uns persönlich anging; hinsichtlich des Fürsten befleißigte er sich aber noch einer ganz besonderen Zurückhaltung. Ich argwöhnte schon damals, daß er auch ohne mein Wissen zum Fürsten ging und daß sie besondere Beziehungen hatten, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Auch war ich nicht eifersüchtig, weil er mit ihm in viel ernsterem, sozusagen gesetzterem Ton sprach als mit mir und weniger Spott einfließen ließ; ich war damals so glücklich, daß mir das sogar gefiel. Ich entschuldigte es auch noch damit, daß der Fürst ein bißchen beschränkt war und deshalb im Gespräch Klarheit des Ausdrucks liebte und manche witzigen Wendungen überhaupt nicht verstand. Aber in der letzten Zeit hatte er angefangen, sich zu emanzipieren. Es schien sich sogar seine Einstellung zu Wersilow zu ändern, was diesem bei seiner Feinfühligkeit nicht entging. Ich schicke auch noch voraus, daß der Fürst in derselben Zeit sich auch mir gegenüber verändert hatte, sogar in recht sichtbarer Weise; es waren nur gewisse tote Formen unserer ursprünglichen, beinahe glühenden Freundschaft übriggeblieben. Indessen fuhr ich doch fort, ihn zu besuchen; wie hätte ich es übrigens auch unterlassen können, da ich nun einmal in diesen ganzen Strudel hineingeraten war? Oh, wie ungeschickt war ich damals, und kann denn wirklich die bloße Herzensdummheit einen Menschen zu solcher Unvernunft und Erniedrigung führen? Ich nahm Geld von ihm an und meinte, das wäre nichts Schlimmes, das müsse so sein. Übrigens so verhielt es sich doch nicht: ich wußte auch damals, daß das nicht in der Ordnung war, aber - ich machte mir einfach nicht viele Gedanken darüber. Ich ging nicht des Geldes wegen zu ihm, obgleich ich das Geld furchtbar nötig hatte. Ich wußte, daß ich nicht des Geldes wegen hinging, aber ich sah, daß ich mir jeden Tag Geld holte. Ich befand mich eben in dem Strudel, und außer alledem war damals meine Seele noch von etwas ganz anderem erfüllt – es sang und klang etwas in meiner Seele.

Als ich um elf Uhr vormittags eintraf, fand ich Wersilow anwesend, der gerade eine lange Tirade beendete; der Fürst hörte, im Zimmer auf und ab gehend, zu, während Wersilow saß. Der Fürst schien etwas erregt zu sein. Wersilow brachte es fast immer fertig, ihn in Erregung zu versetzen. Der Fürst hatte ein außerordentlich sensibles Wesen; das ging bis zu einer Naivität, die mich in vielen Fällen veranlaßte, ihn von oben herab anzusehen. Aber ich wiederhole: in den letzten Tagen machte er den Eindruck, als wolle er vor Bosheit die Zähne fletschen. Als er mich erblickte, blieb er stehen, und seine Gesichtsmuskeln verzogen sich. Ich wußte im stillen, wie ich mir diesen Schatten an diesem Morgen zu erklären hatte, aber ich hatte nicht erwartet, daß sich sein Gesicht in einem solchen Maß verzerren würde. Es war mir bekannt, daß sich bei ihm allerlei Sorgen angesammelt hatten, aber das Dumme war dabei, daß ich nur den zehnten Teil derselben kannte – das übrige war für mich damals noch ein vollständiges Geheimnis. Dumm und ärgerlich aber war dies deshalb, weil ich es oft unternahm, ihn zu trösten und ihm Ratschläge zu geben, und mich sogar von oben herab über seine Schwachheit lustig machte, mit der er »um solcher Bagatellen willen« außer sich geriet. Er pflegte dazu zu schweigen, aber sicherlich hat er mich in solchen Augenblicken schrecklich gehaßt; ich befand mich in einer ganz falschen Lage, ohne es im entferntesten zu ahnen. Oh, ich rufe Gott zum Zeugen an, daß ich von der Hauptsache keine Ahnung hatte!

Er reichte mir jedoch höflich die Hand. Wersilow nickte mir zu, ohne sich im Reden zu unterbrechen. Ich rekelte mich auf das Sofa hin. Was hatte ich überhaupt damals für einen Ton und für Manieren an mir! Ich erlaubte mir sogar noch Schlimmeres: ich behandelte seine Bekannten, als ob sie die meinigen wären... Oh, wenn es möglich wäre, all dies jetzt noch umzuändern, wie anders würde ich mich zu benehmen verstehen!

Noch zwei Worte, damit ich es nicht vergesse: der Fürst wohnte damals immer noch in derselben Wohnung, aber er hatte nun fast alle Räume derselben inne; die Besitzerin der Wohnung, Frau Stolbejewa, war nur einen Monat dageblieben und dann wieder weggereist.

II

Sie sprachen über den Adel. Ich bemerke, daß diese Idee den Fürsten manchmal sehr aufregte, trotz all seiner scheinbaren progressiven Gesinnung, und ich vermute sogar, daß viel Schlechtes in seinem Leben auf dieser Idee beruhte und daraus hervorging; da er auf seinen Fürstenstand großen Wert legte und dabei ganz arm war, warf er sein ganzes Leben lang aus falschem Stolz mit dem Geld nur so um sich und stürzte sich in Schulden. Wersilow hatte ihm schon mehrmals angedeutet, daß darin das Wesen des Fürstenstandes nicht bestehe, und ihm einen höheren Begriff davon beizubringen versucht; aber der Fürst schien sich schließlich dadurch verletzt zu fühlen, daß ihn jemand belehren wollte. Anscheinend fand auch an diesem Morgen ein derartiges Gespräch statt, aber ich hatte den Anfang nicht gehört. Was Wersilow sagte, machte mir zunächst den Eindruck, als sei er sehr rückschrittlich, aber dann korrigierte er sich.

»Das Wort Ehre bedeutet Pflicht«, sagte er (ich gebe nur den Sinn wieder, soweit ich ihn im Gedächtnis behalten habe). »Wenn in einem Staat ein bevorzugter Stand herrscht, so ist das betreffende Land stark. Ein bevorzugter Stand hat immer seine besondere Ehre und seinen besonderen Ehrenkodex, der auch falsch sein kann, aber doch fast immer als Bindemittel dient und das Land stark macht; er ist in moralischer Hinsicht nützlich, aber noch mehr in politischer. Es leiden aber unter diesem Zustand die Sklaven, das heißt alle, die nicht zu dem bevorzugten Stand gehören. Damit sie nicht leiden – gewährt man ihnen in rechtlicher Beziehung Gleichheit. So ist es auch bei uns geschehen, und das ist sehr schön. Aber nach allen bisherigen Erfahrungen hat überall (das heißt in Westeuropa) bei der Ausgleichung der Rechte ein Sinken des Ehrgefühls stattgefunden und damit auch ein Sinken des Pflichtgefühls. Der Egoismus trat an die Stelle der früheren festigenden Idee, und alles zerfiel zu persönlicher Freiheit. Die Befreiten, die nun des festigenden Gedankens entbehrten, verloren schließlich dermaßen jedes höhere Band, daß sie sogar die empfangene Freiheit zu verteidigen aufhörten. Aber der russische Adelstyp hat mit dem westeuropäischen niemals Ähnlichkeit gehabt. Unser Adel könnte auch jetzt noch, nach Verlust seiner Vorrechte, der höchste Stand bleiben, in der Gestalt eines Beschirmers der Ehre, der Bildung, der Wissenschaft und der höheren Idee und, was die Hauptsache ist, ohne sich nun noch als eine besondere Kaste abzuschließen, was der Tod der Idee sein würde. Vielmehr steht die Tür zu diesem Stand bei uns schon lange offen; jetzt aber ist die Zeit gekommen, sie endgültig aufzutun. Möge jede große Tat der Ehre, der Wissenschaft und des Heldenmutes bei uns einem jeden das Recht geben, sich der obersten Volksschicht anzuschließen. Auf diese Weise wird sich dieser Stand ganz von selbst in eine Vereinigung der Besten verwandeln, der Besten im buchstäblichen, wahren Sinne des Wortes und nicht in dem früheren Sinne einer privilegierten Kaste. In dieser neuen oder, richtiger gesagt, erneuerten Gestalt könnte dieser Stand sich behaupten.«

Der Fürst grinste spöttisch:

»Was wird denn das dann für ein Adel sein? Was Sie da projektieren, ist eine Art von Freimaurerloge, aber kein Adel.«

Ich wiederhole, der Fürst war furchtbar ungebildet. Ich drehte mich vor Ärger auf dem Sofa herum, obgleich ich mit Wersilow nicht ganz übereinstimmte. Wersilow merkte es sehr wohl, daß der Fürst ihm die Zähne zeigte.

 

»Ich weiß nicht, in welchem Sinne Sie von der Freimaurerei gesprochen haben«, antwortete er, »wenn aber sogar ein russischer Fürst von einer solchen Idee nichts wissen will, so ist ihre Zeit offenbar noch nicht gekommen. Die Idee der Ehre und der Aufklärung als Devise eines jeden, der in diesen sich nicht abschließenden, sondern sich beständig erneuernden Stand eintreten will, ist allerdings eine Utopie, aber warum sollte sie schlechterdings unmöglich sein? Wenn dieser Gedanke auch nur in einigen Köpfen lebt, so ist er noch nicht untergegangen, sondern leuchtet wie ein Lichtpünktchen in tiefer Dunkelheit.«

»Sie gebrauchen mit Vorliebe Ausdrücke wie ›ein höherer Gedanke‹, ›ein großer Gedanke‹, ›eine festigende Idee‹ und so weiter; ich möchte gern wissen, was Sie eigentlich unter dem Ausdruck ›ein großer Gedanke‹ verstehen.«

»Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll, mein lieber Fürst«, erwiderte Wersilow mit einem feinen Lächeln. »Wenn ich Ihnen bekenne, daß ich selbst nicht darauf zu antworten verstehe, so wird das das richtigste sein. Ein großer Gedanke, das ist meistens ein Gefühl, das manchmal sehr lange undefinierbar bleibt. Ich weiß nur, daß ein solches Gefühl immer die Quelle gewesen ist, der das lebendige Leben entströmte, das heißt nicht das intellektuelle, künstlich erdachte, sondern vielmehr das vergnügliche, heitere; so daß die höhere Idee, aus der es entströmt, entschieden notwendig ist, natürlich zum allgemeinen Ärger.«

»Warum zum Ärger?«

»Weil mit Ideen zu leben langweilig ist, ohne Ideen aber immer vergnüglich.«

Der Fürst schluckte die Pille.

»Aber was ist denn das für ein lebendiges Leben nach Ihrer Ansicht?« (Er war augenscheinlich erbost.)

»Das weiß ich ebenfalls nicht, Fürst; ich weiß nur, daß es etwas überaus Einfaches sein muß, das Allergewöhnlichste, offen Daliegende, das Alltäglichste, etwas, das so einfach ist, daß wir gar nicht glauben können, daß es so einfach ist, und natürlich schon viele tausend Jahre daran vorbeigehen, ohne es zu bemerken und ohne es zu erkennen.«

»Ich wollte nur sagen, daß Ihre Idee des Adels gleichzeitig eine Negation des Adels ist«, sagte der Fürst.

»Nun, wenn Sie mich in die Enge treiben, so muß ich sagen, daß ein Adel bei uns vielleicht überhaupt nie existiert hat.«

»All das ist furchtbar dunkel und unklar. Wenn man redet, dann muß man meiner Ansicht nach auch deutlich werden ...«

Der Fürst runzelte die Stirn und warf einen flüchtigen Blick nach der Wanduhr. Wersilow stand auf und griff nach seinem Hut:

»Deutlich werden!« sagte er. »Nein, es ist schon besser, nicht deutlich zu werden, und überdies ist es eine besondere Passion von mir, undeutlich zu reden. Wahrhaftig, so ist es. Und dann noch eine Seltsamkeit: wenn ich gelegentlich anfange, einen Gedanken, den ich für richtig halte, deutlich zu machen, so passiert es mir fast immer, daß ich am Ende meiner Auseinandersetzung selbst nicht mehr an meine These glaube; ich fürchte, es würde mir auch jetzt so gehen. Auf Wiedersehen, teurer Fürst: ich komme bei Ihnen immer in unverzeihlicher Weise ins Plaudern.«

Er ging hinaus, der Fürst gab ihm höflich das Geleit; ich aber fühlte mich gekränkt.

»Warum machen Sie denn ein so finsteres Gesicht?« fragte er plötzlich kurz und heftig, indem er, ohne mich anzusehen, an mir vorbei zu seinem Schreibpult ging.

»Ich mache ein finsteres Gesicht«, begann ich mit einem Zittern in der Stimme, »weil ich in Ihrem Ton mir und sogar Wersilow gegenüber eine so seltsame Veränderung wahrnehme, ich ... Natürlich, Wersilow redete anfangs vielleicht ein bißchen rückschrittlich, aber dann korrigierte er sich doch, und ... in seinen Worten lag vielleicht ein tiefer Gedanke, aber Sie haben ihn einfach nicht verstanden und ...«

»Ich kann es einfach nicht leiden, daß sich jemand erdreistet, mich zu belehren, und mich für einen dummen Jungen hält!« erwiderte er scharf, beinahe zornig.

»Fürst, solche Ausdrücke ...«

»Bitte, ohne theatralisches Wesen – tun Sie mir den Gefallen! Ich weiß, daß das, was ich tue, gemein ist, daß ich ein Verschwender, ein Spieler, vielleicht sogar ein Dieb bin ... jawohl, ein Dieb, denn ich verspiele das Geld meiner Familie; aber ich wünsche durchaus nicht, daß sich jemand zu meinem Richter aufwirft. Ich will es nicht und dulde es nicht. Ich bin selbst mein eigener Richter. Und wozu diese versteckten Anspielungen? Wenn er mir Vorhaltungen machen wollte, so mochte er frei und offen reden, aber nicht im Prophetenton mir so einen nebelhaften Unsinn vorpredigen. Aber um mir Vorhaltungen zu machen, müßte er ein Recht besitzen und müßte selbst ein ehrenhafter Mensch sein ...«

»Erstens habe ich den Anfang Ihres Gespräches nicht gehört und weiß nicht, worüber Sie redeten, und zweitens, gestatten Sie die Frage: inwiefern ist denn Wersilow kein ehrenhafter Mensch?«

»Genug davon, ich bitte Sie, genug davon! Sie haben mich gestern um dreihundert Rubel gebeten, da sind sie ...« Er legte das Geld vor mir auf den Tisch, setzte sich selbst auf einen Lehnstuhl, legte sich nervös gegen die Lehne zurück und schlug ein Bein über das andere. Ich stand einigermaßen verwirrt da.

»Ich weiß nicht ...«, murmelte ich, »ich habe Sie zwar darum gebeten ... und ich brauche das Geld jetzt sehr notwendig, aber im Hinblick auf diesen Ton möchte ich doch ...«

»Ach, lassen Sie den Ton! Wenn ich ein bißchen scharf gesprochen habe, so bitte ich um Entschuldigung. Ich versichere Ihnen, daß ich ganz andere Gedanken im Kopf habe. Hören Sie mal zu: ich habe einen Brief aus Moskau bekommen; mein Bruder Sascha – Sie wissen, er war noch ein Kind – ist vor vier Tagen gestorben. Mein Vater ist, wie Sie gleichfalls wissen, schon seit zwei Jahren gelähmt, und jetzt ist es mit ihm, wie man mir schreibt, noch schlechter geworden; er kann kein Wort mehr sprechen und erkennt niemanden. Die Meinigen haben sich dort über die Erbschaft sehr gefreut und möchten den Kranken nach einem ausländischen Kurort bringen; aber der Arzt schreibt mir, er habe kaum noch vierzehn Tage zu leben. Folglich bleiben meine Mutter, meine Schwester und ich zurück, und somit bin ich jetzt fast der einzige ... Na, kurz gesagt, ich bin der einzige ... Diese Erbschaft ... diese Erbschaft – oh, vielleicht wäre es das beste gewesen, wenn sie mir gar nicht zugefallen wäre! Aber was ich Ihnen sagen wollte: ich habe von dieser Erbschaft Andrej Petrowitsch als Minimum zwanzigtausend Rubel versprochen ... Aber stellen Sie sich vor, ich habe wegen der erforderlichen Formalitäten bisher noch nichts tun können. Ich bin sogar ... das heißt, wir ... das heißt, mein Vater ist noch nicht in den Besitz der Erbschaft eingewiesen worden. Und dabei habe ich in den letzten drei Wochen so enorm viel Geld verloren, und dieser Schurke, der Stebelkow, nimmt so gewaltige Prozente ... Ich habe Ihnen jetzt beinahe mein letztes Geld gegeben ...«

»Aber Fürst, wenn es so steht ...«

»Darum sage ich es nicht, darum sage ich es nicht. Stebelkow wird mir heute sicher Geld bringen, und fürs erste wird es ja ausreichen; aber aus diesem Stebelkow wird der Teufel nicht klug! Ich habe ihn inständig gebeten, mir zehntausend Rubel zu verschaffen, damit ich Andrej Petrowitsch wenigstens diese Summe geben kann. Mein Versprechen, ihm ein Drittel abzugeben, quält und foltert mich. Ich habe mein Wort gegeben und muß es halten. Ich schwöre Ihnen, ich wünsche auf das lebhafteste, mich wenigstens nach dieser Seite hin meiner Verpflichtungen zu entledigen. Sie sind mir drückend, drückend, unerträglich! Dieses auf mir lastende Verhältnis ... Ich mag Andrej Petrowitsch gar nicht sehen, weil ich ihm nicht offen in die Augen blicken kann ... Warum mißbraucht er das?«

»Was mißbraucht er, Fürst?« fragte ich und blieb erstaunt vor ihm stehen. »Hat er denn jemals im Gespräch mit Ihnen eine Anspielung darauf gemacht?«

»O nein, und ich weiß das zu schätzen, aber ich selbst habe mir Anspielungen darauf gemacht. Und schließlich, ich gerate immer tiefer und tiefer in den Sumpf hinein ... Dieser Stebelkow ...«

»Hören Sie, Fürst, beruhigen Sie sich, ich bitte Sie; ich sehe, daß Sie, je länger Sie reden, immer aufgeregter werden, und dabei ist das alles vielleicht doch nur Einbildung. Oh, ich habe mich auch selbst in unverzeihlicher, unwürdiger Weise in Not gebracht; aber ich weiß ja doch, daß das nur vorübergehend ist ... und sowie ich eine bestimmte Summe wiedergewonnen habe ... Sagen Sie, mit diesen dreihundert Rubeln bin ich Ihnen ja wohl zweitausendfünfhundert schuldig, nicht wahr?«

»Ich mahne Sie ja wohl nicht«, sagte der Fürst mit einem häßlichen Lächeln.

»Sie sagen: ›Für Wersilow muß ich zehntausend haben.‹ Wenn ich jetzt von Ihnen Geld borge, so wird das natürlich auf Wersilows zwanzigtausend angerechnet, darauf bestehe ich. Aber ... aber ich werde es Ihnen sicherlich selbst zurückgeben ... Glauben Sie denn aber wirklich, Wersilow käme des Geldes wegen zu Ihnen?«

»Es wäre mir leichter ums Herz, wenn er des Geldes wegen zu mir käme«, erwiderte der Fürst rätselhaft.

»Sie sprachen von einem auf Ihnen lastenden Verhältnis ... Wenn Sie damit Wersilow und mich meinen, so ist das weiß Gott für uns beleidigend. Und ferner sagen Sie: ›Warum ist er nicht selbst ein solcher Mensch, wie er lehrt, daß man es sein müsse?‹ Das ist nun Ihre Logik! Erstens ist das gar keine Logik; gestatten Sie mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, denn wenn er auch nicht ein solcher Mensch wäre, so müßte er doch die Wahrheit predigen ... Und dann, was ist das für ein Ausdruck: ›predigen‹? Sie sagen, er sei ein ›Prophet‹. Sagen Sie mal, sind Sie es gewesen, der ihn in Deutschland einen ›Weiberpropheten‹ genannt hat?«

»Nein, das bin ich nicht gewesen.«

»Mir hat Stebelkow gesagt, der Ausdruck rühre von Ihnen her.«

»Dann hat er gelogen. Ich verstehe mich nicht darauf, jemandem Spitznamen zu geben. Aber wenn jemand von Ehrenhaftigkeit predigt, dann muß er selbst ehrenhaft sein – das ist meine Logik, und wenn sie falsch ist, so ist mir das ganz egal. Ich will, daß es so sei, und es wird auch so sein. Und kein Mensch, kein Mensch soll sich unterstehen, in mein Haus zu kommen und über mich zu Gericht zu sitzen und mich für einen dummen Jungen zu halten! Genug davon!« rief er und winkte mit der Hand ab, damit ich nichts weiter sagen möchte ... »Ah, endlich!«

Die Tür öffnete sich, und Stebelkow trat ein.