Tagebuch eines Hilflosen

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08.12.2018

Staffellauf im Weißen Haus. Stabschef John Kelly ist der Stab abhandengekommen. Donald Trump hat ihm das gute Teil weggenommen, um den nächsten Wechsel selbst durchzuführen. Kelly darf die letzten Meter noch locker auslaufen und dabei zusehen, an wen Donnie den Staffelstab übergibt. Im Grunde ist es aber egal, wer ihn kriegt und wie lange er durchhält. Es ist Donnies Staffel. Es ist sein Lauf. Er bestimmt die Wechsel. Und er wird den Stab auch über die Ziellinie tragen. Bis es aber so weit ist, bricht er ihn über all jenen, die glauben, Chef im Haus des Weisen zu sein.

09.12.2018

Wie viele von Donald Trumps Gedanken wohl die Form von Fragesätzen haben?

10.12.2018

Weltweiter Waffenbericht, und mein Land wie immer ganz vorn dabei! 57 % Marktanteil bei den Abmurksmaschinen. Letztes Jahr Waffengeschäfte im Wert von über 226 Milliarden Dollar gemacht. Platz 1 in der Gesamtwertung. Platz 1 in der Einzelwertung für Lockheed Martin mit 44,9 Milliarden. 42 US-Firmen unter den Top 100, fünf unter den Top Ten. Sechsmal so viele Kriegswerkzeuge verkauft wie Russland. Und das Beste: Alle Zahlen mit Gewehr!

(Aus: Donald Trump, Tagebuch, unveröffentlicht.)

11.12.2018

Justin Muzinich hat es geschafft. Ein gutes Jahr nach seiner Nominierung hat ihn der Senat mit den Stimmen der republikanischen Mehrheit zum Staatssekretär im Finanzministerium gewählt. Es ist der Lohn seiner Arbeit als Chefplaner bei Donald Trumps Steuerreform. Finanzminister Steven Mnuchin hat damit endlich, was er so lange schon wollte: Einen weiteren Investmentbanker in hoher Position, einen echten Wall-Street-Mann mit Gordon-Gekko-Gedächtnisfrisur. Einen solchen Triumph nennen sie im Finanzministerium einen »Goldman Sachs-ses«.

12.12.2018

Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen ist heute wegen illegalen Wahlkampfbeihilfen, Steuerhinterziehung und Falschaussagen unter Eid zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte mit den Behörden kooperiert und zeigte sich vor Gericht reumütig.

Falls Donald Trump eines Tages vor Gericht steht, ist ein solches Verhalten von ihm nicht zu erwarten. Reue ist ohnehin nicht sein Ding. In einem Interview mit dem konservativen Radiomoderator Kevin Wall am 20. Oktober 2018 fragte dieser Trump, ob er es bedauere, die Demokraten als »bösartigen Mob« bezeichnet zu haben, oder ob das einfach nur brutal ehrlich gewesen sei.

»Nein, es war einfach nur ehrlich«, antwortete Trump. »Und wären Sie nicht geschockt wenn ich sagen würde, ich würde irgendetwas bedauern?«

»Ich wäre geschockt!«

»Das wären Sie in der Tat. Sie würden wahrscheinlich das Interview beenden und sagen: ›Das ist nicht Trump, das ist jemand anderes.‹«

Woraufhin der Moderator in Gelächter ausbrach – und Trump hinzufügte:

»Nein, nein, ich habe kein Interesse daran, etwas zu bedauern, überhaupt keins.«

13.12.2018

Der US-Senat stellt sich gegen Mohammed bin Salman.

Donald Trump stellt sich stur.

Der Senat will die Einstellung der Militärunterstützung für die Saudis im Jemen.

Donald Trump will seine Einstellung gegenüber den Saudis nicht ändern. Sieht aus, als bräuchten die Republikaner eine Familienaufstellung.

14.12.2018

»Eigentlich müsste Melania Stabschefin sein, aber sie will immer nur winken, nie wanken. Riesenstauerei!«

(Aus: Donald Trump, Tagebuch, unveröffentlicht.)

15.12.2018

Donnies Twitter-Vögelchen hat schon wieder einen auf dem Gewissen. Diesmal hat es dem Innenminister sein Ende verkündet. Der Vogel betreibt politische Säuberungen in großem Stil. Er ist ein Star in einer Branche, die ihre Macht dadurch erhält, in aller Öffentlichkeit kurzen Prozess mit langgedienten Mitstreitern zu machen. Falls das Vögelchen also noch keinen Namen hat, hätte ich da einen Vorschlag. Wie wäre es mit Starlin?

16.12.2018

Hier mal ein Auszug aus der großen Präsidenten-Playlist Naylist – Musiker und Bands, die Donald Trump verboten haben, ihre Songs auf seinen Kundgebungen zu spielen: Adele / Aerosmith / Earth, Wind & Fire / Bruce Springsteen / Elton John / Guns n’ Roses / Neil Young / Pharrell Williams / Queen / R.E.M / Rihanna / The Rolling Stones.

Letztere sind übrigens besonders angepisst, da Trump fast jede seiner Wahlkampfkundgebungen mit ihrem Lied »You Can’t Always Get What You Want« beendet hatte und der Song auch zum Abschluss von Trumps Dankesrede nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl gespielt worden war. Ob die Wahl des Titels für Ironie oder Idiotie steht, wurde noch nicht abschließend geklärt, fest steht aber, dass Trumps eigene Großkotzigkeit die der (frühen) Stones noch deutlich in den Schatten stellt, schließlich hat ihn die Band mehrfach gebeten, den Song nicht zu spielen. Allerdings hat Trump in diesem Fall ausnahmsweise mal eine Genehmigung, was man mit Blick auf die anderen Songs und Interpreten, die sein Wahlkampfteam genutzt hat, nicht behaupten kann. Aber bei der Wahl ihrer (musikalischen) Mittel waren Trump und seine Leute noch nie zimperlich. Ein Song wurde genommen, wenn er half, die Massen in Trumps Sinne zu stimmen. Viele Musiker waren deshalb ziemlich verstimmt und haben die Verwendung ihrer Songs untersagt. Das Verbot ist allerdings nicht in allen Fällen als politisches Statement zu werten, sondern zum Teil auch der Tatsache geschuldet, dass die Lieder ohne Erlaubnis gespielt wurden. Die Zahl der Unterlassungsaufforderungen ist jedenfalls hoch, die der politisch motivierten Beschimpfungen durch die Künstler dagegen eher klein. Wobei R.E.M.-Frontmann Michael Stipe zumindest qualitativ für Ausgleich gesorgt hat, als er in Richtung des Trump-Teams schrieb: »Go fuck yourselves, the lot of you – you sad, attention-grabbing, power-hungry little men. Do not use our music or my voice for your moronic charade of a campaign.«

Achja, Trump hatte übrigens »It’s the End of the World as We Know It« spielen lassen. Wie passend …

17.12.2018

Eine für das Senate Select Committee on Intelligence angefertigte Studie* kommt nach Auswertung mehrerer Millionen Internetbotschaften zu dem Schluss, dass Russland mit seiner Armee aus Cyber-Trollen die Präsidentschaftswahlen 2016 zugunsten Donald Trumps beeinflusst hat. Dabei setzten die Russen nicht nur auf trumpfreundliche Posts in den sozialen Medien sowie entsprechende Podcasts und Werbeanzeigen, sondern – wie das Technikportal The Verge heute gezeigt hat – auch auf Telefon-Hotlines. Die meisten von ihnen kümmerten sich um klassisch konservative Themen wie Familie und innere Sicherheit. Eine Hotline aber stach heraus. Sie richtete sich an jene Männer, die sich gern mal einen keulen.

»Kämpfst du mit der Sucht der Masturbation? Wende dich an mich und wir werden sie gemeinsam besiegen«, hieß es in einer Anzeige, die mit »Jesus« unterschrieben war. Daneben hatten die Betreiber der Hotline einen bärtigen Mann im weißen Gewand gemalt, der einen reuigen Sünder tröstet und ihm seinen Arm schützend auf die Schulter legt. Eine andere Anzeige derselben Hotline setzte dagegen eher auf die Macht des Verstandes, argumentierte streng logisch und erklärte: »Du kannst Gottes Hände nicht halten, wenn du masturbierst.«

Zugegeben, das klingt erstmal ziemlich schräg und scheint mit gezielter Wählerbeeinflussung nichts zu tun zu haben, tatsächlich aber haben die Russen ganz genau hingehört, als sie ihre Troll-Kampagne konzipierten, schließlich hatte der republikanische Medienberater und Wahlkampfstratege Chris Wilson Anfang 2016 in einem Fernsehinterview mit dem Nachrichtensender MSNBC bezüglich der Trump-Unterstützer erklärt: »Tatsache ist, dass die meisten von ihnen kinderlose Männer sind, die sich auf Anime-Pornos einen runterholen.«

18.12.2018

Manche steigern sich in etwas rein, andere werden reingesteigert … Dass Donald Trump ein wahrer Meister im Reinsteigern ist, ist bekannt. Dass er auch reingesteigert werden kann, weiß man dagegen erst seit heute, denn Donald Trump ist auf einer Auktion Teil des Tierreiches geworden. Demorphus donaldtrumpi heißt die neu entdeckte Schleichenlurch-Spezies aus dem Regenwald von Panama, die ihren Namen bei einer Auktion des Rainforest Trust verliehen bekam. Ein Unternehmer hatte 25.000 Dollar dafür geboten, das bisher unbekannte Tier – eine Mischung aus Regenwurm und Schlange – benennen zu dürfen. Und siehe da, das war gut investiertes Geld, denn selten haben ein Tier und sein Name besser zusammengepasst. Der Demorphus donaldtrumpi ist nämlich nahezu blind und kann die Welt nur in schwarz/weiß wahrnehmen. Außerdem vergräbt er seinen Kopf im Sand und ignoriert die Realitäten ebenso gut wie Donald Trump beim Thema Klimaschutz. Außerdem lässt sich Demorphus donaldtrumpi regelmäßig eine zweite Hautschicht wachsen, die seine Kinder mit ihren Zähnen abziehen und auffressen, um ihr Überleben zu sichern, und auch in diesem Punkt sind die Parallelen unverkennbar: Bei den Wurmkindern fällt mit Daddys Hilfe eine extra Schicht Haut und bei den Trumpkindern ein extra hoher Posten im Weißen Haus ab.

 

19.12.2018

Die USA verlassen Syrien.

Helene Fischer verlässt Florian Silbereisen.

Zwei republikanische Senatoren aus Kansas verlassen ihre Partei.

Nur die Kurden können nicht mitmachen. Die hatten noch nie einen, auf den sie sich verlassen konnten.

20.12.2018

Knapp 40 Millionen US-Amerikaner bekommen derzeit Lebensmittelmarken. Die Zahl ist weithin bekannt. Weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass 10 % von ihnen zur Gruppe der berufsfähigen Erwachsenen zwischen 18 und 49 gehören, die keinen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause haben, aber dennoch nichts oder nicht genug verdienen, um ohne Lebensmittelmarken überleben zu können. Bisher konnten diese Leute im Zeitraum von drei Jahren drei Monate lang Marken erhalten. Da das aber oft viel zu wenig war, beantragten verschiedene Bundesstaaten Ausnahmegenehmigungen für wirtschaftlich besonders schwache Städte oder Regionen, um die dort lebenden Menschen länger mit Lebensmittelmarken versorgen zu können.

Im Zuge des aktuellen amerikanischen Wirtschaftswachstums und sinkender Arbeitslosenquoten soll es den Bundesstaaten nun schwerer gemacht werden, solche Ausnahmegenehmigungen zu bekommen. Nach dem jetzt vorgelegten Entwurf des Landwirtschaftsministeriums würden drei Viertel der aktuell gültigen Ausnahmegenehmigungen in Zukunft wegfallen. Die Trump-Administration erhofft sich dadurch Einsparungen von 15 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren. Im Grunde ist es die Neuinterpretation eines alten Irrglaubens: In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, so denkt man, können die staatlichen Zuwendungen für die sozial Schwachen zurückgefahren werden. Tatsächlich aber vergrößert jedes nationalökonomische Wachstum immer nur die Schere zwischen Arm und Reich und erhöht zugleich den Druck, funktionieren zu müssen. Die in der Mitte könnten ein Lied davon singen – wenn sie im Hamsterrad ihrer Tage nur zum Singen kämen …

21.12.2018

Donald Trump springt auf dem Feld der internationalen Politik hin und her wie er will. Es gibt keine Struktur, keine übergeordnete Idee, keine Möglichkeit, irgendetwas zu planen. Und doch ist er – zumindest in seinen Nabelschnuraugen – erfolgreich damit. Sogar seinen eigenen Verteidigungsminister hat er inzwischen schachmattis gesetzt.

22.12.2018

Donald Trump betreibt Mathematrick. Seine politische Resultate kennen keine Rechenwege.

23.12.2018

Nur mal so als Zwischenstand: In seinen 700 Tagen als Präsident der Vereinigten Staaten hat Donald Trump in seinen Reden, Interviews und sonstigen Äußerungen nach Angaben der Fact-Checker-Datenbank 7.546 falsche oder irreführende Aussagen getätigt. Vielleicht wäre es besser, in Zukunft seine zutreffenden oder zumindest die nicht irreführenden Aussagen zu zählen. Das würde die Sache wahrscheinlich überschaubarer machen.

24.12.2018

Putin stiftet in der westlichen Welt Chaos durch straffe Organisation.

Trump stiftet in der östlichen Welt eine neue Ordnung durch chaotische Amtsführung.

Dazwischen stehen wir, leben wir, hasten wir hilflos umher, und der Glaube, dass wir ohne Messias besser dran sind, geht zunehmend stiften. Merry Christ-mess.

25.12.2018

Aktuell sind 45.000 Immigranten wegen illegalen Grenzübertritts in den USA inhaftiert. Das sind mehr als jemals zuvor. Fast 18.000 davon sitzen in privat betriebenen Gefängnissen. Die dahinter stehenden Firmen, allen voran die Geo Group, hatten 2016 große Summen für Donald Trumps Wahlkampf gespendet. Es war gut investiertes Geld, denn sie bekommen es durch Trumps Immigrationspolitik doppelt und dreifach zurück. Allein im Steuerjahr 2018, d. h. zwischen dem 1. Oktober 2017 und dem 30. September 2018, haben sie über 800 Millionen Dollar aus Steuergeldern für ihre Dienste erhalten. Kein Wunder, dass ihre Gefangenen mehr als doppelt so lange in Haft bleiben wie jene, die in den von der Immigrationsbehörde betriebenen Gefängnissen sitzen. Jeder Tag in Haft bringt schließlich bares Geld. Und wenn die Häftlinge dann noch »freiwillig« für einen Dollar pro Tag arbeiten oder – statt Geld zu bekommen – für ihre Dienste mit ein paar billigen Snacks abgespeist werden, wird klar, dass man aus der Scheiße, in der diese Leute stecken, tatsächlich Gold machen kann.

26.12.2018

Donald Trump hat heute in der Kantine der US-Luftwaffenbasis Al Asad im Westirak eine als Truppenbesuch getarnte Wahlkampfveranstaltung abgehalten. Dabei erklärte er den anwesenden Soldaten, er persönlich habe dafür gesorgt, dass sie nach zehn Jahren erstmals wieder eine Lohnerhöhung bekommen und dass das Plus volle 10 % betragen werde. Tatsächlich haben die amerikanischen Streitkräfte seit Jahrzehnten jedes Jahr eine Lohnerhöhung erhalten, nur werden es auch 2019 nicht 10 % sein. Es gibt lediglich 2,6 % oben drauf. Der Letzte, der den Soldaten den Lohn um 10 % erhöht hat, war Ronald Reagan. Er hatte am 14. Oktober 1981 den »Uniformed Services Pay Act of 1981« unterschrieben, der Lohnsteigerungen von 10 bis 16,5 % zur Folge hatte. Aber davon kann Donald Trump natürlich nichts wissen. Er war 1981 damit beschäftigt, ein großes Wohnhaus am Central Park zu kaufen und die Mieter mit Strom- und Wasserabschaltungen rauszutreiben, weil er das Gebäude abreißen und an seiner Stelle Luxusapartments errichten wollte. Allerdings ist er damit nicht durchgekommen. Die Leute sind geblieben. Und die 2,6 % für 2019 werden es auch tun.

27.12.2018

Der neue School Safety Report der Trump-Administration bestärkt die Schulbezirke darin, mehr bewaffnetes Sicherheitspersonal einzusetzen, lobt staatliche Programme zur Bewaffnung von Lehrern und schlägt vor, dass Schulen Bundesmittel nutzen könnten, um ihre Mitarbeiter im Gebrauch von Schusswaffen zu trainieren. Der Report beruht laut eigener Aussage auf einer zweimonatigen Anhörungstour durch eine Reihe von Schulen. Was der Report dagegen nicht erwähnt, ist, dass sich auf den Veranstaltungen zahlreiche Lehrer, Eltern und Schüler gegen Waffen in der Schule ausgesprochen haben. Bildungsministerin Betsy DeVos hat davon allerdings nichts mitbekommen. Sie war bei keiner der Anhörungen dabei. Sie hatte eine Kommission eingesetzt, die für sie durch die Bundesstaaten zog. Die Empfehlungen ihrer Gewehrsleute stammen allerdings mehrheitlich aus republikanisch dominierten Gebieten, den sogenannten »red states«. Das sind jene Bundesstaaten, bei denen pro Schüler das meiste Blut aus den Schusswunden läuft.

28.12.2018

Tagebücher sind Begleitschreiben der Gegenwart für künftige Historiker. Sie sind Passagenwerke im ursprünglichen Sinne des Wortes. Ihr Nutzen besteht in ihrer Unmöglichkeit, die Geschichte vom Ende her zu erzählen.

29.12.2018

Donald, der Brüllaffe, lebt in einem Haus,

das von außen mit Flüsterweiß angemalt wurde.

Dort trifft er sie alle, die Saubermänner,

hinter den mit Keimfarbe gestrichenen Wänden.

30.12.2018

Die aktuelle Haushaltssperre öffnet die Schleusen der menschlichen Ichbezogenheit und gibt in den amerikanischen Nationalparks den Blick frei auf vermüllte Wiesen, vollgeschissene Campingplätze und quer durchs Gelände führende Autospuren. Es ist eine neue Art, im Land der von keiner Behörde mehr begrenzten Möglichkeiten die Freiheit des Individuums zu zelebrieren. Bisher wurden die Parks während des Shutdown geschlossen, aber unter Trump bleiben sie offen – und das Innere mancher Besucher kann ungehindert nach außen treten.

31.12.2018

»Greifst du mir an die Hoden, Maus, geh ich mit dir ins Modenhaus.«

(Donald Trumps Neujahrswunsch an Melania.)

01.01.2019

»Maus’ ich im Modeladen Sachen, kann ich auch ohne ihn ’ne Sause machen.«

(Melanias Wunschantwort, im Innern ihres Kopfes langsam verhallend.)

02.01.2019

Falls der alte Chauvi Donald so etwas wie Rückbesinnung betreibt, dürfte ihm der Schreck in die Glieder gefahren sein bei der Erkenntnis, dass die einzigen Mitglieder seines Kabinetts, die im Jahr 2018 keinen politischen Skandal verursacht und sich überdies aus dem ganzen Hauen und Stechen innerhalb der Regierung herausgehalten haben, drei Frauen waren: Linda McMahon, die Leiterin der Mittelstandsbehörde, Elaine Chao, ihres Zeichens Verkehrsministerin, und Nikki Haley, die bis zum 31.12. als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen fungiert hat.

03.01.2019

Der Trump-Satz des Tages lautet: »I don’t care about Europe.« Wobei das Desinteresse alles andere als neu ist. Es ist vielmehr Ausdruck einer in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft tief verwurzelten Ignoranz gegenüber der Alten Welt, ein großes Schulterzucken bei dem Gedanken, dass auf der anderen Seite des Großen Teiches auch Menschen über die Erde stapfen. Donald Trump bedient diese Tradition. Sätze wie dieser lassen seine Wähler andächtig nicken. Europa selbst ist dabei aber nur Teil eines viel größeren Desinteresses, das im Grunde alles umfasst, was nicht die Vereinigten Staaten sind – und Jobs. Jobs und America First sind das, was viele Amerikaner wollen. Und Donald Trump gibt es ihnen. Aber er war nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein. Er ist nur derjenige, dessen Stammtischparolen besonderen Widerhall finden – in den Kneipen, in denen sie seit Jahrzehnten gehört, gepflegt und weitergesponnen werden.

Die Ethnolinguistin Julie Lindquist hat derartige Gespräche bereits 1992 aufgezeichnet und später in ihrem Buch A Place to Stand. Politics and Persuasion in a Working-Class Bar wiedergegeben. Die Aussagen der Kneipenbesucher lesen sich nicht anders als Trumps Tiraden, nur dass die damaligen Heilande George Bush, Dan Quayle und – vor allem – Ross Perot hießen. Viele Arbeiter und Angestellte waren fasziniert vom Selfmade-Milliardär Perot, der sich als Anti-Establishment-Kandidat und erfolgreicher Jobschaffer inszenierte. Kein Wunder, dass sie ihm mit ihren Worten nacheiferten und schon damals so sprachen wie Donald Trump heute.

»I wanna get the country JOBS«, sagt einer der Gesprächsteilnehmer anno 1992 in einer Bar in Chicago. »I don’t care about Europe, Mexico, I don’t care about nobody! Get the kids in my country jobs.«

Die damaligen »kids« sind heute die Wähler Donald Trumps.