Seewölfe - Piraten der Weltmeere 684

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 684
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-098-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Geusen auf Kaperfahrt

In einer brisanten Situation bringen die Wassergeusen unerwartet Hilfe für die Arwenacks

Etwas ratlos starrten die fünf Holländer in die Nacht.

Sie lagen mit ihrer dreimastigen Fleute geschätzt and für andere so gut wie unsichtbar in einer Bucht nahe bei Mannar. Wegen der tückischen Untiefen waren sie nicht weitergesegelt.

Weiter hinten im Land zuckten schwelende Feuer auf, dicke Rauchwolken stiegen zum Himmel. Hin und wieder war helles Feuer zu sehen, bis es nach einer Weile erlosch.

Willem van der Koop, der Kapitän der holländischen Fleute, schüttelte den Kopf.

„Teufel auch, godverdomme“, sagte er leise. „Was kann das zu bedeuten haben? Will uns da ein Unbekannter warnen? Ich werde nicht schlau daraus.“

Sie starrten weiterhin in die Dunkelheit und rätselten über die seltsamen Feuerzeichen nach …

Die Hauptpersonen des Romans:

Willem van der Koop – der Kapitän der Fleute „Eendragt“ kämpft gegen Spanien, wo immer er kann.

Ginjal Chand – der Großkaufmann in Mannar erweist sich für die Arwenacks als echte Hilfe zur rechten Zeit.

Malindi Rama – versucht ein zweites Mal, den Weisheitszahn Buddhas zu stehlen – und endet nicht im Nirwana.

Philip Hasard Killigrew – dieses Mal räumt der Seewolf auf und holt sich zurück, was ihm gestohlen wurde.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Sie waren Geusen, Wassergeusen, die gegen die politische und religiöse Gewaltherrschaft der Spanier Kaperkrieg führten, genauer gegen den Beauftragten Seiner Allerkatholischsten Majestät, Herzog Alba. Sie führten den Befreiungskrieg der Niederlande, und sie führten ihn für sich allein immer noch weiter, obwohl Fernando Alvarez de Toledo schon lange nicht mehr lebte. Sie kämpften ganz einfach gegen die Spanier, ähnlich wie der Seewolf Philip Hasard Killigrew.

Diese Ecke erkundeten sie, um sich nach einer holländischen Niederlassung in Indien umzusehen und das Vorfeld zu sondieren.

Der Bootsmann, Pit de Haas, ein breitschultriger blonder Hüne, zeigte nach einer Weile wieder in die Richtung, wo kurz ein Feuerschein aufflackerte. Sie hatten dieses merkwürdige Feuer schon in der Dämmerung gesehen. Mal Rauch, mal Feuer, dann wieder dunkler Rauch.

De Haas klatschte sich auf die Wange, wo sich ein Moskito niedergelassen hatte. Er hatte schon etliche kleine Beulen im Gesicht und am Oberkörper.

„Da ist es wieder“, sagte er. „Immer kurz bevor es auszugehen scheint, flackert es wieder auf.“

Das Feuer veränderte sich abermals. Eine pechschwarze Wolke, einem Riesenpilz ähnlich, stieg zum Himmel auf und wälzte sich einem schwach sichtbaren Hügel entgegen. De Haas war sich nicht ganz sicher, aber es konnten Teile einer Tempelanlage sein, die er zu erkennen glaubte. Auch ein größerer Baum war zu sehen.

Eine weitere halbe Stunde lang stieg Rauch zum Himmel. Es war das letzte Mal.

Der Rauch wurde schwächer und war schließlich nur noch als dünnes qualmendes Wölkchen zu sehen, bis auch das allmählich verblaßte.

Inzwischen war es Nacht geworden. Am Himmel standen ein paar Sterne, aber die Nacht brachte keine Abkühlung. Es war immer noch drückend heiß und schwül, und überall schwirrten Stechfliegen herum. Es waren lästige und blutsaugende Plagegeister, die erst dann Ruhe gaben, wenn man sie totschlug.

Die Holländer hatten mit steigender Neugier den Rauchsignalen zugesehen, aber das Rätsel vermochte sie nicht zu lösen.

Der Bestmann Frans Kuiper wandte den Blick ab. Seine Augen tränten bereits vom angestrengten Hinsehen, und immer wenn er etwas zu erkennen glaubte, verwischte alles in den Konturen und wurde unscharf.

„Weiß der Teufel, was das ist“, sagte er achselzuckend. „Ich werde ebenfalls nicht schlau daraus. War es nun ein Signal, oder hat da jemand nur ein einfaches Lagerfeuer entzündet?“

Dem Kapitän ließen die rätselhaften Zeichen auch keine Ruhe mehr. Jetzt, da sie erloschen waren, wurde alles nur noch geheimnisvoller. Irgendwo im Dunkel der Nacht schien sich jemand zu verbergen, dessen war er ganz sicher. Die Unbekannten konnten sich aus irgendeinem Grund der Fleute nicht nähern, aber van der Koop glaubte zu wissen, daß die Signale ihnen galten und der Unbekannte den Niederländern etwas mitteilen wollte.

Van der Koop war nicht der Mann, der Entscheidungen lange hinauszögerte. Er zog den geraden und direkten Weg vor, und jetzt war er der langen Grübelei überdrüssig geworden.

Sein hartes Gesicht straffte sich. In die bläulichen Augen trat ein unternehmungslustiges Glitzern.

„Genug gerätselt, verdomme“, sagte er, eins seiner Lieblingsworte gebrauchend. „Wir sehen uns das mal aus der Nähe an. Von hier aus kann man ja so gut wie nichts erkennen. Frans wird mich begleiten. Die anderen bleiben an Bord und halten die Ohren in den Wind. Falls es irgendwelchen Ärger geben sollte, Bootsmann, dann weißt du, was du zu tun hast.“

„Soll ich nicht lieber an deiner Stelle gehen?“ fragte der breitschultrige blonde Bootsmann. Er hätte genau so gut in den Wind reden können.

„Beim nächsten Mal“, versprach van der Koop. „Sauft mir inzwischen nicht den Genever weg, sonst gibt’s Ärger.“

Die anderen blickten ihn nur schweigend an. Keiner sagte was, denn jedes Wort war überflüssig. Sie waren eine gut eingespielte Mannschaft, und sie kannten ihren Kapitän, der ein hervorragender Seemann und ein harter, unbeugsamer Mann war. Ihm etwas ausreden zu wollen, war absolut unmöglich.

Der Bestmann und van der Koop verließen die Fleute und wateten ein paar Schritte bis zum nahen Ufer.

Das Schiff lag unglückseligerweise etwas auf dem Schlick, doch die Flut würde es in etwa zwei Stunden wieder anheben. Sie waren ganz sanft auf diese Bank im Wasser hinaufgerutscht.

Darum sorgte sich jedoch keiner. Ein Angriff von See her war nicht zu befürchten, außerdem hatten die Wassergeusen starke Zähne zum Zubeißen.

Van der Koop fluchte verhalten, als er bis an die Knie in matschigem Dreck versank, kaum, daß sie das Ufer erreichten. Der Bestmann watete ebenfalls in modrigen Untergrund.

Mühsam zogen sie ihre Beine aus dem Modder, doch nach ein paar weiteren Schritten wurde der Boden etwas fester. Tiefer unter ihnen aber befand sich Sumpf oder Moor, denn immer wieder gluckerte es, stiegen Blasen in die Höhe, die mit schmatzendem Geräusch zerplatzten.

Bis der Boden ganz fest war, hatte Mijnheer van der Koop schon mindestens zehnmal sein „Godverdomme“ geflucht.

Die Hitze stand wie eine Mauer um sie her. Myriaden kleiner und unsichtbarer Plagegeister umschwirrten sie unaufhörlich. Die Luft war ein Miasma aus süßlichem Geruch, Sumpfgasen und Morast, das sich beklemmend auf die Lungen legte. Mitunter hatten sie das Gefühl, elend ersticken zu müssen.

Sie kämpften sich mühsam in die Richtung vorwärts, wo sie Feuer und Rauch gesehen hatten. Über ihnen spannte sich ein schwarzblauer Himmel mit funkelnden Sternen und einem sichelförmigen Mond. Über der See war alles pechschwarz und von absoluter Finsternis. Selbst die Fleute war kaum noch zu erkennen.

Aber den Rauch rochen sie. Kein Windhauch hatte ihn vertrieben, und so war die stickige Luft zusätzlich noch mit diesem Rauch gesättigt.

„Dort vorn links muß es sein“, flüsterte der Bestmann Frans Kuiper. Er wies in die betreffende Richtung, wo in der Luft ein heller, dünner Faden fast unbeweglich stand.

Sie marschierten durch ein brachliegendes Reisfeld. Unter ihren Füßen begann es wieder zu gluckern. Der Schwarm der Moskitos wurde noch dichter und hing wie eine Wolke um ihre Köpfe.

In weiter Ferne waren kleine Hütten zu erkennen, aber niemand zeigte sich. Alles schien verlassen und wie ausgestorben zu sein.

„Wie tot“, sagte der Bestmann leise und sah sich unbehaglich um. „Das sieht hier aus wie in einer Geisterwelt.“

„Mit Geistern, die Feuer entzünden und Rauchsignale geben“, brummte van der Koop. „Oder glaubst du, die haben nur ein paar Fische über offenem Feuer gebraten?“

„Wahrscheinlich nicht. Aber das werden wir ja gleich sehen. Es ist nicht mehr weit.“

Kurze Zeit später standen sie an einer Stelle, wo der Boden noch qualmte und fast heiß war. Ein paar winzige Äste gaben noch etwas Glut ab, es roch nach versengtem Gras und fauligen Blättern. Trotz der Dunkelheit war die Feuerstelle gut zu erkennen.

 

Van der Koop untersuchte sehr sorgfältig den Boden nach Spuren. Nach einer Weile richtete er sich auf.

„Da sind Abdrücke von Schuhwerk zu erkennen“, sagte er. „Wahrscheinlich Stiefel, wenn ich mich nicht irre. Ich glaube aber kaum, daß diese armen Schlucker teures Schuhwerk tragen. Hier latscht jeder mit den Dingern herum, die ihm der große Kapitän gegeben hat.“

Auch der Bestmann richtete sich auf, nachdem er den Boden einer genauen Musterung unterzogen hatte.

„Das war keine Feuerstelle, um etwas zu braten oder zu rösten, Willem. Das Feuer ist einzig aus dem Grund entzündet worden, um Aufmerksamkeit zu erregen. Will sagen, da hat jemand ein Signal gegeben. Ob das wohl für uns bestimmt war?“

„Vielleicht als Warnung. Ich weiß es nicht. Aber wir werden versuchen, den Spuren nachzugehen.“

Ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, und so fiel es ihnen nicht sonderlich schwer, der Spur zu folgen. Mittlerweile hatten sie auch schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt, als van der Koop plötzlich stehenblieb.

Er zeigte mit der ausgestreckten Hand in nordwestliche Richtung.

„Ein kleiner Hafen“, raunte er.

Im Schutz hoher Büsche und einiger Palmen schlichen sie vorsichtig weiter.

Nach einer Weile war der Hafen einwandfrei zu erkennen.

Van der Koop blickte aus schmalen Augen überrascht auf die Szene, die sich seinen Blicken bot.

„Ich dachte, wir seien hier allein“, sagte er. „Das ist ja eine gelungene Überraschung. Siehst du auch, was ich sehe, oder bilde ich mir das nur ein?“

„Drei Schiffe“, zählte der Bestmann auf. „Und, der Teufel soll mich holen, das eine ist doch ein verdammter Spanier.“

„Ganz recht, eine Galeone und damit zweifellos ein Spanier. Das andere scheint eine portugiesische Karavelle zu sein. Auch das ist seltsam genug in dieser gottverlassenen Ecke.“

„Der dritte Kahn ist noch seltsamer“, sagte der Bestmann. „Der paßt hierher wie eine Faust aufs Auge. Irgendwo habe ich so ein Schiff schon mal gesehen, aber wo?“

„Im Mittelmeer“, sagte van der Koop mit einem kleinen Grinsen. „Da gibt es sie öfter als einem lieb sein kann. Der Kahn ist eine Schebecke, wie sie von Piraten benutzt wird. Schnell, elegant, sehr seetüchtig und außerdem gut armiert. Das erstaunt mich wirklich, daß sie hier so friedlich nebeneinander liegen. Piraten, Spanier, Portugiesen, und das alles hier in dieser abgeschiedenen Ecke.“ Ihre Verblüffung war echt, als sie die drei Schiffe erneut einer Musterung unterzogen.

„Und doch stimmt hier etwas nicht“, sagte der Bestmann. „Das friedliche Bild trügt. Ich habe das Gefühl, als würden sich alle gegenseitig belauern oder zumindest gegeneinander etwas aushecken.“

„Da kannst du recht haben, Frans. Mir fällt auch auf, daß da einiges nicht stimmt, aber ich bin mir nicht sicher, was es ist. Vielleicht die Kerle, die da so unauffällig an der Pier lauern. Sehen wie Inder aus.“

Der Bestmann erkannte ebenfalls etliche Gestalten, aber die schienen sich nicht sonderlich um die drei Schiffe zu kümmern. Ihre Absichten waren nicht klar erkennbar. Es konnte sein, daß sie die Schiffe bewachten, es konnte sich aber auch um eine regelrechte Belagerung handeln.

„Ob heimlich einer von denen das Feuer entzündet hat?“ fragte er.

Die Antwort war ein Schulterzucken des Kapitäns. Er wußte es nicht. Sie fanden auch keine weiteren Spuren mehr, die ihnen Aufschluß geben konnten, denn der Boden war mittlerweile hart geworden, und so verlor sich jeder Abdruck.

Sie rätselten eine Weile herum, doch sie vermochten das Rätsel nicht zu lösen. Aus dem Verhalten der seltsamen Kerle wurden sie ebenfalls nicht schlau.

Es passierte auch nichts. Alles blieb still und ruhig. Doch van der Koop hatte das Gefühl, als veränderte sich der Liegeplatz der Schebecke allmählich. Er schrieb es seinen überanstrengten Augen zu, die er ständig zusammenkniff, um besser sehen zu können.

„Ist dir sonst noch was aufgefallen?“ fragte er den Bestmann. Er fragte es möglichst harmlos und hoffte, daß auch dem Bestmann die kleine Veränderung nicht entgangen war.

Aber Frans Kuiper räusperte sich nur leise. Er hatte früher mal behauptet, ständig das Gefühl zu haben, von einer Ente beobachtet zu werden. Seitdem hatten sie ihn dauernd gehänselt, weil diese Vorstellung, die er sich selbst nicht erklären konnte, einfach absurd und idiotisch war. Aber diese Ente, die ihn ständig beobachtete, geisterte sogar durch seine Träume, und er wurde das Vieh nicht mehr los.

Sogar jetzt beschlich es ihn wieder, obwohl es hier in der Nähe ganz sicher keine Ente gab. Und selbst wenn, dann würde sie ihn, den Bestmann Frans Kuiper, sicher nicht beobachten.

Quatsch war das, und doch hatte er jetzt etwas gesehen, das ebenfalls nicht ins nächtliche Bild paßte.

Die Schebecke bewegte sich so unmerklich, als würde sie von Geisterhänden getrieben. Es geschah ganz langsam, doch sie hatte in der Zeit schon eine kleine Strecke zurückgelegt, obwohl kein Mann an Deck zu sehen war, kein Segel gesetzt war und es keine Strömung gab. Wenn er das jetzt dem Kapitän verklarte, würde der ganz sicher fragen, ob nicht zufällig auch eine Ente in der Nähe sei.

„Godverdomme, ich habe dich was gefragt, Frans!“

Der Bestmann entschloß sich jetzt doch, zu antworten.

„Eigentlich nicht“, sagte er langsam. „Mir tränen die Augen vom vielen Starren, und da habe ich das Gefühl, als bewege sich die Schebecke langsam weiter.“

„Dann stimmt es also“, murmelte van der Koop nachdenklich. „Aber wer oder was bewegt diesen Piratenkahn? Er wird doch nicht etwa von einer Ente gezogen?“

Frans Kuiper schluckte hart und stieß eine leise Verwünschung aus.

„Das mit der verdammten Ente mußte ja folgen“, sagte er gallig. „Konnte ja nicht ausbleiben. Wir sollten hier verschwinden, Willem, und uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern. Was gehen uns diese Schiffe an?“

„Spanier gehen uns immer was an, und da drüben liegt ein Spanier. Vielleicht können wir ihn ein bißchen rupfen, sobald er ausläuft. Jedenfalls werden wir uns auf die Lauer legen.“

Inzwischen war die Schebecke wieder ein kleines Stück in Richtung Hafenausfahrt gedriftet.

„Irgend etwas geht hier vor“, sagte der Kapitän leise. „Aber was nur? Will da einer vor dem anderen flüchten, oder planen die Kerle einen heimlichen Überfall?“

Einmal wurden ein paar Männer aufmerksam und spähten in ihre Richtung. Daß die Schebecke noch weiter driftete, schienen sie nicht zu bemerken oder nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Sie warteten noch eine halbe Stunde und beobachteten. Doch alles blieb auffallend ruhig, und die Aufmerksamkeit der Männer war wieder erloschen.

Van der Koop entschloß sich zum Rückzug. Es hatte keinen Zweck, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Bei Tageslicht sah alles ganz anders aus. Da waren Einzelheiten zu erkennen, die bei Nacht nur Kopfzerbrechen bereiteten.

„Gehen wir“, sagte er knapp. „Bei Tagesanbruch sieht alles anders aus.“

Auf fast der gleichen Strecke kehrten sie langsam wieder zurück. Hin und wieder blieben sie stehen, um einen Blick zurückzuwerfen.

Mittlerweile war eine Wolkenbank herangezogen, die den Himmel teilweise verfinsterte und die Vorgänge im Hafen noch mehr ihren Blicken entzog. Nur vereinzelte Sterne und der schmale Rand der Mondsichel waren jetzt noch zu sehen.

Van der Koop blickte aufmerksam zu der Schebecke, doch er sah nur einen verwaschenen Schemen weiter draußen und war sich nicht sicher, ob es das Piratenschiff war. Die Masten hoben sich kaum noch gegen den nächtlichen Himmel ab. Wenn sie es aber war, dann befand sie sich mittlerweile schon außerhalb des Hafens.

Die beiden anderen, Spanier und Portugiesen, waren noch einigermaßen deutlich zu erkennen.

Nach und nach entschwand alles ihren Blicken und wurde gegenstandslos.

Später sahen sie auch die Mastspitzen ihrer Fleute in der Bucht. Sie war gut versteckt und man sah sie erst, wenn man ganz in der Nähe war.

Da riß hinter ihnen plötzlich der nächtliche Himmel auf.

Van der Koop und Kuiper blieben wie erstarrt stehen und drehten langsam die Köpfe.

Wie aus dem nichts entstand im Hafen ein Feuerball, lautlos und von erschreckend greller Farbe, der die ganze Umgebung in blutrotes Licht tauchte. Das Feuer entstand an mehreren Stellen gleichzeitig und loderte wild zum Himmel, der jetzt ebenfalls blutrot erstrahlte.

Erst jetzt hörten sie den entsetzlichen Krach, den der Feuerball herübertrug. Es war eine dumpfe Explosion, der mehrere laute Detonationen folgten.

„Godverdomme!“ sagte der Holländer überrascht. Sein Gesicht war vom Widerschein des Feuers hellrot angestrahlt, und auch der Bestmann sah aus, als sei er mit Blut übergossen worden.

Der Holzsteg war zu sehen, wie er lichterloh brannte. Schwarz hoben sich die Konturen der beiden Schiffe ab.

An Land flackerte es an vereinzelten Stellen auf, und jetzt stieg aus dem Feuer auch dunkler Qualm zum Himmel, anfangs wie ein dicker Pilz, dann einer Wolke ähnelnd.

Eine weitere Explosion ließ auch die Schebecke sichtbar werden wie ein Geisterschiff, das sich weiter draußen im Nichts verlor.

Eine Stichflamme schoß in die Höhe, die Bretter, Holzstücke, Dreck und Splitter mit sich nach oben riß. Das alles wirbelte in einem rötlichen Regen wild durcheinander und senkte sich dann langsam nieder. Gleichzeitig wurde auch der Rauch dichter.

Schreie waren zu hören, ängstliches Gebrüll und hysterisches Kreischen. Männer rannten durcheinander, einige wurden von dem Druck der Explosion wie Puppen durch die Luft geschleudert. Sie landeten im Wasser des Hafens und brüllten laut ihre Angst hinaus.

„Die Schebecke!“ stieß der Bestmann hervor. „Die Piraten haben das alles angezettelt, und jetzt verschwinden sie.“

Van der Koop sah schattenhafte Gestalten an Bord der Schebecke. Stehend pullten sie das Schiff in die auf dem Meer liegende Schwärze. Ein paarmal zuckten von der Schebecke rötliche Blitze auf.

„Das sind Teufelskerle“, sagte er anerkennend. „Auch wenn es zehnmal Piraten sind, aber sie haben uns schon einen Teil der Arbeit abgenommen. Die Dons scheinen in arger Bedrängnis zu sein.“

Seinen Worten folgte ein heiseres Lachen. Er sah es nur zu gern, wenn die Dons eins auf den Schädel kriegten. Am liebsten hätte er in diesem undurchschaubaren Spiel kräftig mitgemischt.

An Deck der beiden Schiffe war jetzt ebenfalls die Hölle los. Ein paar dunkle Gestalten stürzten sich in ihrer Angst über Bord und ins Wasser. Andere hasteten auf den Schiffen ziellos hin und her und wußten nicht, was sie tun sollten.

„Die geben es denen aber richtig“, meinte Kuiper. „Das scheinen eisenharte Burschen zu sein. Aber warum nur? Sie lagen doch vorhin noch fast friedlich nebeneinander?“

„Mancher Friede trügt eben“, sagte der Kapitän mit einem Grinsen.

Auf den Spanier griff anscheinend Feuer über. Ein Funkenregen senkte sich über die Galeone, und an vereinzelten Stellen flackerten winzige Lichter auf. Der Portugiese blieb davon ebenfalls nicht verschont.

Mit allen Mitteln versuchten sie den Funkenflug zu löschen. Ketten wurden gebildet, Wasser geputzt, und nach einer Weile hatten sie das ausbrechende Feuer auf beiden Schiffen wieder unter Kontrolle.

Jetzt stiegen nur noch grauweiße Qualmwolken auf, die alles vernebelten. Die Schebecke verschwand wie ein Schemen im schwarzblauen Wasser und bewegte sich wie von Geisterhänden geschoben.

Nach ein paar Minuten verschmolz sie mit der Dunkelheit und war nicht mehr zu sehen.

Im Hafen war allerdings noch immer der Teufel los.

Sie sahen es von einer erhöhten Position aus, wie Boote herumtrieben und Männer verzweifelt versuchten, wieder an Land zu gelangen. Der dunkle Qualm verbarg jedoch fast alles vor ihren Blicken. Hin und wieder sahen sie nur rötlichen Feuerschein mit dunstigem Nebel und hörten weit entfernt leise Schreie.

Fast eine Stunde verharrten sie noch auf ihrem Platz, um zu beobachten.

Es ging jetzt schon fast auf den frühen Morgen zu. Erkennen ließ sich auch kaum noch etwas. Nur vom Wasser her waren wieder Sterne zu sehen und tiefschwarzes Wasser mit winzigen Schaumkronen darauf.

Ein paar andere von der Fleute näherten sich ihnen und wollten wissen, was da passiert sei.

Aber van der Koop konnte das nicht beantworten, weil er nichts darüber wußte, und so ergingen sich alle in Vermutungen. Man nahm an, daß Piraten sich eingeschlichen und das Chaos verursacht hätten.

 

Eine knappe Stunde vor Morgengrauen wollten sie endlich an Bord gehen, doch da gab es nochmals eine Überraschung.

Van der Koop hatte sich ein Spektiv bringen lassen und suchte damit die See ab.

Die Optik zeigte ihm kurz darauf zu seiner großen Überraschung die Schebecke, die von See her auf den Hafen zuhielt. Diesmal lief sie unter vollen Segeln.

„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte er verblüfft. „Die Kerle tauchen schon wieder auf. Godverdomme, sind die hartnäckig und mutig. Die scheinen den Begriff Angst überhaupt nicht zu kennen. Sie wagen sich noch mal in die Höhle des Löwen.“

Die anderen sahen gebannt zu und verfolgten jede Einzelheit. Einige der Wassergeusen hielten vor Überraschung den Atem an und stierten sich die Augen aus.

Die Dons und die Portugiesen merkten noch nichts. Vor ihren Schiffen lagen feine Dunstwolken aus Qualm und Rauch, und so konnten sie das Wasser nicht einsehen.

Die Schebecke segelte ziemlich schnell heran und stieß wie ein Habicht auf den Portugiesen zu, der für sie am günstigsten lag. Alle Rohre waren ausgerannt.

Jetzt erst bemerkten die Portugiesen, daß da etwas nicht stimmte.

Heisere Warnschreie waren zu hören, doch die gingen in einem gewaltigen Krachen unter. Jede Reaktion erfolgte zu spät.

Auf der Schebecke blitzte es grell auf. Durch Dunkelheit und diffuses Zwielicht stach ein rötlicher Blitz. Der Donner folgte ein paar Augenblicke später.

Der Blitz war noch nicht erloschen, als die Schebecke auch schon abdrehte.

Auf der Karavelle war abermals die Hölle los. Ein Vollgeschoß traf den Großmast und zersplitterte ihn. Das Krachen und Bersten war überdeutlich zu hören. Laufendes und stehendes Gut brach. Der Mast platzte auseinander. Eine Wolke halbaufgetuchter Segel löste sich und begrub das Deck unter sich. Wie ein Leichentuch senkte sich das Zeug nieder. Ein paar Männer, die nicht mehr rechtzeitig entwischen konnten, wurden ebenfalls unter den Segeln begraben.

Van der Koops nächstes „Godverdomme“ war fällig. Diesmal sprach er es mit leuchtenden Augen und flüsternd, fast andächtig.

„Den Kerl möchte ich kennenlernen“, sagte er. „Der hat verdammt viel Dampf drauf, und frech ist er noch dazu.“

Die Schebecke hatte zugebissen und nahm jetzt wieder Kurs aufs offene Meer, bis sie als kleiner Schatten in dem diesigen Grau verschwand.

An Deck des Portugiesen aber herrschte Chaos. Männer wühlten sich brüllend durch die Trümmer, andere ließen die Stückpforten hochgehen und rannten die Kanonen aus.

Aber sie sahen keinen Gegner. Der war längst außer Reichweite und für sie verschwunden.

Die Dons auf der Galeone wurden ebenfalls sehr nervös und trafen alle Vorbereitungen zu einem Gefecht.

Van der Koop lachte laut und schadenfroh, ehe er sich abwandte, um auf sein Schiff zurückzukehren.

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