Tagebuch eines Hilflosen

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04.09.2017

Habe gerade einen Blick auf die nationale Schuldenuhr der USA geworfen. Amerika steht tief in den roten Zahlen. 19.897.500.000.000 Dollar, um genau zu sein. Die gesetzlich erlaubte Schuldenobergrenze liegt allerdings bei 19.900.000.000.000. Fehlen also noch zweieinhalb Milliarden bis zum Knall. Seltsamerweise scheint die Doomsday-Clock ähnlich zu ticken. Ihr zufolge sind es noch genau zweieinhalb Minuten bis der Atomkrieg beginnt. Damit auch alles glatt geht wenn’s so weit ist, haben die üblichen Zweieinhalbkäsehochs in Nord- und Südkorea in den vergangenen Tagen mit amerikanischer, russischer und chinesischer Hilfe geübt, wie man sich in zweieinhalb Minuten gegenseitig zweieinhalb Mal vernichten kann.

Sieht aus, als wäre heute der beste Zeitpunkt, mir mal wieder Die nackte Kanone 21/2 anzuschauen. Da wird am Ende nicht der Erde, sondern der Bombe der Stecker gezogen.

05.09.2017

Die Körperschaftsteuer muss sinken! Zahle seit Jahren für Melania und schaffe es trotzdem nicht, dass sie meinen Körper mit ihrem ansteuert. Wenn das so weitergeht, kann ich für meinen Schaft statt Ausfuhr- bald Einfuhrsteuer berechnen. Ungereckt!

(Aus: Donald Trump, Tagebuch, unveröffentlicht.)

06.09.2017

Schulen in Colorado, die in der Nähe von offiziellen Marihuana-Verkaufsstellen liegen, bekommen 9,2 Millionen Dollar, um mithilfe eigens dafür eingestellter Sozialarbeiter Jugendliche davon abzuhalten, Marihuana zu konsumieren. Das Geld stammt aus einem ganz besonderen Topf, um nicht zu sagen aus einem großen, grünen Pott. Der Staat Colorado hat es durch Steuern und Abgaben von den offiziellen Marihuana-Verkaufsstellen eingenommen. Ein echtes Joint Venture.

07.09.2017

Die fetten Jahre waren vorbei, jetzt kommen sie wieder. Nachdem die Obama-Regierung festgelegt hatte, dass bestimmte Milchsorten bei der Schulspeisung fettfrei sein müssen, ist jetzt wieder 1 % Fett erlaubt. Dagegen wurde der Vollkornrückerstattungsanteil gesenkt. Er gibt an, ab wie viel % Vollkornanteil in einem Schulessen (z. B. Nudeln) die Bundesstaaten Vergütungen aus Washington bekommen. Bisher waren es 50 %, jetzt gibt’s dagegen schon bei einem geringeren Vollkornanteil Geld aus den Futtertöpfen der Trump-Administration. Der Grund ist einfach: Die meisten Kinder mögen nämlich den Gesundheitsfraß nicht, und es macht sich politisch nicht gut, wenn ein Bundesstaat in finanzielle Schwierigkeiten gerät, nur weil sich irgendwelche Rotzlöffel keine Vollkornnudeln auf die Gabel spießen wollen.

08.09.2017

Die Wahlkommission in Virginia hat wegen Sicherheitslücken und aus Angst vor Hackerangriffen Touchscreen-Abstimmungsgeräte für die Gouverneurswahl im November verboten. Das Problem mit den Maschinen ist seit Jahren bekannt, aber die Republikaner vor Ort hatten die Gelder für neue Abstimmungsgeräte gestrichen. Die Republikaner von Virginia sind die Russen der Vereinigten Staaten.

09.09.2017

Wenn ein Mann wie Donald Trump als Vermittler zwischen zwei verfeindeten Staaten auftreten kann, muss es um die Welt schlecht bestellt sein. Dass die Stimmung zwischen Saudi-Arabien und Katar nach Trumps Vermittlungsversuch noch schlechter ist als zuvor, hat da fast schon etwas Versöhnliches.

10.09.2017

Für den Bau der Mauer, die die USA von Mexiko trennen soll, werden erste Prototypen entwickelt. Eine der von der US-Regierung dazu beauftragten Firmen ist KWR Construction aus Sierra Vista in Arizona. 70 Meilen weiter nördlich, in Tucson/Arizona, befindet sich das Zentrum für Artenvielfalt. Es hat natürlich keinen Auftrag bekommen, aber dafür Klage gegen die US-Regierung eingereicht, weil sich die zuständigen Ministerien weigern, die Auswirkungen des Mauerbaus auf den Naturschutz zu untersuchen. Das Motto des Bundesstaates Arizona lautet übrigens: »Ditat Deus« – »Gott bereichert«. Fragt sich nur, ob damit die Zahl der Jobs in der Baubranche oder die Sache mit der Artenvielfalt gemeint ist.

11.09.2017

Wirbelsturm Irma wütet derzeit mit 200 Kilometern pro Stunde durchs Land, Tendenz sinkend. Die amerikanische Geflügelindustrie ist da mit 140 Hühnern pro Minute schon deutlich schneller unterwegs und die Tendenz ist weiter steigend. Zumindest wenn es nach dem Willen des republikanischen Kongressabgeordneten Doug Collins geht, denn der will die maximal erlaubte Anzahl von 140 Gefügelschlachtungen pro Minute und Fließband auf 175 erhöhen. In Deutschland dürfen die Hühner laut Collins sogar mit bis zu 200 über die Schlachtebahn fahren. Die amerikanischen Gewerkschaften laufen trotzdem Sturm gegen seine Pläne. Allerdings nicht, weil dadurch mehr Tiere sterben, sondern mehr Arbeiter verletzt werden würden. Es drohen Todesfälle auf beiden Seiten. Bisher betraf es nur die Hühner. Die Hühner können aber nichts gegen das Sterben tun, denn sie haben keine offizielle gewerkschaftliche Vertretung. Das einzig Offizielle, was die Hühner haben, ist die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der man ihnen am Fließband die Hälse in Richtung Jenseits dreht. Ihr Totentanz wird genau protokolliert. Er beträgt in den USA momentan 131 bpm, was in diesem Fall »birds per minute« bedeutet.

12.09.2017

Das groß angekündigte und von den Medien hofierte 1.000 Days / 1.000 Songs-Projekt des amerikanischen Schriftstellers Dave Eggers, bei dem täglich ein politischer Song veröffentlicht wird, um gegen die Präsidentschaft Donald Trumps zu protestieren, ist nach nur 172 Liedern eingestellt worden. Seit dem 20. Juli 2017 gibt es keine neuen Lieder mehr. Die Playlist des Protests scheint an ihr Ende gekommen. Genau wie das Projekt Briefe aus Amerika, das von der Schriftstellerin Zoë Beck initiiert worden war und in Deutschland einiges an Aufmerksamkeit erlangt hatte. In dem dazugehörigen Blog sollten Amerikaner und ihre Geschichten vorgestellt und dadurch gezeigt werden, »was sich seit dem 20.1.2017 in den USA verändert hat, worüber die Menschen reden, wovor sie Angst haben, worauf sie hoffen, wofür sie kämpfen.« Nachdem anfangs fast täglich Beiträge veröffentlicht worden waren, nahm die Zahl mit der Zeit immer mehr ab, und inzwischen scheint das Vorhaben gänzlich im Sande verlaufen zu sein. Seit dem 14. Juli ist kein neuer Beitrag mehr auf der Seite erschienen.

Nur ich mache weiter. Vielleicht ist es mein Glück, dass mein Tagebuch nicht groß angekündigt wurde, dass es keine Aufmerksamkeit erlangt hat und wohl auch niemals welche erlangen wird. Weil ich kein bekannter Schriftsteller bin. Weil ich keinerlei Verbindungen zur literarischen Welt habe. Weil ich das hier alles ganz allein mache. Deshalb berichtet auch niemand darüber. Manchmal macht mich das traurig. Manchmal wünschte ich mir, mehr Leute würden meine Einträge lesen. Aber dann wird mir klar, dass ich nur ein einfacher Kerl aus dem Muldental bin, der sich in seinem Kopf in das Amerika Donald Trumps verrannt hat.

13.09.2017

Befunde vom Grunde, Schätze aus den Zahlenmeeren des Deep States: Im Oktober 2016 gaben 27 % aller amerikanischen Bundesbediensteten an, im Falle eines Wahlsieges von Donald Trump eventuell ihren Job kündigen zu wollen. Tatsächlich gekündigt haben zwischen Dezember und März nur 2,2 %. Entlassungen und sonstige Berufswechsel schon mit eingerechnet. Im Finanzministerium waren es sogar nur 1,5 %. Die Fluktuation liegt damit nur unwesentlich höher als beim Amtsantritt von Barack Obama. Was konsequentes politisches Handeln betrifft, scheint mit dem Staat im Staate kein Staat zu machen zu sein. Oder immer der gleiche.

14.09.2017

Donald Trump und die Steuerreform. Plan hat er keinen, aber dafür jeden Tag eine andere Idee, die der vom Vortag widerspricht. Aber was macht’s, konsistente Ansichten kennt er nicht, und für Konsequenzen musste er noch nie aufkommen.

Donald Trump und die Steuerreform. Was rauskommt, weiß keiner zu sagen. Nur eins ist sicher: Es wird eine ’s teuer Reform.

15.09.2017

Der 11-jährige Frank Giaccio hat heute im Rosengarten des Weißen Hauses den Rasen gemäht. Ich erwähne das, weil sich später, wenn die Gelehrten in ihren Aufsätzen und Büchern die großen Linien von Trumps Präsidentschaft nachzeichnen werden, niemand mehr an den kleinen Frank Giaccio erinnern wird, der am 15. September des Jahres 2017 mit einem alten Rasenmäher in den Händen über die Wiese des Rosengartens zog.

16.09.2017

Unter dem arktischen Eis liegt das Öl. Wie viel es ist, weiß niemand zu sagen. Die Trump-Regierung will die Menge jetzt bestimmen lassen. Der Blick in die Tiefe wird den Aktienkurs der Ölmultis nach oben treiben. Das Grün der Dollars duldet keine weißen Flecken auf der Landkarte.

17.09.2017

Me lan i a (Slowenisch) bedeutet: »Mein Mann ist ein Esel.«

18.09.2017

Dieses Tage- ist ein Werkbuch, bei dem der Teufel das Wort und der Schreiber das Protokoll führt. Aber was immer der Teufel auch sagt, wen immer er anbrüllt und wie laut er auch schreit: Es gilt das geschriebene Wort.

 

19.09.2017

So langsam gehen Trump mit Blick auf Nordkorea die Drohungen aus, die Liste der Schimpfwörter ist an ihr Ende gekommen, die Zerstörungs-szenarien alle lang und breit präsentiert, die Apokalypse in den dunkelsten Farben gezeichnet. Doch nichts ist passiert. Es gibt nur eine Lösung: Eine neue Grammatik muss her. Es ist Zeit für den Schurkerlativ.

20.09.2017

Bei einem Treffen im Rahmen der UN-Vollversammlung hat Trump die anwesenden afrikanischen Regierungschefs beglückwünscht. Wörtlich sagte er: »Afrika hat unglaubliches ökonomisches Potential. Ich habe viele Freunde, die in Ihre Länder gehen, um reich zu werden. Ich gratuliere Ihnen.« Daraufhin standen die Afrikaner auf, vollführten einen Freudentanz und ließen sich mit bunten Glaskugeln beschenken.

21.09.2017

Nomen est omen? Ach was, nihil nomen est omen! Deshalb hier mal die Top Ten derjenigen Begriffe, die Donald Trump in seinen bisherigen 35.000 Tweets nicht ein einziges Mal verwendet hat:

- Treibhausgase (greenhouse gases)

- Vegetarier (vegetarian)

- Sozialkompetenz (soft skill / social competence)

- Literatur (literature)

- Kriegsverbrechen (war crimes)

- Geisteswissenschaften (humanities)

- Fremdsprachen (foreign languages)

- Empathie (empathy)

- Meeresspiegelanstieg (sea-level rise)

- Frauenrechte (women’s rights)

22.09.2017

Nachdem US-Innenminister Ryan Zinke zum Amtsantritt mit dem Pferd zur Arbeit kam, anschließend seinen Mitarbeitern erlaubte, ihre Hunde mit ins Büro zu nehmen, um die Arbeitsmoral zu steigern, hat er sich jetzt etwas Neues einfallen lassen, um Mensch und Tier einander näherzubringen. In der Cafeteria seines Ministeriums hat er das Computerspiel Big Buck Hunter installieren lassen, einen Jagd-Shooter, bei dem es darum geht, um den Globus zu reisen und möglichst viele verschiedene Tiere zu erlegen. Er wolle damit, schreibt der Innenminister, den Beitrag von Jägern zum Artenschutz würdigen.

23.09.2017

Heute vor 142 Jahren wurde Billy the Kid zum ersten Mal verhaftet, weil er einen Korb Wäsche geklaut hatte. Inzwischen sind die Verbrecher schlauer geworden. In den USA stehlen sie nicht mehr die Wäsche, sondern das Waschmittel. Besonders beliebt ist Waschmittel der Marke Tide. Das ist überall zu haben, wird von Leuten mit einer nicht ganz so weißen Weste besonders gern genommen und kostet in der großen Packung 20 Dollar. Wer es schafft, eine solche Packung mitgehen zu lassen, bekommt dafür auf dem Drogenmarkt Gras im Wert von 10 Dollar. Wahlweise gibt’s auch 5 Dollar in bar. So gesehen ist Geldwäsche echt ’ne saubere Sache.

24.09.2017

Joe Biden bringt sich in Stellung. Am 1. Februar hat er an der Penn State den Vorsitz des Biden Center for Diplomacy and Global Engagement übernommen, und nur wenige Tage später hat er an der University of Delaware das Joseph R. Biden Jr. Institute for Public Policy and Administration gegründet. Klingt sperrig, ist aber in Bidens Augen notwendig, um ihm die Tür zum Weißen Haus aufzusperren. Denn da will er rein. Obwohl er kaum raus ist aus der Regierung. Aber die Sache ist langfristig angelegt, sowohl was die Institute, als auch was seinen Weg ins Oval Office betrifft. Die beiden Institute – das eine außenpolitisch ausgerichtet, das andere nach Innen gedreht – haben dabei jeweils eine Doppelfunktion: Einerseits fungieren sie als eine Art Think-Tank, der Biden Ideen und Konzepte für seine – dann sicherlich letzte – Präsidentschaftskandidatur liefert, und andererseits bieten sie ihm eine Plattform, mit der er nach außen treten und seine Positionen publik machen kann. Das hat er auch Anfang der Woche wieder getan, als er auf dem Blog seines Delaware-Instituts einen Text über die Zukunft der Arbeit veröffentlicht hat. Der Inhalt ist nicht sonderlich originell, aber das muss er auch nicht. Der Text soll schließlich keinen Essaypreis gewinnen, sondern eine Aufgabe erfüllen, und die besteht darin, Bidens politische Position deutlich zu machen und sich zugleich abzugrenzen, und zwar von Donald Trump ebenso wie von Bernie Sanders, die er beide als Populisten betrachtet. (Auch wenn Biden das mit Blick auf Sanders natürlich nicht offen sagt.) In seinem Text wendet sich Biden jedenfalls gegen das Grundeinkommen und ein zu wohlfahrtsstaatlich orientiertes Amerika. Biden redet lieber von Chancen und Möglichkeiten als von irgendwelchen Hilfsprogrammen. Ohnehin pflegt Biden einen reichlich traditionellen Arbeitsbegriff, der den Job nicht nur an den Paycheck, sondern auch an die Würde der Arbeit an sich (zurück-)bindet. Arbeit bedeutet für Biden Sinnstiftung und Gemeinschaftsgefühl, Selbstverwirklichung für den Einzelnen und Fortschritt für alle. Irgendwelche ökonomischen Postwachstums-Szenarien sind mit Good Old Joe jedenfalls nicht zu machen. Degrowth ist für ihn ein Zauderwort, das das gute alte Zauberwort namens Wachstum nicht ersetzen kann und auch nicht ersetzen wird. Überhaupt spricht sich Biden dagegen aus, die (amerikanischen) Großunternehmen auf die Anklagebank zu setzen und sie für die Probleme des Landes verantwortlich zu machen – eine nur halb versteckte Kampfansage an Bernie Sanders und seine linken Kumpanen. Aber auch Trump wird von Biden attackiert, wobei er dafür nicht den institutseigenen Blog, sondern die deutlich größere Reichweite der New York Times nutzt, um in einem Meinungsbeitrag die Außenpolitik der Trump-Administration als unvereinbar mit den Werten Amerikas zu beschreiben. Altgediente Verbündete wie Deutschland würden, so Biden, am langen Arm verhungern, während Autokraten wie Putin hofiert würden. Aber auch Trumps wirtschaftspolitischer Blick auf die Welt erscheint in Bidens Augen extrem verengt. Statt Offenheit, so Biden, regiere Abschottung, statt internationaler Verträge der Nationalismus.

Wie gesagt, dass alles ist weder neu noch besonders originell, und die Zeit, die ich mit dem Lesen von Bidens Texten verbracht habe, wäre normalerweise unter der Kategorie »verdaddelt« verbucht worden, wäre mir beim Lesen nicht der Gedanke gekommen, wie es wohl aussehen muss, wenn sich Donald Trump im Oval Office an den Schreibtisch setzt, um einen Text über seine arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu verfassen oder einen Meinungsbeitrag für die New York Times zu schreiben. Offen gesagt, sieht das – zumindest in meinem Kopf – ziemlich seltsam aus. Das heißt, es sieht eigentlich gar nicht aus, denn ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Eher kommt Monica Lewinsky nochmal unterm Schreibtisch hervor, als dass sich Trump oben auf der Platte ne Platte macht, wie er seine Politik in Textform sachgerecht erklären kann. Dass sich Trump hinsetzt, nachdenkt und schreibend eine Reihe sinnvoller Sätze aufs präsidiale Papier spult, ist ein Bild, das nur um den Preis einer offenkundig schlechten Satire zu haben ist. Und dass Trump einen seitenlangen Texte in die Tastatur hämmert, ebenso. Andererseits, Trump muss auch keine politischen Programmpapiere verfassen. Das hat er noch nie getan und das wird er auch nicht tun. Und kann es auch nicht. So fest seine Gesinnung auch ist, eine Manifest wird niemals daraus. Wie auch? Trumps Sprache ist die gesprochene, nicht die geschriebene Sprache. Und die genügt ihm. Denn mit der gewinnt er nicht nur Leute, sondern auch die Aufmerksamkeit. Und zwar über die Welt des Politisch-Administrativen hinaus. Das heißt: gerade über diese Welt hinaus. Allein die Tatsache, dass Trump in Dutzenden Hip-Hop-Songs vorkommt (und Biden vermutlich in keinem) bestätigt das. Und das ist nicht erst so, seit Trump Präsident ist. Trump tauche bereits Ende der 1980er-Jahre in Hip-Hop-Songs auf. Er ist Teil der Lyrics, weil er Teil der Welt dieser Leute ist, wobei sich die lyrischen Verweise vor allem auf Trumps Ruhm und seinen Reichtum beziehen. Und das bleibt auch so. Trump protzt sich durch die Jahre, und die Lyrics rühmen’s und reimen’s zurück. Aber das liegt nicht nur daran, dass Trump permanent einen auf dicke Hose macht, sondern auch daran, dass er sich in seinem So-und-nicht-anders-Sein leicht adaptieren lässt. Soll heißen: Trump ist eine Gedankeneinheit, ein fleischgewordenes Sample, das hervorragend in die Songs integriert werden kann, derweil Joes sperrige Texte und seine weitschweifigen Gedanken da einfach nicht reinpassen. Kurzum: Bei Biden hippt und hoppt überhaupt nichts. Wenn er zu Beginn seines Textes über die Zukunft der Arbeit schreibt: »Economic transformations due to rapid advances in technology have created not only significant anxiety but also a legitimate debate about whether there will be sufficient jobs to sustain a vibrant middle class«, dann ist das zwar ein Beispiel für sein politisches Denken, aber kein Sample, das Teil der Popkultur werden kann.

25.09.2017

In South Carolina hat vor einigen Tagen eine Lehrerin ihren Schülern eine Aufgabe gestellt. Sie lautete: »Du bist ein Mitglied des Ku-Klux-Klans. Warum, denkst du, ist dein Umgang mit Afroamerikanern gerechtfertigt?« Was folgte, war die Trias der neueren Erregung: Rassismusverdacht, Shitstorm, Beurlaubung. Als sei der Versuch, etwas zu verstehen, gleichzusetzen mit dem Wunsch, Verständnis dafür zu entwickeln. Dabei ist oft genug das Gegenteil der Fall. Eine Ideologie, ein Zustand, ein Gegner – sie alle lassen sich oft nur dann überwinden, wenn man ihre Logik begreift, auch und gerade, wenn einem beim Versuch, die Gründe für diese Handlungen nachzuvollziehen, speiübel wird. Aber das ist nun mal die Aufgabe, und die gilt es mit kühlem Kopf und heißem Herzen zu lösen. Die direkte Negation ist das Ziel, nicht der Weg.

26.09.2017

Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Alabama zog der republikanische Senatskandidat Roy Moore auf der Bühne eine Pistole aus der Tasche, hielt sie hoch und erklärte, er glaube an das Recht jedes Bürgers, Waffen tragen zu dürfen. Denn, so Moore, nicht die Waffen töten die Menschen, es seien die Menschen selbst, die einander umbringen. Es ist das alte Argument der politischen Rechten (und einiger paramilitärisch verblendeter Linker). Es übersieht, dass Menschen mit Waffen in den Händen oft alles Menschliche verlieren und zu Unmenschen werden.