Magisches Kompendium - Voodoo - Theorie und Praxis

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Loe katkendit
Märgi loetuks
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Das magische System des Voodoo

Voodoo! Wenn man dieses Wort liest, dann wird man viele Gedankengänge haben, die sich in alle Bereiche hinein bewegen. Es werden Fiktionen abgerufen, Vorurteile, festgestampfte Meinungen, Dokumentarfilmwissen, genauso wie flüchtige Bekanntschaften aus der Belletristik, der Unterhaltung, der Comedy und dem Machtbestreben, eine Voodoopuppe zu besitzen, um anderen Menschen das zu geben, was sie wirklich verdient haben. Doch ist dies Voodoo? Geht es hier wirklich um mysteriöse Todesfälle, wilde, geheime, brachiale, sexistische Riten, wo Tiere und Menschen auf bestialische Art und Weise geschlachtet werden, Blut getrunken wird und Fleisch, im rohen Zustand gefressen wird? Geht es um wilde Sexorgien, da diese Art der Magie doch sowieso keine Tabus kennt? Nein! Voodoo ist erst einmal keine Magie, Voodoo ist eine Religion. Doch diese Religion besitzt viele magische Ausläufer, wobei man dies auch für alle anderen Religionen ohne weiteres betiteln kann. Der Unterschied ist nur, dass in der Voodoo-Religion, unabhängig ob es jetzt das haitianische oder das afrikanische Voodoo ist, die Magie akzeptiert wird, die Magie vollkommen normal ist, genauso wie die Anwesenheit verschiedener Energien, Entitäten, Schwingungen, Wesen und Dynamiken. Die monotheistischen Religionen, primär das Christentum, der Islam und das Judentum sind hier ein bisschen verstopfter, verstockter, verbohrter und auch deutlich ängstlicher. Zwar gibt es die Engel, doch es wird penibel darauf geachtet, dass diese nicht zu viel Macht besitzen, dass es auch nicht zu viele Engel gibt, mit denen man eng zusammenarbeiten kann, da man sich letztlich direkt an Gott zu wenden hat. Mal wird diese Kontaktierung über Jesus vollzogen, Mal wird diese Kontaktierung über Mutter Maria vollzogen, meistens aber im direkten Gebet. Und das Gebet sieht meistens so aus, dass man sich, meistens in der Werbepause, kurz zurückzieht, die Hände faltet, seinen Wunschzettel abliest, sodass Gott all die Wünsche mal eben zu erfüllen hat. Und wenn man dann mit dem Gebet fertig ist, lebt man sein Leben exakt so weiter wie im Vorfeld, ohne auch nur den Gedanken daran zu verschwenden, etwas selbst zu verändern. Der Ausspruch „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ wurde dahingehend umgedichtet, dass er lieber lauten sollte: „Ich brauche Hilfe, jetzt hilft mir endlich mal Gott!“ - wobei, die Realität müsste eigentlich lauten: „Ich habe keine Lust, mich selbst zu bewegen, ich will lieber auf der Couch sitzen, doch meine Probleme stören mich, dann soll Gott endlich mal zu sehen, dass Gott meine Probleme löst!“ Nun, Voodoo ist hier anders. Voodoo verfügt über ein übergeordnetes Schöpfungsprinzip, einen klassischen Gott (zweigeschlechtlich und gleichzeitig als omnipotentes Neutrum zu sehen/verstehen), wendet sich aber nicht an diesen, da er viel zu weit von der Erde entfernt ist, viel zu weit von den Menschen entfernt ist, hier aber eigene Wesen, Energien, Kreaturen, Dynamiken und Entitäten erschaffen hat, die in seinem Auftrag als Verwalter agieren. Im afrikanischen Voodoo sind dies die Vodun, im haitianischen Voodoo sind dies die Loas / Iwas.

Im Voodoo gilt die Prämisse, dass jeder selbst für sein Leben, für sein Schicksal und für seine Taten verantwortlich ist, sodass man hier von den Vodun / Loas / Iwas auch bestraft werden kann, wenn man entsprechende Verfehlungen begeht. Doch auch, wenn einem Unrecht widerfährt, kann man sich vertrauensvoll an die Vodun / Loas / Iwas halten, denn wenn man so will, sind diese Energien, diese Geister, diese „halbgöttlichen Wesen“, dafür verantwortlich, dass die Schöpfung, dass das Leben der Menschen, in entsprechenden Bahnen verläuft. So sind die Vodun / Loas / Iwas darin berufen, als „Exekutive“, als ausführende Gewalt, als „Judikative“, als rechtsprechende Gewalt, als „Kontemplative“, als umsetzende Gewalt und in Teilen auch als „Legislative“, als gesetzgebende Gewalt zu agieren, um hier darauf zu achten, dass eine gewisse „Ordnung der Schöpfung“ beibehalten wird, und dass „Verfehlungen gegen die Schöpfung“ auch mit entsprechenden Strafen geahndet werden. Gleichzeitig existiert hier aber auch der Auftrag, dass die schöpferische, universelle Daseinsenergie überall verteilt wird, sodass Leben, Fruchtbarkeit, Expansion und Existenz überhaupt möglich sind. Und durch diese Einteilung muss man eigentlich jetzt schon erkennen, dass es hier eben nicht um wilde Sexorgien geht, um Schadensmagie, blutrünstige Rituale und auch nicht um gezielte Tötungsabsichten. Und doch gibt es diese! Sexualität wird im Voodoo ganz anders behandelt als in den anderen Religionen. Die Familie ist das Wichtigste, und wenn die Familie das Wichtigste ist, dann bedeutet dies, dass ein Kindersegen und die Größe der Familie absolut essenziell sind. Um jedoch einen Kindersegen zu erhalten, um die Familie zu vergrößern, den Einflussbereich zu vergrößern, muss man sich fortpflanzen, nun, und Fortpflanzung bedeutet eben Sex! Genau deswegen sind die Vodun / Loas / Iwas auch den körperlichen Freuden definitiv nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil. Auch die Vodun / Loas / Iwas haben Spaß am Sex, sie lieben die Lust, sie lieben die Freude, und doch ist es so, dass hier der sexuelle Akt, nicht als eine Orgie verstanden wird, nicht in der Öffentlichkeit zelebriert wird, sondern in den eigenen privaten vier Wänden. Und wenn man sich dann auch sofort auf den Aspekt des Blutes, und der Opferungen stürzen will, dann hat man auch hier recht, dass im Voodoo regelmäßig Blutopfer existieren, wobei Tiere, entweder Geflügel oder auch Huftiere, geopfert, geschlachtet werden, zu Ehren der Vodun / Loas / Iwas, gleichzeitig aber auch zur Verpflegung der Gemeinde, zur Verpflegung in der Festivität, zur Verpflegung der Familie dienen, denn es dürfte klar sein, dass in Ländern wie Haiti, Ghana, Togo, Benin und Nigeria keine gigantische Verschwendung existieren wird, dass man „mal eben“ eine Ziege für einige Dollar kauft, diese schlachtet, und dann das Fleisch nicht verwendet. Nein, definitiv nicht. Zwar ist das Jahresgehalt, dass Bruttonationaleinkommen pro Kopf laut Angaben der Weltbank in den letzten Jahren in Haiti gut gestiegen, sodass aktuell von knapp 1900 $ pro Jahr ausgegangen wird, doch ist dies immer noch nicht gigantisch viel. In Ghana beträgt der Wert 4650 $, in Nigeria 5700 $, während Togo mit 1800 $ und Benin mit 3400 $ im Ranking stehen.

Wobei die Zahlen sich drastisch minimieren, wenn es um eine volkswirtschaftliche Rechnung geht, sodass hier Haiti 750 $, Ghana 1500 $, Togo 600 $, Benin 800 $ und Nigeria 2100 $ Jahresgehalt besitzen. Und ich denke, dass es logisch ist, dass man hier keine Lebensmittelverschwendung betreibt, was bedeutet, dass die Tiere zwar geopfert werden, dass die Tiere auch, aus europäischer und auch aus meiner persönlichen Sicht, sehr brutal und bestialisch umgebracht werden, dies aber eine religiöse Handlung ist, mit dem Hintergedanken, dass Tiere hier eben leider nur als Gegenstand, als Sache deklariert sind (was im deutschen Recht identisch ist), und einfach als Lebensmittel gesehen werden, die dann verarbeitet werden. So ist es kein Vorurteil, dass Voodoo mit Blut arbeitet, mit Blutopfern, nein, es ist religiöser Alltag. Doch wie gesagt, die Tiere werden nicht einfach aus Langeweile, aus Blutlust oder aus anderen idiotischen, menschlichen Gründen geopfert, nein, sie werden geopfert, um Opferspeisen zuzubereiten, um die jeweiligen Festivitäten, die gesamte Familie, die gesamte Belegschaft zu versorgen.

Doch was bedeutet Voodoo eigentlich? Nun, Voodoo ist einfach ein anderes Wort für „Gott“ bzw. für „Götter“, sodass hier ganz einfach angezeigt wird, dass es auf der einen Seite eine Religion ist, gleichzeitig aber auch eine besondere Verbundenheit mit der Schöpfung existiert. Doch in diesem Kontext muss man auch wieder wissen, dass Voodoo auf der einen Seite monotheistische Strukturen hat, dass es ein übergeordnetes Schöpfungsprinzip gibt, gleichzeitig aber auch der Prämisse des Animismus folgt, was bedeutet, dass hier eine All-Beseeltheit der Natur existiert, und das alles in der Natur göttlich ist.

So ist Voodoo eine sehr lebendige Religion, ein sehr lebendiges magisches System, welches zwischen den verschiedenen Glaubensparadigmen und praxisorientierten Alltagsbedingungen hin und her springt. Das Wort „Voodoo“ stammt aus der Sprach-Gruppe der Niger-Kongo-Gruppe, wozu sehr viele Sprachen zählen (in etwa 1400 Sprachen), wobei man hier Eingrenzungen treffen kann, auf so genannte Gbe-Sprachen, welche westlich von Nigeria gesprochen werden, also in den Ländern Ghana, Togo und Benin, wo die Ethnien der Fon, der Phla-Pherá, der Gen, der Aja / Adja und der Ewe leben, die alle im Voodoo beheimatet sind. Manchmal wird es sogar noch genauer verifiziert, dass es die Sprache Ayizɔ-Gbe ist, die speziell in Benin gesprochen wird, hier aber eine Untergruppe der Sprache der Ethnie der Aja ist. Oh ha! Wenn das nicht kompliziert ist. Nein! Ist es nicht, denn selbstverständlich wird hier der Begriff „Voodoo“ NICHT buchstabengetreu gefunden werden, da es ganz einfach um eine Lautschriftoffenbarung geht, sodass man sich selbst ausdenken kann, wie wohl damals Voodoo niedergeschrieben wurde. Vielleicht ist es dann doch nicht so schlecht, dass man statt Voodoo lieber das Wort Vodoú oder Vodún schreibt, oder? Auch dies muss jeder selbst wissen. Genauso, wie jeder für sich wissen soll, ob es wichtig ist, wie alt dieser Begriff ist. In Europa tauchte der Begriff Voodoo bzw. Vodún in einem Dokument auf, welches im Jahr 1658 vom Botschafter des Königs Philipp IV von Spanien verfasst wurde.

Genauer gesagt, geht es um ein Schriftstück, was der Botschafter dem katholischen König Philipp IV überreicht hat. Hier soll es um den Gesandten des Königs „Lamadje Pokonu“ gehen, der Herrscher der Stadt Allada, welches die Hauptstadt des Königs Reich der Fon war, und im heutigen Benin liegt. So SOLL der Begriff nach Europa gekommen sein, doch es sind auch andere Ideen existent, denn die Herrschaftsdynastie der Fon wurde im Jahr 1610 bereits abgesetzt, sodass hier eine neue Herrschaftsdynastie, und zwar die der Aja / Adja initialisiert wurde. Da aber offensichtlich Spanien hier der europäische Zugangspunkt der Vokabel war, ist es eben AUCH denkbar, dass der Begriff aus der „Neuen Welt“ kam. Da bereits im Jahr 1503-1505 afrikanische Sklaven nach Haiti transportiert wurden, denn hier existierte schon die spanische Kolonialherrschaft, ist es ohne weiteres möglich und eigentlich auch logisch, dass in dieser Zeit auch die afrikanische Religion Haiti erreichte. Voodoo! Vodún! Daher ist es MÖGLICH, dass der Begriff „Voodoo“ von Afrika nach Haiti reiste, um dann von Haiti irgendwie wieder an den spanischen Hof zu reisen. Hier wird auch speziell der Begriff „Vodún“ gedeutet, auch wenn Voodoo in der französischen Sprache als „Vaudou“ geschrieben wird, und in der spanischen Sprache als Vudú.

 

Aber es sind alles Spekulationen, sodass man sich darauf beschränken muss, dass der Begriff Voodoo irgendwann im 17. Jahrhundert Europa erreichte.

Voodoo! Voodoo ist eine Religion, Voodoo ist aber auch Magie. Ach, im Übrigen, auf Haiti wird der Begriff „Vodóu“ verwendet, wobei sich die praktizierenden Menschen dieser Religion gerne als Sèvitè bezeichnen, was man mit „die, die den Geistern dienen“ übersetzen kann, oder sich auch als „Sèvis lwa“ bezeichnen, was man mit „Dienst an den Vodun / Loas / Iwas“ übersetzen kann. Es geht also hier um einen kreolischen Begriff, um die kreolische Sprache, die auf Haiti gesprochen wird, hier aber ein französisches Fundament hat. Doch Begriff und Sprache hin oder her … alles kommt letztlich aus Afrika, denn auch hier gibt es den Begriff „Vôdoun“, der sich auf die bereits erwähnte Sprache Ayizɔ-Gbe bezieht, die eben in Benin gesprochen wird bzw. wurde. Man sieht, dass es hier Unterschiede in den Bezeichnungen gibt, Unterschiede, die sich aber auch auf die Religion selbst beziehen. Und hier existiert ein Problem, denn es müssen hier verschiedene Verknüpfungen mit den anderen Religionen berücksichtigt werden. So existiert im Voodoo ganz klar ein Synkretismus mit dem Katholizismus. Ein Synkretismus ist eine Vermischung von verschiedenen Religionen, eine Vermischung, die auch eine Kreuzung von philosophischen Lehren impliziert. Wobei hier das haitianische Voodoo viel stärker betroffen ist, als das afrikanische Voodoo. Afrikanisches Voodoo? Es sei kurz erwähnt, dass Afrika, im Vergleich zur Idee, doch ein klein wenig größer ist. Haiti ist ein eigenständiges Land, Afrika ist ein eigenständiger Kontinent. Wenn ich jedoch in meinen Schriften über „afrikanisches Voodoo“ spreche, dann beziehe ich mich primär auf Westafrika, auf die Länder Ghana, Togo, Benin und Nigeria.

Doch auch in anderen afrikanischen Ländern sind deutliche Tendenzen zu erkennen, wie auch in anderen karibischen Ländern, und auch der südamerikanische Kontinent besitzt hier viele Religionen, die Voodoo als Fundament, als Ursprung besitzen. Zu nennen sind hier die Religionen Santería (Palo Monte), Candomblé, Umbanda, Macumba, Batuque, Catimbó, Mayombe, María Lionza und Rastafari. So geht es hier also um verschiedene Einflüsse, die sich weltweit verbreitet haben, wobei hier natürlich dann der Sklavenhandel zu nennen ist. Ganz bewusst will und werde ich aber nicht auf diesen Sklavenhandel eingehen, da die Betrachtung des Voodoos hier magisch sein soll, und sich nicht auf die Religion, auf die Kultur, auf das menschliche Schicksal beziehen soll. Doch wenn man hier einen tieferen Einblick haben will, dann sollte man sich definitiv mit der Geschichte der Sklaverei befassen, denn diese wird neue Blickwinkel aufzeigen. Wenn man dann versteht, wie die verschiedenen Kolonien, egal ob es jetzt spanische, französische oder englische Kolonien waren, auf die Sklaverei gesetzt haben, und wie hier menschenverachtend gehandelt wurde, versteht man, dass es eine religiöse Trennung geben musste, eine religiöse Trennung zwischen dem haitianischen Voodoo und den Ursprüngen, des afrikanischen Voodoos. Das hierbei das Christentum sich definitiv nicht mit Ruhm bekleckert hat, sollte klar sein, denn selbstverständlich wurden die Sklaven auch alle zwangsgetauft, sodass sie in diesem Kontext ihre Religion im Verborgenen ausführen mussten. Hierdurch ging unheimlich viel verloren, hierdurch wurde unendlich viel neu ersonnen, kreiert, erdacht und ausprobiert. Genau deswegen gibt es einen Unterschied zwischen dem haitianischen Voodoo, und dem Voodoo in den Ländern Ghana, Togo, Nigeria und letztlich auch Benin, wobei man Benin wirklich als Wiege des Voodoos deklarieren kann, da hier der Volksstamm der Yoruba große Einflüsse hatte. Doch Volksstämme beziehen sich meistens nicht auf irgendwelche Ländergrenzen, die aktuell gelten. Doch der Synkretismus entstand auch als Möglichkeit, die aufgezwungene, katholische Religion, mit den eigenen magischen Möglichkeiten zu verbinden. So wurden hier Vergleiche geschaffen, die auch immer noch gelten. Ob nun Papa Legba oder Petrus, beide besitzen die Schlüssel zu den oberen Ebenen, auch wenn es direkt heißt, dass Petrus den Schlüssel zum Himmelreich besitzt, ist Papa Legba ein Prinzip, welches über alle Pfade, Wege, Straßen und Kreuzungen herrscht. Im Endeffekt dasselbe. Natürlich kann man hier immer weitere Aufschlüsselungen finden, natürlich kann man hier auch immer weitere Wurzeln und Quellen finden. Wenn man sich die verschiedenen Volksstämme in Afrika anschaut, wird man überrascht sein, wie gigantisch viele es gibt. Und genau hier gibt es auch große Trennungen, Trennungen die jedoch nicht von diesen Volksstämmen forciert werden, sondern Trennungen, die in der Voodooliteratur existieren. So wird manchmal davon berichtet, dass die Yoruba die Wurzeln des Voodoos besitzen, dann geht es aber auch wieder um die Fon, um die Mahi, um die Nago oder um irgendeine andere Ethnie, wobei es aktuell eine Zählung gibt, die allein für Ghana die Auskunft gibt, dass hier 118 verschiedene Ethnie leben.

Nun, man wird hieran erkennen, dass die westafrikanischen Länder sehr viele verschiedene Ethnien beinhalten, dass alle irgendwie mit dem Voodoo zu tun haben, gleichzeitig aber auch alle individuell sind, sodass auch hier Voodoo eine gigantische Individualität lebt und liebt.

Wenn man kurz auf die Religion des Voodoos eingehen will, dann findet man hier definitiv keine heiligen Schriften, da die Religion im Moment lebt. Nun, Religion ist etwas Individuelles, Religion ist etwas, was jeder Mensch für sich im Einzelnen praktizieren kann, ohne eine große Rücksicht auf andere Strukturen, Muster oder Vorstellungen nehmen zu müssen. Doch meistens werden Religionen stets nach Strukturen, Mustern und Vorstellungen gelebt. Dies gilt auch für Voodoo nur bedingt! Gut, Voodoo hat auch „seine“ Strukturen, doch Voodoo hat auch „seine“ Flexibilität. So wie es im Voodoo unendlich viele Abstufungen, Individualitäten, Möglichkeiten und Blickwinkel gibt, so gilt dies natürlich auch für die verschiedenen Ethnien in Westafrika, was man an verschiedenen Sprachgruppen, sozialen Strukturen und auch religiösen Mustern sehen kann. Man wird hier Ähnlichkeiten, Gleichheiten, aber auch gigantische Unterschiede finden, die sich dann natürlich auch wieder auf die kulturellen Geschichten der einzelnen Ethnien beziehen. Wichtig ist in diesem Kontext zu wissen, dass die kulturelle Geschichte sehr eng mit unterschiedlichen Ritualen verzahnt ist, sodass es hier um religiöse, kulturelle, soziale aber auch politische Rituale geht, welche durch Tanz, durch ekstatisches Trommeln, durch dramaturgische Masken und auch durch Beschwörungen bzw. Invokationen und Evokationen begleitet werden. Dies alles ist letztendlich Voodoo! Voodoo ist Religion, Voodoo ist Leben, Voodoo ist Magie! Im Mittelpunkt steht aber immer das Leben, im Mittelpunkt steht immer die Familie, im Mittelpunkt steht das Bestreiten des eigenen Lebens und die Sicherheit der Familie. Daher ist es nicht überraschend, dass in den verschiedenen afrikanischen Ländern Patriarchate existieren, sodass es hier um Großfamilien, wie auch um patriarchalische Stammeskulturen geht, die eben auch hier wieder ihre Muster, Schablonen und Vorgaben haben. Diese findet man auch immer wieder im Voodoo, denn man muss hier reflektieren, dass jede Familie, jede Sippe, jeder Stamm, jedes Land und somit auch jeder Mensch Voodoo individuell lebt. Es gibt daher nicht DIE Voodoo-Religion. Es gibt Voodoo! Wenn der Nachbar XY Voodoo nach dem Schema ABC macht, muss der Nachbar VW definitiv nicht das Schema ABC wählen, sondern wendet hier vielleicht das Schema DEF an! Dennoch ist alles Voodoo. Dies alles kann man auch darin sehen, dass der Begriff „Voodoo“ sehr viele verschiedene Schreibweisen hat! Voodoo, Voudou, Vodoun, Vodún, Vôdoun, Vodun, VooDoon, Vudun, Wodu, Woodou, Wudu oder auch Wuoduo! Man erkennt hier sehr deutlich, dass es hier mehr als nur eine Schreibweise gibt, wobei man hier wieder berücksichtigen muss, dass es um Begrifflichkeiten geht, die mündlich übertragen wurden, sodass hier auch stets ein Dialekt, eine Aussprache und auch die klassischen Schreibweisen der jeweiligen Länder berücksichtigt werden müssen.

Meistens wird jedoch literarisch – oder auch eingedeutscht – von Voodoo gesprochen. Individualität ist das Wichtigste im Voodoo, und auch wenn es hier einen Synkretismus gibt, gibt es in diesem Kontext weder Himmel noch Hölle. Gut, es gibt Orte, an denen sich die Ahnen, die Geister aufhalten, doch dieser energetische Ort, dieses „jenseitige Reich“ ist weder paradiesisch, super, toll und schön, noch höllisch, schrecklich und grausam. Es ist einfach eine jenseitige Ebene, die die verstorbenen Ahnen, die verstorbenen Verwandten, die Geister, die sogenannten Eggun beherbergt. Bei der ganzen Thematik der Ahnen, der verstorbenen Verwandten, der Toten, der Egguns (es existieren auch die Schreibweisen „égún“ oder auch „Egungun“), will ich erwähnen, dass der gesamte Ahnenkult, der sich jedoch primär auf die afrikanische Yorùbá/Yoruba-Religion bezieht, und die Fachvokabeln „Egungún“ trägt, wobei man hier natürlich schon den Begriff der Toten, der Egguns, klar und deutlich sehen kann, sehr traditionell ist. Doch beim Egungún geht es auch darum, dass Menschen mit besonderen Masken die verschiedenen Egguns darstellen können, dürfen, müssen, sodass diese als Personifizierungen zu verstehen sind und einen besonderen Einfluss haben.

Voodoo ist eine sehr lebendige Religion, und auch wenn der Synkretismus existiert, wird die Hölle komplett außen vor gelassen. Der Himmel letztendlich auch, denn die Verstorbenen kommen nach einem Jahr und einem Tag wieder. Weiter wird davon ausgegangen, dass man insgesamt 17 Inkarnationen machen muss, um dann letztlich nicht mehr auf der Erde zu inkarnieren, sondern selbst ein Vodun / Loa / Iwa zu werden. Voodoo geht davon aus, dass die Religion des Voodoos dazu genutzt werden soll, dass man sich das Leben so perfekt wie möglich gestalten soll. Wenn ein Voodoosi/Voodonsi stirbt, dann wird er insgesamt siebzehnmal von der Welt der Lebenden in die Welt der Toten gehen, und aus der Welt der Toten auch wieder in die Welt der Lebenden, wo er dann erneut inkarniert. Wobei auch hier die Voodoosi/Voodonsi nicht von einer klassischen, buddhistischen Inkarnation ausgehen. Es ist einfach so, dass der Mensch seine verschiedenen Erfahrungen machen soll, unabhängig von Geschlecht, sich aber dennoch in seiner Wahlfamilie, in seiner Voodoofamilie, immer wieder „inkarnieren kann.“ Gut, so ein bisschen Karma, so ein bisschen Vorsehung und ein bisschen Zweifel existieren auch im Voodoo. Denn es wird davon ausgegangen, dass Menschen, die über 50 Jahre alt sind, und die die ganze Zeit ein „vorbildliches Leben“ geführt haben, definitiv nicht wiedergeboren werden, und sofort zu den Ahnen gehen, zu einem Egungun „werden“, sodass sie ihren Familien mit entsprechenden Ratschlägen, Energien und auch Taten zur Seite stehen. Das Alter von 50 Jahren erreichen heute sehr viele Menschen, da 50 Jahre heute „kein Alter“ ist. Auch in Afrika nicht. Daher sieht man, dass diese Zahl aus der Vergangenheit tendiert, wo die medizinische Versorgung definitiv nicht gut war. Das Schöne ist aber auch, dass Voodoo besondere Weisheiten besitzt, Weisheiten die jeder auf sein aktuelles Leben anwenden kann.

So gibt es zum Beispiel das schöne Sprichwort: „Wenn ein Ei zerbrochen ist, dann kannst du es nicht wieder zusammenfügen, genauso wenig kannst du deine Worte zurücknehmen, somit denke siebenfach nach, bevor du sprichst.“

 

Wie wahr! Wie wahr! Ein sehr schöner, ein sehr passender, ein sehr weiser und ein sehr zeitnaher Hinweis. Ach wäre es schön, wenn alle Menschen so handeln würden. Bei vielen Menschen hat man aber das Gefühl, dass primär der Satz gilt: „Wo her soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ Und wenn man dies jetzt auf die verschiedenen, monotheistische Religionen anwenden will, dann wird man auch hier sehr viel Kritik finden, denn gerade die Vorstellung einer Hölle ist einfach nur ein Machtinstrument. Im Voodoo ist man selbst verantwortlich für seine Taten, es gibt hier keine Absolution, es gibt hier keine Beichte, und wenn man hier ein Vergehen begeht, muss man dafür geradestehen. Man wird sich von den Göttern verantworten müssen, wobei man diese eben gnädig stimmen kann, indem man die verschiedensten Opferungen ausführt. Nun ja, im christlichen Mittelalter gab es hier den Ablasshandel, frei nach dem Motto „die Seele aus dem Fegefeuer springt, wenn die Münze im Kasten klingt“. Voodoo agiert so ähnlich. Wobei es hier eben nicht um Geld geht, es geht um andere Opferungen. Einverstanden, auch Geld kann hier eine Rolle spielen. Aber auch Blut, zubereitete Speisen und eben Dinge, die für einen wichtig sind, und hier eine echte Opferung, ein echtes Opfer bedeuten. Bei den verschiedenen Inkarnationen der Voodoosi/Voodonsi geht es auch nicht darum, ob man in seinem vorherigen Leben Schuld aufgeladen hat. Da man sich sowieso primär in seiner Wahlfamilie immer wieder inkarniert, sodass eben auch der Großvater im Urenkel wiedergeboren werden kann, ohne irgendwelche „Schulden“, so kann jedes Familienmitglied, ohne Rücksicht auf vergangene Taten, wiedergeboren werden. Wenn ein Voodoosi/Voodonsi stirbt, wird natürlich sein Leben abgewogen, es wird geprüft, der Gläubige wird geprüft, geprüft von den Vodun / Loas / Iwas, die dann eben auch Recht sprechen. Es geht hierbei aber nicht um sinnlose Strafen, nein, es geht hierbei darum, dass man sein Leben reflektiert, und dass einem klargemacht wird, welche Verhaltensweisen man an den Tag gelegt hat, und ob diese kreativ oder destruktiv waren, förderlich für die Gemeinschaft, für die Familie, oder hinderlich für die Gemeinschaft, für die Familie. Da die Vodun / Loas / Iwas jedoch auch sehr menschlich agieren können, kann man es sich auch so vorstellen, dass man hier eine sehr drastische Moralpredigt erhalten wird, und möglicherweise auch ein paar Backpfeifen und einen strammen Hosenboden. Gut, dies natürlich nur in einem sehr blumigen und sehr überzogenen Sinne. Kein Voodoosi/Voodonsi glaubt daran, dass er von den Vodun / Loas / Iwas verprügelt wird. Doch der Glaube existiert, dass man für seine Taten geradestehen muss. Immer! Auf einer anderen Seite existiert aber in einigen Gemeinschaften eben doch der Glaube, dass man auch wirkliche Strafen erhalten kann, wenn man schwere Vergehen in seinem vorherigen Leben ausgeführt hat.

Man kann als Tier wiedergeboren werden, und auch eine Inkarnation in einen behinderten Körper würde hier als Strafe interpretiert werden. Auch schwere Krankheiten, in diesem Kontext eben auch Erbkrankheiten, würden als Strafe der Vodun / Loas / Iwas aufgefasst werden. Doch hierbei muss man sofort darauf achten, dass es im Voodoo nun einmal nicht DIE eine Meinung gibt. Letztlich hat jede Gemeinschaft, jeder Stamm, jede Sippe, jedes Dorf, jede Familie, ja, sogar jedes Haus, seine eigenen religiösen Regeln im Voodoo. Da es keine schriftlichen Manifestationen gibt, keine Doktrinen und keine heiligen Schriften, kann man eben hier sehr viel selbst entscheiden, selbst interpretieren, oder eben auch auf andere Menschen hören, und sich deren Meinung anschließen. Es kann aber auch sein, dass besonders böse Menschen überhaupt nicht mehr inkarnieren, und dazu verdammt sind, Körper los, als böser Geist leben müssen, die dann auch als Diab bezeichnet werden, wobei diese Bezeichnung primär im haitianischen Voodoo verwendet wird. Doch da der Glaube diese bösen Geister, diese Diab, als körperlose Wesen definiert, existiert der Glaube, dass diese immer und überall sein können, und dass man sich auch vor diesem bösen Geistern schützen muss. Im Übrigen, auch die Vodun / Loas / Iwas können immer und überall sein. Man sieht auch hier wieder, dass der Synkretismus, von dem allsehenden Gott, sich gerade im haitianischen Voodoo etabliert hat. Ach so, die Begrifflichkeiten der Vodun/Laos/Iwas muss man erst einmal als feststehende Begriffe in der Voodoo-Religion erkennen, akzeptieren und einfach annehmen. Hierbei ist die Vokabel „Vodun“ aus der Sprache der Fon entnommen und bedeutet in der Übersetzung einfach „Geist/Gott“ aber auch „Geister/Götter“. Da dieses Wort keine Pluralform besitzt, bzw. „unzählig“ ist, sind die verschiedenen Götter, Geister, einfach die Vodun und der einzelne Geist ist eben der Vodun! Und zwar ohne Gendersternchen!!! Wenn es dann um die Vokabel der Loas / Iwas geht, dann stammt das Wort Loa / Iwa aus dem Französischen, wo es sich von dem Begriff „le lois“ ableitet, was man mit „die Gesetze“ übersetzen kann. Ob Loa oder Iwa, dies ist hier eher der Lautsprache geschuldet, sodass man hier aber beide Schreibweisen thematisieren muss. Ferner erkennt man an den Übersetzungen und Bedeutungen, dass diese Entitäten essenziell für die Religion Voodoo sind, dass es aber auch dennoch Unterschiede zwischen den afrikanischen Voodoo und dem haitianischen Voodoo gibt. Doch da es hier um Energien, Entitäten, Wesen, Dynamiken und ja auch um Geister geht, will ich diese unabhängig von ihrer Region betiteln, sodass ich eben meistens von den Vodun / Loas / Iwas spreche. Und diese sind eben überall! Dies bedeutet, dass man die Vodun / Loas / Iwas direkt in der Natur treffen kann, da sie eben auch besondere Plätze in der Natur regelrecht bewohnen. Dies wird in der Voodoo-Religion wortwörtlich so verstanden. So gibt es hier zum Beispiel verschiedene heilige Bäume. Diese sollte man auch definitiv nicht fällen, und letztlich auch nicht beschädigen. Etwas überspitzt, kann man sagen, dass es in einigen Gemeinschaften so gesehen wird, dass es eine Art „Strafkatalog/Bußgeldkatalog“ der Vodun / Loas / Iwas gibt, wobei dies natürlich auch wieder metaphorisch verstanden werden muss.

D. h. also, dass es selbstverständlich KEINEN Katalog der Strafen gibt, aber gleichzeitig doch unendlich viele kulturelle Regelungen. Diese greifen gerade dann, wenn es um Bereiche der Natur geht, wenn es um spezifische Bäume geht. Natürlich sind es heilige Bäume. Und wenn man hier nicht aufpasst, wenn es darum geht, irgendwelche Bäume zu fällen, könnten anschließende Exorzismen die letzte Rettung sein. Da hier der Affenbrotbaum (Baobab) und der Iroko (Milicia) als heilig angesehen werden, in Europa sind hier zum Beispiel die Eiche, die Buche, aber auch die Esche als heilige Bäume zu nennen, manchmal auch die Linde, da „unter den Linden“ auch manchmal Gerichtsverhandlungen stattgefunden haben, ist es ein echtes Verbrechen, wenn solche Bäume gefällt werden. Wenn man also irgendein Bauprojekt forcieren will, und hierzu müssten dann Affenbrotbäume oder auch Irokobäume gefällt werden, dann muss man zwingend weit, weit, weit, sehr weit im Vorfeld ein Orakel befragen, ob dies überhaupt „möglich“ sein wird, sein darf. Und wenn das Orakel dies verneint, gibt es keine Diskussion. Entweder lässt man die Bäume stehen, und baut drumherum, oder man fällt die Bäume und wird sich den Zorn der Geister reservieren. Tja, für profitgeile Europäer oder Asiaten ist dies irrelevant, doch für die Bauarbeiter, die dann ja meist aus der Umgebung kommen, ist dies sehr relevant. Natürlich sind die Menschen immer individuell, man kann nicht einfach pauschal sagen, dass dann sofort alle einheimischen Menschen die Flucht ergreifen würden. Man kann sich aber sicher sein, wenn dann wirklich Unglücke auf der Baustelle geschehen, dass dann die Geister dafür verantwortlich sind, und dass definitiv einige Menschen diese Baustelle verlassen würden – Bezahlung hin, Bezahlung her. Glaube ist machtvoll. Dieser Glaube bezieht sich auch darauf, dass die verschiedenen Loas sehr spezielle Charaktere sind, und auf der einen Seite auch Menschen leiden und Menschen hassen können. Tja, und wenn ein Vodun / Loa / Iwa einen der heiligen Bäume bewohnt, und irgendein Mensch würde diesen heiligen Baum fällen, dann kann man sich an einem Daumen abzählen, ob dieser Mensch dann geliebt oder gehasst wird. So sind die Vodun / Loas / Iwas immer allgegenwärtig, sie leben mit den Menschen, sie teilen sich den Lebensraum, sind aber nicht unbedingt immer in der gleichen Dimension, sodass man sagen kann, dass sie in einer parallelen Existenz vorhanden sind, sodass sie mit einem Bein in der Realität stehen, und mit dem anderen Bein in den kosmischen Weiten, wo sie eben auch Kontakt zur Schöpfergottheit aufnehmen können. Eine Schöpfergottheit! Es mag ein wenig verwundern, dass bei einem primären Glauben eines Animismus, also eine All-Beseeltheit der Natur, sodass das Göttliche in allen Dingen ist, in jeder Zelle, in jedem Atom, immer und überall, es dennoch einen autarken Schöpfer gibt. Diesen autarken Schöpfer gibt es im haitianischen Voodoo, und auch in den verschiedenen Voodooarten Westafrikas. Alle glauben an den Animismus, alle glauben aber auch an ein übergeordnetes göttliches Prinzip.