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Reise über Indien und China nach Japan.

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Fahrt von Bombay nach Penang

1. März. Zuerst ging der Lloyddampfer Marie Valerie sehr vorsichtig aus den engen, mit vielen Dampfern besetzten Docks glücklich heraus, und fuhr dann durch den äusseren Hafen zwischen vielen Segelschiffen in das freie, weite Meer hinaus. Windstill und sonnenhell, deshalb aber auch brennend heiss war es, so dass ich mich selbst auf dem durch Plachen gegen die Sonnenstrahlen geschützten Decke wie in einem Dampfbade fühlte.

Unser Schiff ist kleiner als der Dampfer Maria Theresia und dabei anders eingetheilt, und zwar so, dass die Passagier-Unterkünfte sich mehr in der Mitte desselben befinden und sich dort daher die Schwankungen weniger fühlbar machen. Der Speisesalon unter, sowie der Sitz- und Rauchsalon ober dem Decke sind kleiner, dagegen die Schiffscabinen grösser als auf der Maria Theresia. Im Uebrigen ist dieser Dampfer ebenfalls vortrefflich gehalten, und sein Capitän äusserst zuvorkommend.

Ausser mir war in Bombay nur noch ein Passagier eingestiegen. Es ist dies ein Doctor, aus Nordböhmen gebürtig, welcher nach Singapore fährt, um dort vor der Hand für einen zeitweilig nach Europa fahrenden Arzt die Praxis zu versehen und sich auch eventuell, wenn es ihm gefällt, in der genannten Stadt ganz zu etabliren. Er ist ein sehr gebildeter junger Mann, der englischen Sprache vollkommen mächtig, und ein angenehmer Reisegefährte, der gute Anschauungen hat und mit dem es sich gut plaudern lässt.

Der liebenswürdige Capitän hat mir zwei sehr gute Cabinen zugetheilt, von welchen ich die eine bewohne, und in der anderen meine ganze Bagage untergebracht habe.

Nachdem ich mich häuslich eingerichtet und das Tiffin eingenommen hatte, liess ich mir auf Deck einen Tisch stellen und begann sofort, trotz der formidablen Hitze, fleissig an meinem Tagebuche zu schreiben. Während meines Aufenthaltes in Bombay hatte ich mir nur Vormerkungen gemacht, und ich musste nun trachten, alle noch frischen Eindrücke in der nächsten Zeit zu Papier zu bringen.

Wir waren einstweilen so weit in das offene Meer gelangt, dass man von der indischen Küste nichts mehr sehen konnte und wir uns also wieder zwischen Himmel und Wasser befanden. Kein Lüftchen rührte sich, in unabsehbarer Ferne, vollkommen ruhig, dehnte sich die Wassermasse in krystallheller tiefer Bläue vor uns aus, und still und stolz glitt unser Dampfer darüber hinweg, in jeder Stunde 16 km hinterlegend. Ueber uns breitete sich der Himmel in reinem Lichtblau aus und schien sich an den Grenzen des Horizontes in die Ebene des Meeres zu versenken. Die Nacht war zwar fürchterlich heiss, dennoch schlief ich vortrefflich gut.

Am 2. März hatten wir die gleichen Witterungsverhältnisse wie Tags vorher, und wieder war die Hitze (24-25° R. im Schatten) erdrückend. Dessenungeachtet setzte ich die Beschreibung meiner Erlebnisse und Eindrücke in Bombay mit Eifer fort und erlangte dadurch den grossen Vortheil, auf die Hitze zu vergessen.

Wir kamen an diesem Tage zu Mittag in die Höhe der an der Westküste von Vorder-Indien gelegenen Stadt Goa, welche mit einem kleinen anliegenden Gebiete den Holländern gehört. Dieses kleine Gebiet, sowie die drei Städte an der Ostküste von Vorder-Indien, und zwar Yanaon, Pondicherry und Karikal, welche den Franzosen gehören, sind die einzigen Fleckchen Erde in Vorder-Indien, die nicht England direct oder indirect unterstehen. Die Portugiesen, welche vom 14-17. Jahrhunderte ausgedehnte Besitzungen in Vorder-Indien hatten, haben dieselben schon seit Anfang dieses Jahrhunderts aufgegeben, und nur die Nachkommen, aus der Mischung von ihnen und Einheimischen hervorgegangen, führen noch den Namen »Portugiesen«. Diese sogenannten »Portugiesen«, welche sich in Indien in sehr untergeordneten Stellungen, meistens als Köche, befinden, sind ein trauriges Wahrzeichen von Portugals einstiger Macht und Grösse in Indien.

Am 3. März setzte das Schiff seine Fahrt zwischen der Malabarküste von Vorder-Indien und der Laccadiv-Inseln mit der Geschwindigkeit von 11 englischen Meilen = 20⅓ km per Stunde, also von 488 km per Tag, weiter fort, Die Temperatur beträgt 24° R. im Schatten, die Luft ist noch immer ruhig, der Himmel wolkenlos und daher die Hitze recht unerträglich. Eine solche Reihe von schönen Tagen ist wahrlich nicht leicht zu ertragen. Die Qual der Hitze wurde durch das tägliche Baden in den mit Meerwasser gefüllten Wannen etwas herabgemindert, wenn auch das Meerwasser selbst ebenfalls 24° R. hatte. Das Schreiben an meinem Tagebuche half mir über diese schweisstriefende Zeit glücklich hinüber. In der Nacht entlud sich plötzlich ein fürchterliches Gewitter mit Blitz und Donner und mit fluthenartigem Regen, ein in dieser Zeit unendlich seltenes Ereigniss, und dieses Naturschauspiel brachte den ersehnten Umschwung der Temperatur.

Am 4. März zeigte das Thermometer nur mehr 23° R., eine kleine Brise strich über das Schiff und trug dazu bei, die Luft noch mehr abzukühlen. Wir seufzten wahrlich wie neubelebt auf! Unser Dampfer umfuhr das Cap Comorin und gelangte in der Nacht in die Nähe von Colombo auf der Insel Ceylon. Das Schiff durfte aber nicht an die Küste anlaufen, weil dasselbe, von Bombay kommend, pestverdächtig war. Ungeachtet dessen, dass ich also als pestverdächtig erklärt wurde, ging es mir sehr gut.

Am 5. März sah ich vom Deck aus die herrliche Insel Ceylon mit ihren bis über 2000 m hohen Bergen, mit ihren ausgedehnten Palmenhainen und der malerischen, am Meeresufer gelegenen Hauptstadt Colombo – und dennoch konnte und durfte ich nicht dahin gelangen, so sehr ich mich auch lange darauf gefreut hatte. Ich fasste daher den Entschluss, bei meiner Rückfahrt ein wenig länger in Colombo und auf der Insel Ceylon zu verweilen. Ich änderte nämlich mein Reiseprogramm für die Rückfahrt von Japan und dazu bewogen mich die nachstehenden Motive. Nach Bombay wollte ich nicht mehr kommen, um dort abermals fünf bis sechs Tage zu bleiben, weil die Stadt mir nichts Neues mehr bot und ich der schrecklichen Regenzeit halber, die dort Anfangs Juni eintritt, wenig Bekannte mehr vorgefunden hätte; auch schien es mir ganz überflüssig zu sein, noch einmal in einer von der Pest inficirten Stadt zu wohnen. Ausserdem wollte ich überhaupt der zwischen 10. und 15. Juni beginnenden Regenzeit (Monsum) so viel als möglich entgehen, weil um diese Zeit, nach den Aussagen der Seeofficiere, auf dem Indischen Ocean gewaltige Stürme und fortgesetzt ungeheuere Regenstürze herrschen, und die letzteren die Luft derartig mit Wasseratomen erfüllen, dass Wäsche und Kleider selbst in verschlossenen Räumen nass werden. Demgemäss reifte in mir der Plan, mit dem Lloyddampfer nach einem einmonatlichen Aufenthalte in Japan am 30. April abzureisen und mit demselben nach Colombo zu fahren, wo die Ankunft am 25. Mai erfolgen soll. Auf der Insel Ceylon beabsichtige ich, bis 1. oder 2. Juni zu bleiben, dann mit dem Deutschen Lloyd oder der französischen Messagerie bis nach Aden zu reisen, was die Zeit bis 8. oder 9. Juni in Anspruch nimmt, und von dort mit dem am 9. desselben Monates abgehenden Eildampfer unseres Lloyd die Heimreise nach Triest anzutreten. Sollte diese Combination aus irgend einem Grunde nicht möglich sein, so würde ich von Colombo mit dem Dampfer einer anderen Gesellschaft bis Port Said und von da mit der Bahn nach Alexandrien fahren, von wo aus jeden Samstag ein Eilschiff des Oesterreichischen Lloyd nach Triest abgeht. Diesen Plan gab ich der Verkehrsdirection unseres Lloyd in Triest in einem Schreiben mit dem Ersuchen bekannt, mir eine derartig combinirte Karte nach Kobe in Japan zu senden.

In Colombo kamen neue Passagiere an Bord, und zwar ein Engländer, ein Geschäftsreisender aus Wien, zwei Frauen mit einem Wickelkinde und einer schwarzen Magd, und dann für die III. Classe vier hübsche Frauen und vier Männer aus Russland.

Noch am selben Tage gegen Mittag setzte unser Schiff seine Reise fort. Dieses Mal blieben wir aber näher dem Ufer, und so konnte ich die Besichtigung der Insel Ceylon besser fortsetzen. Längs der ganzen Küste befinden sich weit in das Land hinein, soweit das Auge reicht, dichte Cocosnusspalmenwaldungen, die mitunter eine solche Dichtigkeit haben, dass ein Durchgehen oder Durchschliefen geradezu unmöglich erscheint. Am Südrande der Insel sah ich die Stadt Port de Galles, welche mit ihren vielen schönen Gebäuden landeinwärts auf dem Hange eines Berges liegt und einen reizenden Anblick gewährt. Da die ganze Insel keinen natürlichen Hafenplatz besitzt, so haben die Engländer, welche Eigenthümer der Insel sind, sowohl bei Colombo als auch bei Port de Galles Riesenbauten aufführen lassen, um dort künstliche Häfen zu schaffen. In Colombo war ich in der Tageszeit um netto 4 Stunden vor Wien voraus und um 4700 km südlicher als unsere Kaiserstadt.

In der Zeit vom 6. bis 9. März durchquerte die Marie Valerie den Indischen Ocean südlich vom Bengalischen Meerbusen und steuerte fortwährend im 6. Grade nördlicher Breite von der Südspitze der Insel Ceylon bis zur Nordspitze der Insel Sumatra. Dabei hatte der Dampfer sowohl die entgegenkommende Meeresströmung als auch den von Tag zu Tag sich stärker entwickelnden Nordostwind zu überwinden, wodurch die Fahrtgeschwindigkeit auch etwas vermindert wurde. Am 6. März legten wir in 24 Stunden 500 km, am 7. März 433 km, am 8. März 400 km und am 9. März wieder 440 km zurück.

Am 8. März war der Wind schon so stark, dass die Schaumperlen der Wellen hie und da bis auf das Deck geschleudert wurden, und dennoch machte sich die schaukelnde Bewegung dieses famos gebauten Schiffes kaum fühlbar. Dasselbe soll keinen Kiel an seinem Boden haben, sondern ganz flach sein, ein Umstand, der auch den grossen Vortheil mit sich bringt, dass die unteren Räume eine sehr grosse Ladung aufnehmen können. Der stärker blasende Wind verschaffte uns indess den Gewinn, dass die Temperatur, obgleich wir nur 6 Grade vom Aequator entfernt waren, sich ganz annehmbar anliess. Allerdings hatten wir noch 24° R., aber durch die heftige Bewegung der Luft wurde die Wirkung dieses Wärmegrades sehr abgeschwächt. Ausser der jetzt regelmässigen Führung meines Tagebuches beschäftigte ich mich in diesen Tagen viel mit der Lectüre des höchst interessanten und wissenschaftlich sehr gediegenen Werkes »Nippon« (zwei starke Bände), welches die Freiherren Alexander und Heinrich von Siebold aus dem Nachlasse ihres Vaters, des niederländisch-indischen Generalstabsobersten Philipp Freiherrn von Siebold, herausgegeben haben, und das mir einer der Söhne, welcher k. u. k. Legationsrath ist, zum Geschenke machte. Des Abends las ich kleine englische Romane, um mich in der Kenntniss der englischen Sprache zu verbessern.

 

Ganz nett war ein Bewegungsspiel, welches Nachmittags in der Zeit von 4 bis 6 Uhr auf dem Deck des Schiffes arrangirt wurde. Zum Zwecke dieses Spieles ist auf dem Fussboden des Deckes ein Rechteck mit 1·2 m und 1·4 m Seitenlängen in 12 Abtheilungen mit den nebenstehenden Ziffern in Kreide gezeichnet, ausserdem sind mehrere 1·8 m lange, dünne, runde Holzstöcke mit flachen, unten 10 cm breiten Ansätzen, sowie 12 hölzerne, mit Bleiplatten eingelassene Quadrate, 10 cm Seitenlänge und 1·8 cm Dicke, vorhanden. Sechs der Quadrate sind mit weisser, und sechs mit rother Farbe bestrichen. In einer Entfernung von 7·5 m vom gezeichneten Rechtecke ist der Anfangspunkt des Spieles bezeichnet, von welchem aus die kleinen Brettchen gegen die Figur geschoben werden. Es spielen zwei Personen, welche abwechselnd je mit einem Stosse ihre Brettchen so gut als möglich zu postiren, oder die gut placirten Brettchen des Gegners wegzuschieben, oder ihm oder auch sich selbst eine Barrière zu machen bestrebt sind. Sind beiderseits je die sechs Brettchen hinausgeschoben worden, so werden die Resultate jeder Person notirt, die Hölzchen zurückgenommen, und es beginnt die zweite Tour, wobei die Spieler abwechselnd anfangen. Steht ein Brettchen auf 0, so ist das Resultat für diese Tour für den betreffenden Spieler ebenfalls 0. Sieger ist Derjenige, welcher nach Schluss der Touren 51 Einheiten erreicht hat. Auf Deck ist dieses Spiel um so interessanter, als bei jedem Stosse die wechselnde Neigung des Schiffes in Erwägung gezogen werden muss.

An diesem Tage, um 10 Uhr Vormittags, als wir eben im 6. Grad nördlicher Breite und 90·5 Grad östlicher Länge waren, sahen wir ein grosses Segelschiff, einen Dreimaster, in der Richtung gegen Südafrika segeln. Als der Segler unseren Dampfer wahrgenommen hatte, gab er ein Flaggenzeichen und näherte sich unserem Schiffe. Der Brückenofficier erstattete hiervon sofort dem Schiffscapitän die Meldung, der auf der Brücke erschien, worauf mit dem Schiffsglase die Signalsprache entziffert wurde. Der Segler gab das Signal, dass er Däne sei und Enedika heisse, was der Capitän der Marie Valerie zum Zeichen, dass er verstanden wurde, durch das Hissen der österreichisch-ungarischen Flagge beantwortete. Hiernach gab das dänische Segelschiff noch das Signal, dass auf seinem Schiffe Alles wohl sei, was wir mit dem Aufziehen der Salutflagge erwiderten. Der Däne gab diesen Salut zurück, wendete die Richtung wieder nach Südafrika und setzte die Fahrt fort. Unser Schiff hatte in der Zwischenzeit natürlich seinen Lauf nicht unterbrochen. Der Capitän theilte mir späterhin mit, dass das Segelschiff die Signale gegeben habe, damit von ihm, dem Capitän, aus im nächsten Hafen der Ort und die Stunde des Antreffens dieses Seglers angegeben werde. Dies wird dann von dort aus in die Heimat telegraphirt, und auf diese Weise bleibt das Schiff in Evidenz. Der Segler mag etwa 2000 t Reis aufgeladen haben, um diese vermuthlich nach England, Schweden oder Dänemark zu bringen. Hierzu dürfte er aber, trotzdem er in Hinblick auf Meeresströmung und Windrichtung die richtige Zeit für die Fahrt gewählt hat, immerhin noch fünf Monate nöthig haben!

Am 9. März zur Mittagszeit nahmen wir zu beiden Seiten des Schiffes Land wahr, und zwar war es im Süden die den Holländern gehörige Insel Sumatra und im Norden eine Insel, die zur Nicobaren-Gruppe zählt und unter englischer Herrschaft steht. Später fuhren wir knapp am Nordrande von Sumatra vorbei und erblickten dichtbewaldete und tief zerklüftete Gebirgsketten ohne alle Spuren menschlicher Niederlassungen. Diese Gegenden sollen von Menschen bewohnt sein, die sich bisher noch jeder Civilisation entzogen haben, sich wie die Thiere im dichtesten Walde verbergen, und sogar noch zur Classe der Menschenfresser gehören.

Am 10. März durchquerte die Marie Valerie den nördlichen Eingang zur Meeresenge (Strasse) von Malakka und steuerte direct auf den Ort Penang oder Pinang an der langgestreckten Halbinsel von Malakka zu. Von dieser Halbinsel gehört der nördlichste Theil, anschliessend an Burma (Hinter-Indien), den Engländern, der mittlere Theil zum Königreiche Siam, und der südlichste Theil (Peninsula) wieder den Engländern. Die Stadt Penang oder Pinang liegt auf einer, England unterstehenden Insel, welche sich an der Grenzlinie zwischen dem englischen und siamesischen Besitze befindet.

Der König von Siam, Chulalonkorn, in seiner Hauptstadt Bangkok, ist wohl noch selbständig, sein Königreich ist aber einerseits von den Engländern, und andererseits von den Franzosen mit ihren im Osten liegenden Besitzungen Tonking, Annam und Cambadja (Küste Chochinchina) ganz umfasst, und so hat es den Anschein, dass die Unabhängigkeit des Königs Chulalonkorn nicht mehr von langer Dauer sein dürfte.

Der König machte vor mehreren Jahren eine Reise durch Europa und hat sich aus dieser Zeit eine besondere Vorliebe für Oesterreich bewahrt, die er mit Freuden manifestirt, wenn ihn Oesterreicher in Bangkok besuchen. Es wurde mir auch von verschiedenen Seiten dringend anempfohlen, von Singapore aus auf einige Zeit dorthin zu reisen, um dort wieder neue und höchst interessante Verhältnisse kennen zu lernen. Leider wird es mir aber nicht möglich sein, diese kleine Reise zu unternehmen, da das Dampfschiff in Singapore nur zwei Tage anhält, und das Benützen anderer Schiffe meine ganze Reiseroute zerstören würde.

Die Temperatur in dem 6. Grad nördlicher Breite hat während der ganzen Zeit meiner Reise vom 6. bis 10. März nicht mehr als 24° R. betragen und machte sich aus dem Grunde weniger fühlbar, weil fortwährend ein nordwestlicher Wind mit grösserer oder geringerer Triebkraft über die Meeresfläche hinstrich. Am 10. März (Freitag) ging wohl nur eine kleinere Brise über Deck, der Himmel war aber leicht umwölkt, das Thermometer zeigte nicht viel mehr als 23° R., und es war somit der Aufenthalt auf dem Deck recht angenehm.

Der Aufenthalt in Penang

Am 11. März, als ich des Morgens auf das Deck kam, sah ich Penang vor mir liegen. Ein sehr anmuthiger Anblick. Grosse, schöne Baulichkeiten am Hafen, daran anschliessend Palmenhaine, aus deren Mitte hübsche Villen hervorguckten, im Hintergrunde eine mit dichten Waldungen bedeckte Berglehne. Wieder zeigten sich mir neue Arten, neues Wesen und neues Leben, und kaum konnte ich all' die mannigfaltigen Bilder voll aufnehmen, die im Laufe des Tages auf mich einstürmten. Vorerst waren es die Leute und Kähne, welche unseren Dampfer umschwärmten, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Da waren andere Gestalten und Gesichter zu sehen als in Indien, theils waren sie braun, wie mit Patina überzogen, aber leider nicht so geruchlos als Patina, theils dunkel-, theils lichtgelb; die Einen hatten die Köpfe ganz, die Anderen halb rasirt, und den Dritten hing rückwärts ein langer Zopf herab. Die braunen Singhalesen (Ureinwohner von Ceylon) und die Malayen (Bewohner vom malayischen Archipel) waren in weisse Leibchen und in weisse, um die Lenden geschlungene, bis unter die Kniee reichende Linnen gehüllt; die gelben Leute waren entweder Siamesen oder Chinesen und trugen dunkle Gewänder, speciell die Chinesen mit Vorliebe schwarzglänzende, von der Hüfte abfallende Röcke. Sehr viele Bursche hatten den Oberleib ganz bloss und auf dem Kopfe ein weisses Tuch wie einen Kranz herumgewunden. Die Chinesen trugen Hüte, meistentheils aus grauem Filz. Der Hauptunterschied zwischen den Stämmen, die ich in Bombay, und jenen, die ich hier sah, besteht darin, dass alle hiesigen Leute in einem viel besseren Nähr- und Kraftzustande sind als dort. Die Kähne waren vorne kantig, rückwärts breit and nach diesen beiden Seiten hin stark nach aufwärts gebogen. Sie schaukelten daher lustig auf den Wellen herum.

Ich überschiffte mich mit den beiden Doctoren, von welchen der eine nach Singapore reiste und der andere Schiffsarzt war, an's Land, und nahm mir dort einen Wagen, um mit den beiden Herren nach dem ¾ Stunden entfernten, als schön gerühmten Park zu fahren. Nun bot sich uns ein ganz sonderbarer Anblick dar; 20-30 Personen drängten sich heran, um sich als Kutscher und Pferd in einer Gestalt anzutragen. Es ist unglaublich und menschenunwürdig und dennoch ist es wahr, dass die Menschen hier Pferdedienste leisten, und dies zu einem so geringen Preise, dass man bei uns nicht den schlechtesten Wagen dafür miethen könnte. Die Leute erhalten für einen halben Tag 50 kr. und für einen ganzen Tag 70 kr. und sind froh, wenn sie dies verdienen können.

Dieses Fuhrwerk (Jinriksha) besteht aus einer zweiräderigen Dachkalesche mit einer Gabelstange, die vorne geschlossen ist, und der Zieher derselben (Riksha genannt) läuft innerhalb dieser Stange und bringt sein Gefährt, fortwährend laufend, stundenlang weiter. Derselbe trägt nur einen kurzen Linnenrock von der Hüfte herab und hat ein Leinentuch um den Hals hängen, mit dem er sich nach Bedürfniss abwischt. Es gibt aber auch Pferdewagen, bei welchen der Wagen für vier Personen sehr luftig eingerichtet ist, und der von einem 10 bis 12 Faust hohen Pony, aus Sumatra stammend, gezogen wird. Diese kleinen Pferdchen sehen nicht hübsch aus, sind aber kräftig und sehr ausdauernd.

Ich wählte einen solchen Pferdewagen zur Fahrt nach dem Parke, die uns viele und interessante Momente verschaffte. Vorerst sahen wir in der sich sehr weit landeinwärts erstreckenden Stadt die Auslagen der Verkaufs- und Arbeitsläden an der Front der Häuser mit den für den gewöhnlichen Haushalt jener Leute nöthigen Artikeln, alle in sehr einfacher Form. Die Strasse ist sehr rein gehalten, auch die Läden sehen ziemlich rein aus, aber die ausgebotenen Artikel sind nicht zum Kaufe einladend.

Auf unserem weiteren Wege gelangten wir an einen Platz, auf welchem sich ein heidnischer Tempel erhebt, und wo sehr viele oben beschriebene Wagen und eine grosse Menge von Menschen sich zu einer Leichenfeier vereinigt hatten. Viele der von Menschen gezogenen Wagen hatten die Form von Frachtkarren, auf welchen Schüsseln theils mit abgestochenen, unzubereiteten, oder mit schön gebratenen kleinen Schweinen, theils mit Gänse- und Entenbraten oder mit schön aufgeputztem Zuckerwerke aufgestellt waren. Diese Esswaaren wurden dem Todten gewidmet, damit er nach seinem Tode nicht an Hunger leide. Die Frachtwagen waren zum Theil sehr hoch und schön hergerichtet, und über denselben wurden schmale Baldachine getragen. Der Todtenwagen selbst hatte die Form eines kleinen, kunstvoll auf Rädern gebauten Hauses, welcher von zwei kleinen, reich beschirrten Pferden gezogen wurde. Die Leidtragenden waren ganz in Weiss gekleidet, in diesem Lande die Farbe der Trauer, verriethen indess in ihrem Wesen, ebenso wie in Bombay, gar keine Trauer über den Verlust des Verstorbenen.

Nach dem Austritte aus der Stadt führt die sehr gut gehaltene Strasse mehrere Kilometer weiter durch mehr oder weniger dichte Anpflanzungen von Cocosnusspalmen und Bananensträuchern. Der Blick auf diese herrlich grünen Haine ist überraschend schön. Hoch hinauf ragen die Palmen, deren Stämme horizontale Wachsthumsringe zeigen, und welche erst an der obersten Spitze mit dichten, grossen Palmenblättern bedeckt sind. Im Schatten dieser Blätter setzen sich nächst dem Stamme gruppenweise die Cocosnüsse an. Zwischen den grossen Palmenbäumen stehen kleine, in die Höhe strebende Palmenbäumchen oder mit riesengrossen Blättern ausgestattete Bananenpflanzen. Saftiges grünes Gras bedeckt den Boden, und buntfärbige Blütensträuche umgeben den Strassenrand. Elegante Villen und die auf meterhohen Piloten stehenden Holzhäuser der Eingeborenen sind in diese Haine eingestreut und befinden sich, des Staubes halber, weiter von der Strasse entfernt. Näher gegen den Park zu bemerkte ich ein Haus, in welchem allerlei ausgestopfte Thiere, als Schildkröten, fliegende Hunde, Ottern, Füchse und sehr viele grössere und kleinere buntgefiederte Vögel zum Verkaufe ausgestellt waren.

Nach ¾ Stunden langten wir bei dem Parke an, dessen sorgsame Pflege sofort ersichtlich ist. Der Park steigt sanft an der Lehne eines Berges hinan und besitzt in seinem oberen Theile einen recht hübschen Wasserfall. Inmitten des Gartens befindet sich ein sehr grosses Bassin, welches die Stadt Penang mit Trinkwasser versorgt. Die Bäume und Pflanzen, sowie die in einem offenen Gartenhause gehaltenen Blumen sind von grosser Vielfältigkeit und Schönheit, und geben Zeugniss von der riesigen Ueppigkeit des Bodens in den Tropengegenden. Wahrlich reizend gestaltete sich der Spaziergang in diesem Parke. Vögel, deren Gefieder eine seltene Farbenpracht zeigten, zwitscherten und durchflogen die vom Blumendufte aromatisch gewürzte Luft, mächtig grosse Schmetterlinge flatterten von Strauch zu Strauch, und kleine Aeffchen sprangen an den Aesten der Bäume herum. Ungestraft ergeht es sich aber nicht unter den Palmen! Dies mussten auch wir erfahren, denn die Hitze war erdrückend, und nur im Schweisse unseres Angesichtes konnten wir dieses prachtvolle Bild geniessen. Auf der Rückfahrt kehrten wir denn auch, um die ausgetrockneten Kehlen wieder anzufeuchten, in das Hôtel »Oriental«, das beste von Penang, ein, und liessen uns das in den Tropen übliche Getränk: Whisky mit Sodawasser, reichen.

 

In diesem Hôtel sah ich auch den Engländer wieder, welcher von Colombo bis Penang mit uns gefahren war, und der, obgleich ich während der Fahrt sehr wenig mit ihm gesprochen hatte, schliesslich die Anfangs zur Schau getragene Steifheit derart abstreifte, dass er – der überaus wortkarge Engländer – mir beim Abschied seine Visitkarte mit der Bitte übergab, ihn während meines bevorstehenden Aufenthaltes in Ceylon jedenfalls auf seinem Landgute zu besuchen und auch den Tag meiner Ankunft in Colombo seinerzeit von Penang aus telegraphisch bekanntzugeben, weil er mir nach Colombo entgegenkommen wolle.