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Wallensteins Tod

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Sechster Auftritt

Wallenstein. Terzky und Illo kommen zurück.

Illo
 
     Ist's richtig?
 
Terzky
 
     Seid ihr einig?
 
Illo
 
     Dieser Schwede
     Ging ganz zufrieden fort. Ja, ihr seid einig.
 
Wallenstein
 
     Hört! Noch ist nichts geschehn, und – wohl erwogen,
     Ich will es lieber doch nicht tun.
 
Terzky
 
     Wie? Was ist das?
 
Wallenstein
 
     Von dieser Schweden Gnade leben!
     Der Übermütigen? Ich trüg' es nicht.
 
Illo
 
     Kommst du als Flüchtling, ihre Hilf' erbettelnd?
     Du bringest ihnen mehr, als du empfängst.
 
Wallenstein
 
     Wie war's mit jenem königlichen Bourbon,
     Der seines Volkes Feinde sich verkaufte
     Und Wunden schlug dem eignen Vaterland?
     Fluch war sein Lohn, der Menschen Abscheu rächte
     Die unnatürlich frevelhafte Tat.
 
Illo
 
     Ist das dein Fall?
 
Wallenstein
 
     Die Treue, sag ich euch,
     Ist jedem Menschen wie der nächste Blutsfreund,
     Als ihren Rächer fühlt er sich geboren.
     Der Sekten Feindschaft, der Parteien Wut,
     Der alte Neid, die Eifersucht macht Friede;
     Was noch so wütend ringt, sich zu zerstören,
     Verträgt, vergleicht sich, den gemeinen Feind
     Der Menschlichkeit, das wilde Tier zu jagen,
     Das mordend einbricht in die sichre Hürde,
     Worin der Mensch geborgen wohnt – denn ganz
     Kann ihn die eigne Klugheit nicht beschirmen.
     Nur an die Stirne setzt' ihm die Natur
     Das Licht der Augen, fromme Treue soll
     Den bloßgegebnen Rücken ihm beschützen.
 
Terzky
 
     Denk von dir selbst nicht schlimmer als der Feind,
     Der zu der Tat die Hände freudig bietet.
     So zärtlich dachte jener Karl auch nicht,
     Der Öhm und Ahnherr dieses Kaiserhauses,
     Der nahm den Bourbon auf mit offnen Armen,
     Denn nur vom Nutzen wird die Welt regiert.
 

Siebenter Auftritt

Gräfin Terzky zu den Vorigen.

Wallenstein
 
     Wer ruft Euch? Hier ist kein Geschäft für Weiber.
 
Gräfin
 
     Ich komme, meinen Glückwunsch abzulegen.
     – Komm ich zu früh etwa? Ich will nicht hoffen.
 
Wallenstein
 
     Gebrauch dein Ansehn, Terzky. Heiß sie gehn.
 
Gräfin
 
     Ich gab den Böhmen einen König schon.
 
Wallenstein
 
     Er war darnach.
 
Gräfin. (zu den andern)
 
     Nun, woran liegt es? Sprecht!
 
Terzky
 
     Der Herzog will nicht.
 
Gräfin
 
     Will nicht, was er muß?
 
Illo
 
     An Euch ist's jetzt. Versucht's, denn ich bin fertig,
     Spricht man von Treue mir und von Gewissen.
 
Gräfin
 
     Wie? da noch alles lag in weiter Ferne,
     Der Weg sich noch unendlich vor dir dehnte,
     Da hattest du Entschluß und Mut – und jetzt,
     Da aus dem Traume Wahrheit werden will,
     Da die Vollbringung nahe, der Erfolg
     Versichert ist, da fängst du an, zu zagen?
     Nur in Entwürfen bist du tapfer, feig
     In Taten? Gut! Gib deinen Feinden Recht!
     Da eben ist es, wo sie dich erwarten.
     Den Vorsatz glauben sie dir gern; sei sicher,
     Daß sie's mit Brief und Siegel dir belegen!
     Doch an die Möglichkeit der Tat glaubt keiner,
     Da müßten sie dich fürchten und dich achten.
     Ist's möglich? Da du so weit bist gegangen,
     Da man das Schlimmste weiß, da dir die Tat
     Schon als begangen zugerechnet wird,
     Willst du zurückziehn und die Frucht verlieren?
     Entworfen bloß ist's ein gemeiner Frevel,
     Vollführt ist's ein unsterblich Unternehmen;
     Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
     Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urtel.
 
Kammerdiener. (tritt herein)
 
     Der Oberst Piccolomini.
 
Gräfin. (schnell)
 
     Soll warten.
 
Wallenstein
 
     Ich kann ihn jetzt nicht sehn. Ein andermal.
 
Kammerdiener
 
     Nur um zwei Augenblicke bittet er,
     Er hab ein dringendes Geschäft —
 
Wallenstein
 
     Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.
 
Gräfin. (lacht)
 
     Wohl mag's ihm dringend sein. Du kannst's erwarten.
 
Wallenstein
 
     Was ist's.
 
Gräfin
 
     Du sollst es nachher wissen.
     Jetzt denke dran, den Wrangel abzufert'gen.
 

(Kammerdiener geht.)

Wallenstein
 
     Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer
     Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn
     Erwählen und das Äußerste vermeiden.
 
Gräfin
 
     Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg
     Liegt nah vor dir. Schick diesen Wrangel fort.
     Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein
     Vergangnes Leben weg, enschließe dich,
     Ein neues anzufangen. Auch die Tugend
     Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.
     Reis hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,
     Nimm eine volle Kasse mit, erklär,
     Du hab'st der Diener Treue nur erproben,
     Den Schweden bloß zum besten haben wollen.
 
Illo
 
     Auch damit ist's zu spät. Man weiß zu viel.
     Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.
 
Gräfin
 
     Das fürcht ich nicht. Gesetzlich ihn zu richten,
     Fehlt's an Beweisen; Willkür meiden sie.
     Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.
     Ich seh, wie alles kommen wird. Der König
     Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich
     Von selbst verstehen, daß der Herzog geht;
     Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.
     Der König wird die Truppen lassen schwören,
     Und alles wird in seiner Ordnung bleiben.
     An einem Morgen ist der Herzog fort.
     Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,
     Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,
     Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel
     Austeilen, gastfrei große Tafel geben,
     Und kurz ein großer König sein – im Kleinen!
     Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,
     Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,
     Läßt man ihn scheinen, was er mag; er wird
     Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.
     Ei nun! der Herzog ist dann eben auch
     Der neuen Menschen einer, die der Krieg
     Emporgebracht; ein übernächtiges
     Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand
     Freiherrn und Fürsten macht.
 
Wallenstein. (steht auf, heftig bewegt)
 
     Zeigt einen Weg mir an aus diesem Drang,
     Hilfreiche Mächte! einen solchen zeigt mir,
     Den ich vermag zu gehn – Ich kann mich nicht,
     Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,
     An meinem Willen wärmen und Gedanken —
     Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
     Großtuend sagen: Geh! Ich brauch dich nicht!
     Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;
     Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,
     Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;
     Doch eh' ich sinke in die Nichtigkeit,
     So klein aufhöre, der so groß begonnen,
     Eh' mich die Welt mit jenen Elenden
     Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,
     Eh' spreche Welt und Nachwelt meinen Namen
     Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung
     Für jede fluchenswerte Tat.
 
Gräfin
 
     Was ist denn hier so wider die Natur?
     Ich kann's nicht finden, sage mir's – oh! laß
     Des Aberglaubens nächtliche Gespenster
     Nicht deines hellen Geistes Meister werden!
     Du bist des Hochverrats verklagt; ob mit
     – Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage —
     Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht
     Bedienst, die du besitzest – Ei! wo lebt denn
     Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens
     Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
     Was ist so kühn, das Notwehr nicht entschuldigt?
 
Wallenstein
 
     Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
     Er liebte mich, er hielt mich wert, ich stand
     Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten
     Hat er geehrt wie mich? – Und so zu enden!
 
Gräfin
 
     So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
     Und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis?
     Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
     Zu Regenspurg die treuen Dienste lohnte?
     Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;
     Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,
     Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen,
     Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,
     Wei du allein gelebt für deinen Kaiser.
     An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme
     Dich fest, der auf dem Rgenspurger Tag
     Sich gegen dich zusammenzog – da ließ er
     Dich fallen! Ließ dich fallen! Dich dem Bayern,
     Dem Übermütigen, zum Opfer fallen!
     Sag nicht, daß die zurückgegebne Würde
     Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.
     Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
     Dich stellte das Gesetz der herben Not
     An diesen Platz, den man dir gern verweigert.
 
Wallenstein
 
     Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
     Noch seiner Neigung dank ich dieses Amt.
     Mißbrauch ich's, so mißbrauch ich kein Vertrauen.
 
Gräfin
 
     Vertrauen? Neigung? – Man bedurfte deiner!
     Die ungestüme Presserin, die Not,
     Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
     Gedient ist, die die Tat will, nicht das Zeichen,
     Den Größten immer aufsucht und den Besten,
     Ihn an das Ruder stellt, und müßt sie ihn
     Aufgreifen aus dem Pöbel selbst – die setzte dich
     In dieses Amt und schrieb dir die Bestallung.
     Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
     Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
     Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst —
     Doch wenn das Äußerste ihm nahe tritt,
     Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt
     Es in die starken Hände der Natur,
     Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
     Nichts von Verträgen weiß und nur auf ihre
     Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.
 
Wallenstein
 
     Wahr ist's! Sie sahn mich immer, wie ich bin,
     Ich hab sie in dem Kaufe nicht betrogen,
     Denn nie hielt ich's der Mühe wert, die kühn
     Umgreifende Gemütsart zu verbergen.
 
Gräfin
 
     Vielmehr – du hast dich furchtbar stets gezeigt.
     Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,
     Die haben Unrecht, die dich fürchteten
     Und doch die Macht dir in die Hände gaben.
     Denn Recht hat jeder eigene Charakter,
     Der übereinstimmt mit sich selber, es gibt
     Kein andres Unrecht als den Widerspruch.
     Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren
     Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,
     Die Geißel schwangest über alle Länder,
     Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,
     Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
     Und jede Landeshoheit niedertratst,
     Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?
     Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
     Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!
     Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,
     Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten
     Sein kaiserliches Siegel auf. Was damals
     Gerecht war, weil du's für ihn tatst, ist's heute
     Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
     Gerichtet wird?
 
Wallenstein. (aufstehend)
 
     Von dieser Seite sah ich's nie – Ja! dem
     Ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser
     Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,
     Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.
     Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,
     Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.
 
Gräfin
 
     Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
     Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,
     Nur von der Macht und der Gelegenheit!
     Der Augenblick ist da, wo du die Summe
     Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,
     Die Zeichen stehen sieghaft über dir,
     Glück winken die Planeten dir herunter
     Und rufen: es ist an der Zeit! Hast du
     Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf
     Gemessen? – den Quadranten und den Zirkel
     Geführt? – den Zodiak, die Himmelskugel
     Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum
     Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
     Die sieben Herrscher des Geschicks,
     Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
     Führt alle diese Zurüstung zu nichts,
     Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,
     Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
     Vermag im Augenblick der Entscheidung?
 
Wallenstein. (ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem Gemüt auf und ab gegangen und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin unterbrechend)
 
     Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
     drei Boten satteln.
 
Illo
 
     Nun, gelobt sei Gott!
 

(Eilt hinaus.)

 
Wallenstein
 
     Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn
     Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,
     Und ich erwart es, daß der Rache Stahl
     Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
     Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät,
     Erfreuliches zu ernten. Jede Untat
     Trägt ihren eignen Rach-Engel schon,
     Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.
     Er kann mir nicht mehr traun, – so kann ich auch
     Nicht mehr zurück. Geschehe denn, was muß.
     Recht stets behält das Schicksa, denn das Herz
     In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
 

(Zu Terzky.)

 
     Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,
     Die Boten will ich selber sprechen. Schickt
     Nach dem Octavio!
 

(Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.)

 
     Frohlocke nicht!
     Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
     Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
     Den Samen legen wir in ihre Hände,
     Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
 

(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.)

Zweiter Aufzug

Ein Zimmer

Erster Auftritt

Wallenstein. Octavio Piccolomini. Bald darauf Max Piccolomini.

Wallenstein
 
     Mir meldet er aus Linz, er läge krank,
     Doch hab ich sichre Nachricht, daß er sich
     Zu Frauenberg versteckt beim Grafen Gallas.
     Nimm beide fest und und schick sie mir hieher.
     Du übernimmst die spanischen Regimenter,
     Machst immer Anstalt und bist niemals fertig,
     Und treiben sie dich, gegen mich zu ziehn,
     So sagst du Ja und bleibst gefesselt stehn.
     Ich weiß, daß dir ein Dienst damit geschieht,
     In diesem Spiel dich müßig zu verhalten.
     Du rettest gern, so lang du kannst, den Schein;
     Extreme Schritte sind nicht deine Sache,
     Drum hab ich diese Rolle für dich ausgesucht,
     Du wirst mir durch dein Nichtstun diesesmal
     Am nützlichsten – Erklärt sich unterdessen
     Das Glück für mich, so weißt du, was zu tun.
 

(Max Piccolomini tritt ein.)

 
     Jetzt, Alter, geh. Du mußt heut nacht noch fort.
     Nimm meine eignen Pferde. – Diesen da
     Behalt ich hier – Macht's mit dem Abschied kurz!
     Wir werden uns ja, denk ich, alle froh
     Und glücklich wiedersehn.
 
Octavio. (zu seinem Sohn)
 
     Wir sprechen uns noch.
 

(Geht ab.)

Zweiter Auftritt

Wallenstein. Max Piccolomini.

Max. (nähert sich ihm.)
 
     Mein General —
 
Wallenstein
 
     Der bin ich nicht mehr,
     Wenn du des Kaisers Offizier dich nennst.
 
Max
 
     So bleibt's dabei, du willst das Heer verlassen?
 
Wallenstein
 
     Ich hab des Kaisers Dienst entsagt.
 
Max
 
     Und willst das Heer verlassen?
 
Wallenstein
 
     Vielmehr hoff ich,
     Mir's enger noch und fester zu verbinden.
 

(Er setzt sich.)

 
     Ja, Max. Nicht eher wollt' ich dir's eröffnen,
     Als bis des Handelns Stunde würde schlagen.
     Der Jugend glückliches Gefühl ergreift
     Das Rechte leicht, und eine Freude ist's,
     Das eigne Urteil prüfend auszuüben,
     Wo das Exempel rein zu lösen ist.
     Doch, wo von zwei gewissen Übeln eins
     Ergriffen werden muß, wo sich das Herz
     Nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten,
     Da ist es Wohltat, keine Wahl zu haben,
     Und eine Gunst ist die Notwendigkeit.
     – Die ist vorhanden. Blicke nicht zurück.
     Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwärts!
     Urteile nicht! Bereite dich, zu handeln.
     – Der Hof hat meinen Untergang beschlossen,
     Drum bin ich willens, ihm zuvorzukommen.
     – Wir werden mit den Schweden uns verbinden.
     Sehr wackre Leute sind's und gute Freunde.
 

(Hält ein, Piccolominis Antwort erwartend.)

 
     – Ich hab dich überrascht. Antwort mir nicht.
     Ich will dir Zeit vergönnen, dich zu fassen.
 

(Er steht auf und geht nach hinten. Max steht lange unbeweglich, in den heftigsten Schmerz versetzt; wie er eine Bewegung macht, kömmt Wallenstein zurück und stellt sich vor ihn.)

Max
 
     Mein General! – Du machst mich heute mündig.
     Denn bis auf diesen Tag war mir's erspart,
     Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung.
     Dir folgt' ich unbedingt. Auf dich nur braucht' ich
     Zu sehn und war des rechten Pfads gewiß.
     Zum ersten Male heut verweisest du
     Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl
     Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen.
 
Wallenstein
 
     Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick,
     Du konntest spielend deine Pflichten üben,
     Jedwedem schönen Trieb Genüge tun,
     Mit ungeteiltem Herzen immer handeln.
     So kann's nicht ferner bleiben. Feindlich scheiden
     Die Wege sich. Mit Pflichten streiten Pflichten.
     Du mußt Partei ergreifen in dem Krieg,
     Der zwischen deinem Freund und deinem Kaiser
     Sich jetzt entzündet.
 
Max
 
     Krieg! Ist das der Name?
     Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen,
     Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.
     Ist das ein guter Krieg, den du dem Kaiser
     Bereitest mit des Kaisers eignem Heer?
     O Gott des Himmels! was ist das für eine
     Veränderung! Ziemt solche Sprache mir
     Mit dir, der wie der feste Stern des Pols
     Mir als die Lebensregel vorgeschienen!
     Oh! welchen Riß erregst du mir im Herzen!
     Der alten Ehrfurcht eingewachsnen Trieb
     Und des Gehorsams heilige Gewohnheit
     Soll ich versagen lernen deinem Namen?
     Nein! wende nicht dein Angesicht zu mir!
     Es war mir immer eines Gottes Antlitz,
     Kann über mich nicht gleich die Macht verlieren;
     Die Sinne sind in deinen Banden noch,
     Hat gleich die Seele blutend sich befreit!
 
Wallenstein
 
     Max, hör mich an.
 
Max
 
     Oh! tu es nicht! Tu's nicht!
     Sieh! deine reinen, edeln Züge wissen
     Noch nichts von dieser unglücksel'gen Tat.
     Bloß deine Einbildung befleckte sie,
     Die Unschuld will sich nicht vertreiben lassen
     Aus deiner hoheitblickenden Gestalt.
     Wirf ihn heraus, den schwarzen Fleck, den Feind.
     Ein böser Traum bloß ist es dann gewesen,
     Der jede sichre Tugend warnt. Es mag
     Die Menschheit solche Augenblicke haben,
     Doch siegen muß das glückliche Gefühl.
     Nein, du wirst so nicht endigen. Das würde
     Verrufen bei den Menschen jede große
     Natur und jedes mächtige Vermögen,
     Recht geben würd' es dem gemeinen Wahn,
     Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt
     Und nur der Ohnmacht sich vertrauen mag.
 
Wallenstein
 
     Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart es.
     Mir selbst schon sagt' ich, was du sagen kannst.
     Wer miede nicht, wenn er's umgehen kann,
     Das Äußerste! Doch hier ist keine Wahl,
     Ich muß Gewalt ausüben oder leiden —
     So steht der Fall. Nichts anders bleibt mir übrig.
 
Max
 
     Sei's denn! Behaupte dich in deinem Posten
     Gewaltsam, widersetze dich dem Kaiser,
     Wenn's sein muß, treib's zur offenen Empörung,
     Nicht loben werd ich's, doch ich kann's verzeihn,
     Will, was ich nicht gut heiße, mit dir teilen.
     Nur – zum Verräter werde nicht! Das Wort
     Ist ausgesprochen. Zum Verräter nicht!
     Das ist kein überschrittnes Maß, kein Fehler,
     Wohin der Mut verirrt in seiner Kraft.
     Oh! das ist ganz was anders – das ist schwarz,
     Schwarz, wie die Hölle!
 
Wallenstein. (mit finsterm Stirnfalten, doch gemäßigt)
 
     Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
     Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide;
     Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck
     Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.
     Gleich heißt ihr alles schändlich oder würdig,
     Bös oder gut – und was die Einbildung
     Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
     Das bürdet sie den Sachen auf und Wesen.
     Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit.
     Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
     Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen;
     Wo eines Platz nimmt, muß das andre rücken,
     Wer nicht vertrieben sein will, muß vertreiben;
     Da herrscht der Streit, und nur die Stärke siegt.
     – Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
     Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
     Im leichten Feuer mit dem Salamander
     Und hält sich rein im reinen Element.
     Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,
     Und zu der Erde zieht mich die Begierde.
     Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
     Dem guten. Was die Göttlichen uns senden
     Von oben, sind nur allgemeine Güter;
     Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
     In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
     Den Edelstein, das allgeschätzte Gold
     Muß man den falschen Mächten abgewinnen,
     Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.
     Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,
     Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
     Die Seele hätte rein zurückgezogen.
 
Max. (mit Bedeutung)
 
     Oh! fürchte, fürchte diese falschen Mächte!
     Sie haltennicht Wort! Es sind Lügengeister,
     Die dich berückend in den Abgrund ziehn.
     Trau ihnen nicht! Ich warne dich – Oh! kehre
     Zurück zu deiner Pflicht. Gewiß! du kannst's!
     Schick mich nach Wien. Ja, tue das. Laß mich,
     Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiser.
     Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich,
     Er soll dich sehn mit meinem reinen Auge,
     Und sein Vertrauen bring ich dir zurück.
 
Wallenstein
 
     Es ist zu spät. Du weißt nicht, was geschehn.
 
Max
 
     Und wär's zu spät – und wär' es auch soweit,
     Daß ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet,
     So falle! Falle würdig, wie du standst.
     Verliere das Kommando. Geh vom Schauplatz.
     Du kannst's mit Glanze, tu's mit Unschuld auch.
     – Du hast für andre viel gelebt, leb endlich
     Einmal dir selber, ich begleite dich,
     Mein Schicksal trenn ich nimmer von dem deinen —
 
Wallenstein
 
     Es ist zu spät. Indem du deine Worte
     Verlierst, ist schon ein Meilenzeiger nach dem andern
     Zurückgelegt von meinen Eilenden,
     Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen.
     – Ergib dich drein. Wir handeln, wie wir müssen.
     So laß uns das Notwendige mit Würde,
     Mit festem Schritte tun – Was tu ich Schlimmres,
     Als jener Cäsar tat, des Name noch
     Bis heut das Höchste in der Welt benennet?
     Er führte wider Rom die Legionen,
     Die Rom ihm zur Beschützung anvertraut.
     Warf er das Schwert von sich, er war verloren,
     Wie ich es wär', wenn ich entwaffnete.
     Ich spüre was in mir von seinem Geist.
     Gib mir sein Glück, das andre will ich tragen.
 

(Max, der bisher in einem schmerzvollen Kampfe gestanden, geht schnell ab. Wallenstein sieht ihm verwundert und betroffen nach und steht in tiefe Gedanken verloren.)