Friedrich Wilhelm Nietzsche – Gesammelte Werke

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c) Anzeichen der Erstarkung.

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109.

Grund­satz: es giebt et­was von Ver­fall in Al­lem, was den mo­der­nen Men­schen an­zeigt: aber dicht ne­ben der Krank­heit ste­hen An­zei­chen ei­ner un­er­prob­ten Kraft und Mäch­tig­keit der See­le. Die­sel­ben Grün­de, wel­che die Ver­klei­ne­rung der Men­schen her­vor­brin­gen, trei­ben die Stär­ke­ren und Selt­ne­ren bis hin­auf zur Grö­ße.

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110.

Ge­sammt-Ein­sicht: der zwei­deu­ti­ge Cha­rak­ter uns­rer mo­der­nen Wel­t, – eben die­sel­ben Sym­pto­me könn­ten auf Nie­der­gang und auf Stär­ke deu­ten. Und die Ab­zei­chen der Stär­ke, der er­run­ge­nen Mün­dig­keit könn­ten auf Grund über­lie­fer­ter ( zu­rück­ge­blie­be­ner) Ge­fühls-Ab­wer­thung als Schwä­che miß­ver­stan­den wer­den. Kurz, das Ge­fühl, als Wert­h­ge­fühl, ist nicht auf der Höhe der Zeit.

Ver­all­ge­mei­ner­t: Das Wert­h­ge­fühl ist im­mer rück­stän­dig, es drückt Er­hal­tungs-, Wachst­hums-Be­din­gun­gen ei­ner viel frü­he­ren Zeit aus: es kämpft ge­gen neue Da­seins­be­din­gun­gen an, aus de­nen es nicht ge­wach­sen ist und die es nothwen­dig miß­ver­steht: es hemmt, es weckt Arg­wohn ge­gen das Neue …

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111.

Das Pro­blem des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts. Ob sei­ne star­ke und schwa­che Sei­te zu ein­an­der ge­hö­ren? Ob es aus Ei­nem Hol­ze ge­schnitzt ist? Ob die Ver­schie­den­heit sei­ner Idea­le, und de­ren Wi­der­spruch, in ei­nem hö­he­ren Zwe­cke be­dingt ist: als et­was Hö­he­res? – Denn es könn­te die Vor­be­stim­mung zur Grö­ße sein, in die­sem Maße in hef­ti­ger Span­nung zu wach­sen. Die Un­zu­frie­den­heit, der Ni­hi­lis­mus könn­te ein gu­tes Zei­chen sein.

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112.

Ge­sammt-Ein­sicht. – That­säch­lich bringt je­des große Wachst­hum auch ein un­ge­heu­res Ab­brö­ckeln und Ver­ge­hen mit sich: das Lei­den, die Sym­pto­me des Nie­der­gangs ge­hö­ren in die Zei­ten un­ge­heu­ren Vor­wärts­ge­hens; jede frucht­ba­re und mäch­ti­ge Be­we­gung der Mensch­heit hat zu­gleich eine ni­hi­lis­ti­sche Be­we­gung mit­ge­schaf­fen. Es wäre un­ter Um­stän­den das An­zei­chen für ein ein­schnei­den­des und al­ler­we­sent­lichs­tes Wachst­hum, für den Über­gang in neue Da­seins­be­din­gun­gen, daß die ex­trems­te Form des Pes­si­mis­mus, der ei­gent­li­che Ni­hi­lis­mus, zur Welt käme. Dies habe ich be­grif­fen.

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113.

A

Von ei­ner vol­len herz­haf­ten Wür­di­gung uns­rer jet­zi­gen Mensch­heit aus­zu­ge­hen: – sich nicht durch den Au­gen­schein täu­schen las­sen: die­se Mensch­heit ist we­ni­ger »ef­fekt­voll«, aber sie giebt ganz an­de­re Ga­ran­ti­en der Dau­er, ihr Tem­po ist lang­sa­mer, aber der Takt selbst ist viel rei­cher. Die Ge­sund­heit nimmt zu, die wirk­li­chen Be­din­gun­gen des star­ken Lei­bes wer­den er­kannt und all­mäh­lich ge­schaf­fen, der »As­ke­tis­mus« i­ro­ni­ce –. Die Scheu vor Ex­tre­men, ein ge­wis­ses Zu­trau­en zum »rech­ten Weg«, kei­ne Schwär­me­rei; ein zeit­wei­li­ges Sich-Ein­le­ben in en­ge­re Wert­he (wie »Va­ter­land«, wie »Wis­sen­schaft« u.s.w.).

Dies gan­ze bild wäre aber im­mer noch zwei­deu­tig: – es könn­te eine auf­stei­gen­de oder aber eine ab­stei­gen­de Be­we­gung des Le­bens sein.

B

Der Glau­be an den »Fort­schrit­t« – in der nie­de­ren Sphä­re der In­tel­li­genz er­scheint er als auf­stei­gen­des Le­ben: aber das ist Selbst­täu­schung;

in der hö­he­ren Sphä­re der In­tel­li­genz als ab­stei­gen­des.

Schil­de­rung der Sym­pto­me.

Ein­heit des Ge­sichts­punk­tes: Un­si­cher­heit in Be­treff der Wert­h­maa­ße.

Furcht vor ei­nem all­ge­mei­nen »Um­sonst«.

Ni­hi­lis­mus.

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114.

That­säch­lich ha­ben wir ein Ge­gen­mit­tel ge­gen den ers­ten Ni­hi­lis­mus nicht mehr so nö­thig: das Le­ben ist nicht mehr der­maa­ßen un­ge­wiß, zu­fäl­lig, un­sin­nig in un­se­rem Eu­ro­pa. Eine solch un­ge­heu­re Po­ten­zirung vom Wert­h des Men­schen, vom Werth des Übels u.s.w. ist jetzt nicht so nö­thig, wir er­tra­gen eine be­deu­ten­de Er­mä­ßi­gung die­ses Wert­hes, wir dür­fen viel Un­sinn und Zu­fall ein­räu­men: die er­reich­te Macht des Men­schen er­laubt jetzt eine Her­ab­set­zung der Zucht­mit­tel, von de­nen die mo­ra­li­sche In­ter­pre­ta­ti­on das stärks­te war. »Gott« ist eine viel zu ex­tre­me Hy­po­the­se.

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115.

Wenn ir­gend Et­was uns­re Ver­mensch­li­chung, einen wah­ren tat­säch­li­chen Fort­schrit­t be­deu­tet, so ist es, daß wir kei­ne ex­ces­si­ven Ge­gen­sät­ze, über­haupt kei­ne Ge­gen­sät­ze mehr brau­chen …

wir dür­fen die Sin­ne lie­ben, wir ha­ben sie in je­dem Gra­de ver­geis­tigt und ar­tis­tisch ge­macht;

wir ha­ben ein Recht auf alle die Din­ge, die am schlimms­ten bis­her ver­ru­fen wa­ren.

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116.

Die Um­leh­rung der Rang­ord­nung. – Die from­men Falsch­mün­zer, die Pries­ter, wer­den un­ter uns zu Tschan­dala’s: – sie neh­men die Stel­lung der Char­la­t­ans, der Quack­sal­ber, der Falsch­mün­zer, der Zau­be­rer ein: wir hal­ten sie für Wil­lens-Ver­der­ber, für die großen Ver­leum­der und Rach­süch­ti­gen des Le­bens, für die Em­pö­rer un­ter den Schlecht­weg­ge­kom­me­nen. Wir ha­ben aus der Dienst­bo­ten-Kas­te, den Su­dra’s, un­fern Mit­tel­stand ge­macht, un­ser »Volk«, das, was die po­li­ti­sche Ent­schei­dung in den Hän­den hat.

Da­ge­gen ist der Tschan­da­la von Ehe­mals oben­auf: vor­an die Got­tes­läs­te­rer, die Im­mo­ra­lis­ten, die Frei­zü­gi­gen je­der Art, die Ar­tis­ten, die Ju­den, die Spi­el­leu­te, – im Grun­de alle ver­ru­fe­nen Men­schen­klas­sen –.

Wir ha­ben uns zu eh­ren­haf­ten Ge­dan­ken em­por­ge­ho­ben, mehr noch, wir be­stim­men die Ehre auf Er­den, die »Vor­nehm­heit« … Wir Alle sind heu­te die Für­spre­cher des Le­bens –. Wir Im­mo­ra­lis­ten sind heu­te die stärks­te Macht: die großen an­dern Mäch­te brau­chen uns … wir con­strui­ren die Welt nach un­serm Bil­de –.

Wir ha­ben den Be­griff »Tschan­da­la« auf die Pries­ter, Jen­seits-Leh­rer und die mit ih­nen ver­wach­se­ne christ­li­che Ge­sell­schaft über­tra­gen, hin­zu­ge­nom­men was glei­chen Ur­sprungs ist, die Pes­si­mis­ten. Ni­hi­lis­ten, Mit­leids-Ro­man­ti­ker, Ver­bre­cher, Las­ter­haf­ten, – die ge­samm­te Sphä­re, wo der Be­griff »Gott« als Hei­lan­d ima­gi­nirt wird …

Wir sind stolz dar­auf, kei­ne Lüg­ner mehr sein zu müs­sen, kei­ne Ver­leum­der, kei­ne Ver­däch­ti­ger des Le­bens …

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117.

Fort­schrit­t des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts ge­gen das acht­zehn­te (– im Grun­de füh­ren wir gu­ten Eu­ro­pä­er einen Krieg ge­gen das acht­zehn­te Jahr­hun­dert –):

1) »Rück­kehr zur Na­tur« im­mer ent­schie­de­ner im um­ge­kehr­ten Sin­ne ver­stan­den, als es Rous­seau ver­stand; – weg vom Idyll und der Oper!

2) im­mer ent­schie­de­ner an­ti­idea­lis­tisch, ge­gen­ständ­li­cher, furcht­lo­ser, ar­beit­sa­mer, maß­vol­ler, miß­traui­scher ge­gen plötz­li­che Ver­än­de­run­gen, an­ti­re­vo­lu­tio­när;

3) im­mer ent­schie­de­ner die Fra­ge der Ge­sund­heit des Lei­bes der »der See­le« vor­an­stel­lend: letz­te­re als einen Zu­stand in Fol­ge der ers­te­ren be­grei­fend, die­se min­des­tens als die Vor­be­din­gung der Ge­sund­heit der See­le.

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118.

Wenn ir­gend Et­was er­reicht ist, so ist es ein harm­lo­se­res Ver­hal­ten zu den Sin­nen, eine freu­di­ge­re, wohl­wol­len­de­re, Goe­thi­sche­re Stel­lung zur Sinn­lich­keit; ins­glei­chen eine stol­ze­re Emp­fin­dung in Be­treff des Er­ken­nens: so­daß der »rei­ne Thor« we­nig Glau­ben fin­det.

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119.

Wir »Ob­jek­ti­ven«. – Das ist nicht das »Mit­leid«, was uns die Tho­re zu den ferns­ten und frem­des­ten Ar­ten Sein und Cul­tur auf­macht; son­dern uns­re Zu­gäng­lich­keit und Un­be­fan­gen­heit, wel­che ge­ra­de nicht »mit­lei­det«, son­dern im Ge­gent­heil sich bei hun­dert Din­gen er­götzt, wo man ehe­dem litt (em­pört oder er­grif­fen war, oder feind­se­lig und kalt blick­te –). Das Lei­den in al­len Nuan­cen ist uns jetzt in­ter­essant: da­mit sind wir ge­wiß nicht die Mit­lei­di­ge­ren, selbst wenn der An­blick des Lei­dens uns durch und durch er­schüt­tert und zu Thrä­nen rührt: – wir sind schlech­ter­dings des­halb nicht hül­f­rei­cher ge­stimmt.

In die­sem frei­wil­li­gen An­schau­en-wol­len von al­ler Art Noth und Ver­ge­hen sind wir stär­ker und kräf­ti­ger ge­wor­den, als es das 18. Jahr­hun­dert war; es ist ein Be­weis un­se­res Wachst­hums an Kraft (– wir ha­ben uns dem 17. und 16. Jahr­hun­dert ge­nä­her­t). Aber es ist ein tie­fes Miß­ver­ständ­niß, uns­re »Ro­man­tik« als Be­weis uns­rer »ver­schö­ner­ten See­le« auf­zu­fas­sen. Wir wol­len star­ke sen­sa­ti­ons, wie alle grö­be­ren Zei­ten und Volks­schich­ten sie wol­len. (Dies hat man wohl aus­ein­an­der zu hal­ten vom Be­dürf­niß der Ner­ven­schwa­chen und dé­ca­dent­s: bei de­nen ist das Be­dürf­niß nach Pfef­fer da, selbst nach Grau­sam­keit.)

Wir Al­le su­chen Zu­stän­de, in de­nen die bür­ger­li­che Moral nicht mehr mit­re­det, noch we­ni­ger die pries­ter­li­che (– wir ha­ben bei je­dem Bu­che, an dem et­was Pfar­rer- und Theo­lo­gen­luft hän­gen ge­blie­ben ist, den Ein­druck ei­ner be­mit­lei­dens­wert­hen niai­se­rie und Ar­muth). Die »gute Ge­sell­schaft« ist die, wo im Grun­de Nichts in­ter­es­sirt, als was bei der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft ver­bo­ten ist und üb­len Ruf macht: eben­so steht es mit Bü­chern, mit Mu­sik, mit Po­li­tik, mit der Schät­zung des Wei­bes.

 

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120.

Die Ver­na­tür­li­chung des Men­schen im 19. Jahr­hun­der­t (– das 18. Jahr­hun­dert ist das der Ele­ganz, der Fein­heit und der sen­ti­ments généreux). – Nicht »Rück­kehr zur Na­tur«: denn es gab noch nie­mals eine na­tür­li­che Mensch­heit. Die Scho­las­tik un- und wi­der-na­tür­li­cher Wert­he ist die Re­gel, ist der An­fang; zur Na­tur kommt der Mensch nach lan­gem Kamp­fe, – er kehrt nie »zu­rück« … Die Na­tur: d. h. es wa­gen, un­mo­ra­lisch zu sein wie die Na­tur.

Wir sind grö­ber, di­rek­ter, vol­ler Iro­nie ge­gen ge­neröse Ge­füh­le, selbst wenn wir ih­nen un­ter­lie­gen.

Na­tür­li­cher ist uns­re ers­te Ge­sell­schaft, die der Rei­chen, der Mü­ßi­gen: man macht Jagd auf ein­an­der, die Ge­schlechts­lie­be ist eine Art Sport, bei dem die Ehe ein Hin­der­niß und einen Reiz ab­giebt; man un­ter­hält sich und lebt um des Ver­gnü­gens wil­len; man schätzt die kör­per­li­chen Vor­zü­ge in ers­ter Li­nie, man ist neu­gie­rig und ge­wagt.

Na­tür­li­cher ist uns­re Stel­lung zur Er­kennt­niß; wir ha­ben die Li­ber­ti­na­ge des Geis­tes in al­ler Un­schuld, wir has­sen die pa­the­ti­schen und hie­ra­ti­schen Ma­nie­ren, wir er­göt­zen uns am Ver­bo­tens­ten, wir wüß­ten kaum noch ein In­ter­es­se der Er­kennt­niß), wenn wir uns auf dem Wege zu ihr zu lang­wei­len hät­ten.

Na­tür­li­cher ist uns­re Stel­lung zur Moral. Prin­ci­pi­en sind lä­cher­lich ge­wor­den; Nie­mand er­laubt sich ohne Iro­nie mehr von sei­ner »Pf­licht« zu re­den. Aber man schätzt eine hül­f­rei­che, wohl­wol­len­de Ge­sin­nung (– man sieht im In­stink­t die Moral und dédaignirt den Rest. Au­ßer­dem ein paar Ehren­punkts-Be­grif­fe –).

Na­tür­li­cher ist uns­re Stel­lung in po­li­ti­cis: wir se­hen Pro­ble­me der Macht, des Quan­tums Macht ge­gen ein an­de­res Quan­tum. Wir glau­ben nicht an ein Recht, das nicht auf der Macht ruht, sich durch­zu­set­zen: wir emp­fin­den alle Rech­te als Erobe­run­gen.

Na­tür­li­cher ist uns­re Schät­zung großer Men­schen und Din­ge: wir rech­nen die Lei­den­schaft als ein Vor­recht, wir fin­den Nichts groß, wo nicht ein großes Ver­bre­chen ein­be­grif­fen ist; wir con­ci­pi­ren al­les Groß-sein als ein Sich-au­ßer­halb-stel­len in Be­zug auf Moral.

Na­tür­li­cher ist uns­re Stel­lung zur Na­tur: wir lie­ben sie nicht mehr um ih­rer »Un­schuld«, »Ver­nunft«, »Schön­heit« wil­len, wir ha­ben sie hübsch »ver­teu­felt« und »ver­dummt«. Aber statt sie dar­um zu ver­ach­ten, füh­len wir uns seit­dem ver­wand­ter und hei­mi­scher in ihr. Sie aspir­irt nicht zur Tu­gend: wir ach­ten sie des­halb.

Na­tür­li­cher ist uns­re Stel­lung zur Kunst: wir ver­lan­gen nicht von ihr die schö­nen Schein­lü­gen u. s. w.; es herrscht der bru­ta­le Po­si­ti­vis­mus, wel­cher con­sta­tirt, ohne sich zu er­re­gen.

In sum­ma: es giebt An­zei­chen da­für, daß der Eu­ro­pä­er des 19. Jahr­hun­derts sich we­ni­ger sei­ner In­stink­te schämt; er hat einen gu­ten Schritt dazu ge­macht, sich ein­mal sei­ne un­be­ding­te Na­tür­lich­keit, d. h. sei­ne Un­mo­ra­li­tät ein­zu­ge­ste­hen, oh­ne Er­bit­te­rung: im Ge­gent­heil, stark ge­nug dazu, die­sen An­blick al­lein noch aus­zu­hal­ten.

Das klingt in ge­wis­sen Ohren, wie als ob die Cor­rup­tion fort­ge­schrit­ten wäre: und ge­wiß ist, daß der Mensch sich nicht der »Na­tur« an­ge­nä­hert hat, von der Rous­seau re­det, son­dern einen Schritt wei­ter gethan hat in der Ci­vi­li­sa­ti­on, wel­che er per­hor­re­s­cir­te. Wir ha­ben uns ver­stärk­t: wir sind dem 17. Jahr­hun­dert wie­der nä­her ge­kom­men, dem Ge­schmack sei­nes En­des na­ment­lich (Dan­court, Le­sa­ge, Re­gnard).

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121.

Cul­tur con­tra Ci­vi­li­sa­tion. – Die Hö­he­punk­te der Cul­tur und der Ci­vi­li­sa­ti­on lie­gen aus­ein­an­der: man soll sich über den ab­gründ­li­chen Ant­ago­nis­mus von Cul­tur und Ci­vi­li­sa­ti­on nicht irre füh­ren las­sen. Die großen Mo­men­te der Cul­tur wa­ren im­mer, mo­ra­lisch ge­re­det, Zei­ten der Cor­rup­ti­on; und wie­der­um wa­ren die Epo­chen der ge­woll­ten und er­zwun­ge­nen Thier­zäh­mung des Men­schen (»Ci­vi­li­sa­ti­on« –) Zei­ten der Un­duld­sam­keit für die geis­tigs­ten und kühns­ten Na­tu­ren. Ci­vi­li­sa­ti­on will et­was An­de­res, als Cul­tur will: viel­leicht et­was Um­ge­kehr­tes …

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122.

Wo­vor ich war­ne: die dé­ca­dence-In­stink­te nicht mit der Hu­ma­ni­tät zu ver­wech­seln;

:die auf­lö­sen­den und no­thwen­dig zur *dé­ca­dence trei­ben­den Mit­tel* der Ci­vi­li­sa­ti­on nicht mit der Cul­tur zu ver­wech­seln;

:die Li­ber­ti­na­ge, das Prin­cip des »lais­ser al­ler«, nicht mit dem Wil­len zur Macht zu ver­wech­seln (– er ist des­sen Ge­genprin­cip).

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123.

Die un­er­le­dig­ten Pro­ble­me, die ich neu stel­le: das Pro­blem der Ci­vi­li­sa­ti­on, der Kampf zwi­schen Rous­seau und Vol­taire um 1760. Der Mensch wird tiefer, miß­traui­scher, »un­mo­ra­li­scher«, stär­ker, sich-selbst-ver­trau­en­der – und in­so­fern »na­tür­li­cher«: das ist »Fort­schritt«. – Da­bei le­gen sich, durch eine Art von Ar­beits­t­hei­lung, die ver­bö­ser­ten Schich­ten und die ge­mil­der­ten, ge­zähm­ten aus­ein­an­der: so­daß die Ge­sammt­t­hat­sa­che nicht ohne Wei­te­res in die Au­gen springt …

Es ge­hört zur Stär­ke, zur Selbst­be­herr­schung und Fas­ci­na­ti­on der Stär­ke, daß die­se stär­ke­ren Schich­ten die Kunst be­sit­zen, ihre Ver­bö­se­rung als et­was Hö­he­res emp­fin­den zu ma­chen. Zu je­dem »Fort­schritt« ge­hört eine Um­deu­tung der ver­stärk­ten Ele­men­te in’s »Gute«.

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124.

Daß man den Men­schen den Muth zu ih­ren Na­tur­trie­ben wie­der­giebt –

Daß man ih­rer Selb­st­un­ter­schät­zung steu­ert ( nicht der des Men­schen als In­di­vi­du­ums, son­dern der des Men­schen als Na­tur …) –

Daß man die Ge­gen­sät­ze her­aus­nimmt aus den Din­gen, nach­dem man be­greift, daß wir sie hin­ein­ge­legt ha­ben –

Daß man die Ge­sell­schafts-Idio­syn­kra­sie aus dem Da­sein über­haupt her­aus­nimmt (Schuld, Stra­fe, Ge­rech­tig­keit, Ehr­lich­keit, Frei­heit, Lie­be u. s. w.) –

Fort­schritt zur »Na­tür­lich­keit«: in al­len po­li­ti­schen Fra­gen, auch im Ver­hält­niß von Par­tei­en, selbst von mer­kan­ti­len oder Ar­bei­ter- oder Un­ter­neh­mer-Par­tei­en, han­delt es sich um Macht­fra­gen – »was man kann« und erst dar­auf­hin, was man soll.

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125.

Der So­cia­lis­mus – als die zu Ende ge­dach­te Ty­ran­nei der Ge­rings­ten und Dümms­ten, d.h. der Ober­fläch­li­chen, Nei­di­schen und der Drei­vier­tels-Schau­spie­ler – ist in der That die Schluß­fol­ge­rung der »mo­der­nen Ide­en« und ih­res la­ten­ten An­ar­chis­mus: aber in der lau­en Luft ei­nes de­mo­kra­ti­schen Wohl­be­fin­dens er­schlafft das Ver­mö­gen, zu Schlüs­sen oder gar zum Schluß zu kom­men. Man folgt, – aber man fol­gert nicht mehr. Des­halb ist der So­cia­lis­mus im Gan­zen eine hoff­nungs­lo­se säu­er­li­che Sa­che: und Nichts ist lus­ti­ger an­zu­sehn, als der Wi­der­spruch zwi­schen den gif­ti­gen und ver­zwei­fel­ten Ge­sich­tern, wel­che heu­te die So­cia­lis­ten ma­chen – und von was für er­bärm­li­chen ge­quetsch­ten Ge­füh­len legt gar ihr Stil Zeug­niß ab! – und dem harm­lo­sen Läm­mer-Glück ih­rer Hoff­nun­gen und Wünsch­bar­kei­ten. Da­bei kann es doch an vie­len Or­ten Eu­ro­pa’s ih­rer­seits zu ge­wal­ti­gen Hand­strei­chen und Über­fäl­len kom­men: dem nächs­ten Jahr­hun­dert wird es hie und da gründ­lich im Lei­be »ru­mo­ren«, und die Pa­ri­ser Com­mu­ne, wel­che auch in Deutsch­land ihre Schutz­red­ner und Für­spre­cher hat, war viel­leicht nur eine leich­te­re Un­ver­dau­lich­keit ge­we­sen im Ver­gleich zu dem, was kommt. Trotz­dem wird es im­mer zu viel Be­sit­zen­de ge­ben, als daß der So­cia­lis­mus mehr be­deu­ten könn­te als einen Krank­heits-An­fall: und die­se Be­sit­zen­den sind wie Ein Mann Ei­nes Glau­bens »man muß Et­was be­sit­zen, um Et­was zu sein«. Dies aber ist der äl­tes­te und ge­sün­des­te al­ler In­stink­te: ich wür­de hin­zu­fü­gen »man muß mehr ha­ben wol­len, als man hat, um mehr zu wer­den«. So näm­lich klingt die Leh­re, wel­che Al­lem, was lebt, durch das Le­ben sel­ber ge­pre­digt wird: die Moral der Ent­wick­lung. Ha­ben und mehr ha­ben wol­len, Wachst­hum mit ei­nem Wort – das ist das Le­ben sel­ber. In der Leh­re des So­cia­lis­mus ver­steckt sich schlecht ein »Wil­le zur Ver­nei­nung des Le­bens«: es müs­sen miß­rat­he­ne Men­schen oder Ras­sen sein, wel­che eine sol­che Leh­re aus­den­ken. In der That, ich wünsch­te, es wür­de durch ei­ni­ge große Ver­su­che be­wie­sen, daß in ei­ner so­cia­lis­ti­schen Ge­sell­schaft das Le­ben sich sel­ber ver­neint, sich sel­ber die Wur­zeln ab­schnei­det. Die Erde ist groß ge­nug und der Mensch im­mer noch un­aus­ge­schöpft ge­nug, als daß mir eine der­art prak­ti­sche Be­leh­rung und de­mons­tra­tio ad ab­sur­dum, selbst wenn sie mit ei­nem un­ge­heu­ren Auf­wand von Men­schen­le­ben ge­won­nen wür­de, nicht wün­schens­werth er­schei­nen müß­te. Im­mer­hin, schon als un­ru­hi­ger Maul­wurf un­ter dem Bo­den ei­ner in Dumm­heit rol­len­den Ge­sell­schaft wird der So­cia­lis­mus et­was Nütz­li­ches und Heil­sa­mes sein kön­nen: er ver­zö­gert den »Frie­den auf Er­den« und die gänz­li­che Ver­gut­müthi­gung des de­mo­kra­ti­schen He­er­dent­hie­res, er zwingt die Eu­ro­pä­er, Geist, näm­lich List und Vor­sicht üb­rig zu be­hal­ten, den männ­li­chen und krie­ge­ri­schen Tu­gen­den nicht gänz­lich ab­zu­schwö­ren, – er schützt Eu­ro­pa einst­wei­len vor dem ihm dro­hen­den ma­ras­mus fe­mi­nis­mus.

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126.

Die güns­tigs­ten Hem­mun­gen und Re­me­du­ren der Mo­der­ni­tät:

1) die all­ge­mei­ne Wehr­pflicht mit wirk­li­chen Krie­gen, bei de­nen der Spaß auf­hört;

2) die na­tio­na­le Bor­nirt­heit (ver­ein­fa­chend, con­cen­tri­rend);

3) die ver­bes­ser­te Er­näh­rung (Fleisch); 4) die zu­neh­men­de Rein­lich­keit und Ge­sund­heit der Wohn­stät­ten;

5) die Vor­herr­schaft der Phy­sio­lo­gie über Theo­lo­gie, Mora­lis­tik, Öko­no­mie und Po­li­tik;

6) die mi­li­tä­ri­sche Stren­ge in der For­de­rung und Hand­ha­bung sei­ner »Schul­dig­keit« (man lob­t nicht mehr…).

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127.

Ich freu­e mich der mi­li­tä­ri­schen Ent­wick­lung Eu­ro­pa’s, auch der in­ne­ren an­ar­chis­ti­schen Zu­stän­de: die Zeit der Ruhe und des Chi­ne­sent­hums, wel­che Ga­lia­ni für dies Jahr­hun­dert vor­aus­sag­te, ist vor­bei. Per­sön­li­che männ­li­che Tüch­tig­keit, Lei­bes-Tüch­tig­keit be­kommt wie­der Werth, die Schät­zun­gen wer­den phy­si­scher, die Er­näh­run­gen fleisch­li­cher. Schö­ne Män­ner wer­den wie­der mög­lich. Die blas­se Duck­mäu­se­rei (mit Man­da­ri­nen an der Spit­ze, wie Com­te es träum­te) ist vor­bei. Der Bar­bar ist in Je­dem von uns be­jaht, auch das wil­de Thier. Gera­de des­halb wird es mehr wer­den mit den Phi­lo­so­phen. – Kant ist eine Vo­gel­scheu­che, ir­gend wann ein­mal!

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128.

Ich fand noch k­ei­nen Grun­d zur Ent­muthi­gung. Wer sich einen star­ken Wil­len be­wahrt und an­er­zo­gen hat, zu­gleich mit ei­nem wei­ten Geis­te, hat güns­ti­ge­re Chan­cen als je. Denn die Dres­sir­bar­keit der Men­schen ist in die­sem de­mo­kra­ti­schen Eu­ro­pa sehr groß ge­wor­den; Men­schen, wel­che leicht ler­nen, leicht sich fü­gen, sind die Re­gel: das He­er­dent­hier, so­gar höchst in­tel­li­gent, ist prä­par­irt. Wer be­feh­len kann, fin­det Die, wel­che ge­hor­chen müs­sen: ich den­ke z.B. an Na­po­le­on und Bis­marck. Die Con­cur­renz mit star­ken und un­in­tel­li­gen­ten Wil­len, wel­che am meis­ten hin­dert, ist ge­ring. Wer wirft die­se Her­ren »Ob­jek­ti­ven« mit schwa­chem Wil­len, wie Ran­ke oder Ren­an, nicht um!

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129.

 

Die geis­ti­ge Auf­klä­rung ist ein un­fehl­ba­res Mit­tel, um die Men­schen un­si­cher, wil­lens­schwä­cher, An­schluß- und stüt­ze-be­dürf­ti­ger zu ma­chen, kurz das He­er­dent­hier im Men­schen zu ent­wi­ckeln: wes­halb bis­her alle großen Re­gie­rungs-Künst­ler (Con­fu­ci­us in Chi­na, das im­pe­ri­um Ro­ma­num, Na­po­le­on, das Papst­t­hum, zur Zeit, wo es der Macht und nicht nur der Welt sich zu­ge­kehrt hat­te), wo die herr­schen­den In­stink­te bis­her cul­mi­nir­ten, auch sich der geis­ti­gen Auf­klä­rung be­dien­ten, – min­des­tens sie wal­ten lie­ßen (wie die Päps­te der Re­naissance). Die Selbst­täu­schung der Men­ge über die­sen Punkt, z. B. in al­ler De­mo­kra­tie, ist äu­ßerst wert­h­voll: die Ver­klei­ne­rung und Re­gier­bar­keit der Men­schen wird als »Fort­schritt« er­strebt!

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130.

Die höchs­te Bil­lig­keit und Mil­de als Zu­stand der Schwä­chung (das neue Te­sta­ment und die christ­li­che Ur­ge­mein­de, – als vol­le bêti­se bei den Eng­län­dern Dar­win, Wal­lace sich zei­gend). Eure Bil­lig­keit, ihr hö­he­ren Na­tu­ren, treibt euch zum suf­fra­ge uni­ver­sel u.s.w., eure »Men­sch­lich­keit« zur Mil­de ge­gen Ver­bre­chen und Dumm­heit. Auf die Dau­er bringt ihr da­mit die Dumm­heit und die Un­be­denk­li­chen zum Sie­ge: Be­ha­gen und Dumm­heit – Mit­te.

Äu­ßer­lich: Zeit­al­ter un­ge­heu­rer Krie­ge, Um­stür­ze, Ex­plo­sio­nen. In­ner­lich: im­mer grö­ße­re Schwä­che der Men­schen, die Er­eig­nis­se als Ex­ci­tan­ti­en. Der Pa­ri­ser als das eu­ro­päi­sche Ex­trem.

C­on­se­quen­zen: 1) die Bar­ba­ren (zu­erst na­tür­lich un­ter der Form der bis­he­ri­gen Cul­tur); 2) die sou­ve­rä­nen In­di­vi­du­en (wo bar­ba­ri­sche Kraft-Men­gen und die Fes­sel­lo­sig­keit in Hin­sicht auf al­les Da­ge­we­se­ne sich kreu­zen). Zeit­al­ter der größ­ten Dumm­heit, Bru­ta­li­tät und Er­bärm­lich­keit der Mas­sen, und der höchs­ten In­di­vi­du­en.

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131.

Un­zäh­lig vie­le Ein­zel­ne hö­he­rer Art ge­hen jetzt zu Grun­de: aber wer da­von komm­t, ist stark wie der Teu­fel. Ähn­lich wie zur Seit der Re­naissance.

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132.

Die­se gu­ten Eu­ro­pä­er, die wir sind: was zeich­net uns vor den Men­schen der Va­ter­län­der aus? – Ers­tens wir sind Atheis­ten und Im­mo­ra­lis­ten, aber wir un­ter­stüt­zen zu­nächst die Re­li­gio­nen und Mora­len des He­er­den-In­stink­tes: mit ih­nen näm­lich wird eine Art Mensch vor­be­rei­tet, die ein­mal in uns­re Hän­de fal­len muß, die nach uns­rer Hand be­geh­ren muß.

Jen­seits von Gut und Böse, – aber wir ver­lan­gen die un­be­ding­te Hei­lig­hal­tung der He­er­den-Moral.

Wir be­hal­ten uns vie­le Ar­ten der Phi­lo­so­phie vor, wel­che zu leh­ren noth thut: un­ter Um­stän­den die pes­si­mis­ti­sche, als Ham­mer; ein eu­ro­päi­scher Bud­dhis­mus könn­te viel­leicht nicht zu ent­beh­ren sein.

Wir un­ter­stüt­zen wahr­schein­lich die Ent­wick­lung und Aus­rei­fung des de­mo­kra­ti­schen We­sens: es bil­det die Wil­lens-Schwä­che aus: wir se­hen im »So­cia­lis­mus« einen Sta­chel, der vor der Be­quem­lich­keit schützt.

Stel­lung zu den Völ­kern. Uns­re Vor­lie­ben; wir ge­ben Acht auf die Re­sul­ta­te der Kreu­zung.

Ab­seits, wohl­ha­bend, stark: Iro­nie auf die »Pres­se« und ihre Bil­dung. Sor­ge, daß die wis­sen­schaft­li­chen Men­schen nicht zu Lit­te­ra­ten wer­den. Wir ste­hen ver­ächt­lich zu je­der Bil­dung, wel­che mit Zei­tungle­sen oder gar -schrei­ben sich ver­trägt.

Wir neh­men uns­re zu­fäl­li­gen Stel­lun­gen (wie Goe­the, Stendhal), uns­re Er­leb­nis­se als Vor­der­grund und un­ter­strei­chen sie, da­mit wir über uns­re Hin­ter­grün­de täu­schen. Wir sel­ber war­ten und hü­ten uns, un­ser Herz dar­an zu hän­gen. Sie die­nen uns als Un­ter­kunfts­hüt­ten, wie sie ein Wan­de­rer braucht und hin­nimmt, – wir hü­ten uns, hei­misch zu wer­den.

Wir ha­ben eine dis­ci­pli­na vo­lun­ta­tis vor un­se­ren Mit­menschen vor­aus. Alle Kraft ver­wen­det auf Ent­wick­lung der Wil­lens­kraft, eine Kunst, wel­che uns er­laubt, Mas­ken zu tra­gen, eine Kunst des Ver­ste­hens jen­seits der Af­fek­te (auch »über-eu­ro­pä­isch« den­ken, zeit­wei­lig).

Vor­be­rei­tung dazu, die Ge­setz­ge­ber der Zu­kunft, die Her­ren der Erde zu wer­den, zum Min­des­ten uns­re Kin­der. Grund­rück­sicht auf die Ehen.

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133.

Das 20. Jahr­hun­der­t. – Der Abbé Ga­lia­ni sagt ein­mal: La *prévoyan­ce est la cau­se des guer­re ac­tu­el­les de l’Eu­ro­pe. Si l’on vou­lait se don­ner la pei­ne de ne rien prévoir, tout le mon­de se­rait tran­quil­le, et je ne crois pas qu’on se­rait plus mal­heu­reux par­ce qu’on ne ferait pas la guer­re*. Da ich durch­aus nicht die un­krie­ge­ri­schen An­sich­ten mei­nes ver­stor­be­nen Freun­des Ga­lia­ni thei­le, so fürch­te ich mich nicht da­vor, Ei­ni­ges vor­her­zu­sa­gen und also, mög­li­cher­wei­se, da­mit die Ur­sa­che von Krie­gen her­auf­zu­be­schwö­ren.

Eine un­ge­heu­re Be­sin­nung, nach dem schreck­lichs­ten Erd­be­ben: mit neu­en Fra­gen.

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134.

Es ist die Zeit des großen Mit­tags, der furcht­bars­ten Auf­hel­lung: mei­ne Art von Pes­si­mis­mus: – großer Aus­gangs­punkt.

I. Grund­wi­der­spruch in der Ci­vi­li­sa­ti­on und der Er­hö­hung des Men­schen.

II. Die mo­ra­li­schen Wert­schät­zun­gen als eine Ge­schich­te der Lüge und Ver­leum­dungs­kunst im Diens­te ei­nes Wil­lens zur Macht (des He­er­den-Wil­lens, wel­cher sich ge­gen die stär­ke­ren Men­schen auf­lehnt).

III Die Be­din­gun­gen je­der Er­hö­hung der Cul­tur (die Er­mög­li­chung ei­ner Aus­wahl auf Un­kos­ten ei­ner Men­ge) sind die Be­din­gun­gen al­les Wachst­hums.

IV. Die Viel­deu­tig­keit der Welt als Fra­ge der Kraft, wel­che alle Din­ge un­ter der Per­spek­ti­ve ih­res Wachst­hums an­sieht. Die mo­ra­lisch­christ­li­chen Wer­thurt­hei­le als Skla­ven-Auf­stand und Skla­ven-Lü­gen­haf­tig­keit (im Ver­gleich zu den ari­sto­kra­ti­schen Wei­chen der an­ti­ken Welt).