Moses, der Wanderer

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Hässliche Gerüchte begleiteten ihn, so lange er denken konnte, selten wurden sie ihm ins Gesicht gesagt, und wenn, dann nur als eine der üblichen Beleidigungen, wie sie unter den jungen Menschen nach dem Unterricht an der Tagesordnung waren. Hinter seinem Rücken aber und nicht nur über ihn wurden schlimme Geschichten erzählt. Ein Früchtchen sei er, Frucht einer kurzen leidenschaftlichen Verbindung zwischen der Prinzessin Thermutis, der Tochter Pharaos, und einem hebräischen Sklaven. Sie habe ihn arbeiten gesehen im Palaste in der Nähe ihrer Gemächer, wie er mit nacktem, verschwitztem Oberkörper Steine behauen habe, habe auf ihrem Balkon gesessen, den süßen Saft der Mango getrunken und habe das Spiel seiner starken Muskeln beobachtet, bis sie, von der Hitze und dem Anblick angestachelt, nicht habe an sich halten können und den Sklaven in ihr Schlafzimmer befohlen habe. Dort habe sie sich ihm ergeben, einen Nachmittag und eine Nacht lang, bis sie ihn, erschöpft von dem Liebesspiel, von sich geschickt habe. Ihre Leibwächter aber, denen ihr Schutz auferlegt gewesen sei, hätten die Begegnung erst zu verhindern gesucht, dann aber geschehen lassen. Um aber sicher zu gehen, dass von dieser Nachlässigkeit und dem Vergehen der Prinzessin niemand Kunde erhalte, hätten sie den Hebräer direkt nach dem Verlassen des Palastes getötet und verscharrt.

Niemand, so wurde gemunkelt, habe von diesem Vorfall etwas mitbekommen, weil die Leibwächter schon zu ihrem eigenen Schutz eisern geschwiegen hätten. Nach fünf Monaten sei es aber nicht zu verheimlichen gewesen, Thermutis sei schwanger gewesen, rund wölbte sich schon ihr Bauch unter dem leichten Leinen, das sie in Zeremonien tragen musste. Sie habe sich dann ihrem Bruder Ramses offenbart, der sehr erbost gewesen sei, aber doch seine Schwester zu sehr liebte. Er habe eine Geburt im Verborgenen organisiert und das Früchtchen seiner Schwester, seinen Neffen, zu Hebräern in Pflege gegeben, bis zum fünften Lebensjahr, danach sei das Kind „Sohn“, eben Moses, genannt und in den Palast genommen worden, wo er bei ägyptischen Pflegeeltern aufgenommen wurde und aufwuchs.

Moses also war, wenn das alles richtig hinter den Rücken der Herrscher und der Betroffenen erzählt wurde, von einer Herkunft, die vornehmer nicht sein konnte, aber eben auch der Sohn eines Hebräersklaven, niedrig von Geburt.

Am Hofe begegnete ihm die Königsfamilie mit Freundlichkeit, Thermutis besonders hatte sich seiner angenommen, ohne aber jemals über das hinaus zu gehen, was sie anderen Günstlingen auch gewährte. Einerseits war Moses stolz auf die Gerüchte, die ihm Verwandtschaft zur königlichen Familie nachsagten, stolz auch darauf, dass er jederzeit Zugang zum königlichen Plast hatte, andererseits verzweifelt über die Unklarheit seiner Herkunft. Wie klar und geregelt waren doch Vergangenheit und Zukunft seiner Kameraden, wie ungewiss seine eigene Zukunft. Früh lernte Moses, für sich allein zu sein, weil in den Gesichtern der anderen die leise Frage nach seiner Existenz zu lesen glaubte. Nur mit Setaou verband ihn eine enge Freundschaft, zu der sich aber Setaou nicht bekannte, wenn sie sich im Kreise ihrer Altersgenossen bewegten. Moses hätte sich gewünscht, sein Freund würde offen zu ihm stehen, auch unter den anderen, dieser Wunsch war aber nicht zu erfüllen.

4.

Und nun war er hier, in Pitom, auf der Suche nach seinen Pflegeeltern, die irgendwann von Theben nach hier geschickt worden waren, ohne dass Moses das mitbekommen hatte und auf der Suche nach seinem Volk, seinen Vätern und war bereit, das Befremden in den Gesichtern der königlichen Beamten zu ertragen.

Moses ging langsam, würdevoll, in Begleitung der zwei hebräischen Kundschafter und zweier Soldaten des Königs, auf denen Ptoma zu seinem Schutz bestanden hatte, aus der Stadt, nach Osten, auf der Suche nach den hebräischen Dörfern. Zwei Stunden waren sie jetzt in der Sonne unterwegs, die, sie waren am frühen Morgen losgegangen, jetzt schon mit unbarmherziger Glut auf sie herunter brannte. Sie trugen das weiße Leinen, das die Sonne und das Ungeziefer von der Haut fernhielt, sie hatten leichte Perücken aufgesetzt, die den Kopf vor der Glut schützten, und dennoch war der Gang fast unerträglich, Moses wurde ausschließlich von seinem Willen, auf die Suche nach den Pflegeeltern zu gehen, angetrieben, seine Begleiter von seinem Befehl. Kein Baum, kein Schatten, nichts milderte die Hitze der Sonne ab, die auf sie hinab strahlte. Endlich, nach einer weiteren halben Stunde, sahen sie eine Ansammlung von Palmen und Bäumen am Rande des Wegs, schattenwerfende Pflanzen, an denen, wie sie aus der Ferne erkannten, eine Gruppe Menschen lagerten. Moses beschleunigte seine Schritte, in der Hoffnung auf eine Ruhepause und auf einen Schluck Wasser, der sich dort finden würde.

Schon von weitem erkannte er, dass er sich einer Wasserstelle näherte, an der ägyptische Soldaten lagerten und in einiger Entfernung eine weitere Gruppe, offenbar hebräische Arbeiter. Ein einzelner Mann kam von den Hebräern auf Moses zu, der nun seinen Leibwächtern und den hebräischen Kundschaftern weit vorausgeeilt war.

Moses erschrak, als er dem Ankommenden entgegen ging und ihn aus der Nähe ansehen konnte. Leicht gebückt ging der Hebräer und humpelte. Die Gestalt war gewissermaßen zusammengezogen, ein riesiger Buckel wuchs aus seinem Rücken und krümmte den Oberkörper und verursachte das Humpeln der im Verhältnis zu dem Oberkörper zu kurzen krummen Beine. Den Kopf hielt der Hebräer schief und sah so, von unten und der Seite hinauf Moses an.

„Woher kommst du, edler Herr?“, fragte er und seine Stimme war heiser, der kriecherische und schmeichlerische Eindruck der Stimme wurde verstärkt dadurch, dass er sich zu verbeugen schien.

„Ich bin Moses und von Pharao geschickt, um ihm über den Fortgang der Arbeiten hier zu unterrichten“, Moses richtete sich innerlich auf und die Antwort fiel arroganter aus als er eigentlich wollte, so, wie ein ägyptischer Edler mit einem buckligen Hebräer eben üblicherweise redete.

„Ich suche in den Hebräerdörfern ein Ehepaar, sie heißen Amram und Jochebed, kennst du sie?“

Der Mund in dem hässlichen Gesicht des Hebräers verzog sich zu einem süßlichen Grinsen.

„Amram suchst du, edler Herr? Amram, lass mich nachdenken“, und der Hebräer legte seine Stirn in angestrengte Falten, um zu zeigen, wie sehr er nachdachte, „Ja, Amram kenne ich, er wohnt in einem der nächsten Dörfer dort drüben“, er machte eine unbestimmte Bewegung mit seinem schlenkernden Arm nach Osten, „du kannst sie von hier aus nicht sehen, aber ich kann dich hinbringen und mit Amram bekannt machen, was willst du denn von ihm?“ Neugierig sah ihn der Hebräer an.

„Was ich von ihm will, fragst du? Geht dich das wohl etwas an?“ Moses hob die Stimme, „wie heißt du, Mann? Soll ich dich an die Soldaten übergeben?“

Erschrocken verbeugte sich der Hebräer nun wirklich trotz seiner Behinderung sehr tief.

„Reuben heiße ich, Herr, und warum du Amram suchst, nein, das geht mich nichts an, wirklich, willst du, dass ich dich hinführe?“

Moses nickte. „Wie lange brauchen wir, um hin zu kommen?“

„Wohl zwei Stunden, wenn wir berücksichtigen, dass ich nicht so schnell gehen kann wie du.“

„Und hast du sonst nichts zu tun? Wieso kannst du hier an der Wasserstelle herumlungern und arbeitest nicht?“

„Herr, meine Arbeit würde wohl niemandem nutzen, ich bin schwach, ich kann kaum etwas tragen, gehen kann ich auch nicht, und so begleite ich manchmal Ägypter, wenn sie sich in den Dörfern meines Volkes nicht auskennen.“

„Gut, Reuben, dann wollen wir an der Wasserstelle etwas trinken und dann gehen wir los.“

Mittlerweile waren die Begleiter Moses herangekommen und sahen ihn mit dem Buckligen stehen und hörten, dass Moses mit ihm allein weiter gehen wollte. Die hebräischen Kundschafter nahmen das teilnahmslos hin, sie waren gewohnt, die Entscheidungen ihrer ägyptischen Herren zu akzeptieren, ohne nach Sinn und Verstand zu fragen, die Leibwächter, die Ptoma Moses mitgegeben hatte, protestierten.

„Allein willst du in das Hebräerdorf gehen, Herr?“, fragte der eine, „weißt du nicht, wie es dort zu geht? Schmutzig, krank sind sie, die Hebräer, du holst dir leicht eine Seuche in deren Dörfern, und dann sind sie ein Volk von Kriminellen, ein Menschenleben bedeutet ihnen nichts, wie leicht kann dir da etwas geschehen.“

„Sieh hier, dafür habe ich meine Arme“, Moses ließ die kräftigen Muskeln spielen, „und gegen Krankheit sind wir alle nicht gefeit, gegen eine solche Krankheit schützt mich auch eure Begleitung nicht. Aber hab Dank für deine Fürsorge, ich werde sie dem Gouverneur zu berichten wissen.“

Und mit einem Kopfnicken entließ Moses seine bisherigen Begleiter und wendete sich Reuben zu. „Komm, gehen wir“, sagte er nur und Reuben ging gehorsam voran.

Nachdem sie an der Wasserstelle ihren Durst gestillt und Moses einige Worte mit dem Befehlshaber der Ägypter gesprochen hatte, machten sie sich auf die Suche. Immer noch war es unerträglich heiß, aber Moses hatte seine Perücke mit Wasser getränkt, so dass er die erste Zeit etwas leichter ging.

Der Weg wurde jetzt zunehmend schlechter. Der Damm, auf dem er bisher geführt hatte, endete nach kurzer Zeit und nun bewegten sie sich auf einer weiten Ebene, die durch mageren Graswuchs gekennzeichnet war, Gras, das jetzt nur schütter und braun stand, weil es lange nicht vom Nilwasser getränkt war. Hochsommer war es und die Menschen warteten sehnsüchtig darauf, dass der Nil über seine Ufer trat, dann würden auch diese Pflanzen sich sehr schnell erholen und grün werden. Einige Male begegneten sie hebräischen Hirten, die kleine Herden von mageren Schafen hüteten, so mager, dass sie außer dem Fell und den Knochen aus Nichts zu bestehen schienen. Reuben sprach sie an, um ihnen seinen Weg und seinen Auftrag zu erklären. Voll Stolz erzählte er ihnen, er habe den Auftrag, diesen ägyptischen Edlen zu führen, wohin, dürfe er nicht sagen. Einmal kamen sie an einem verendeten Schaf vorbei, das die Hirten einfach hatten liegen lassen. Schon von weitem spürten sie den Verwesungsgestank und passierten den aufgedunsenen Kadaver, indem Moses sich ein Tuch vor den Mund hielt, das aber den Gestank nicht abhielt.

 

Nach mehr als einer Stunde kamen sie an eine Ansammlung von Hütten, vor denen hebräische Frauen gingen, saßen oder standen. Schon als sie sich näherten, kamen ihnen Scharen von Kindern entgegen, schreiend, quietschend und laufend, um zu sehen, wer da in ihr Dorf kam. Als sie Moses sahen, der aufrecht, gerade und vornehm hinter Reuben ging, verstummten sie, bildeten ein Spalier bis zu den ersten Hütten, die am Rande des Dorfes standen und betrachteten den Ankömmling neugierig, mit erschreckten Gesichtern. Noch nie hatten sie gesehen, wie ein ägyptischer Edler zu Fuß in ihr Dorf kam. Sonst kamen sie mit Streitwagen, in Hundertschaften, um die Hebräer für angebliche Verbrechen zu strafen oder um Arbeiter zu suchen, die geflüchtet waren.

Langsam und würdevoll schritt Moses auf das Dorf zu und sah die ängstlichen Gesichter der Kinder und die Feindseligkeit bei den Erwachsenen.

„Nun, Reuben, meinst du, dass Amram in diesem Dorf wohnt?“ fragte er seinen Begleiter

„Warte, ich frage eine von diesen Frauen hier, am besten bleibst du hier auf der Straße und ich gehe zu ihnen.“

Reuben ging auf eine Gruppe von Hebräern zu, die, in dunkle schmutzige Wollumhänge gekleidet, vor einer Hütte standen, zu ihnen herübersahen und tuschelten.

Moses sah sich um. Das Dorf enthielt ungefähr fünfundzwanzig dieser Hütten, primitiv errichtet, aus einem Gestell aus Palmenstämmen, und mit Wedeln von Palmen- und Papyrusblättern belegt. Sie waren auf dem blanken Boden errichtet, Moses schauderte, wenn er daran dachte, wie es hier aussehen würde, wenn der Nil kam. Überall auf dem Weg zwischen den Hütten lag Unrat herum, Abfälle von Lebensmitteln, auch magere Fleischreste, darüber Wolken von Ungeziefern, Mücken, dicke Fliegen, Wespen, Heuschrecken, brummend, summend durcheinander fliegend und sich dann wieder niederlassend. Ratten huschten über den Weg auf der Suche nach Nahrung und jetzt, wie Moses Blick von einer davonhuschenden Ratte angezogen war, die er verfolgte, glaubte er hinter einer Hütte das Gesicht eines jungen Mannes zu erblicken, der aber schnell zurückgezogen wurde, so schnell, dass Moses nicht sicher war, ob er den Hebräer gesehen hatte.

„Nein, Amram kennt hier niemand, Herr", meldete Reuben, der von seinen Erkundigungen zurückgekommen war, „aber die Frauen haben Angst um dich. Du siehst reich aus, in deinem vornehmen Leinenkleid, und gerade heute sind drei von einer hebräischen Jugendbande im Dorf, die von den Ägyptern gesucht werden. Sie haben sich zusammengetan, zwanzig junge Männer aus drei Dörfern, und überfallen kleine Gruppen von Ägyptern, um sie auszurauben. Du bist in Gefahr, Herr, lass uns lieber morgen weiter suchen.“

Moses überlegte. Eigentlich hatte er keine Furcht vor drei hebräischen Jugendlichen, aber er war allein und unbewaffnet und seine Kleidung konnte wohl eine Versuchung sein, ihn zu überfallen. Also stimmte er zu.

„Gut, Reuben, wir gehen zurück und setzten unsere Suche morgen fort. Bring mich jetzt zurück zu der Wasserstelle und morgen treffen wir uns dort zur gleichen Zeit.“

Reuben nickte und grinste kriecherisch.

„Herr, und meine Belohnung?“

„Sei nur ganz ruhig, wenn ich mit dir zufrieden bin, wirst du mit der Belohnung auch zufrieden sein.“

5.

Schwitzend, stinkend und frustriert kam Moses in den Palast des Gouverneurs zurück. Nichts hatte er erreicht, außer der Begegnung mit einem kriecherischen Hebräer und dem Anblick eines hebräischen Dorfes, das so schmutzig war, dass es ihn noch in der Erinnerung schüttelte vor Ekel. Hastig riss er sich, in seinen Räumen angekommen, die Kleider vom Leib und warf sie dem Diener zu, der auf ihn wartete.

„Ist ein Bad bereit?“ fragte er mit dem Ungestüm seiner fünfzehn Jahre und ging erleichtert, als der Diener bejahte, in die Badekammer. Dort fand er einen Zuber voll frischen lauwarmen Wassers, angereichert mit duftenden Sandelholzextrakten, denen ein leichter Hauch von Rosmarin beigegeben war. Aufseufzend ließ er sich in dem Zuber nieder und befahl dem Badediener, ihm die steif gewordenen Schultern zu massieren.

Dann lehnte er sich zurück und dachte über den Tag nach. Sollte er wirklich morgen noch einmal in diese schmutzige Welt eintauchen und sich der Gefahr aussetzen, dass er entweder Krankheiten von dort mitbrachte oder ausgeraubt wurde? War es alles das wert, herauszufinden, wo seine Pflegeeltern waren oder sollte er nicht lieber zurückkehren zu der Schule, an den Hof Pharaos und die Hänseleien seiner Kameraden über seine ungewisse Herkunft ertragen? Langsam dämmerte er in dem Wasser, das ihm jetzt angenehm die Glieder kühlte, in Gedanken und Gefühlen dahin, fühlte dem Ekel nach, den er angesichts der Hebräer empfunden hatte, fühlte die Wut in sich aufsteigen, wenn er daran dachte, wie seine Freunde ihn hänselten und richtete sich jäh auf: nein, keinesfalls wollte er die Suche aufgeben, nicht dem Drängen Ptomas nachgeben und sich darauf beschränken, den Fortgang der Bauarbeiten zu besichtigen und dann zurück fahren zum Hof, um Pharao zu berichten, dazu war er nicht her gekommen. Nein, er hatte die Reise angetreten, um Amram und Jochebed zu finden und kein Mensch, auch nicht der Gouverneur, und kein Gefühl, auch nicht der Ekel, würde ihn davon abhalten.

Moses rief den Badediener herbei und ließ sich abtrocknen und ankleiden. Seine besten Sachen ließ er sich geben, den Schurz von feinstem Leinen und den Überhang aus dem gleichen Stoff, um so die Abendgesellschaft des Gouverneurs, die er Moses wegen abhielt, zu besuchen.

Ungeachtet des leisen Misstrauens, das Ptoma seinem jungen Gast wegen dessen übersteigertem Interesse an den Hebräern entgegenbrachte, hatte der Gouverneur für den Empfang, den er dieses Gastes wegen gab, alles aufgefahren, was sein Haushalt hergab, handelte es sich schließlich um einen Abgesandten des mächtigen Pharao, auf den er einen guten Eindruck machen wollte.

Der große Festsaal der Residenz war am Abend reich geschmückt, Lichter waren an allen Wänden aufgehängt und aufgestellt, die den Saal taghell erleuchteten. Die offenen Fensterhöhlen ließen die linde Abendluft ein, die gekühlt wurde durch die verschiedensten Brunnen, die Ptoma an den Wänden zwischen den Lichtern und in kleinen Inseln im Raum hatte aufstellen lassen, Wasserspiele, die die Luft kühlten und die einen dezenten Duft von Lavendel, Zypresse und Sandelholz verströmten. Um die Quellen und von ihnen mit der nötigen Feuchtigkeit versehen waren Blumen aufgestellt, Strelitzien, Rosen, Gladiolen, Nelken, Lilien gaben dem Saal Glanz, Jasminblüten verwöhnten die Gäste zusätzlich mit ihrem betörenden Duft.

Zwischen diesen Inseln bewegten sich die Menschen. Reich gekleidete Ägypter, in feinstes Königsleinen gehüllt, die Köpfe mit wertvoll gearbeiteten Perücken bedeckt, Frauen in dünnes Gaze gehüllt, alle, Frauen und Männer, mit Goldschmuck reich ausgestattet, die Wangen mit Puder bedeckt und die Augenwinkel mit Tusche verlängert, unterhielten sich mit den Abgesandten ferner Völker. Der assyrische König hatte Hofbeamte nach Pitom geschickt, die von den Bauten Pharaos berichten sollten, Hethiter in ihrer heimischen Tracht, auch hier den kalten Temperaturen in ihrer Heimat Rechnung tragend in Wolle statt in Leinen gekleidet, Gäste an der Residenz Ptomas, Geiseln auch, die der hethitische König mit Pharao ausgetauscht hatte, um den Frieden zwischen den Ländern zu sichern. Nubier waren hier, zu deren kohlschwarzer Haut das schneeweiße Leinen auffällig kontrastierte und die durch ihren andersartigen Schmuck auffielen, Ringe durch Ohren gezogen aus Gold und schwer, und Ringe durch die Nasenflügel gebohrt.

Mit großen Augen ging Moses durch die Menge, er kannte zwar die Pracht an Pharaos Hof, kannte dort die beeindruckenden Gebäude, aber an einem Fest hatte er dort noch nicht teilnehmen dürfen, dazu galt er als zu jung.

„So, du bist also der Jüngling, den Pharao uns geschickt hat, um über den Stand der Arbeiten zu berichten?“

Ein junger Ägypter, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, stand neben Moses, während Ptoma die offizielle Begrüßung der Gäste vornahm, „darf ich mich vorstellen? Ich bin Menache, der Minister des Gouverneurs für die Aufsicht der Bauarbeiten. Und wie beurteilst du den Fortgang der Arbeiten?“

„Enorme Fortschritte habt ihr gemacht, das habe ich gesehen“, antwortete Moses höflich, „soweit ich die Bauten besichtigt habe, werde ich Pharao nur das Beste berichten können. Das einzige, was mir missfallen hat", fuhr er mit dem Ungestüm seiner jungen Jahre fort, „war die Behandlung der Hebräer. Müssen sie wirklich so geschlagen und angetrieben werden? Meint ihr nicht, sie würden genauso gut arbeiten, wenn ihr sie nicht so drangsaliert?“

„Nein, auf keinen Fall“, antwortete Menache, „du kennst die Hebräer nicht so wie ich. Sie sind faul und stinken, sie bilden Banden, sie sind vollkommen regel- und gesetzlos. Würden wir sie machen lassen, was sie wollen, sie würden in Kurzem eine eigene Gesellschaft in Ägypten bilden und uns mit ihren schlechten Sitten anstecken. Der Hebräer ist von Natur aus arbeitsscheu, wenn wir ihn nicht antrieben, und zwar nachdrücklich, wie du es gesehen hast, würde er herumliegen und faulenzen.“

„Aber Menache“, Moses sah seinen Gesprächspartner ungläubig an, „du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, dass alle Hebräer faul und gesetzlos sind. Da gibt es doch bestimmt Unterschiede, meinst du nicht? Und macht ihr sie nicht durch eure Behandlung erst zu dem, was sie sind?“

„Nein, auf keinen Fall, den Hebräern liegt die Faulheit im Blut. Sieh dir doch mal die jungen Männer an, die noch keine Begegnung mit uns Ägyptern hatten. Wenn wir an ihrem Zustand schuld wären, müssten die Jungen doch zu mindestens noch einigermaßen menschlich sein. Aber schon mit zehn Jahren stinken sie, sie waschen sich nicht, sie essen eklige, verfaulte Kartoffeln, schon genau so wie die alten. Nein, glaube mir, Moses, die Hebräer kannst du nicht ändern, du kannst nur versuchen, sie im Zaume zu halten und das ist genau das, was wir tun.“

Ihr Gespräch wurde unterbrochen, weil jetzt Ptoma auf sie zu kam, begleitet von drei würdigen alten Ägyptern.

„Seht, das ist Moses, den uns Pharao geschickt hat, um sich von dem Fortgang unserer Arbeiten hier in seiner Stadt berichten zu lassen. Moses, das hier sind die drei Herren vom Hohen Rat in Pitom, Horach, Beknechon und Halfa.“

Moses verbeugte sich höflich vor den Alten, die ihn ebenso neugierig ansahen wie er sie. Vor allem Horach beeindruckte ihn tief, ein mächtiger, breit gebauter Mann von wohl fünfzig Jahren, mit breitem, kahlgeschorenen Kopf, aus dem zwei schräg geschlitzte Augen ihn prüfend ansahen.

„Nun, junger Mann?“ sprach er ihn mit tiefem Bass an, „was wirst du Pharao von unseren Bauten erzählen können?“

„Ich habe noch nie so große Gebäude gesehen“, antwortete Moses wahrheitsgemäß, ohne die mit Menache geführte Unterhaltung über die Hebräer zu erwähnen, „ich werde Pharao nur das Beste berichten können.“

„Und unser Moses hat nicht nur unsere Bauten besichtigt, er hat auch ein Dorf unserer fleißigen Hebräer besichtigt“, warf Ptoma ein, „nach allem, was ich gehört habe, beabsichtigst du morgen noch einmal zu den Hebräern zu gehen.“

Erstaunt sahen ihn die anderen an.

„Ja“, sagte Moses trotzig, „ich war bei den Hebräern und ich werde morgen dort noch einmal hingehen.“

„Aber hast du keine Angst, dass sie dich überfallen und ausrauben, sogar dich töten?“ fragte Halfa, der zweite Hohe Rat, ein dünner hellhäutiger Mann mit hoher Stimme.

„Nein, eigentlich nicht, ich glaube nicht, dass sie mich ohne Grund überfallen, und ich gedenke ihnen keinen Grund zu geben. Und sollte ich wirklich in einen Überfall verwickelt werden, seht, ich habe starke Arme und kräftige Schultern.“

Den ganzen Abend über und mit allen Menschen, denen er auf dem Empfang begegnete, wurde Moses nach seiner Neugier nach den Hebräern gefragt, immer hörte er die gleichen Meinungen, die Hebräer seien von Natur aus faul, kriminell und nicht in die ägyptische Gesellschaft einzugliedern. Halfa verstieg sich sogar zu der Meinung, der Hebräer an sich sei krank, mindestens die Hälfte von ihnen sogar aussätzig und deshalb solle man den Kontakt mit ihnen auf jeden Fall vermeiden.

 

Als er sich endlich von dem Empfang entfernen konnte und in seine Gemächer ging, war Moses angestrengt, müde, wütend auch, weil sie die Hebräer so in Bausch und Bogen verdammten, aber auch verunsichert, ob sie nicht vielleicht recht hatten: Lohnte es sich wirklich, unter den hebräischen Sklaven seine Pflegeeltern zu suchen? Erschöpft schlief er ein.

6.

Spät war Moses in sein Schlafgemach gekommen, dennoch stand er früh auf, von seinem Diener geweckt.

„Herr, die Sonne wird in einer Stunde aufgehen, du wolltest früh aufbrechen, um der größten Tageshitze zu entgehen.“

Richtig, Moses hatte den Diener gestern Abend vor dem Fest angewiesen, ihn zu dieser Stunde zu wecken, er hatte noch in der Nacht losgehen wollen zu der Wasserstelle, um Reuben zu treffen, der ihm auch heute helfen sollte, seine Pflegeeltern zu finden. Schnell war Moses hoch und war auch schon bereit, verließ, nur von seinem Diener begleitet, die Residenz und die Stadt, nur einmal von den Wächtern am Stadttor aufgehalten, denen er aber schnell klar machen konnte, dass sie ihn durchlassen sollten. In den noch finsteren Morgen hinein ging er, nach Osten, auf dem Damm, den er auch gestern benutzt hatte, der Wasserstelle entgegen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, jetzt, am frühen Morgen, war die Luft angenehm kühl, tief atmete Moses ein und genoss es, kräftig auszuschreiten, so schnell, dass sein Diener ihm kaum folgen konnte. Nach einer halben Stunde erreichte er die Wasserstelle, schneller als gestern, weil er bei dem Marsch auf seine Würde keine Rücksicht nehmen musste, niemand außer ihm war auf dem Damm unterwegs.

„Guten Morgen, Herr, Amun sei dir gewogen“, begrüßte ihn am Wasser Reuben mit einer seiner tiefen demütigen Verbeugungen und mit einem Grinsen, das seine verfaulten Stummelzähne sehen ließ. „Ich war gespannt, ob du heute kommen wirst, aber jetzt, da du da bist, wirst du zufrieden mit mir sein. Ich habe gestern nachgeforscht und Amram und Jochebed gefunden. Sie leben in einem Dorf, das etwa drei Stunden von hier im Osten liegt, ich kann dich hinführen, dann kommen wir, wenn wir jetzt losgehen, vor der schlimmsten Tageshitze in dem Dorf an. Nicht, dass es von Bedeutung wäre", und abermals machte Reuben die furchtbare Verrenkung, die eine Verbeugung sein sollte, und lächelte sein Lächeln, „in dem Dorf gibt es ebenso wenig wie in der Umgebung Bäume oder Sträucher, die die Tageshitze mildern könnte. Du musst dich also gegen Leiden wappnen, Leiden, die mein Volk schon seit Jahrhunderten erträgt.“

„Nimm dich in Acht, Reuben“, warnte Moses ihn, „derartige Reden will ich nicht hören. Wenn du Amram gefunden hast, dann wollen wir aufbrechen. Meine Wasserflasche ist gefüllt, also, geh voran.“

Und wieder wanderten sie, Moses Diener zurücklassend, zu zweit in das Land hinaus, immer weiter nach Osten, Moses vertraute sich, etwas misstrauisch zwar, der Führung Reubens an. Gerade ging die Sonne auf, der Himmel explodierte in den Farben dieses Sonnenaufganges, zuerst tiefes Rot, fast dunkel noch, dann schien flüssiges Gold am Himmel zu stehen, abgelöst von türkisen und blauen Abschnitten, bis schließlich am untersten Rand des Horizontes ein kleinster Abschnitt der Sonne erschien, sich schnell vergrößernd, riesig, glühend, blendend, so dass Moses und sein Begleiter, die die gleißende Helle genau vor sich hatten, die Augen zusammenkniffen. Immer weiter gingen sie, immer nach Osten, auf die Sonne zu, die sich jetzt, ein strahlender Ball, über den Horizont erhob und höher und höher stieg, die Luft schnell mit seiner Glut ansteckend, bis die Sommerhitze den frühen Morgen erfüllte.

„Aton, siehe Aton“, dachte Moses vor sich hin, nie hatte er die Anbetung des Gottes der Sonne klarer verstanden als in diesem Augenblick, als er sich aus seinem Nachtasyl erhob und die Herrschaft über die Welt übernahm.

Eine lange Karawane in der Ferne, die auf sie zukam, unterbrach die stille Andacht des Wanderers. Angespannt blickte er ihr entgegen, zuerst waren sie nur als kleine Punkte am Horizont erschienen, rechts von dem Sonnenball und von ihm beschienen, Menschen, die langsam gingen, ihm entgegen zogen. Allmählich näherten sie sich dem Zug, bis ihnen Einzelheiten deutlich wurden. Die Karawane zog schleichend dahin, soviel war zu erkennen, sie bestand aus drei Reihen nebeneinander, wohl hundert Mann, und neben den Reihen in einigem Abstand von ihnen einzelne Aufseher.

„Wer mag das sein?“ fragte Moses seinen Begleiter, der aber stumm blieb und gebannt dem Zug entgegenblickte. Zerlumpt waren sie, das sah Moses jetzt, alle, bis auf die nebenher gehenden Personen, das waren Ägypter, die mit Lanzen und Messern bewaffnet waren und lange Peitschen trugen, die sie über dem Zug kreisen ließen. Jetzt drang das Knallen dieser Peitschen zu Moses herüber und noch ein anderer Laut: ein Stöhnen und Wimmern, wollte ihm scheinen, kam aus dem Zug, der jetzt so nahe war, dass Moses Gesichter erkennen konnte. Ja, das waren offenbar hebräische Arbeiter, die zu ihren Baustellen getrieben wurden, zur Eile gezwungen von zehn Ägyptern, hundert Hebräer. Und jetzt, im Näherkommen, konnte Moses ihre Gesichter erkennen, die an ihm vorbei zogen und den vornehmen Ägypter mit gehässigen, feindseligen Blicken bedachten, der da am Wegesrand stand und jetzt einen der Aufseher ansprach.

„Wohin geht ihr?“ fragte er.

„Wir bringen diese elenden Hebräer zu ihrer Arbeitsstätte, in die Nähe von Pitom, dort sollen sie die Dämme erhöhen, der Nil wird bald über die Ufer treten, Herr. Und wer bist du?“ Der Aufseher betrachtete neugierig diesen offenbar vornehmen jungen Mann, der hier am frühen Morgen so allein durch die Steppe ging.

„Ich bin Moses, gesandt von Pharao, um nach den Bauten in Pitom und der Umgebung zu sehen und auch nach den Arbeitern.“ Moses sagte da mehr, als sein Auftrag war. Niemand am Hofe hatte ihn beauftragt, nach den Hebräern zu sehen, die für den Pharao die Bauten zu errichten hatten, diese Arbeiter waren dem König von untergeordneter Bedeutung. Es seien ihrer ohnehin zu viele, war die allgemeine Meinung am Hofe unter den Ägyptern, darum könne man sich nicht kümmern. Sterbe einer, so sterbe er und es träten andere an seine Stelle. Hauptsache, die Bauten würden fertig.

„Nun, hier sind die Männer, wir gehen zum Deich, wenn du ihre Behausungen sehen willst, musst du etwa eine Stunde weiter in diese Richtung gehen“, der Aufseher deutete nach Osten, „dann kommst an eines ihrer Dörfer. Aber warnen will ich dich, Herr, du wirst ihre Dörfer stinkend finden, dreckig die Menschen und die Tiere, und viel Fäulnis und vor allem sieh dich vor den Banden vor, den Jugendlichen, die gerne nicht nur ihresgleichen überfallen und ausrauben, sondern bevorzugt auch Vornehme, wie du einer bist.“

„He, ihr da“, schrie er plötzlich, sich unterbrechend, „wer hat euch erlaubt, stehen zu bleiben und Maulaffen feilzuhalten“, und er schwang die Peitsche, die dieses Mal nicht knallte, sondern die Luft durchschnitt und den vordersten Hebräer traf, einen jungen Mann, nicht älter als Moses, der stehen geblieben war und die Ägypter bösartig ansah. Hinter ihm hatte die ganze Reihe angehalten. Die Peitsche wickelte sich dem jungen Hebräer um den Hals, dort einen blutigen Striemen hinterlassend. Hasserfüllt sah der Mann Moses und den Aufseher an, ging aber doch langsam weiter, von den anderen Hebräern gefolgt.

„Vorbild sollten sie sein, die Sippenführer“, brummte der Ägypter, „meistens sind sie das auch, aber dieser, Jochen, ist besonders boshaft. Warum wir dulden, dass er Führer seiner Sippe geworden ist, verstehe ich nicht. Nun, junger Mann, Amun sei mit dir und guten Weg", und damit wendete der Aufseher sich dem Zug zu, befahl einen schnelleren Schritt und langsam, ächzend, passierten die Menschen Moses und Reuben, die schweigend zusahen. Erst langsam erholte sich Moses von dem Anblick, der Zug war schon seit einer Viertelstunde verschwunden, als er seufzend Reuben befahl, weiter zu gehen.