Franz Kafka: Sämtliche Werke

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VI
Der Fall Robinson

Da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Karl, der natürlich dachte, es wäre ein Gast, steckte den Apfel eiligst in die Tasche und eilte, kaum daß er den Mann ansah, zum Aufzug hin. „Guten Abend, Herr Roßmann“, sagte nun aber der Mann, „ich bin es, Robinson.“ „Sie haben sich aber verändert“, sagte Karl und schüttelte den Kopf. „Ja es geht mir gut“, sagte Robinson und sah an seiner Kleidung hinunter, die vielleicht aus genug feinen Stücken bestand, aber so zusammengewürfelt war, daß sie geradezu schäbig aussah. Das Auffallendste war eine offenbar zum erstenmal getragene weiße Weste mit vier kleinen schwarz eingefaßten Täschchen, auf die Robinson auch durch Vorstrecken der Brust aufmerksam zu machen suchte. „Sie haben teuere Kleider“, sagte Karl und dachte flüchtig an sein schönes einfaches Kleid, in dem er sogar neben Renell hätte bestehen können und das die zwei schlechten Freunde verkauft hatten. „Ja“, sagte Robinson, „ich kaufe mir fast jeden Tag irgend etwas. Wie gefällt Ihnen die Weste?“ „Ganz gut“, sagte Karl. „Es sind aber keine wirklichen Taschen, das ist nur so gemacht“, sagte Robinson und faßte Karl bei der Hand, damit sich dieser selbst davon überzeuge. Aber Karl wich zurück, denn aus Robinsons Mund kam ein unerträglicher Branntweingeruch. „Sie trinken wieder viel“, sagte Karl und stand schon wieder am Geländer. „Nein“, sagte Robinson, „nicht viel“ und fügte im Widerspruch zu seiner früheren Zufriedenheit hinzu: „Was hat der Mensch sonst auf der Welt.“ Eine Fahrt unterbrach das Gespräch und, kaum war Karl wieder unten, erfolgte ein telephonischer Anruf, laut dessen Karl den Hotelarzt holen sollte, da eine Dame im siebenten Stockwerk einen Ohnmachtsanfall erlitten hatte. Während dieses Weges hoffte Karl im Geheimen, daß Robinson sich inzwischen entfernt haben werde, denn er wollte nicht mit ihm gesehen werden und in Gedanken an Theresens Warnung auch von Delamarche nichts hören. Aber Robinson wartete noch in der steifen Haltung eines Vollgetrunkenen und gerade gieng ein höherer Hotelbeamter im schwarzen Gehrock und Cylinderhut vorüber, ohne glücklicherweise Robinson, wie es schien, besonders zu beachten. „Wollen Sie Roßmann nicht einmal zu uns kommen, wir haben es jetzt sehr fein“, sagte Robinson und sah Karl lockend an. „Laden Sie mich ein oder Delamarche?“ fragte Karl. „Ich und Delamarche. Wir sind darin einig“, sagte Robinson. „Dann sage ich Ihnen und bitte Sie Delamarche das Gleiche auszurichten: Unser Abschied war, wenn das nicht schon an und für sich klar gewesen sein sollte, ein endgültiger. Sie beide haben mir mehr Leid getan, als irgend jemand. Haben Sie sich vielleicht in den Kopf gesetzt, mich auch weiterhin nicht in Ruhe zu lassen?“ „Wir sind doch Ihre Kameraden“, sagte Robinson und widerliche Tränen der Trunkenheit stiegen ihm in die Augen. „Delamarche läßt Ihnen sagen, daß er Sie für alles Frühere entschädigen will. Wir wohnen jetzt mit Brunelda zusammen, einer herrlichen Sängerin.“ Und im Anschluß daran wollte er gerade ein Lied in hohen Tönen singen, wenn ihn nicht Karl noch rechtzeitig angezischt hätte: „Schweigen Sie aber augenblicklich, wissen Sie denn nicht, wo Sie sind.“ „Roßmann“, sagte Robinson nur rücksichtlich des Singens eingeschüchtert, „ich bin doch Ihr Kamerad, sagen Sie, was Sie wollen. Und nun haben Sie hier so eine schöne Position, könnten Sie mir einiges Geld überlassen.“ „Sie vertrinken es ja bloß wieder“, sagte Karl, „da sehe ich sogar in Ihrer Tasche irgendeine Branntweinflasche aus der Sie gewiß, während ich weg war, getrunken haben, denn anfangs waren Sie ja noch ziemlich bei Sinnen.“ „Das ist nur zur Stärkung, wenn ich auf einem Wege bin“, sagte Robinson entschuldigend. „Ich will Sie ja nicht mehr bessern“, sagte Karl. „Aber das Geld!“ sagte Robinson mit aufgerissenen Augen. „Sie haben wohl von Delamarche den Auftrag bekommen Geld mitzubringen. Gut ich gebe Ihnen Geld, aber nur unter der Bedingung, daß Sie sofort von hier fortgehn und niemals mehr mich hier besuchen. Wenn Sie mir etwas mitteilen wollen, schreiben Sie an mich. Karl Roßmann, Liftjunge, Hotel occidental, genügt als Adresse. Aber hier dürfen Sie, das wiederhole ich, mich nicht mehr aufsuchen. Hier bin ich im Dienst und habe keine Zeit für Besuche. Wollen Sie also das Geld unter dieser Bedingung?“ fragte Karl und griff in die Westentasche, denn er war entschlossen, das Trinkgeld der heutigen Nacht zu opfern. Robinson nickte bloß zu der Frage und atmete schwer. Karl deutete das unrichtig und fragte nochmals: „Ja oder Nein?“

Da winkte ihn Robinson zu sich heran und flüsterte unter Schlingbewegungen, die schon ganz deutlich waren: „Roßmann, mir ist sehr schlecht.“ „Zum Teufel“, entfuhr es Karl und mit beiden Händen schleppte er ihn zum Geländer.

Und schon ergoß es sich aus Robinsons Mund in die Tiefe. Hilflos strich er in den Pausen die ihm seine Übelkeit ließ blindlings an Karl hin. „Sie sind wirklich ein guter Junge“, sagte er dann oder „es hört schon auf“, was aber noch lange nicht richtig war, oder „die Hunde, was haben sie mir dort für ein Zeug eingegossen!“ Karl hielt es vor Unruhe und Ekel bei ihm nicht aus und begann auf und ab zu gehn. Hier im Winkel neben dem Aufzug war ja Robinson ein wenig versteckt, aber wie wenn ihn doch jemand bemerkte, einer dieser nervösen reichen Gäste, die nur darauf warten, dem herbeilaufenden Hotelbeamten eine Beschwerde mitzuteilen, für welche dieser dann wütend am ganzen Hause Rache nimmt oder wenn einer dieser immerfort wechselnden Hoteldetektivs vorüberkäme, die niemand kennt außer die Direktion und die man in jedem Menschen vermutet, der prüfende Blicke, vielleicht auch bloß aus Kurzsichtigkeit, macht. Und unten brauchte nur jemand bei dem die ganze Nacht nicht aussetzenden Restaurationsbetrieb in die Vorratskammern zu gehn, staunend die Scheußlichkeit im Lichtschacht zu bemerken und Karl telephonisch anzufragen, was denn um Himmelswillen da oben los sei. Konnte Karl dann Robinson verleugnen? Und wenn er es täte, würde sich nicht Robinson in seiner Dummheit und Verzweiflung statt aller Entschuldigung gerade nur auf Karl berufen? Und mußte dann nicht Karl sofort entlassen werden, da dann das Unerhörte geschehen war, daß ein Liftjunge, der niedrigste und entbehrlichste Angestellte in der ungeheueren Stufenleiter der Dienerschaft dieses Hotels, durch seinen Freund das Hotel hatte beschmutzen und die Gäste erschrecken oder gar vertreiben lassen? Konnte man einen Liftjungen weiter dulden, der solche Freunde hatte, von denen er sich überdies während seiner Dienststunden besuchen ließ? Sah es nicht ganz so aus, als ob ein solcher Liftjunge selbst ein Säufer oder gar etwas Ärgeres sei, denn welche Vermutung war einleuchtender, als daß er seine Freunde aus den Vorräten des Hotels so lange überfütterte, bis sie an einer beliebigen Stelle dieses gleichen peinlich rein gehaltenen Hotels solche Dinge ausführten, wie jetzt Robinson? Und warum sollte sich ein solcher Junge auf die Diebstähle von Lebensmitteln beschränken, da doch die Möglichkeiten zu stehlen, bei der bekannten Nachlässigkeit der Gäste, den überall offenstehenden Schränken, den auf den Tischen herumliegenden Kostbarkeiten, den aufgerissenen Kassetten, den gedankenlos hingeworfenen Schlüsseln wirklich unzählige waren?

Gerade sah Karl in der Ferne Gäste aus einem Kellerlokal heraufsteigen, in dem eben eine Varietévorstellung beendet worden war. Karl stellte sich zu seinem Aufzug und wagte sich gar nicht nach Robinson umzudrehn aus Furcht vor dem, was er zu sehn bekommen könnte. Es beruhigte ihn wenig, daß er keinen Laut, nicht einmal einen Seufzer von dort hörte. Er bediente zwar seine Gäste und fuhr mit ihnen auf und ab, aber seine Zerstreutheit konnte er doch nicht ganz verbergen und bei jeder Abwärtsfahrt war er darauf gefaßt, unten eine peinliche Überraschung vorzufinden.

Endlich hatte er wieder Zeit nach Robinson zu sehn, der in seinem Winkel ganz klein kauerte und das Gesicht gegen die Knie drückte. Seinen runden harten Hut hatte er weit aus der Stirne geschoben. „Also jetzt gehn Sie schon“, sagte Karl leise und bestimmt, „hier ist das Geld. Wenn Sie sich beeilen, kann ich Ihnen noch den kürzesten Weg zeigen.“ „Ich werde nicht weggehn können“, sagte Robinson und wischte sich mit einem winzigen Taschentuch die Stirn, „ich werde hier sterben. Sie können sich nicht vorstellen, wie schlecht mir ist. Delamarche nimmt mich überall in die feinen Lokale mit, aber ich vertrage dieses zimperliche Zeug nicht, ich sage es Delamarche täglich.“ „Hier können Sie nun einmal nicht bleiben“, sagte Karl, „bedenken Sie doch wo Sie sind. Wenn man Sie hier findet, werden Sie bestraft und ich verliere meinen Posten. Wollen Sie das?“ „Ich kann nicht weggehn“, sagte Robinson, „lieber spring ich da hinunter“, und er zeigte zwischen den Geländerstangen in den Lichtschacht. „Wenn ich hier so sitze, so kann ich es noch ertragen, aber aufstehn kann ich nicht, ich habe es ja schon versucht wie Sie wegwaren.“ „Dann hole ich also einen Wagen, und Sie fahren ins Krankenhaus“, sagte Karl und schüttelte ein wenig Robinsons Beine, der jeden Augenblick in völlige Teilnahmslosigkeit zu verfallen drohte. Aber kaum hatte Robinson das Wort Krankenhaus gehört, das ihm schreckliche Vorstellungen zu erwecken schien, als er laut zu weinen anfieng und die Hände um Gnade bittend nach Karl ausstreckte.

„Still“, sagte Karl, schlug ihm mit einem Klaps die Hände nieder, lief zu dem Liftjungen, den er in der Nacht vertreten hatte, bat ihn für ein kleines Weilchen um die gleiche Gefälligkeit, eilte zu Robinson zurück, zog den noch immer Schluchzenden mit aller Kraft in die Höhe und flüsterte ihm zu: „Robinson, wenn Sie wollen, daß ich mich Ihrer annehme, dann strengen Sie sich aber an, jetzt eine ganz kleine Strecke Wegs aufrecht zu gehn. Ich führe Sie nämlich in mein Bett, in dem Sie solange bleiben können, bis Ihnen gut ist. Sie werden staunen, wie bald Sie sich erholen werden. Aber jetzt benehmen Sie sich nur vernünftig, denn auf den Gängen sind überall Leute und auch mein Bett ist in einem allgemeinen Schlafsaal. Wenn man auf Sie auch nur ein wenig aufmerksam wird, kann ich nichts mehr für Sie tun. Und die Augen müssen Sie offenhalten, ich kann Sie da nicht wie einen Totkranken herumführen.“ „Ich will ja alles tun was Sie für recht halten“, sagte Robinson, „aber Sie allein werden mich nicht führen können. Könnten Sie nicht noch Renell holen?“ „Renell ist nicht hier“, sagte Karl. „Ach ja“, sagte Robinson, „Renell ist mit Delamarche beisammen. Die beiden haben mich ja um Sie geschickt. Ich verwechsle schon alles.“ Karl benützte diese und andere unverständliche Selbstgespräche Robinsons, um ihn vorwärts zu schieben und kam mit ihm auch glücklich bis zu einer Ecke, von der aus ein etwas schwächer beleuchteter Gang zum Schlafsaal der Liftjungen führte. Gerade jagte in vollem Lauf ein Liftjunge auf sie zu und an ihnen vorüber. Im übrigen hatten sie bis jetzt nur ungefährliche Begegnungen gehabt; zwischen vier und fünf Uhr war nämlich die stillste Zeit und Karl hatte wohl gewußt, daß wenn ihm das Wegschaffen Robinsons jetzt nicht gelänge, in der Morgendämmerung und im beginnenden Tagesverkehr überhaupt nicht mehr daran zu denken wäre.

 

Im Schlafsaal war am andern Ende des Saales gerade eine große Rauferei oder sonstige Veranstaltung im Gange, man hörte rythmisches Händeklatschen, aufgeregtes Füßetrappeln und sportliche Zurufe. In der bei der Tür gelegenen Saalhälfte sah man in den Betten nur wenige unbeirrte Schläfer, die meisten lagen auf dem Rücken und starrten in die Luft, während hie und da einer bekleidet oder unbekleidet wie er gerade war, aus dem Bett sprang, um nachzusehn, wie die Dinge am andern Saalende standen. So brachte Karl Robinson, der sich an das Gehen inzwischen ein wenig gewöhnt hatte, ziemlich unbeachtet in Renells Bett, da es der Tür sehr nahe lag und glücklicherweise nicht besetzt war, während in seinem eigenen Bett, wie er aus der Ferne sah, ein fremder Junge, den er gar nicht kannte, ruhig schlief. Kaum fühlte Robinson das Bett unter sich, als er sofort – ein Bein baumelte noch aus dem Bett heraus – einschlief. Karl zog ihm die Decke weit über das Gesicht und glaubte sich für die nächste Zeit wenigstens keine Sorgen machen zu müssen, da Robinson gewiß nicht vor sechs Uhr früh erwachen würde, und bis dahin würde er wieder hier sein und dann schon vielleicht mit Renell ein Mittel finden, um Robinson wegzubringen. Eine Inspektion des Schlafsaales durch irgendwelche höhere Organe gab es nur in außerordentlichen Fällen, die Abschaffung der früher üblichen allgemeinen Inspektion hatten die Liftjungen schon vor Jahren durchgesetzt, es war also auch von dieser Seite nichts zu fürchten.

Als Karl wieder bei seinem Aufzug angelangt war, sah er, daß sowohl sein Aufzug, als auch jener seines Nachbarn gerade in die Höhe fuhren. Unruhig wartete er darauf, wie sich das aufklären würde. Sein Aufzug kam früher herunter und es entstieg ihm jener Junge, der vor einem Weilchen durch den Gang gelaufen war. „Ja wo bist Du denn gewesen Roßmann?“ fragte dieser. „Warum bist Du weggegangen? Warum hast Du es nicht gemeldet?“ „Aber ich habe ihm doch gesagt, daß er mich ein Weilchen vertreten soll“, antwortete Karl und zeigte auf den Jungen vom Nachbarlift der gerade herankam. „Ich habe ihn doch auch zwei Stunden während des größten Verkehres vertreten.“ „Das ist alles sehr gut“, sagte der Angesprochene, „aber das genügt doch nicht. Weißt Du denn nicht, daß man auch die kürzeste Abwesenheit während des Dienstes im Bureau des Oberkellners melden muß. Dazu hast Du ja das Telephon da. Ich hätte Dich schon gerne vertreten, aber Du weißt ja, daß das nicht so leicht ist. Gerade waren vor beiden Lifts neue Gäste vom Vier-Uhr-dreißig-Expreßzug. Ich konnte doch nicht zuerst zu Deinem Lift laufen und meine Gäste warten lassen, so bin ich also zuerst mit meinem Lift hinaufgefahren.“ „Nun?“ fragte Karl gespannt, da beide Jungen schwiegen. „Nun“, sagte der Junge vom Nachbarlift, „da geht gerade der Oberkellner vorüber, sieht die Leute vor Deinem Lift ohne Bedienung, bekommt Galle, fragt mich, der ich gleich hergerannt bin, wo Du steckst, ich habe keine Ahnung davon, denn Du hast mir ja gar nicht gesagt, wohin Du gehst und so telephoniert er gleich in den Schlafsaal, daß sofort ein anderer Junge herkommen soll.“ „Ich habe Dich ja noch im Gang getroffen“, sagte Karls Ersatzmann. Karl nickte. „Natürlich“, beteuerte der andere Junge, „habe ich gleich gesagt, daß Du mich um Deine Vertretung gebeten hast, aber hört denn der auf solche Entschuldigungen. Du kennst ihn wahrscheinlich noch nicht. Und wir sollen Dir ausrichten, daß Du sofort ins Bureau kommen sollst. Also halte Dich lieber nicht auf und lauf hin. Vielleicht verzeiht er es Dir noch, Du warst ja wirklich nur zwei Minuten weg. Berufe Dich nur ruhig auf mich, daß Du mich um Vertretung gebeten hast. Davon daß Du mich vertreten hast rede lieber nicht, laß Dir raten, mir kann ja nichts geschehn, ich hatte Erlaubnis, aber es ist nicht gut von einer solchen Sache zu reden und sie noch in diese Angelegenheit zu mischen, mit der sie nichts zu tun hat.“ „Es ist das erstemal gewesen, daß ich meinen Posten verlassen habe“, sagte Karl. „Das ist immer so, nur glaubt man es nicht“, sagte der Junge und lief zu seinem Lift, da sich Leute näherten. Karls Vertreter, ein etwa vierzehnjähriger Junge, der offenbar mit Karl Mitleid hatte, sagte: „Es sind schon viele Fälle vorgekommen, in denen man solche Sachen verziehen hat. Gewöhnlich wird man zu andern Arbeiten versetzt. Entlassen wurde soviel ich weiß wegen einer solchen Sache nur einer. Du mußt Dir nur eine gute Entschuldigung ausdenken. Auf keinen Fall sag, daß Dir plötzlich schlecht geworden ist, da lacht er Dich aus. Da ist schon besser, Du sagst, ein Gast hat Dir irgend eine eilige Bestellung an einen andern Gast aufgegeben und Du weißt nicht mehr, wer der erste Gast war und den zweiten hast Du nicht finden können.“ „Na“, sagte Karl, „es wird nicht so schlimm werden“, nach allem was er gehört hatte, glaubte er an keinen guten Ausgang mehr. Und wenn selbst diese Dienstversäumnis verziehen werden sollte, so lag doch drin im Schlafsaal noch Robinson als seine lebendige Schuld und es war bei dem galligen Charakter des Oberkellners nur zu wahrscheinlich, daß man sich mit keiner oberflächlichen Untersuchung begnügen und schließlich doch Robinson noch aufstöbern würde. Es bestand wohl kein ausdrückliches Verbot, nach dem fremde Leute in den Schlafsaal nicht mitgenommen werden durften, aber dies bestand nur deshalb nicht, weil eben unausdenkbare Dinge nicht verboten werden.

Als Karl in das Bureau des Oberkellners eintrat, saß dieser gerade bei seinem Morgenkaffee, machte einmal einen Schluck und sah dann wieder in ein Verzeichnis, das ihm offenbar der gleichfalls anwesende oberste Hotelportier zur Begutachtung überbracht hatte. Es war dies ein großer Mann, den seine üppige reichgeschmückte Uniform – noch auf den Achseln und die Arme hinunter schlängelten sich goldene Ketten und Bänder – noch breitschultriger machte, als er von Natur aus war. Ein glänzender schwarzer Schnurrbart, weit in Spitzen ausgezogen so wie ihn Ungarn tragen, rührte sich auch bei der schnellsten Kopfwendung nicht. Im übrigen konnte sich der Mann infolge seiner Kleiderlast überhaupt nur schwer bewegen und stellte sich nicht anders, als mit seitwärts eingestemmten Beinen auf, um sein Gewicht richtig zu verteilen.

Karl war frei und eilig eingetreten, wie er es sich hier im Hotel angewöhnt hatte, denn die Langsamkeit und Vorsicht, die bei Privatpersonen Höflichkeit bedeutet, hält man bei Liftjungen für Faulheit. Außerdem mußte man ihm auch nicht gleich beim Eintreten sein Schuldbewußtsein ansehn. Der Oberkellner hatte zwar flüchtig auf die sich öffnende Türe hingeblickt, war dann aber sofort zu seinem Kaffee und zu seiner Lektüre zurückgekehrt, ohne sich weiter um Karl zu kümmern. Der Portier aber fühlte sich vielleicht durch Karls Anwesenheit gestört, vielleicht hatte er irgend eine geheime Nachricht oder Bitte vorzutragen, jedenfalls sah er alle Augenblicke bös und mit steif geneigtem Kopf nach Karl hin, um sich dann wenn er offenbar seiner Absicht entsprechend mit Karls Blicken zusammengetroffen war, wieder dem Oberkellner zuzuwenden. Karl aber glaubte, es würde sich nicht gut ausnehmen, wenn er jetzt, da er nun schon einmal hier war, das Bureau wieder verlassen würde, ohne vom Oberkellner den Befehl hiezu erhalten zu haben. Dieser aber studierte weiter das Verzeichnis und aß zwischendurch von einem Stück Kuchen, von dem er hie und da, ohne im Lesen innezuhalten, den Zucker abschüttelte. Einmal fiel ein Blatt des Verzeichnisses zu Boden, der Portier machte nicht einmal einen Versuch es aufzuheben, er wußte daß er es nicht zustandebrächte, es war auch nicht nötig, denn Karl war schon zur Stelle und reichte das Blatt dem Oberkellner, der es ihm mit einer Handbewegung abnahm, als sei es von selbst vom Boden aufgeflogen. Die ganze kleine Dienstleistung hatte nichts genützt, denn der Portier hörte auch weiterhin mit seinen bösen Blicken nicht auf.

Trotzdem war Karl gefaßter als früher. Schon daß seine Sache für den Oberkellner so wenig Wichtigkeit zu haben schien, konnte man für ein gutes Zeichen halten. Es war schließlich auch nur begreiflich. Natürlich bedeutet ein Liftjunge gar nichts und darf sich deshalb nichts erlauben, aber eben deshalb weil er nichts bedeutet, kann er auch nichts Außerordentliches anstellen. Schließlich war der Oberkellner in seiner Jugend selbst Liftjunge gewesen – was noch der Stolz dieser Generation von Liftjungen war – er war es gewesen, der die Liftjungen zum ersten mal organisiert hatte und gewiß hat er auch einmal ohne Erlaubnis seinen Posten verlassen, wenn ihn auch jetzt allerdings niemand zwingen konnte, sich daran zu erinnern und wenn man auch nicht außer Acht lassen durfte, daß er gerade als gewesener Liftjunge darin seine Pflicht sah, diesen Stand durch zeitweilig unnachsichtliche Strenge in Ordnung zu halten. Nun setzte aber Karl außerdem seine Hoffnung auf das Vorrücken der Zeit. Nach der Bureauuhr war schon viertel sechs vorüber, jeden Augenblick konnte Renell zurückkehren, vielleicht war er sogar schon da, denn es mußte ihm doch aufgefallen sein, daß Robinson nicht zurückgekommen war, übrigens konnten sich Delamarche und Renell gar nicht weit vom Hotel occidental aufgehalten haben, wie Karl jetzt einfiel, denn sonst hätte doch Robinson in seinem elenden Zustand den Weg hierher nicht gefunden. Wenn nun Renell Robinson in seinem Bett antraf, was doch geschehen mußte, dann war alles gut. Denn praktisch wie Renell war, besonders wenn es sich um seine Interessen handelte, würde er schon Robinson irgendwie gleich aus dem Hotel entfernen, was ja um so leichter geschehen konnte, da Robinson sich inzwischen ein wenig gestärkt hatte und überdies wahrscheinlich Delamarche vor dem Hotel wartete, um ihn in Empfang zu nehmen. Wenn aber Robinson einmal entfernt war, dann konnte Karl dem Oberkellner viel ruhiger entgegentreten und für diesmal vielleicht noch mit einer wenn auch schweren Rüge davonkommen. Dann würde er sich mit Therese beraten, ob er der Oberköchin die Wahrheit sagen dürfe – er sah für seinen Teil kein Hindernis – und wenn das möglich war, würde die Sache ohne besonderen Schaden aus der Welt geschafft sein.

Gerade hatte sich Karl durch solche Überlegungen ein wenig beruhigt und machte sich daran, das in dieser Nacht eingenommene Trinkgeld unauffällig zu überzählen, denn es schien ihm dem Gefühl nach besonders reichlich gewesen zu sein, als der Oberkellner das Verzeichnis mit den Worten „Warten Sie noch bitte einen Augenblick Feodor“ auf den Tisch legte, elastisch aufsprang und Karl so laut anschrie, daß dieser erschrocken vorerst nur in das große schwarze Mundloch starrte.

„Du hast Deinen Posten ohne Erlaubnis verlassen. Weißt Du was das bedeutet? Das bedeutet Entlassung. Ich will keine Entschuldigungen hören, Deine erlogenen Ausreden kannst Du für Dich behalten, mir genügt vollständig die Tatsache daß Du nicht da warst. Wenn ich das einmal dulde und verzeihe, werden nächstens alle vierzig Liftjungen während des Dienstes davonlaufen und ich kann meine fünftausend Gäste allein die Treppen hinauftragen.“

Karl schwieg. Der Portier war nähergekommen und zog das Röckchen Karls, das einige Falten warf, ein wenig tiefer, zweifellos um den Oberkellner auf diese kleine Unordentlichkeit im Anzug Karls besonders aufmerksam zu machen.

„Ist Dir vielleicht plötzlich schlecht geworden?“ fragte der Oberkellner listig. Karl sah ihn prüfend an und antwortete: „Nein.“ „Also nicht einmal schlecht ist Dir geworden?“ schrie der Oberkellner desto stärker. „Also dann mußt Du ja irgendeine großartige Lüge erfunden haben. Heraus damit. Was für eine Entschuldigung hast Du?“ „Ich habe nicht gewußt, daß man telephonisch um Erlaubnis bitten muß“, sagte Karl. „Das ist allerdings köstlich“, sagte der Oberkellner, faßte Karl beim Rockkragen und brachte ihn fast in Schwebe vor eine Dienstordnung der Lifts, die auf der Wand aufgenagelt war. Auch der Portier gieng hinter ihnen zur Wand hin. „Da! lies!“ sagte der Oberkellner und zeigte auf einen Paragraphen. Karl glaubte er solle es für sich lesen. „Laut!“ kommandierte aber der Oberkellner. Statt laut zu lesen, sagte Karl in der Hoffnung damit den Oberkellner besser zu beruhigen: „Ich kenne den Paragraphen, ich habe ja die Dienstordnung auch bekommen und genau gelesen. Aber gerade eine solche Bestimmung, die man niemals braucht, vergißt man. Ich diene schon zwei Monate und habe niemals meinen Posten verlassen.“ „Dafür wirst Du ihn jetzt verlassen“, sagte der Oberkellner, gieng zum Tisch hin, nahm das Verzeichnis wieder zur Hand, als wolle er darin weiterlesen, schlug damit aber auf den Tisch als sei es ein nutzloser Fetzen und gieng, starke Röte auf Stirn und Wangen, kreuz und quer im Zimmer herum. „Wegen eines solchen Bengels hat man das nötig. Solche Aufregungen beim Nachtdienst!“ stieß er einigemal hervor. „Wissen Sie wer gerade hinauffahren wollte, als dieser Kerl hier vom Lift weggelaufen ist?“ wandte er sich zum Portier. Und er nannte einen Namen, bei dem es den Portier, der gewiß alle Gäste kannte und bewerten konnte, so schauderte, daß er schnell auf Karl hinsah, als sei nur dessen Existenz eine Bestätigung dessen, daß der Träger jenes Namens eine Zeitlang bei einem Lift dessen Junge weggelaufen war, nutzlos hatte warten müssen. „Das ist schrecklich!“ sagte der Portier und schüttelte langsam in grenzenloser Beunruhigung den Kopf gegen Karl hin, welcher ihn traurig ansah und dachte, daß er nun auch für die Begriffstützigkeit dieses Mannes werde büßen müssen. „Ich kenne Dich übrigens auch schon“, sagte der Portier und streckte seinen dicken großen steif gespannten Zeigefinger aus. „Du bist der einzige Junge, welcher mich grundsätzlich nicht grüßt. Was bildest Du Dir eigentlich ein! Jeder der an der Portierloge vorübergeht muß mich grüßen. Mit den übrigen Portiers kannst Du es halten, wie Du willst, ich aber verlange gegrüßt zu werden. Ich tue zwar manchmal so, als ob ich nicht aufpaßte, aber Du kannst ganz ruhig sein, ich weiß sehr genau, wer mich grüßt oder nicht, Du Lümmel.“ Und er wandte sich von Karl ab und schritt hochaufgerichtet auf den Oberkellner zu, der aber statt sich zu des Portiers Sache zu äußern, sein Frühstück beendete und eine Morgenzeitung überflog, die ein Diener eben ins Zimmer hereingereicht hatte.

 

„Herr Oberportier“, sagte Karl, der während der Unachtsamkeit des Oberkellners wenigstens die Sache mit dem Portier ins Reine bringen wollte, denn er begriff, daß ihm vielleicht der Vorwurf des Portiers nicht schaden konnte, wohl aber dessen Feindschaft, „ich grüße Sie ganz gewiß. Ich bin doch noch nicht lange in Amerika und stamme aus Europa, wo man bekanntlich viel mehr grüßt, als nötig ist. Das habe ich mir natürlich noch nicht ganz abgewöhnen können und noch vor zwei Monaten hat man mir in New York, wo ich zufällig in höheren Kreisen verkehrte, bei jeder Gelegenheit zugeredet, mit meiner übertriebenen Höflichkeit aufzuhören. Und da sollte ich gerade Sie nicht gegrüßt haben. Ich habe Sie jeden Tag einigemal gegrüßt. Aber natürlich nicht jedesmal wenn ich Sie gesehen habe, da ich doch täglich hundertmal an Ihnen vorüberkomme.“ „Du hast mich jedesmal zu grüßen, jedesmal ohne Ausnahme, Du hast die ganze Zeit, während Du mit mir sprichst die Kappe in der Hand zu halten, Du hast mich immer mit Oberportier anzureden und nicht mit Sie. Und alles das jedesmal und jedesmal.“ „Jedesmal?“ wiederholte Karl leise und fragend, er erinnerte sich jetzt, wie er vom Portier während der ganzen Zeit seines hiesigen Aufenthaltes immer streng und vorwurfsvoll angeschaut worden war, schon von jenem ersten Morgen, an dem er, seiner dienenden Stellung noch nicht recht angepaßt, etwas zu kühn, diesen Portier ohne weiters umständlich und dringlich ausgefragt hatte, ob nicht zwei Männer vielleicht nach ihm gefragt und etwa eine Photographie für ihn zurückgelassen hätten. „Jetzt siehst Du, wohin ein solches Benehmen führt“, sagte der Portier, der wieder ganz nahe zu Karl zurückgekehrt war und zeigte auf den noch lesenden Oberkellner, als sei dieser der Vertreter seiner Rache. „In Deiner nächsten Stellung wirst Du es schon verstehn, den Portier zu grüßen und wenn es auch nur vielleicht in einer elenden Spelunke sein wird.“

Karl sah ein, daß er eigentlich seinen Posten schon verloren hatte, denn der Oberkellner hatte es bereits ausgesprochen, der Oberportier als fertige Tatsache wiederholt und wegen eines Liftjungen dürfte wohl die Bestätigung der Entlassung seitens der Hoteldirektion nicht nötig sein. Es war allerdings schneller gegangen, als er gedacht hatte, denn schließlich hatte er doch zwei Monate gedient so gut er konnte und gewiß besser als mancher andere Junge. Aber auf solche Dinge wird eben im entscheidenden Augenblick offenbar in keinem Weltteil, weder in Europa noch in Amerika Rücksicht genommen, sondern es wird so entschieden, wie einem in der ersten Wut das Urteil aus dem Munde fährt. Vielleicht wäre es jetzt am besten gewesen, wenn er sich gleich verabschiedet hätte und weggegangen wäre, die Oberköchin und Therese schliefen vielleicht noch, er hätte sich, um ihnen die Enttäuschung und Trauer über sein Benehmen wenigstens beim persönlichen Abschied zu ersparen, brieflich verabschieden können, hätte rasch seinen Koffer packen und in der Stille fortgehn können. Blieb er aber auch nur einen Tag noch – und er hätte allerdings ein wenig Schlaf gebraucht – so erwartete ihn nichts anderes, als Aufbauschung seiner Sache zum Skandal, Vorwürfe von allen Seiten, der unerträgliche Anblick der Tränen Thereses und vielleicht gar der Oberköchin und möglicherweise zuguterletzt auch noch eine Bestrafung. Andererseits aber beirrte es ihn, daß er hier zwei Feinden gegenüberstand und daß an jedem Wort, das er aussprechen würde, wenn nicht der eine, so der andere etwas aussetzen und zum Schlechten deuten würde. Deshalb schwieg er und genoß vorläufig die Ruhe, die im Zimmer herrschte, denn der Oberkellner las noch immer die Zeitung und der Oberportier ordnete sein über den Tisch hin verstreutes Verzeichnis nach den Seitenzahlen, was ihm bei seiner offenbaren Kurzsichtigkeit große Schwierigkeiten machte.

Endlich legte der Oberkellner die Zeitung gähnend hin, vergewisserte sich durch einen Blick auf Karl daß dieser noch anwesend sei und drehte die Glocke des Tischtelephons an. Er rief mehrere Male Halloh, aber niemand meldete sich. „Es meldet sich niemand“, sagte er zum Oberportier. Dieser, der das Telephonieren wie es Karl schien, mit besonderem Interesse beobachtete, sagte: „Es ist ja schon dreiviertel sechs. Sie ist gewiß schon wach. Läuten Sie nur stärker.“ In diesem Augenblick kam, ohne weitere Aufforderung das telephonische Gegenzeichen. „Hier Oberkellner Isbary“, sagte der Oberkellner. „Guten Morgen Frau Oberköchin. Ich habe Sie doch nicht am Ende geweckt. Das tut mir sehr leid. Ja, ja, dreiviertel sechs ist schon. Aber das tut mir aufrichtig leid, daß ich Sie erschreckt habe. Sie sollten während des Schlafens das Telephon abstellen. Nein, nein tatsächlich, es gibt für mich keine Entschuldigung, besonders bei der Geringfügigkeit der Sache wegen deren ich Sie sprechen will. Aber natürlich habe ich Zeit, bitte sehr, ich bleibe beim Telephon wenn es Ihnen recht ist.“ „Sie muß im Nachthemd zum Telephon gelaufen sein“, sagte der Oberkellner lächelnd zum Oberportier, der die ganze Zeit über mit gespanntem Gesichtsausdruck zum Telephonkasten sich gebückt gehalten hatte. „Ich habe sie wirklich geweckt, sie wird nämlich sonst von dem kleinen Mädel, das bei ihr auf der Schreibmaschine schreibt, geweckt und die muß es heute ausnahmsweise versäumt haben. Es tut mir leid, daß ich sie aufgeschreckt habe, sie ist so wie so nervös.“ „Warum spricht sie nicht weiter?“ „Sie ist nachschauen gegangen, was mit dem Mädel los ist“, antwortete der Oberkellner schon mit der Muschel am Ohr, denn es läutete wieder. „Sie wird sich schon finden“, redete er weiter ins Telephon hinein. „Sie dürfen sich nicht von allem so erschrecken lassen, Sie brauchen wirklich eine gründliche Erholung. Ja also meine kleine Anfrage. Es ist da ein Liftjunge, namens“ – er drehte sich fragend nach Karl um, der, da er genau aufpaßte gleich mit seinem Namen aushelfen konnte – „also namens Karl Roßmann, wenn ich mich recht erinnere, so haben Sie sich für ihn ein wenig interessiert; leider hat er Ihre Freundlichkeit schlecht belohnt, er hat ohne Erlaubnis seinen Posten verlassen, hat mir dadurch schwere jetzt noch gar nicht übersehbare Unannehmlichkeiten verursacht und ich habe ihn daher soeben entlassen. Ich hoffe Sie nehmen die Sache nicht tragisch. Wie meinen Sie? Entlassen, ja entlassen. Aber ich sagte Ihnen doch, daß er seinen Posten verlassen hat. Nein da kann ich Ihnen wirklich nicht nachgeben liebe Frau Oberköchin. Es handelt sich um meine Autorität, da steht viel auf dem Spiel, so ein Junge verdirbt mir die ganze Bande. Gerade bei den Liftjungen muß man teuflisch aufpassen. Nein, nein, in diesem Falle kann ich Ihnen den Gefallen nicht tun, so sehr ich es mir immer angelegen sein lasse Ihnen gefällig zu sein. Und wenn ich ihn schon trotz allem hier ließe, zu keinem andern Zweck als um meine Galle in Tätigkeit zu erhalten, Ihretwegen, ja Ihretwegen Frau Oberköchin kann er nicht hierbleiben. Sie nehmen einen Anteil an ihm, den er durchaus nicht verdient und da ich nicht nur ihn kenne, sondern auch Sie, weiß ich, daß das zu den schwersten Enttäuschungen für Sie führen müßte, die ich Ihnen um jeden Preis ersparen will. Ich sage das ganz offen, trotzdem der verstockte Junge paar Schritte vor mir steht. Er wird entlassen, nein nein Frau Oberköchin, er wird vollständig entlassen, nein nein er wird zu keiner andern Arbeit versetzt, er ist vollständig unbrauchbar. Übrigens laufen ja auch sonst Beschwerden gegen ihn ein. Der Oberportier z. B. ja also was denn, Feodor, ja beklagt sich über die Unhöflichkeit und Frechheit dieses Jungen. Wie, das soll nicht genügen? Ja liebe Frau Oberköchin Sie verläugnen wegen dieses Jungen Ihren Charakter. Nein so dürfen Sie mir nicht zusetzen.“

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