Seewölfe - Piraten der Weltmeere 347

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 347
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Fred McMason

Der Kampf um Tortuga

Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-744-0

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Seewölfe Nr. 347

Der alte Schiffbauer Hesekiel Ramsgate strich nachdenklich mit den Händen über seinen schlohweißen Bart. Mit kritischen Blicken ging er um den aufgelegten Kiel eines recht sonderbar erscheinenden Schiffes herum.

„Etwas weiter hinüber“, sagte er zu seinen Männern, die mit Hebeln und Stangen das Gebilde vorsichtig bewegten. Noch sah es so ähnlich aus wie das Knochengerüst eines verendeten Wales, doch das würde sich schon bald ändern, denn Ramsgate und seine Leute waren fleißige und geschickte Männer, die ihr Handwerk verstanden.

„So ist es richtig“, sagte Ramsgate nickend. „Der alte O’Flynn wird ja mächtig staunen, denn bis er zurück ist, wird seine ‚Empress of Sea‘ Nachbildung fast fertig sein. Jetzt aber haben wir uns eine kleine Pause verdient, Männer. Ihr wißt, daß ich bei jeder Kiellegung immer ein Fäßchen Bier ausgebe. So werden wir es auch heute halten.“

Nichts schien den Frieden auf der Schlangeninsel zu stören. Alles war ruhig. In der Bucht fischten ein paar Schlangenkrieger, und draußen, vor dem mächtigen Felsendom, waren zwei weitere Auslegerboote mit Fischen beschäftigt.

Die Slipanlage mit dem größten Teil der Werft war ebenfalls fertig gestellt worden, und Ramsgate war zufrieden. Seit er England verlassen hatte, verlief sein Leben friedlich und beschaulich, und er weinte dem nebligen und kalten Land keine Träne nach.

Aus einer der unterirdischen Felskammern wurde das Fäßchen Bier geholt. Dort war es immer kühl, und so war dieses kühle Bier genau das, was der alte Ramsgate immer als Lebenselixier bezeichnete. Ein köstlicher, erfrischender Labetrunk.

Dieser Labetrunk hatte nur eine unangenehme Eigenschaft, und die bewies sich gleich wieder einmal. Er zog Männer magisch an, und obwohl vorher kaum jemand auf der „Wappen von Kolberg“ sichtbar gewesen war, erschienen dort plötzlich neugierige Gesichter. Bei der Crew von Jerry Reves war das nicht anders, und als erster schnürte der scheinbucklige Albert, der Exgnom von Quimper, den Carberry immer als Albert Affenarsch titulierte, an Land und sah sich schnüffelnd um.

Karl von Hutten schlenderte wie aus dem Nichts aufgetaucht plötzlich über den Strand. Ein paar Kerle von Jean Ribault witterten etwas, und dann tauchte auf dem Schwarzen Segler prompt ein in der Sonne grell blinkender Helm auf.

„Rein zufällig“ suchten sie die Werft auf, doch Ramsgate wußte, daß sie den Braten längst gerochen hatten.

„Na ja“, sagte er mit einem Blick zum blauen Himmel, „das dachte ich mir schon. Hol also lieber gleich noch ein Fäßchen, Ray. Merkwürdig, wie das Bier die Kerle anzieht, obwohl es doch noch gar keiner gesehen hat.“

Ray Hoback holte das zweite Fäßchen. Inzwischen erschien auch „rein zufällig“ der Franzose Jean Ribault. Etwas weiter am Strand hockte auch der Stör wie hingezaubert und tat so, als suche er in Ufernähe nach großen Krebsen.

Ramsgate fragte sich allerdings fast verzweifelt, wo plötzlich die vielen Humpen alle herkamen, denn er hatte nur acht mittelgroße Becher hingestellt, die für ihn und seine Leute bestimmt waren.

Jetzt standen da aber vierzehn Humpen, und das verblüffte ihn doch mächtig. Er sah überall in freundlich grinsende Gesichter.

„Wollte mal vorbeischauen“, sagte der Stör grinsend.

„Vorbeisaufen, meinst du wohl“, korrigierte Ramsgate. „Jetzt habt nicht so faule Ausreden, ihr kriegt ja jeder einen kräftigen Schluck.“

Da war auch Thorfin Njal heran.

„Wollte dir gerade mal Guten Tag sagen, Hesekiel“, meinte er freundlich, doch Ramsgate winkte gleich ab.

„Seit ich auf der Schlangeninsel bin, kenne ich eure Schlitzohrigkeit zur Genüge. Trinken wir also auf die Kiellegung der ‚Empress of Sea‘, die Old O’Flynn mir in Auftrag gegeben hat. Übrigens finde ich es nett von euch, daß ihr so besorgt um die Werft seid und mal Guten Tag sagen wolltet!“

Sie tranken auf die Kiellegung, und das war für den Wikinger sofort ein Anlaß, auch für den Abend dieses Tages ein kräftiges Begießen des Neubaus in Aussicht zu stellen, damit er später dann um so besser schwamm.

Aber diese Feier redeten sie ihm aus. Man hatte keinen triftigen Grund zum Feiern, denn die Schlangeninsel war durch die Piratin Black Queen und deren Geliebten Caligula immer noch bedroht, auch wenn das höllische Weib sich vorerst zurückgezogen hatte. Das sah Thorfin schließlich auch ein.

Die zurechtgelegten Hölzer für den Neubau wurden begutachtet. In einer der Dämpf gruben lag zurechtgebogenes Holz, das später mal ein Teil des Bugs werden sollte.

„Glaubst du, O’Flynn hat das nicht längst vergessen?“ fragte der Wikinger den Schiffbaumeister. „Da hat er sich doch nur einen Floh ins Ohr gesetzt. Wenn er zurückkommt, weiß er von nichts mehr.“

Ramsgate schüttelte ganz entschieden den Kopf.

„Er weiß es sehr gut, Thorfin. Old O’Flynn vergißt so was nicht. Was der sich in den Schädel gesetzt hat, das zieht er auch durch. Die O’Flynns sind sture Knochen.“

„Na ja, du magst vielleicht recht haben. Wie groß soll denn das Ding werden?“

„Etwa zwischen fünfzig und siebzig tons. Der Alte hat mir das ganz genau beschrieben. Es soll achtern einen Lateinerbesan haben und in der Mitte rahgetakelt sein. Weiter soll es außergewöhnlich stabil sein und auch ein paar Kanonen tragen können.“

„Damit will Old O’Flynn auf Tortuga wohl den Piraten einheizen, was? Der geht ja mächtig ran, der Bursche. Aber ich glaube, er will später damit auch Güter transportieren.“

„So ist es“, sagte Ramsgate.

Zwei Männer aus Jerry Reves Crew, Stan Gordon und Bud Brown, interessierten sich nicht sonderlich für die Werft. Sie hatten schon an Bord heimlich einen genuckelt und tranken sich jetzt für ein Vorhaben weiteren Mut an, das ihnen seit Tagen keine Ruhe mehr ließ. Heute war die Gelegenheit günstig, denn da waren alle durch Ramsgate abgelenkt, und so konnten sie ihr Vorhaben endlich durchführen.

Sie saßen etwas abseits im Sand, stießen mit den Humpen an und tranken sich grinsend zu. Stan Gordon schwankte schon leicht mit dem Oberkörper.

Bud Brown warf immer wieder verstohlene Blicke in die aufragenden Berge. Hin und wieder entdeckte er einen von den äußerst wachsamen Schlangenkrieger, die pausenlos die See absuchten, und deren scharfen Augen kein Schiff oder Boot entging, das sich der Insel näherte.

„Stimmt das mit dem Schlangengott, daß der einem die Zukunft voraussagt?“ fragte Gordon jetzt schon zum dritten Mal.

„Ja, doch, ich will sie mir doch unbedingt weissagen lassen“, meinte Brown ungeduldig. „Man kann sogar erfahren, wann man sterben wird, ob man reich wird oder ein armer Hund bleibt. Das alles soll der Gott beantworten.“

Von dem geheimnisvollen Schlangengott hatten sie schon so allerlei vernommen, doch noch niemand aus der Crew hatte den Tempel jemals betreten. Die Hohepriesterin Arkana hatte es ausdrücklich verboten. Aber Brown und Gordon hatte die Neugier gepackt, und wenn man einen Blick in die Zukunft tun konnte, dann war das mitunter mehr wert als eine Handvoll pures Gold. Seither faszinierte sie der Gedanke. Aber sie mußten den Tempel heimlich betreten und höllisch aufpassen, denn er wurde von Arkanas Kriegerinnen meist bewacht.

„So’n Götze kann ja eigentlich gar nicht leben“, meinte Brown, „und wie soll er denn reden können, he?“

„Das ist kein gewöhnlicher Götze“, sagte Gordon, „das ist ein echter lebender Gott. Der hat auch das Unwetter und alles mögliche vorausgesagt. Seit wir hier auf der Insel sind, habe ich eine Menge darüber erfahren. Die Priesterin behauptet zwar, der Gott würde sich rächen, wenn man ihn beleidigt, aber das glaube ich nicht. Die Kriegerinnen wollen uns nur überlegen sein, und deshalb halten sie uns von dem Gott fern.“

Leise Zweifel nagten immer noch in Gordon, der den Humpen in den Sand stellte und wieder die Felsen musterte.

„Ich kann ihn also einfach fragen, und er wird mir antworten, und zwar alles, was ich wissen will?“

„Na klar. Wir werden seine Stimme hören.“

„Und wenn ich ihm in’n Arsch trete?“ fragte Stan Gordon. „Tritt er dann zurück?“

„Keine Ahnung. Du brauchst ihn ja nicht zu treten.“

„Ich trete ihn nur, wenn er nicht antwortet.“ Gordons Blick begann bereits etwas glasig zu werden. Er rülpste leise.

„Da ist noch was“, sagte Brown. „Ich hab mal ein Gespräch zwischen den Kriegerinnen belauscht. Wenn man ihn befragen will, muß man erst ein magisches Feuer entzünden.“

„Dann nehmen wir ein paar Holzprügel mit.“

„Quatsch! Mit Holzknüppeln geht das nicht. Aber ich weiß nicht, wo wir das Zeug herkriegen.“

„Vielleicht liegt es im Tempel“, meinte Brown. „Flint und einen kleinen Feuerstahl habe ich immer dabei. Komm, laß uns jetzt abhauen, wir gehen oben schräg durch die Felsen, da halten sich keine Krieger auf.“

Ramsgate unterhielt sich immer noch mit den Männern. Zwischendurch tranken sie Bier oder lachten laut. Den beiden Männern schenkte niemand auch nur einen Blick.

Bud Brown hatte schon lange ausgekundschaftet, wo der Tempel lag und wie man in ihn hineingelangte. Dieser Götze interessierte ihn schon seit jenem Tag, da er zum ersten Mal davon gehört hatte.

 

Er fühlte, wie eine wilde Erregung ihn packte, obwohl er sich Mut angetrunken hatte.

Stan Gordon war da nicht so zimperlich, der soff sich einfach den Hals voll und machte dann alles mit. Aber auch er war sehr neugierig auf den mysteriösen Schlangengott.

Langsam entfernten sie sich zum großen Palmenhain und taten so, als beabsichtigten sie, auf der anderen Seite der Bucht an Bord der „Tortuga“ zu gehen.

An den Felsen gelehnt, stand eine lächelnde Araukanerin. Sie trug nur einen Lendenschurz und eine Blume im Haar.

Gordon musterte sie mit einem lüsternen Blick und starrte auf ihre unbedeckten Brüste. Dann wanderte sein Blick weiter zu dem Diadem, das sie im langen schwarzen Haar trug, und das eine geringelte Schlange mit grünlichen Augen zeigte. Er zuckte zusammen, grinste unschuldig und ging Brown nach. Als er sich einmal umdrehte, sah er, daß die Araukanerin hinter ihnen herblickte. Auch Brown hatte das längst bemerkt.

„Wir nehmen einen anderen Weg“, sagte er. „Ich kenne einen, der geht direkt nach unten in den Berg. Irgendwo werden wir dann in den Gängen schon zum Tempel gelangen. Wenn wir jetzt weitergehen, fällt es dem Mädchen auf.“

Die unterirdischen Gänge und Kammern waren nur selten bewacht, denn es wäre keinem der Inselbewohner eingefallen, die im Berg lagernden Schätze zu rauben, oder sich an dem Zierrat und Schmuck zu vergreifen. Sehr viele von ihnen wußten nicht einmal, wo diese Schätze überhaupt lagen.

Brown und Gordon wußten das auch nicht.

Sie rollten einen Stein zur Seite und sahen unter sich ein kleines Loch, das in unbekannte Tiefen führte. Von weit her war ein hohles Brausen zu hören, wie laute Meeresbrandung, die sich an Klippen bricht.

„Mann, woher kennst du das denn alles?“ fragte Gordon staunend.

„Ich habe eben immer meine Augen und Ohren auf. Und ich bin oft genug hier herumgestromert.“

„Wo geht’s denn da hin?“

„Weiß ich nicht. Aber ich habe mal einen Krieger mit dem Kieker beobachtet, der verschwand plötzlich, nachdem er einen Stein zur Seite bewegt hatte.“

„Toll, wirklich geheimnisvoll“, sagte Gordon. Fasziniert sah er zu, wie Bud in das Loch stieg und darin verschwand.

„Roll den Stein näher an das Loch“, rief Bud. „So dicht, daß man ihn mit den Händen packen kann.“

Gordon war jetzt von einem regelrechten Fieber erfaßt worden. Er rollte den Stein so, wie Bud es wünschte und stieg dann ebenfalls nach unten. Dann griffen sie nach oben und wälzten den Brocken in die alte Lage zurück.

Die geheimnisvollen Gänge und Höhlensysteme hatten sie verschluckt.

Alle beide fühlten sich anfangs recht unbehaglich. Der Gang, in dem sie gebückt standen, war eng und feucht. Aber er war zu ihrer grenzenlosen Verblüffung nicht völlig finster.

Von irgendwoher drang ganz schwaches Dämmerlicht herein. Es ließ sich jedoch nicht feststellen, woher es kam. Vermutlich drang es durch winzige unsichtbare Ritzen in dem porösen Gestein herein.

Bud tastete sich vorsichtig weiter. Gordon blieb immer dicht hinter ihm. Als das Brausen immer lauter wurde, zuckten beide zusammen und blieben einen Augenblick lang stehen.

„Das muß von dem Mahlstrom herrühren“, meinte Bud Brown. „Wenn er reindrückt, rauscht es laut, und wenn er wieder abfließt, dann hört man es mitunter ganz grell pfeifen.“

„Können wir hier auch nicht ersaufen, Bud?“

„Glaube ich nicht. Wenn das Wasser steigen sollte, kehren wir einfach wieder um.“

„Und wenn wir nicht mehr rausfinden?“

Brown schwieg. Wenn sie nicht mehr rausfanden, wußte er auch nicht mehr weiter.

Aber anscheinend floß das Wasser doch ab, denn nach einer Weile erklang zum ersten Mal das merkwürdige Pfeifen, begleitet von einem lauten Zischton.

Das Licht reichte gerade aus, daß sie Wände, Boden und sich selbst erkennen konnten.

Sie waren vielleicht eine knappe Kabellänge durch den Gang geschlichen, als er sich dreiarmig vor ihnen teilte. Der Boden war naß und glitschig, überall lagen Felsbrocken herum. Bud blieb stehen und sah sich in einem ungewissen grünlichen Dämmerlicht um, das alles unheimlich und fremd erscheinen ließ.

„Wir nehmen den mittleren“, entschied er dann.

Der Gang in der Mitte erwies sich als richtig, aber auch er teilte sich nach einer Weile, bildete Nischen und Grotten, winzige Gänge und hatte auch einige Stellen, die deutlich bewiesen, daß etliche der Grotten zugemauert worden waren.

„Ob die Araukaner da ihre Toten beerdigt haben?“ fragte Gordon. Seine Stimme klang merkwürdig dünn. Vor einer der zugemauerten Nischen blieb er stehen, zog eine flache Kruke aus der Hosentasche und gluckerte einen von dem Rum, den sie heute morgen dem Koch stibitzt hatten.

Bud Brown ließ sich auch nicht lumpen und lenzte kräftig an der Buddel. Sie hatten keine direkte Angst, aber hier in den Gängen war alles so anders, so unheimlich. Dazu kam das nervtötende Pfeifen und das zischende Geräusch. Irgendwo floß gurgelnd Wasser ab. Es hörte sich an, als gurgelten irgendwo unsichtbare Riesen.

Dann wurde alles reichlich sinnverwirrend und erinnerte die beiden an ein Labyrinth, aus dem man nicht mehr herausfand. Einmal stieg der Gang an, dann fiel er wieder steil ab, und ein anderes Mal mußten sie sich an hohen Gesteinsbrocken vorbeizwängen, die den Weg versperrten.

Eine größere Grotte schloß sich dem höhlenartigen Raum an. Ein Gang folgte mit einem Knick, dann wieder eine Senke. Vor ihnen befand sich eine künstlich hochgezogene Mauer mit mehreren Löchern darin, damit das Wasser ablaufen konnte.

„Was mag dahinter sein?“ raunte Gordon. „Etwa wieder Tote?“

„Bis jetzt haben wir noch keinen gesehen, Stan Gordon. Aber das will ich jetzt auch genau wissen.“

Immer noch floß Wasser in langen Rinnsalen aus der fast zugemauerten Nische.

Brown stieg in eins der Löcher, die als Abfluß gedacht waren, griff nach oben und zog sich mit einem Ruck hoch. Angestrengt spähte er dann in das Zwielicht des dahinterliegenden Raumes.

„Ohhh, verdammt, verdammt“, sagte er andächtig. „Ich glaube, ich sehe Gespenster. Das gibt es doch gar nicht.“

Er sog heftig die Luft ein, während Gordon unter ihm nervös von einem Bein auf das andere trat. Schließlich hielt er seine Neugier nicht mehr aus und zog sich ebenfalls hoch, in der Erwartung den unheimlichen Schlangengott zu sehen.

Es war aber nicht der Tempel, in den er mit großen gierigen Augen blickte. Es war eine der Schatzkammern, in denen der Seewolf Philip Hasard Killigrew, die Rote Korsarin, der Wikinger und Jean Ribault ihre Schätze versteckt hatten. Diese fast zugemauerte Kammer enthielt ausschließlich Gold- und Silberbarren, dicht an dicht gepackt und hoch aufgestapelt. Das Vermögen, das hier lag, vermochten die beiden Männer nicht einmal annähernd abzuschätzen.

„O Gott“, sagte Gordon erschüttert, als er die unermeßliche Pracht deutlich vor sich schimmern sah, „das sind ja … äh … das ist ja mindestens eine ganze Schiffsladung voll.“

„Das reicht nicht“, sagte Brown andächtig und wie verzaubert. „Das ist noch viel mehr. Und das liegt hier alles so rum. Ich kann das immer noch nicht glauben.“

„Ich wette, daß in den anderen Nischen noch mehr lagert. Ganz sicher gibt es auch Edelsteine, Schmuck, Diamanten, Perlen. Ob das den Araukanern gehört?“

„Vielleicht gehört es niemanden, oder man hat es noch gar nicht entdeckt. Möglicherweise haben es hier einmal Piraten versteckt. Ja, natürlich, das ist es. Deshalb hat dieses Satansweib, die Black Queen, auch so viel Lösegeld gefordert. Die weiß genau, was hier liegt.“

Sie redeten sich die Köpfe heiß und stellten haarsträubende Vermutungen an, die alle nicht zutrafen. Sie konnten sich auch lange nicht von dem Anblick der schimmernden Barren aus Gold und Silber trennen.

Nur sehr widerwillig verließen sie die Nische und suchten sich weiter einen Weg durch das sich immer mehr verzweigende Labyrinth aus Gängen, Höhlen, Grotten, Nischen und vom Meer ausgewaschenen Schächten.

Sie wußten nicht mehr wo sie sich befanden und gingen den Wasserlachen nach, die scheinbar im porösen Untergrund versickerten.

Schließlich fanden sie einen behauenen Gang mit fast glatten Wänden. Auch der Boden war künstlich geglättet worden. Alle zwanzig Schritt steckte eine Fackel in einer eisernen Halterung, aber keine der Fackeln brannte.

„Ganz leise“, hauchte Brown, „ich glaube, wir sind ganz in der Nähe des Tempels. Irgendwo stehen hier auch die Tempelwachen.“

Lautlos schlichen sie weiter, bis der Gang größer und breiter wurde.

Jetzt wurde es auch heller. Irgendwo in der Nähe schien sich eine Öffnung im Fels zu befinden, die nach draußen führte.

Der hohe Gang beschrieb einen leichten Knick nach links, und dann konnten sie in die Grotte sehen. Beide blieben zunächst wie angenagelt stehen.

Die Grotte, wesentlich größer und höher als die anderen, war nichts anderes als der Tempel des Schlangengottes. Und dort, in der linken Nische stand er, überlebensgroß, schrecklich und schön zugleich anzusehen.

Gordon und Brown hatten sich diese Statue immer als Mann vorgestellt, doch jetzt waren sie mehr als überrascht, das Abbild einer Göttin zu sehen. Das Gesicht dieser Göttin hatte fast die gleichen Züge wie das der Hohepriesterin Arkana.

Scheu sahen sich die beiden in dem Gewölbe um. Die Wände in dem Tempel glitzerten und funkelten leicht. Überall waren Edelsteine in den Fels eingelassen. Wandten sie den Blick weiter nach rechts, dann erkannten sie die immer kleiner werdende Fortsetzung des Gewölbes, weit dahinter den azurblauen Himmel und das etwas dunklere Meer. Am Ende des Ganges gab es nur schroffe Klippen. Von dort aus konnte man unmöglich zum Tempel aufsteigen. Aber es mußte noch einen anderen Weg in den Tempel geben, oder mehrere andere.

Das Gesicht der Statue war kühl und unbewegt. In den grünen Augen war kein Anzeichen von Leben zu erkennen. Aber die goldene Schlange, die sich um den fast nackten Leib der Gottheit ringelte, schien nach Gordons Ansicht zu leben, denn er glaubte deutlich zu sehen, daß sie sich leicht bewegte.

Um die Statue herum war auf dem Boden ein dunkler Kranz im Fels zu erkennen. Er stellte den Ring des magischen Feuers dar.

Die Gottheit hatte beide Hände bis in Brusthöhe erhoben. Diese Bewegung konnte man als Willkommensgruß auslegen, aber auch als abwehrende Handbewegung oder als Drohgebärde, ihr nicht zu nahe zukommen.

Beklommen und jetzt doch von leichter Furcht erfüllt, sahen sie sich nach allen Seiten um.

Das Zischen hatte aufgehört, und nur aus weiter Ferne war noch ein leises Brausen zu hören. Von den Tempelwachen war keine zu sehen.

Stumm standen sie da und begafften den Gott. Gordon rechnete sich schon wieder den Wert der Statue aus und den der goldenen Schlange oder der grünen. Augen. Daß so etwas unbezahlbar war, ging ihm nicht in den Schädel.

„Frag ihn doch“, drängte Gordon flüsternd. „Irgend etwas, vielleicht, wie lange du noch leben wirst.“

„So geht das nicht“, raunte Brown, „aber ich kann es ja mal versuchen.“

Flüsternd stellte er die reichlich naive Frage:

„He, sag’ mir wie lange ich noch zu leben habe, Schlangengott!“

Unbeweglich, aus starren Augen, schien ihn die Statue anzublicken. Einen Augenblick lang schien es Bud Brown, als würde sich die Brust des Gottes in einem leichten Atemzug heben, doch das war nur ein Reflex der vielen in den Fels eingelassenen Edelsteine.

Es erfolgte keine Antwort. Die Gottheit schwieg.

Stan Gordon schritt auf die Wand zu, betrachtete einen der funkelnden Edelsteine und bohrte mit dem Finger ein bißchen herum, um ihn aus dem Felsgestein zu kratzen. Als das nichts half nahm er sein Messer zu Hilfe. Aber da brach zu seiner Verblüffung die Klinge ab.

Brown sah sich um, blickte immer wieder nervös in den Gang zurück, ob da auch nicht unvermutet jemand auftauchte, und entdeckte einen mit Edelsteinen besetzten Krug, der in einer Nische stand.

Er nahm den Deckel ab und blickte hinein. Schließlich tunkte er den Finger in das Zeug. Es war graubraunes unscheinbares Pulver, das einen eigenartigen Geruch verströmte.

Er grinste schlau, holte mehr von dem Pulver heraus und streute es auf den dunklen Kreis am Boden. Gordon sah ihm neugierig zu.

„Ist es das?“ fragte er. „Wird er dann antworten?“

„Wahrscheinlich, aber erst muß es entzündet werden, und wir müssen beide in dem Kreis stehen.“

 

Noch einmal vergewisserten sie sich, daß sich keine der Tempelwachen in der Nähe befand. Aber das Höhlensystem war wie ausgestorben. Bis auf das leichte Rauschen herrschte Schweigen in den Gängen.

Sie stellten sich in den Kreis. Gordon nahm Flintstein und Stahl zur Hand und schlug Funken. Leise knisternd sprangen Funken über und setzten das Pulver schlagartig und kreisförmig in Brand.

Von diesem Moment an war alles anders, alles veränderte sich auf eine erschreckende Weise.

Grünliche Flammen zügelten hoch, ein betäubender Duft breitete sich aus. Die eingelassenen Edelsteine in den Wänden begannen auf gespenstische Art zu glühen. Gordon und Brown fühlten sich plötzlich von tausend feurigen Augen belauert.

Das magische Feuer ließ die Höhle immer greller erglühen. Blitze zuckten von den Wänden, es begann warm zu werden, der Flammenkreis zog sich zusammen und dehnte sich wieder aus.

Und dann begann der Gott auf unheimliche Art zum Leben zu erwachen.

Gordon und Brown krochen vor Angst fast in sich zusammen, als die Augen der Statue zornig und gefährlich in irisierendem Grün aufleuchteten, und die goldene Schlange sich um die Statue wand. Ihr Maul war weit und drohend geöffnet. Sie zischte und schnappte mit langen giftigen Zähnen zu. Der Rauch des magischen Feuers verströmte einen betäubenden Duft. Irgend etwas ergriff Besitz von ihm – und er wußte einfach nicht mehr, ob er das, was er zu sehen glaubte, wirklich erlebte oder nur träumte. Aber die panikartige Furcht, die in ihm emporschwappte wie eine Woge, die verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde auf geradezu entsetzliche Weise.

„O Gott“, wimmerte Gordon, „jetzt lebt er wirklich.“ Er versuchte aus dem magischen Feuerkreis auszubrechen und darüber hinwegzuspringen, doch jeder Versuch scheiterte. Sobald er sich bewegte, wallte das grüne Feuer höher und höher und trieb ihn in den Kreis zurück.

Brown hatte zwar auch gewaltige Angst, doch er behielt vorerst noch die Nerven. Die Geister, die er gerufen hatte, schienen jetzt übermächtig zu werden, aber er durfte jetzt keine Angst zeigen und mußte kühl und besonnen bleiben.

„Rasch“, sagte er, „wir stellen ihm die Fragen und verschwinden dann wieder. Keine Angst, er tut uns nichts, Stan.“

Gordon griff zur Schnapsflasche. Seine Hände zitterten, und beim Trinken vergoß er die Hälfte. Seine Augen waren weit aufgerissen und spiegelten Entsetzen wider.

In seinem Schädel war ein merkwürdiges Dröhnen, so, als ob pausenlos in weiter Ferne ein riesiger Gong geschlagen wurde.

Brown fühlte sich entsetzlich klein und miserabel vor diesem Schlangengott. Noch nie hatte er sich so elend gefühlt. Richtig beschissen kam er sich vor, wie ein Frevler, der etwas herausgefordert hatte was mit irdischen Kräften nicht mehr zu bändigen war.

Noch einmal riß er sich zusammen und sprach auch Gordon Mut zu, bis der etwas ruhiger wurde.

„Ich bin Bud Brown“, flüsterte er und blickte die Statue an. „Ich befehle dir, mir zu antworten, Schlangengott. Du wirst mir alles sagen, was ich wissen will. Wie viele Jahre habe ich noch zu leben?“

Die Gottheit blieb jedoch stumm. Nur die Schlange schien sich unablässig zu bewegen und ständig auf ihn zuzukriechen. Dabei begann ihr goldener Leib immer wieder in wilde Zuckungen zu verfallen, so, als ob sie schon jetzt in ihren ekstatischen Totentanz für die beiden Eindringlinge verfiele. Ihre grünen Augen glühten die Menschen an, und Brown wußte auf einmal nicht mehr, wer der Schlangengott war – die Statue oder die goldene Schlange selbst oder alle beide. Aber diese stumme Drohung, die von dem Schlangengott ausging, war schlimmer und furchterregender, als wenn er sie mit donnernder Stimme aus dem Gewölbe gejagt hätte. Brown versuchte es noch einmal. Vielleicht mußte man diesem Gott erst einmal Respekt einflößen. Er überwand sich und trat noch näher heran, obwohl die Statue von innen her zu glühen schien und es in ihrer unmittelbaren Nähe immer heißer wurde.

„Antworte endlich!“ sagte er drohend, ganz vergessend, daß ihn vielleicht jemand der Tempelwache hören konnte. „Du bist ein von Menschen geschaffener Gott, und wenn du mir nicht gehorchst, stürze ich dich über die Felsen.“

Wieder schwieg die Gottheit. Dafür wurde das magische Feuer noch intensiver, und die Hitze nahm zu.

Stan Gordon war erleichtert und lachte verächtlich.

„Alles Quatsch“, meinte er, „die haben uns doch nur etwas vorgezaubert mit diesem Holzkopf. Der kriegt ja das Maul nicht auf. Das ist alles Brimborium. Er kann überhaupt nicht reden. Und davor haben wir Angst gehabt?“

Er lachte kurz und stoßartig auf.

„Du hast recht“, sagte Brown, „ich bin auch darauf reingefallen. Nichts steckt dahinter, rein gar nichts.“

Alle beide waren enttäuscht und wütend, daß es nicht klappte, und daß man sie anscheinend zum Narren gehalten hatte. Stan Gordon nahm noch einen Schluck aus der Kruke, dann warf er sie gegen die Felswand, näherte sich dem Schlangengott und versetzte ihm einen Tritt. Dazu lachte er noch einmal verächtlich.

Die Augen des Gottes bewegten sich plötzlich wieder, grün, drohend und voller Zorn. Unbeschreibliche Hitze wallte auf. In der Luft lag ein Dröhnen, das immer mehr anschwoll und wie donnernde Hammerschläge alles mit brüllendem Krach überzog.

Sie sahen sich an und schüttelten sich vor Entsetzen, denn jetzt war da eine flüsternde Stimme. Anfangs klang sie leise, doch sie wurde immer lauter, bis Gordon gequält aufschrie.

„Frevler“, vernahmen beide laut und deutlich, „Ihr Frevler, die ihr hier eingedrungen seid, habt den Tempel geschändet und die Gottheit beleidigt. Euer armseliges Leben ist verwirkt. Ich, der Schlangengott, werde mich an euch rächen.“

Bei den letzten Worten war die Donnerstimme so laut geworden, daß beide sich die Ohren zuhielten. Aber das half nichts, denn diese Stimme war in ihnen, in ihrem Bewußtsein, in ihren Gehirnen, und sie drohte ihre Schädel zu sprengen.

Vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen, der Tempel wuchs ins Unermeßliche, die Edelsteine waren Augen voller Glut, und die goldene Schlange wand sich zischend von der Gottheit ab und kroch auf sie zu. Der Schlangengott mit den Zügen Arkanas ließ die Hände sinken, aus denen jetzt dichter grauer Rauch quoll. Die grünen Augen schienen die beiden Frevler jetzt von überall her anzustarren.

Und dann war da pausenlos die gewaltige donnernde und dröhnende Stimme, die ihren unbändigen Zorn über sie schleuderte, und die ihren Geist zu verwirren begann.

Gordon schrie, doch er brachte nur lallende Töne heraus. Er befand sich in einer dichten Wand aus grünem heißen Nebel, der ihn zu ersticken drohte. Er sank auf die Knie und lallte weiter.

Der Schlangengott war in ihnen, über ihnen und überall. Er begann sie auf eine unheimliche Art zu verzehren und zu verschlingen.

Zweifellos hatte Brown die besseren Nerven, doch sie nutzten ihm nicht viel, denn er spürte ganz deutlich, wie sich seine Sinne vernebelten und seine Erinnerung verschwamm und ausgelöscht wurde. Sein Schädel drohte zu zerspringen. Er wand sich schreiend und zuckend auf dem Boden und glaubte, von der Schlange gefressen und von der Gottheit erdrückt zu werden.

Dann unternahm er den verzweifelten Versuch, dem magischen Feuer zu entkommen und kroch schreiend auf die lodernden Flammen zu.

Seine Hände griffen in grünes Feuer. Vor seinen Augen schienen sie sich aufzulösen. Die Finger und die Arme verschwanden. Das grüne Feuer erfaßte seinen Körper.

Als Gordon das sah, schnappte er total über. Deutlich fühlte er, wie die Gottheit sein Gehirn zerstörte, wie seine Erinnerung ausgelöscht und er um Jahre in die Zeit zurückgeworfen wurde. Er lallte nur noch wie ein Idiot und schrie seine Angst hinaus, mit lauten tierischen Schreien, die nichts Menschliches mehr hatten. Ein allerletzter Funken war noch in ihm, der ihn instinktiv handeln ließ.

Als er sah wie das grüne Feuer seinen Kumpan verzehrte, verschlang und fraß, da sprang er mit einem gewaltigen Satz in die Höhe und hechtete brüllend über den magischen Kreis hinweg. Er stieß sich den Schädel an den Felsen und begann wie ein Tobsüchtiger loszurennen, während hinter ihm das magische Feuer langsam erlosch. Doch das sah er nicht mehr.

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