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Reise über Indien und China nach Japan.

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Die Buddha-Lehre gebietet die Anbetung der Götter, das sind meist fabelhafte Personen, und die Entsagung von jeder Leidenschaft, und stellt als höchstes Lebensziel das immer tiefere Eindringen in die Wissenschaft hin. Die Buddha-Anhänger führten nach und nach die schöne Ausschmückung der Tempel, die Verfertigung von Heiligenbildern und die Anwendung von Weihrauch und Musik bei den religiösen Ceremonien ein. Die Priester dieser Lehre sind durch Schenkungen vermögend geworden, kleiden sich ähnlich wie die Shinto-Priester, werden aber bis zum heutigen Tage nicht vom Staate bezahlt. Diese Lehre wurde etwa 800 Jahre n. Chr. von China nach Japan gebracht. Die schönen grossen Tempel in Japan sind zumeist Buddha-Tempel.

Die Japaner nehmen es mit ihren Göttern sehr leicht; sie gehen bald in einen Buddha-, bald in einen Shinto-Tempel, rufen hier den einen, dort den andern Gott an, und fühlen sich dann ganz befriedigt. Wenn sie ihre Götter anbeten oder anflehen wollen, so läuten sie zuerst in dem betreffenden Tempel, schlagen in die Hände, um die Aufmerksamkeit des Gottes auf sich zu lenken, falten die Hände, beten, reiben dann die Hände aneinander, und werfen schliesslich mehrere Kupfermünzen (Zehntel Centstücke = ⅛ kr.) auf den Tempelboden vor dem angerufenen Gott; hierauf ziehen sie ihrer Wege weiter.

Die Ehen werden in Japan sehr einfach, ohne Tempelweihe, und nur mit Zustimmung der Eltern geschlossen, und erst später im Gemeindeamte, behufs Eintragung in die Matrikelbücher, bekannt gegeben. Die Ehefrau nimmt im Hause die Stellung der ersten Magd ein. Die Scheidung der Ehe geht ebenfalls leicht von statten, kommt aber sehr selten vor, wie überhaupt sogenannte »unglückliche Ehen« bei der leichten Lebensauffassung und der angeborenen Gutmüthigkeit der Japaner zu den äussersten Ausnahmen gehören. Es soll sich sogar ereignen, dass die Ehefrau, deren Mann zu häufig die Theehäuser besucht und Geld verschwendet, ein hübsches Mädchen in das Haus nimmt, um dadurch ihren Mann an das Haus zu fesseln. Die von den Seitenfrauen geborenen Kinder werden stets mit den legitimen Kindern gleichmässig erzogen. Eifersüchteleien gehören zu den Seltenheiten. Das japanische Empfinden ist eben ein ganz anderes als das unserige.

Was die Begräbnisse anbelangt, so sind dieselben nach der Shinto-Lehre ganz einfach, nach dem Buddhaismus aber mit Feierlichkeiten verbunden, und dies ist der Grund, dass die meisten Japaner nach dem Buddha-Ritus beerdigt werden.

Der Familiensinn ist in Japan sehr stark entwickelt. Wie die Kinder ihren Eltern unbedingte Unterwürfigkeit schulden, so sind andererseits die Eltern für ihre Kinder sehr besorgt; sie sind sehr geduldig mit ihnen und lieben dieselben in ihrer Weise. So z. B. nehmen die Eltern ihre Kinder, selbst die ganz kleinen, zu allen Ausflügen und in das Theater mit sich, und bleiben dort oft halbe oder auch ganze Tage lang vereint sitzen, wozu sie die Lebensmittel vom Hause aus mitbringen. Die Kinder sind verpflichtet, für ihre alt und erwerbsunfähig werdenden Eltern zu sorgen und dieselben liebreich zu erhalten, eine Pflicht, welche von den japanischen Kindern durchwegs erfüllt wird. Der japanische Arbeiter oder Kleinbürger denkt daher nie an ein Sparen für sein Alter, sondern sieht seine Kinder als das Capital an, von welchem er im Alter leben wird. Darin ist auch der Grund zu suchen, dass in Japan die Adoption von Kindern zur Landessitte geworden ist.

Der Unterricht in Japan ist nach der Zeitdauer ein sehr weit ausgedehnter. Der erste Unterricht in der unteren Volksschule währt vier Jahre und ebensolange in der oberen Volksschule; daran schliessen sich vier Jahre untere und vier Jahre obere Mittelschule und endlich vier Jahre Hochschule. Es sind also 20 Jahre an Schulen durchzumachen, und da der Schulbesuch mit dem Alter von sechs Jahren zu beginnen hat, so kann ein Japaner, welcher sämmtliche Schulen absolviren will, nicht vor dem 27. Jahre die Schulbank verlassen. Hierbei muss noch bemerkt werden, dass die volle Kenntniss der japanischen Sprache sehr viel Zeit und sehr viel Fleiss in Anspruch nimmt. Die Schüler der Mittel- und Hochschulen sind uniformirt.

Die Wohnungen der Japaner werden, wie ich bereits mitgetheilt habe, durchwegs sehr leicht gebaut und besitzen keine Heizvorrichtungen. Es ist daher natürlich, dass dieselben bei der in Japan im Winter vorherrschenden tiefen Temperatur recht kalt sind. Diese Kälte vertragen aber die Japaner sehr gut, da sie abgehärtet sind; sie ziehen dann nur etwas wärmere Kleider an, und bedienen sich zur Erwärmung der Hände eines irdenen Topfes, welcher mit glühenden Kohlen gefüllt ist und in die Mitte des Zimmers gestellt wird.

Den Volkscharakter der Japaner kann man in Bezug auf seine guten und schlechten Eigenschaften in nachstehender Weise resumiren.

Die guten Eigenschaften der Japaner sind: patriarchalisches Wesen, Verehrung des Monarchen, Ehrfurcht vor den Eltern, Gehorsam gegen die Obrigkeit, Höflichkeit gegen die Mitmenschen, Reinlichkeit des Körpers, Nettigkeit der Kleidung und Wohnung, heiteres Temperament, Neugierde, Nachahmungsgabe, Geschicklichkeit, Abhärtung, Unverdrossenheit und Tapferkeit. Ihre schlechten Eigenschaften dagegen wurzeln in ihrer Moral und Sitte. So nehmen die Japaner oft keinen Anstand, die Rechtlichkeit ihrem Vortheile zu opfern, und sie besitzen überhaupt des Oefteren keine strengen Rechtsbegriffe, ein Mangel, welcher für den Handel sehr nachtheilig ist. Dann haben viele Japaner nur sehr lockere Anschauungen von Sittsamkeit und von Decenz. Wie tiefstehend diese Begriffe sind, zeigt sich, wie wir schon erfahren haben, darin, dass sich ältere Studenten, ja oft sogar Officiere ihre Bräute aus öffentlichen Häusern nehmen. Ueber das unartige und ungesittete Betragen von Japanern selbst aus der besseren Classe habe ich gelegentlich der Beschreibung meiner Eisenbahnfahrten schon Erwähnung gethan.

Wenn ich nun einen Rückblick auf meinen Aufenthalt in Japan werfe, so sehe ich mit Befriedigung auf die vielen, dort verlebten vergnügten Stunden, sowie auf die zahlreichen Eindrücke zurück, welche das Sehen von so mannigfachem Neuen und Interessanten in mir hinterlassen haben. Sehr leid thut es mir, dass ich aus Mangel an Zeit nicht dazu kam, die beiden Orte Miyanashitta und Nikko besuchen zu können.

Miyanashitta liegt östlich des höchsten Berges Fugyi und ist von der Station Közu der Eisenbahnlinie Kioto – Yokohama aus zu erreichen. Von Közu aus fährt man mit Rikscha oder Wagen in 2½ bis 3 Stunden dahin. Dort bietet, wie mir von verlässlicher Seite mitgetheilt wurde, das Hôtel Fuji-ya eine vorzügliche Unterkunft und sehr gute Bäder. Von Miyanashitta aus kann man nach allen Richtungen hin die lohnendsten Ausflüge machen, bei welchen sich wundervolle Fernblicke eröffnen.

Nikko liegt im Norden von Tokio und gelangt man von hier mit der Eisenbahn in fünf Stunden nach diesem Ort, der sich durch seine Naturschönheit in Japan dieselbe Berühmtheit wie Neapel in Europa erworben hat. Berge und Thäler, Wälder und Wasserfälle, sowie auch Monumente, Mausoleen mit Holzschnitzereien und Malereien, und die schönsten Tempelaltäre von Japan sind dort zu sehen. Viele schöne Villen der reichen und vornehmen Einheimischen schmücken die Gegend, von wo man allenthalben die herrlichsten Aussichten geniessen soll. Für das leibliche Wohl sorgen bestens das Kanaya- und das Nikko- oder Arai-Hôtel. Der Japaner sagt: Erst wer Nikko gesehen hat, weiss, was Pracht ist.

Miyanashitta hätte ich durch Unterbrechung meiner Reise von Kioto nach Yokohama in Közu erreichen können, doch wären zu diesem Ausfluge mindestens vier Tage nothwendig gewesen, und über so viel Zeit verfügte ich nicht nach meinem einmal fertiggestellten Reiseplane. Eine Excursion nach Nikko hätte von Tokio aus nur drei Tage in Anspruch genommen, doch habe ich in der japanischen Hauptstadt, aus schon besprochenen Gründen, viele Zeit unbenützt verlaufen lassen müssen.

Schliesslich soll hier noch eine Handelsfrage erörtert werden. Ich überlegte mir nämlich in sehr eingehender Weise, für welche Artikel aus unserer Monarchie ein gewinnreiches Absatzgebiet in Japan gefunden werden könnte, und liess mich hierbei von nachstehenden Erwägungen leiten. Der Japaner besitzt Fleiss, Geschicklichkeit und Nachahmungsgabe, und bei seiner grossen Mässigkeit erzeugt er seine Arbeiten weit billiger, als wir dies zu leisten im Stande sind. Er besitzt aber im grossen Allgemeinen keine geistige Schaffungskraft.

Es müssen also nach Japan solche Artikel in den Handel gebracht werden, welche unserer Intelligenz entspringen, welche die den Japanern eigenthümliche Neugierde anregen, die nicht theuer sind, und bei bescheidenen Mitteln den Ankauf gestatten. Zu solchen Artikeln zähle ich alle kleineren Erzeugnisse der Mechanik, Physik, Elektricität und Chemie, wie man dieselben bei uns so vielfältig antrifft und deren Herstellung auch weiter ausgedehnt werden könnte.

Auch die Einfuhr von Hengsten, welche zur Verbesserung der Pferdezucht in Japan geeignet und dort wirklich sehr nöthig sind, dürfte den Vermittlern lohnenden Gewinn abwerfen.

Inwieweit derartige commerzielle Unternehmungen begründete Aussicht auf Erfolg bieten, und wie dieselben durchzuführen wären, darüber müsste allerdings noch vorher eine genaue Enquête einberufen werden.

Rückreise von Japan nach Oesterreich-Ungarn

Fahrt von Shimonoseki nach Hongkong

Am 2. Mai Vormittag fuhr ich, wie schon erwähnt, auf dem Dampfer Marquis Bacquehem bei schlechtem Wetter von Shimonoseki in westsüdwestlicher Richtung ab. Nachmittags entschwand die Küste Japans meinen Augen, und als ob auch die Natur hierzu ihren Abschluss geben wollte, entlud sich gleich darauf ein schweres Gewitter. Der Sturm peitschte das Meer derart, dass die Wogen sich hoch aufbäumten und im Zerschellen an des Dampfers Flanken die schäumende Gischt auf das Deck schleuderten; der Himmel war von stahlgrauen Wolken umdüstert, leuchtende Blitze zuckten umher und grollende Donner, sich zeitweise bis zum Kanonenknall steigernd, durchdröhnten die Luft. Ein grossartiges, gewaltiges Schauspiel.

 

Unser Lloyddampfer glitt aber verhältnissmässig ruhig, den Wellen nachgebend, in der vorgezeichneten Richtung weiter. Wohl machte unser Bacquehem bei diesem Nachgeben auch schaukelnde Bewegungen, doch waren diese weitaus nicht so stark, als jene auf dem Dampfer der Messagerie bei viel ruhigerem Wetter während der Fahrt von Yokohama nach Kobe.

Am 3. Mai trat bei umdüstertem Himmel wieder stilles Wetter ein, weshalb ich meine Lebensweise abermals dem Schiffsgebrauche gemäss einrichtete. Zur Morgentoilette gehörte das Wannenbad in dem 20 bis 22° warmen Meerwasser, und um 7½ oder 8 Uhr nahm ich nach altgewohnter Sitte einen Kaffee. In der Zeit bis zum zweiten Frühstück (Breakfast) bezeichnete ich auf meiner Karte die vom Dampfer zurückgelegte Strecke, wozu ich die Ausweise benützte, in welche ein Schiffsofficier täglich den um 12 Uhr Mittag erreichten Punkt und die eingehaltene Richtung eintrug; dann machte ich die sich daran fügenden geographischen Ueberlegungen und endlich auch die Notizen über die Erlebnisse des vorhergegangenen Tages.

Gemäss unserer Fahrtrichtung nach Westen muss die Uhr täglich zurückgestellt werden, das heisst, dass jetzt der Tag mehr als 24 Stunden währen wird, wogegen bei der Reise von Europa nach Japan der verkehrte Fall bestanden hatte.

Die Fahrtgeschwindigkeit des Lloyddampfers ist nicht gross, es werden von demselben stündlich im Durchschnitt 10 bis 11 Seemeilen oder 18 bis 20 km zurückgelegt.

Nach dem Breakfast setze ich mein Tagebuch über Japan fort, wozu mir einerseits die gemachten Vormerkungen und andererseits die geistige Versetzung in die entsprechenden Zeitmomente das Material liefern. Diese Beschäftigung, hie und da durch Spaziergänge auf dem Deck unterbrochen, währt bis zu dem um 1 Uhr Mittag stattfindenden dritten Frühstück (Tiffin). Ich habe schon gelegentlich der Reise nach Japan die Erfahrung gemacht, dass ich auf hoher See nicht mehr Mahlzeiten nehmen kann, als ich es seit jeher gewohnt bin, und demnach habe ich diesmal kein Tiffin gegessen, sondern diese Zeit zum Spaziergang oder zur Lectüre benützt.

Nach dem Tiffin nahm ich wieder das Tagebuchschreiben auf und betheiligte mich an dem auf diesem Dampfer eingeführten Spiele, welches darin besteht, einen Reifen aus Stricken in einen Kreis zu werfen.

Um 6 Uhr Abends findet das Diner statt. Vor demselben mache ich Toilette und nach demselben gibt es Conversation, Lectüre, hie und da Karten- oder Schachspiel u. s. w.

Während des Tages und auch am Abend erfreue ich mich oft an dem Ausblick auf das weite Meer und auf das scheinbar am Horizont in das Wasser tauchende Firmament. Abends kommt es vor, dass auf dem Schaume der Meereswellen, welcher durch das Eindringen des Schiffes in die Fluthen erzeugt wird, sich elektrische Funken erzeugen und diese schöne Erscheinung manchmal sehr intensiv wird.

Meistens ging ich schon um ½10 Uhr zur Ruhe.

Am 4. Mai war ganz klares, etwas windiges und daher frisches Wetter eingetreten. Diesen Tag benützte ich hauptsächlich zur Controlirung und Aufnahme aller der bis jetzt eingekauften Gegenstände, eine recht ermüdende und zeitraubende Arbeit.

Seit diesem Morgen hielten sich drei Vögel auf unserem Schiffe auf, indem sie dasselbe entweder begleiteten oder sich auf dasselbe setzten. Diese Vögel glichen in Gestalt und Farbe unseren Wildtauben, waren aber etwas grösser, und hatten so lange Schnäbel wie unsere Schnepfen, doch waren die Schnäbel stärker und mehr nach abwärts gebogen, und endlich besassen sie lange Ständer ohne Schwimmhaut. Mit einer Flaubertbüchse wurde nach denselben geschossen, ein Vogel getödtet und zwei verwundet. Ihre Gattung konnte Niemand auf dem Schiffe bestimmen.

Am 5. Mai begann die Temperatur schon empfindlich warm zu werden und das Meerwasser hatte 22° R. erreicht.

Ich bekam die Küste Asiens, und zwar jene von China zu Gesicht, und wusste, dass sich auf der anderen Seite unserer Fahrtlinie die Insel Formosa befinde. Diese Insel ist seit dem letzten japanisch-chinesischen Kriege Japans Eigenthum. Diese Errungenschaft ihres glücklichen Feldzuges macht den Japanern manche Sorge. Wohl soll die Insel reich an Erzen und auch an Edelsteinen sein, aber sie besitzt keinen Hafen, und der Bau eines solchen, welcher für den Handel unbedingt nöthig ist, kostet ungeheuer viel. Ausserdem halten sich in den Klüften des von Norden gegen Süden sich hinziehenden Gebirges, dessen höchste Spitze, der Monte Morrison, 13.000 Fuss hoch ist, noch wilde Menschenstämme auf, die den Genuss des Menschenfleisches lieben. Bisher konnten die Japaner ihrer nicht Herr werden.

Den 6. Mai benützte ich zur sorgsamen Verpackung der gekauften Gegenstände, dann auch zur Scheidung des Gepäckes in jenes, welches ich mit mir nehmen, und in jenes, welches ich seines Volumens, seines Gewichtes oder dessen gegenwärtiger Entbehrlichkeit halber auf dem Dampfer Marquis Bacquehem belassen und als Fracht an ihre Bestimmung senden lassen will.

Gegen Abend sahen wir schon viele kleine Segelschiffe, in welchen die am Ufer wohnenden Fischer zum Fischfang ausgefahren waren, dann auch hie und da einen Leuchtthurm als Wahrzeichen für die Schiffe, und hiermit wussten wir, dass wir uns schon nahe dem Hafen von Hongkong befinden.

Aufenthalt in Hongkong

Am 7. Mai (Sonntag) Morgens langten wir im Hafen von Hongkong an. Ich fuhr in die Stadt, besuchte dort den Consul, Linienschiffslieutenant K., und besprach mit ihm die bei dem vorhergegangenen Aufenthalt in Hongkong für diesmal in Aussicht genommene Fahrt nach der grossen, vollständig chinesischen Stadt Kanton. Diese Stadt hat gegen zwei Millionen Einwohner und bietet das wahre Bild des echt chinesischen Lebens mit engen Strassen und unbeschreiblichem Schmutz, und hat noch die besondere Eigenthümlichkeit, dass anschliessend an die Stadt auf dem Lande eine Stadt auf dem Wasser besteht, wo auf tausenden kleinen Schiffen mit elenden Hütten chinesische Familien ihr ganzes Leben verbringen. Auf diesen Schiffen werden die Kinder geboren, dort wachsen sie heran, dort lieben sie und vermehren sich und dort sterben sie. Ausserdem befinden sich auf dem Wasser sogenannte Blumenschiffe, welche dazu eingerichtet sind, dort glänzende Mahlzeiten zu nehmen, wobei neben jeden Gast ein hübsches chinesisches Mädchen gesetzt wird, welches derselbe aber nur anschauen darf. Für solche Mahlzeiten sind indess ausserordentlich hohe Preise zu zahlen. Zu diesem Ausfluge wäre Sonntag Abends mit dem Dampfschiffe hinzufahren, am Montag die Besichtigung von Kanton vorzunehmen und am Montag Abends die Rückfahrt anzutreten gewesen, wonach dann das Eintreffen auf dem Dampfschiffe Marquis Bacquehem am Dienstag Früh erfolgt wäre.

Auf das Dampfschiff zur Tiffinzeit zurückgekehrt, erfuhr ich aber von dem Lloydagenten, dass diese Unternehmung ohne irgend eine besondere Unterhaltung, natürlich auch ohne Besuch eines Blumenschiffes, wenigstens 50 Dollars = 60 fl. ö. W. kosten würde. In Folge dieser Aufklärung habe ich den Ausflug aufgegeben, denn mir war noch in Erinnerung, was für einen Ekel mir der chinesische Stadttheil von Shanghai verursacht hatte, und ich empfand keine Lust, für die Erweckung eines ähnlichen Gefühles einen so namhaften Betrag auszugeben.

Unmittelbar nach dem Tiffin besuchte ich den Commandanten des eben in Hongkong weilenden österreichisch-ungarischen Kriegsschiffes Saida. Dieses Kriegsschiff ist schon seit acht Monaten auf der Reise, war durch das Rothe Meer längs der Ostküste von Afrika, dann nach Australien gefahren, hatte sich an vielen Orten aufgehalten und erwartete nun den Befehl für seine weitere Bestimmung. Der Commandant, Linienschiffscapitän C., war sehr liebenswürdig und erzählte mir bei einem Glase Champagner sehr interessante Erlebnisse von seiner Weltreise. Am meisten erregte meine Aufmerksamkeit die Mittheilung über die seit wenig Jahren eröffneten Goldfelder von Südwestaustralien, wohin der Linienschiffscapitän von dem Hafen bei Perth aus zur Besichtigung derselben gefahren war. Die Goldfelder befinden sich 500-600 km östlich des genannten Hafens, dann nördlich des dort liegenden Lefroy-Sees, und diese Gegend ist Coolradie benannt. Eine Eisenbahn dahin führt durch wüstenartiges Land, in welchem nur Gras in Buschform wächst, wo es kein Süsswasser gibt und man gleich unter der Erdoberfläche auf Salzwasser gelangt. Auch die dortigen Landseen enthalten nur Salzwasser.

Vor acht Jahren wurden die Goldfelder entdeckt und jetzt leben dort etwa 50.000 Menschen. Der Grund und Boden ist sehr billig. Er wird von der australischen Regierung um fl. 6 per Ar verkauft. Der Besitzer kann dort nachgraben und aushauen und das dort gefundene Metall gehört ihm. Die ganze Arbeit bis zum Erhalt des reinen Goldes ist aber sehr schwer und anstrengend, und deshalb kann ein einzelner Arbeiter in der Woche nicht mehr als etwa 50 fl. Gold gewinnen. Wenn aber bedacht wird, dass der Arbeiter, um nur einigermassen entsprechend zu leben, für den Tag 5 fl. braucht (ein Liter Wasser kostet 5-10 kr.), so bleibt ihm für seine Mühe und Plage ein nur sehr geringer Gewinn in Händen. Jetzt haben sich dort grosse Actiengesellschaften gebildet, welche sich vorzügliche, aber sehr theuere Maschinen angeschafft, damit aber schon so viel gewonnen haben, und auf einen noch viel grösseren Gewinn rechnen, dass sie nun daran gehen, eine Süsswasserleitung aus der Gegend von Perth nach Coolradie mit den Baukosten von etwa zehn Millionen Gulden zu erbauen.

Der Linienschiffscapitän hatte die Güte, mir einen von diesen Goldfeldern stammenden Goldstein und ein diese Gegend beschreibendes Heft zu schenken, und ich werde diese beiden sehr interessanten Gegenstände dem Landesmuseum in Klagenfurt widmen.

Bei dem einige Stunden später erfolgten Gegenbesuch des Linienschiffscapitäns wurden die staatlichen Verhältnisse von Australien besprochen, und theile ich Nachstehendes von denselben mit. Dass Australien beinahe ausschliesslich von Engländern bewohnt wird, ist bekannt. Das ganze Land ist in fünf von einander ganz unabhängige Staaten getheilt und deren Präsidenten, sowie deren oberste Gerichtsbeamten werden von der Königin von Grossbritannien ernannt. Die Minister dieser Präsidenten, sowie die Abgeordneten in jedem Staate werden von der Bevölkerung gewählt, bleiben aber je nach dem Staate nur vier bis sechs Jahre in ihrem Amte und sind dann nicht wieder wählbar. Dieses Gesetz wird aber hie und da in der Weise umgangen, dass ein Minister vor dem Ablaufe seiner Frist demissionirt und sich dann wieder auf die festgesetzte Zeit zum Minister wählen lässt.

Am Abend besuchte ich mit dem Arzte des Dampfschiffes das chinesische Theater in Hongkong und sah dort eine ähnliche Vorstellung, wie jene in Shanghai, von welcher ich seinerzeit erzählt habe.

Von dort ging ich mit dem Arzte in ein Theehaus, blieb aber dort des abscheulichen Schmutzes und der greulichen Musik halber nur kurze Zeit, und übernachtete in einem Hôtel, weil es wegen des hohen Seeganges nicht rathsam war, in der Nacht auf einem kleinen Kahn zum Dampfer zurück zu fahren.

Am 8. Mai wurde, soweit es das unbeständige Wetter gestattete, die Verladung auf das Schiff vorgenommen; dabei befanden sich viele Colli aus Manila mit Tabak-Deckblättern für unsere Tabakfabriken.

Am 9. Mai machte mir der Consul, Linienschiffscapitän K., einen Besuch und klagte bei dieser Gelegenheit darüber, dass so wenige Einwohner von Oesterreich-Ungarn nach Asien, speciell in die Hafenplätze von China kommen, um hier Geschäfte zu machen, wo es doch erfahrungsgemäss sichergestellt ist, dass jeder sich in Hongkong etablirende Kaufmann nach 20-30 Jahren ein Vermögen erworben hat. Diese Erkenntniss befestigte meine schon öfter ausgesprochene Anschauung, dass sich die nach Asien ziehenden reellen Handelsleute dort einen bedeutenden Verdienst erwerben können.

Mit dem Consul fuhr ich dann nach Hongkong, um diese Stadt noch einmal zu besichtigen. Wenn ich Hongkong auch schon beschrieben habe, so will ich doch noch den Eindruck erwähnen, welchen diese Stadt bei jedesmaligem Besuche macht. Sie ist eine überaus reiche Handelsstadt mit grossartigen Gebäuden am Hafen, mit sehr vielen prachtvollen Villen an den Lehnen der hinter der Stadt aufsteigenden Berge und mit einem äusserst lebhaften Getriebe auf dem Strande und in den Gassen. Dazwischen bewegen sich Chinesen mit langen Stangen auf dem Rücken, welche beiderseits mit unglaublich schwer wiegenden Waaren belastet sind; dann sieht man dort die Chinesinnen auf ihren verkrüppelten, kleinen Füssen, wie auf Stelzen gehend, daherhumpeln, und endlich gewahrt man auch Albions Söhne von Bureau zu Bureau, von Bank zu Bank wandern und den Reichthum der die Stadt umgebenden chinesischen Provinzen einheimsen.

 

Auf den Dampfer zurückgekehrt, sah ich, dass einstweilen 600 bis 70 °Chinesen eingeschifft worden waren, welche theils nach Singapore, theils nach Penang transportirt werden sollten, um dort für wenig Geld grosse, schwere Arbeit zu verrichten.

Diese Chinesen reisen familienweise, mit ihren kleinen, ja mit neugeborenen Kindern, und sind ungeachtet dessen, dass sie wissen, sich nur einen sehr bescheidenen Unterhalt verschaffen zu können, dennoch stets guter Dinge, heiter und gutwillig. Dieselben waren theils auf dem Deck, theils im Zwischendeck untergebracht, und zwar so dicht, dass sie nur wenig Bewegungsfreiheit hatten. Ueber ihre Bekleidung habe ich wiederholt geschrieben. Nun will ich nur noch mittheilen, dass die Männer, wenn es heiss wird, ihre Kleider ausziehen und nur in kurzen, schwimmhosenartigen Beinkleidern verbleiben, so dass man dann dort so viel Menschenhaut sieht und auch solchen Duft riecht, wie vermuthlich im Leben noch nie vorher.

Zu den Cabinenpassagieren war ein in Hongkong lebender italienischer Musikmeister mit seiner Frau gekommen. Diese Frau war ein Mischling von einem Engländer und einer Chinesin. Sie war gross und schlank, hatte etwas braune Gesichtsfarbe und schwarzes Haar. Ihre Sprache war die englische. Mischlinge werden von den Engländern nicht beachtet, und es wird nie vorkommen, dass ein Engländer mit einem Mischling verkehrt, oder dass Mischlinge in irgend eine englische Gesellschaft zugelassen werden, sowie auch kein Einheimischer je in einen englischen Club Zutritt hat.

Schon um 4 Uhr Nachmittags war die Verladung auf unseren Dampfer vollendet und um 5 Uhr Nachmittags hätte die Weiterfahrt beginnen sollen. Da aber der Lloydagent von Hongkong noch nicht angelangt war, um dem Schiffscapitän die vor der Abfahrt nöthigen Papiere zu übergeben, so sandte derselbe den zweiten Capitän zum Agenten, um denselben zu ersuchen, diese Papiere gleich zu bringen, damit das Schiff abfahren könne. Dies war aber umsonst. Der Agent kam erst um 8 Uhr Abends mit den Papieren, und da war es nach den in Hongkong bestehenden Hafengesetzen schon zu spät, um aus dem Hafen auszulaufen. Der Dampfer konnte hiermit erst am folgenden Morgen weiterfahren. Diese Verzögerung des Agenten zog daher eine solche von einem halben Tag für den Dampfer nach sich, ein Umstand, welcher sowohl die Interessen der Lloydgesellschaft, als auch jene der Passagiere verletzte. Für die Lloydgesellschaft fällt es auch in's Gewicht, dass sie wegen dieser Verzögerung die 600-70 °Chinesen um einen halben Tag mehr als nöthig verpflegen muss. Es hat die Agentur in Hongkong auch die Abfahrt des Lloyddampfers Marie Valerie am 23. März verzögert, und es scheint demnach, dass dort eine Saumseligkeit zu Ungunsten der Lloydgesellschaft herrscht. Meiner Ansicht nach sollten die Lloydagenturen, welche aus ihrer Stellung ohnehin einen grossen Vortheil und Profit ziehen, das Wohl ihrer Gesellschaft besser im Auge behalten.