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Wallensteins Tod

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Siebzehnter Auftritt

Vorige. Die Herzogin stürzt ins Zimmer. Ihr folgt Thekla und die Gräfin. Dann Illo.

Herzogin
 
     O Albrecht! Was hast du getan!
 
Wallenstein
 
     Nun das noch!
 
Gräfin
 
     Verzeih mir, Bruder. Ich vermocht' es nicht,
     Sie wissen alles.
 
Herzogin
 
     Was hast du getan!
 
Gräfin. (zu Terzky)
 
     Ist keine Hoffnung mehr? Ist alles denn
     Verloren?
 
Terzky
 
     Alles. Prag ist in des Kaisers Hand,
     Die Regimenter haben neu gehuldigt.
 
Gräfin
 
     Heimtückischer Octavio! – Und auch
     Graf Max ist fort?
 
Terzky
 
     Wo sollt er sein? Er ist
     Mit seinem Vater über zu dem Kaiser.
 

(Thekla stürzt in die Arme ihrer Mutter, das Gesicht an ihrem Busen verbergend.)

Herzogin. (sie in die Arme schließend)
 
     Unglücklich Kind! Unglücklichere Mutter!
 
Wallenstein. (beiseite gehend mit Terzky)
 
     Laß einen Reisewagen schnell bereit sein
     Im Hinterhofe, diese wegzubringen.
 

(Auf die Frauen zeigend.)

 
     Der Scherfenberg kann mit, der ist uns treu,
     Nach Eger bringt er sie, wir folgen nach.
 

(Zu Illo, der wiederkommt.)

 
     Du bringst sie nicht zurück?
 
Illo
 
     Hörst du den Auflauf?
     Das ganze Korps der Pappenheimer ist
     Im Anzug. Sie verlangen ihren Oberst,
     Den Max zurück, er sei hier auf dem Schloß,
     Behaupten sie, du haltest ihn mit Zwang,
     Und wenn du ihn nicht losgebst, werde man
     Ihn mit dem Schwerte zu befreien wissen.
 

(Alle stehen erstaunt.)

Wallenstein
 
     Sagt' ich's nicht?
     O mein wahrsagend Herz! Er ist noch hier.
     Er hat mich nicht verraten, hat es nicht
     Vermocht – Ich habe nie daran gezweifelt.
 
Gräfin
 
     Ist er noch hier, o dann ist alles gut,
     Dann weiß ich, was ihn ewig halten soll!
 

(Thekla umarmend.)

Terzky
 
     Es kann nicht sein. Bedenke doch! Der Alte
     Hat uns verraten, ist zum Kaiser über,
     Wie kann er's wagen, hierzusein?
 
Illo. (zum Wallenstein)
 
     Den Jagdzug,
     Den du ihm kürzlich schenktest, sah ich noch
     Vor wenig Stunden übern Markt wegführen.
 
Gräfin
 
     O Nichte, dann ist er nicht weit!
 
Thekla. (hat den Blick nach der Türe geheftet und ruft lebhaft)
 
     Da ist er!
 

Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen. Max Piccolomini.

Max. (mitten in den Saal tretend)
 
     Ja! Ja! da ist er! Ich vermag's nicht länger,
     Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,
     Den günst'gen Augenblick verstohlen zu
     Erlauern – Dieses Harren, diese Angst
     Geht über meine Kräfte!
 

(Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme geworfen.)

 
     O sieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel.
     Bekenn es frei vor allen. Fürchte niemand.
     Es höre, wer es will, daß wir uns lieben.
     Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis
     Ist für die Glücklichen; das Unglück braucht,
     Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,
     Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.
 

(Er bemerkt die Gräfin, welche mit frohlockendem Gesicht auf Thekla blickt.)

 
     Nein, Base Terzky! Seht mich nicht erwartend,
     Sicht hoffend an! Ich komme nicht zu bleiben.
     Abschied zu nehmen, komm ich – Es ist aus.
     Ich muß, muß dich verlassen, Thekla – muß!
     Doch deinen Haß kann ich nicht mit mir nehmen.
     Nur einen Blick des Mitleids gönne mir,
     Sag, daß du mich nicht hassest. Sag mir's, Thekla.
 

(Indem er ihre Hand faßt, heftig bewegt.)

 
     O Gott! – Gott! Ich kann nicht von dieser Stelle.
     Ich kann es nicht – kann diese Hand nicht lassen.
     Sag, Thekla, daß du Mitleid mit mir hast,
     Dich selber überzeugst, ich kann nicht anders.
 

(Thekla, seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater;

 
er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.)
     Du hier? – Nicht du bist's, den ich hier gesucht.
     Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.
     Ich hab es nur mit ihr allein. Hier will ich,
     Von diesem Herzen freigesprochen sein,
     An allem andern ist nichts mehr gelegen.
 
Wallenstein
 
     Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen
     Und eine Großmutsszene mit dir spielen?
     Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,
     Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht
     Umsonst in meine Macht gegeben sein.
     Denk nicht, daß ich die alte Freundschaft ehren werde,
     Die er so ruchlos hat verletzt. Die Zeiten
     Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,
     Und Haß und Rache kommen an die Reihe.
     Ich kann auch Unmensch sein, wie er.
 
Max
 
     Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.
     Wohl aber weißt du, daß ich deinem Zorn
     Nicht trotze, noch ihn fürchte. Was mich hier
     Zurückhält, weißt du!
 

(Thekla bei der Hand fassend.)

 
     Sieh! Alles – alles wollt' ich dir verdanken,
     Das Los der Seligen wollt' ich empfangen
     Aus deiner väterlichen Hand. Du hast's
     Zerstört, doch daran liegt dir nichts. Gleichgültig
     Trittst du das Glück der Deinen in den Staub,
     Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.
     Wie das gemütlos blinde Element,
     Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schließen,
     Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.
     Weh denen, die auf dich vertraun, an dich
     Die sichre Hütte ihres Glückes lehnen,
     Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!
     Schnell, unverhofft, bei nächtlich stiller Weile
     Gärt's in dem tück'schen Feuerschlunde, ladet
     Sich aus mit tobender Gewalt, und weg
     Treibt über alle Pflanzungen der Menschen
     Der wilde Strom in grausender Zerstörung.
 
Wallenstein
 
     Du schilderst deines Vaters Herz. Wie du's
     Beschreibst, so ist's in seinem Eingeweide,
     In dieser schwarzen Heuchlers Brust gestaltet.
     O mich hat Höllenkunst getäuscht. Mir sandte
     Der Abgrund den verstecktesten der Geister,
     Den Lügenkundigsten herauf und stellt ihn
     Als Freund an meine Seite. Wer vermag
     Der Hölle Macht zu widerstehn! Ich zog
     Des Basilisken auf an meinem Busen,
     Mit meinem Herzblut nährt' ich ihn, er sog
     Sich schwelgend voll an meiner Liebe Brüsten,
     Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,
     Weit offen ließ ich des Gedankens Tore
     Und warf die Schlüssel weiser Vorsicht weg —
     Am Sternenhimmel suchten meine Augen,
     Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
     Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.
     – Wär' ich dem Ferdinand gewesen, was
     Octavio mir war – Ich hätt' ihm nie
     Krieg angekündigt – nie hätt' ich's vermocht.
     Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,
     Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.
     Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er
     Den Feldherrnstab in meine Hände legte;
     Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,
     Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.
     Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet
     Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter.
 
Max
 
     Ich will den Vater nicht verteidigen.
     Weh mir, daß ich's nicht kann!
     Unglücklich schwere Taten sind geschehn,
     Und eine Frevelhandlung faßt die andre
     In enggeschloßner Kette grausend an.
     Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,
     In diesen Kreis des Unglücks und Verbrechens?
     Wem brachen wir die Treue? Warum muß
     Der Väter Doppelschuld und Freveltat
     Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden?
     Warum der Väter unversöhnter Haß
     Auch uns, die Liebenden, zerreißend scheiden?
 

(Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.)

 
Wallenstein. (hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und
 
     nähert sich jetzt).
     Max! Bleibe bei mir. – Geh nicht von mir, Max!
     Sieh, als man dich im pragschen Winterlager
     Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,
     Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand
     War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,
     Du wolltst männlich sie nicht lassen, damals nahm ich
     Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,
     Ich selbst war deine Wärterin, nicht schämt' ich
     Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner
     Mit weiblich sorgender Geschäftigkeit,
     Bis du, von mir erwärmt, an meinem Herzen,
     Das junge Leben wieder freudig fühltest.
     Wann hab ich seitdem meinen Sinn verändert?
     Ich habe viele Tausend reich gemacht,
     Mit Ländereien sie beschenkt, belohnt
     Mit Ehrenstellen – dich hab ich geliebt,
     Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.
     Sie alle waren Fremdlinge, du warst
     Das Kind des Hauses – Max! du kannst mich nicht
     verlassen!
     Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glauben,
     Daß mich der Max verlassen kann.
 
Max
 
     O Gott!
 
Wallenstein
 
     Ich habe dich gehalten und getragen
     Von Kindesbeinen an – Was tat dein Vater
     Für dich, das ich nicht reichlich auch getan?
     Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,
     Zerreiß es, wenn du kannst – Du bist an mich
     Geknüpft mit jedem zarten Seelenbande,
     Mit jeder heil'gen Fessel der Natur,
     Die Menschen aneinanderketten kannn.
     Geh hin, verlaß mich, diene deinem Kaiser,
     Laß dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,
     Mit seinem Widderfell dafür belohnen,
     Daß dir der Freund, der Vater deiner Jugend,
     Daß dir das heiligste Gefühl nichts galt.
 
Max. (in heftigem Kampf)
 
     O Gott! Wie kann ich anders? Muß ich nicht?
     Mein Eid – die Pflicht —
 
Wallenstein
 
     Pflicht, gegen wen? Wer bist du?
     Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ist's
     Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehörst
     Du dir? Bist du dein eigener Gebieter,
     Stehst frei da in der Welt, wie ich, daß du
     Der Täter deiner Taten könntest sein?
     Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,
     Mir angehören, mir gehorchen, das
     Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.
     Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,
     Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft
     Auf ein nächste Welt und sie entzündet,
     Dukannst nicht wählen, ob du folgen willst,
     Fort reißt er dich in seines Schwunges Kraft
     Samt seinem Ring und allen seinen Monden.
     Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,
     Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird's loben,
     Daß dir der Freund das meiste hat gegolten.
 

Neunzehnter Auftritt

Vorige. Neumann.

Wallenstein
 
     Was gibt's?
 
Neumann
 
     Die Pappenheimischen sind abgesessen
     Und rücken an zu Fuß; sie sind entschlossen,
     Den Degen in der Hand das Haus zu stürmen,
     Den Grafen wollen sie befrein.
 
Wallenstein. (zu Terzky)
 
     Man soll
     Die Ketten vorziehn, das Geschütz aufpflanzen.
     Mit Kettenkugeln will ich sie empfangen.
 

(Terzky geht.)

 
     Mir vorzuschreiben mit dem Schwert! Geh, Neumann,
     Sie sollen sich zurückziehn, augenblicks,
     Ist mein Befehl, und in der Ordnung schweigend warten,
     Was mir gefallen wird zu tun.
 

(Neumann geht ab. Illo ist ans Fenster getreten.)

Gräfin
 
     Entlaß ihn.
     Ich bitte dich, entlaß ihn!
 
Illo. (am Fenster)
 
     Tod und Teufel!
 
Wallenstein
 
     Was ist's?
 
Illo
 
     Aufs Rathaus steigen sie, das Dach
     Wird abgedeckt, sie richten die Kanonen
     Aufs Haus —
 
Max
 
     Die Rasenden!
 
Illo
 
     Sie machen Anstalt,
     Uns zu beschießen —
     Herzogin und Gräfin.
     Gott im Himmel!
 
Max. (zu Wallenstein)
 
     Laß mich
     Hinunter, sie bedeuten —
 
Wallenstein
 
     Keinen Schritt!
 
Max. (auf Thekla und die Herzogin zeigend)
 
     Ihr Leben aber! Deins!
 
Wallenstein
 
     Was bringst du, Terzky?
 

Zwanzigster Auftritt

Vorige. Terzky kommt zurück.

Terzky
 
     Botschaft von unsern treuen Regimentern.
     Ihr Mut sei länger nicht zu bändigen,
     Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen,
     Vom Prager- und vom Mühl-Tor sind sie Herr,
     Und wenn du nur die Losung wolltest geben,
     So könnten sie den Feind im Rücken fassen,
     Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge
     Der Straßen leicht ihn überwältigen.
 
Illo
 
     O komm! Laß ihren Eifer nicht erkalten.
     Die Buttlerischen halten treu zu uns,
     Wir sind die größre Zahl und werfen sie
     Und enden hier in Pilsen die Empörung.
 
Wallenstein
 
     Soll diese Stadt zum Schlachtgefilde werden
     Und brüderliche Zwietracht, feueraugig,
     Durch ihre Straßen losgelassen toben?
     Dem tauben Grimm, der keinen Führer hört,
     Soll die Entscheidung übergeben sein?
     Hier ist nicht Raum zum Schlagen, nur zum Würgen;
     Die losgebundnen Furien der Wut
     Ruft keines Herrschers Stimme mehr zurück.
     Wohl, es mag sein! Ich hab es lang bedacht,
     So mag sich's rasch und blutig denn entladen.
 

(Zu Max gewendet.)

 
     Wie ist's? Willst du den Gang mit mir versuchen?
     Freiheit zu gehen hast du. Stelle dich
     Mir gegenüber. Führe sie zum Kampf.
     Den Krieg verstehst du, hast bei mir etwas
     Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht schämen,
     Und keinen schönern Tag erlebst du, mir
     Die Schule zu bezahlen.
 
Gräfin
 
     Ist es dahin
     Gekommen? Vetter! Vetter! könnt Ihr's tragen?
 
Max
 
     Die Regimenter, die mir anvertraut sind,
     Dem Kaiser treu hinwegzuführen, hab ich
     Gelobt; dies will ich halten oder sterben.
     Mehr fordert keine Pflicht von mir. Ich fechte
     Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann,
     Denn auch dein feindlich Haupt ist mir noch heilig.
 

(Es geschehn zwei Schüsse. Illo und Terzky eilen ans Fenster.)

Wallenstein
 
     Was ist das?
 
Terzky
 
     Er stürzt.
     Wallenstein.
     Stürzt! Wer?
 
Illo
 
     Die Tiefenbacher taten
     Den Schuß.
 
Wallenstein
 
     Auf wen?
 
Illo
 
     Auf diesen Neumann, den
     Du schicktest —
 
Wallenstein. (auffahrend)
 
     Tod und Teufel! So will ich —
 

(Will gehen.)

Terzky
 
     Dich ihrer blinden Wut entgegenstellen?
     Herzogin und Gräfin.
     Um Gotteswillen nicht!
 
Illo
 
     Jetzt nicht, mein Feldherr.
 
Gräfin
 
     O halt ihn! halt ihn!
 
Wallenstein
 
     Laßt mich!
 
Max
 
     Tu es nicht,
     Jetzt nicht. Die blutig rasche Tat hat sie
     In Wut gesetzt, erwarte ihre Reue —
 
Wallenstein
 
     Hinweg! Zu lange schon hab ich gezaudert.
     Das konnten sie sich freventlich erkühnen,
     Weil sie mein Angesicht nicht sahn – sie sollen
     Mein Antlitz sehen, meine Stimme hören —
     Sind es nicht meine Truppen? Bin ich nicht
     Ihr Feldherr und gefürchteter Gebieter?
     Laß sehn, ob sie das Antlitz nicht mehr kennen,
     Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht.
     Es braucht der Waffen nicht. Ich zeige mich
     Vom Altan dem Rebellenherr, und schnell
     Bezähmt, gebt acht, kehrt der empörte Sinn
     Ins alte Bette des Gehorsams wieder.
 

(Er geht. Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.)

Einundzwanzigster Auftritt

Gräfin. Herzogin. Max und Thekla.

Gräfin. (zur Herzogin)
 
     Wenn sie ihn sehn – Es ist noch Hoffnung, Schwester.
 
Herzogin
 
     Hoffnung! Ich habe keine.
 
Max. (der während des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf von ferne gestanden, tritt näher)
 
     Das ertrag ich nicht.
     Ich kam hierher mit fest entschiedner Seele,
     Ich glaubte, recht und tadellos zu tun,
     Und muß hier stehen, wie ein Hassenswerter,
     Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,
     Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,
     Unwürdig schwer bedrängt die Lieben sehn,
     Die ich mit einem Wort beglücken kann —
     Das Herz in mir empört sich, es erheben
     Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,
     In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.
     O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,
     Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz,
     Ich stehe wankend, weiß nicht, was ich soll.
 
Gräfin
 
     Sie wissen's nicht? Ihr Herz sagt's Ihnen nicht?
     So will ich's Ihnen sagen!
     Ihr Vater hat den schreienden Verrat
     An uns begangen, an des Fürsten Haupt
     Gefrevelt, uns in Schmach gestürzt, daraus
     Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen:
     Gutmachen, was der Schändliche verbrochen,
     Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,
     Daß nicht der Name Piccolomini
     Ein Schandlied sei, ein ew'ger Fluch im Haus
     Der Wallensteiner.
 
Max
 
     Wo ist eine Stimme
     Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle
     Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft. Daß jetzt
     Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,
     Das Rechte mir, das unverfälschte, schöpfte
     Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!
 

(Indem seine Augen auf Thekla fallen.)

 
 
     Wie? Such ich diesen Engel noch? Erwart ich
     Noch einen andern?
 

(Er nähert sich ihr, den Arm um sie schlagend.)

 
     Hier, auf dieses Herz,
     Das unfehlbare, heilig reine will
     Ich's legen, deine Liebe will ich fragen,
     Die nur den Glücklichen beglücken kann,
     Vom unglückselig Schuldigen sich wendet.
     Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?
     Erkläre, daß du's kannst, und ich bin euer.
 
Gräfin. (mit Bedeutung)
 
     Bedenkt —
 
Max. (unterbricht sie)
 
     Bedenke nichts. Sag, wie du's fühlst.
 
Gräfin
 
     An Euren Vater denkt —
 
Max. (unterbricht sie)
 
     Nicht Friedlands Tochter,
     Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!
     Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen,
     Das möchtst du mit klugem Geist bedenken.
     Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glück
     Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,
     Die seine Tat zum Muster nehmen werden.
     Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwören?
     Soll ich ins Lager des Octavio
     Die vatermörderische Kugel senden?
     Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,
     Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,
     Ein Geist fährt in sie, die Erinnyen
     Ergreifen sie, des Frevels Rächerinnen,
     Und führen tückisch sie den ärgsten Weg.
 
Thekla
 
     O Max —
 
Max. (unterbricht sie)
 
     Nein, übereile dich auch nicht.
     Ich kenne dich. Dem edeln Herzen könnte
     Die schwerste Pflicht die nächste scheinen. Nicht
     Das Große, nur das Menschliche geschehe.
     Denk, was der Fürst von je an mir getan;
     Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten,
     O auch die schönen, freien Regungen
     Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue
     Sind eine heilige Religion dem Herzen,
     Schwer rächen sie die Schauder der Natur
     An dem Barbaren, der sie gräßlich schändet.
     Leg alles, alles in die Waage, sprich
     Und laß dein Herz entscheiden.
 
Thekla
 
     O das deine
     Hat längst entschieden. Folge deinem ersten
     Gefühl —
 
Gräfin
 
     Unglückliche!
 
Thekla
 
     Wie könnte das
     Das Rechte sein, was dieses zarte Herz
     Nicht gleich zuerst ergriffen und gefunden?
     Geh und erfülle deine Pflicht. Ich würde
     Dich immer lieben. Was du auch erwählt,
     Du würdest edel stets und deiner würdig
     Gehandelt haben – aber Reue soll
     Nicht deiner Seele schönen Frieden stören.
 
Max
 
     So muß ich dich verlassen, von dir scheiden!
 
Thekla
 
     Wie du dir selbst getreu bleibst, bist du's mir.
     Uns trennt das Schicksal, unsre Herzen bleiben einig.
     Ein blut'ger Haß entzweit auf ew'ge Tage
     Die Häuser Friedland, Piccolomini,
     Doch wir gehören nicht zu unserm Hause.
     – Fort! Eile! Eile, deine gute Sache
     Von unsrer unglückseligen zu trennen.
     Auf unserm Haupte liegt der Fluch des Himmels,
     Es ist dem Untergang geweiht. Auch mich
     Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben
     Hinabziehn. Traure nicht um mich, mein Schicksal
     Wird bald entschieden sein.
 

(Max faßt sie in die Arme, heftig bewegt. Man hört hinter der Szene ein lautes, wildes, langverhallendes Geschrei: "Vivat Ferdinandus!" von kriegerischen Instrumenten begleitet. Max und Thekla halten einander unbeweglich in den Armen.)

Zweiundzwanzigster Auftritt

Vorige. Terzky.

Gräfin. (ihm entgegen)
 
     Was war das? Was bedeutete das Rufen?
 
Terzky
 
     Es ist vorbei, und alles ist verloren.
 
Gräfin
 
     Wie, und sie gaben nichts auf seinen Anblick?
 
Terzky
 
     Nichts. Alles war umsonst.
 
Herzogin
 
     Sie riefen Vivat.
 
Terzky
 
     Dem Kaiser.
 
Gräfin
 
     O die Pflichtvergessenen!
 
Terzky
 
     Man ließ ihn nicht einmal zum Worte kommen.
     Als er zu reden anfing, fielen sie
     Mit kriegerischem Spiel betäubend ein.
     – Hier kommt er.
 

Dreiundzwanzigster Auftritt

Vorige. Wallenstein, begleitet von Illo und Buttler.

Darauf Kürassiere
Wallenstein. (im Kommen)
 
     Terzky!
 
Terzky
 
     Mein Fürst?
 
Wallenstein
 
     Laß unsre Regimenter
     Sich fertig halten, heut noch aufzubrechen,
     Denn wir verlassen Pilsen noch vor Abend.
 

(Terzky geht ab.)

 
     Buttler —
 
Buttler
 
     Mein General? —
 
Wallenstein
 
     Der Kommendant zu Eger
     Ist Euer Freund und Landsmann. Schreibt ihm gleich
     Durch einen Eilenden, er soll bereit sein,
     Uns morgen in die Festung einzunehmen —
     Ihr folgt uns selbst mit Euerm Regiment.
 
Buttler
 
     Es soll geschehn, mein Feldherr.
 
Wallenstein. (tritt zwischen Max und Thekla, welche sich während dieser Zeit fest umschlungen gehalten) Scheidet!
 
Max. Gott! (Kürassiere mit gezogenem Gewehr treten in den Saal und sammeln sich im Hintergrunde. Zugleich hört man unten einige mutige Passagen aus dem Pappenheimer Marsch, welche dem Max zu rufen scheinen.)
 
Wallenstein. (zu den Kürassieren)
 
     Hier ist er. Er ist frei. Ich halt ihn nicht mehr.
 

(Er steht abgewendet und so, daß Max ihm nicht beikommen, noch

 
sich dem Fräulein nähern kann.)
 
Max
 
     Du hassest mich, treibst mich im Zorn von dir.
     Zerreißen soll das Band der alten Liebe,
     Nicht sanft sich lösen, und du willst den Riß,
     Den schmerzlichen, mir schmerzlicher noch machen!
     Du weißt, ich habe ohne dich zu leben
     Noch nicht gelernt – in eine Wüste geh ich
     Hinaus, und alles, was mir wert ist, alles
     Bleibt hier zurück – O wende deine Augen
     Nicht von mir weg! Noch einmal zeige mir
     Dein ewig teures und verehrtes Antlitz.
     Verstoß mich nicht —
 

(Er will seine Hand fassen. Wallenstein zieht sie zurück. Er

 
wendet sich an die Gräfin.)
Ist hier kein andres Auge,
     Das Mitleid für mich hätte – Base Terzky —
 

(Sie wendet sich von ihm; er kehrt sich zur Herzogin.)

 
     Ehrwürd'ge Mutter —
 
Herzogin
 
     Gehn Sie, Graf, wohin
     Die Pflicht Sie ruft – So können Sie uns einst
     Ein treuer Freund, ein guter Engel werden
     Am Thron des Kaisers.
 
Max
 
     Hoffnung geben Sie mir,
     Sie wollen mich nicht ganz verzweifeln lassen.
     O täuschen Sie mich nicht mit leerem Blendwerk,
     Mein Unglück ist gewiß, und Dank dem Himmel!
     Der mir ein Mittel eingibt, es zu enden.
 

(Die Kriegsmusik beginnt wieder. Der Saal füllt sich mehr und

 
mehr mit Bewaffneten an. Er sieht Buttlern dastehn.)
     Ihr auch hier, Oberst Buttler – Und Ihr wollt mir
     Nicht folgen? – Wohl! Bleibt Eurem neuen Herrn
     Getreuer als dem alten. Kommt! Versprecht mir,
     Die Hand gebt mir darauf, daß Ihr sein Leben
     Beschützen, unverletzlich wollt bewahren.
 

(Buttler verweigert seine Hand.)

 
     Des Kaisers Acht hängt über ihm und gibt
     Sein fürstlich Haupt jedwedem Mordknecht preis,
     Der sich den Lohn der Bluttat will verdienen;
     Jetzt tät' ihm eines Freundes fromme Sorge,
     Der Liebe treues Auge not – und die
     Ich scheidend um ihn seh —
 

(Zweideutige Blicke auf Illo und Buttler richtend.)

Illo
 
     Sucht die Verräter
     In Eures Vaters, in des Gallas Lager.
     Hier ist nur einer noch. Geht und befreit uns
     Von seinem hassenswürd'gen Anblick. Geht.
 
(Max versucht es noch einmal, sich der Thekla zu nähern

Wallenstein verhindert es. Er steht unschlüssig, schmerzvoll;

 
indes füllt sich der Saal immer mehr und mehr, und die Hörner
ertönen unten immer auffordernder und in immer kürzeren Pausen.)
 
Max
 
     Blast! Blast! – O wären es die schwed'schen Hörner,
     Und ging's von hier gerad ins Feld des Todes,
     Und alle Schwerter, alle, die ich hier
     Entblößt muß sehn, durchdrängen meinen Busen!
     Was wollt ihr? Kommt ihr, mich von hier
     Hinwegzureißen – o treibt mich nicht zu Verzweiflung!
     Tut's nicht! Ihr könntet es bereun!
 

(Der Saal ist ganz mit Bewaffneten erfüllt.)

 
     Noch mehr – Es hängt Gewicht sich an Gewicht,
     Und ihre Masse zieht mich schwer hinab. —
     Bedenket, was ihr tut. Es ist nicht wohlgetan,
     Zum Führer den Verzweifelnden zu wählen.
     Ihr reißt mich weg von meinem Glück, wohlan,
     Der Rachegöttin weih ich eure Seelen!
     Ihr habt gewählt zum eigenen Verderben,
     Wer mit mir geht, der sei bereit zu sterben!
 

(Indem er sich nach dem Hintergrund wendet, entsteht eine

 
rasche Bewegung unter den Kürassieren, sie umgeben und begleiten
 

ihn in wildem Tumult. Wallenstein bleibt unbeweglich. Thekla

 
sinkt in ihrer Mutter Arme. Der Vorhang fällt.)