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Es ist klar, daß dies nur geschehen kann, wenn der Sand wirklich unmittelbar an die Radkränze herangeworfen wird. Daher genügt es nicht, daß von dem Sandkasten auf dem Kessel nur ein einfaches Abfallrohr bis zu den Schienen hinunterführt. Der Sand muß vielmehr kräftig hinausgeschleudert und gegen die Räder geblasen werden. Dies geschieht meistens durch Anwendung von Preßluft, die dem Hauptluftbehälter für die Bremse entnommen wird. Ein mit erheblicher Kraft ausgeschleuderter Sandstrahl läuft auch nicht Gefahr, durch jeden Windzug verweht zu werden, so daß er statt auf die Schienen neben diese fällt.

Das Schleudern der Räder tritt besonders häufig ein, wenn die Schienen feucht sind. Dann sinkt der Reibungswert zwischen ihnen und den Rädern unter das gewöhnliche Maß. Aber auch Laubfall kann die gleiche Wirkung üben oder eine klebrige Schicht, die von kriechenden Tieren über die Schienen gezogen ist. Heuschreckenschwärme, wenn sie in großen Massen die Geleise bedecken und von den Rädern der Maschine zermalmt werden, machen die Schienen gleichfalls schlüpfrig. In dem schon erwähnten Giovi-Tunnel sind es die in der feuchten Finsternis zu Tausenden lebenden Schnecken, welche beim Befahren der im Tunnel ansteigenden Strecke oft die Räder zum Schleudern bringen.

Maschine und Triebwerk sind bei stundenlangen Fahrten für jeden helfenden Zugriff unzugänglich. Kolben, Schieber, Achslager, Kurbelzapfen, die Gleitbahn für die Kreuzköpfe und viele andere reibende Teile müssen aber unausgesetzt mit Schmierstoff versorgt werden. Da es nicht möglich ist, an Ort und Stelle genügende Mengen hiervon aufzuhäufen, so geschieht auch diese Versorgung, wie ja so unendlich viel anderes, vom Führerstand aus. An einer geeigneten Stelle des Triebwerks ist ein Antriebshebel angelenkt, der eine kleine im Führerstand aufgestellte Pumpe in Tätigkeit setzt. Mit ihrer Hilfe werden durch dünne Kupferrohre, die am Rundkessel entlang bis nach vorn geleitet sind, ständig kleine Ölbäche zu den Maschinenteilen gedrückt, die der Gefahr einer Erhitzung ausgesetzt sind. Der Heizer kann am Beginn jeder Ölleitung beobachten, in welchem Grad diese von der Pumpe versorgt wird, und er kann regelnd in die verschiedenen Ölzuflüsse eingreifen.

Meist werden auch die Spurkränze der Lokomotivräder geschmiert, damit ihre Reibung bei seitlichem Anlaufen gegen die Schienenköpfe gemindert wird. Das Reibungsgewicht ruht ja auf den Laufkränzen. Die Seitenreibung kann die Zugkraft nur mindern, sie aber nicht erhöhen. Die Schmierung der Spurkränze geschieht dadurch, daß gefettete Polster an einer Stelle gegen die Hohlkehle des Kranzes gepreßt werden. Man läßt auch zum gleichen Zweck das mit Öl durchsetzte Wasser, welches sich in den Abdampfleitungen niederschlägt, auf den Spurkranz tropfen.

Um weithin hörbare Signale abgeben zu können, bedient sich der Führer der Dampfpfeife. Der Ton, den diese abgibt, richtet sich nach Größe und Form der Luftmasse, die nach Öffnen des Pfeifenzugs von dem nun ausströmenden Dampf in Schwingung versetzt werden kann. Die Stärke des Tons ist abhängig von dem Inhalt der Pfeifenglocke, welche die schwingende Luft birgt; die Höhe des Tons wird durch die Länge der Glocke beeinflußt. Ein schriller Ton entsteht bei Benutzung von Pfeifen mit kleinen niedrigen Glocken; solche mit großen und langen Glocken geben einen tiefen Ton.

Bei Zügen für Personenbeförderung wird bei uns die Pfeife heute nur noch selten benutzt. Früher war das Abgeben eines Pfeifensignals bei jedesmaligem Anfahren der Lokomotive vorgeschrieben. Man hat das inzwischen als unnötiges Lärmmachen erkannt. Nur bei der Einfahrt in Tunnel pflegt regelmäßig gepfiffen zu werden, um Beamte, die vielleicht gerade in der engen Tunnelröhre beschäftigt sind, möglichst frühzeitig vom Herannahen des Zugs in Kenntnis zu setzen. Im Ausland pflegen noch heute zwei begegnende Züge einander durch Pfeifensignale zu begrüßen, was betrieblich vollkommen überflüssig ist. In Amerika werden an Stelle der Pfeifen größtenteils kleine Läutewerke benutzt, oft nur ganz einfache Glocken, die durch Zug an einem Strick vom Führerstand her in Bewegung gesetzt werden können. Unentbehrlich aber sind die Pfeifensignale bei den Güterzügen, wo sie die Bremser zur Bedienung der Hemmvorrichtungen aufrufen. Durch verschiedene Folge kurzer und langer Pfeifentöne können verschiedene Maßnahmen an den Bremsen befohlen werden.

Lokomotiven für Nebenbahnen pflegen noch eine besondere Signal-Einrichtung mit sich zu führen. Bei solchen Strecken sind ja die Überwege zum größten Teil nicht bewacht, und es ist daher notwendig, das Herannahen eines Zugs möglichst deutlich kenntlich zu machen. Zu diesem Zweck ist auf dem Kessel eine große Glocke aufgestellt, gegen die mit Dampfes Hilfe ein starker Klöppel geschlagen wird. Die kleine Dampfmaschine, die hier zum Antrieb benutzt wird, ist sehr sinnreich und einfach hergestellt. Sobald der Führer das Ventil zum Läutewerk geöffnet hat, strömt der Dampf gegen einen Kolben in diesem. Er hebt ihn in die Höhe und damit zugleich den Klöppel. Jetzt aber, nachdem der Kolben emporgegangen, ist der kleine Zylinder innerhalb der Glockenschale nicht mehr geschlossen, der Dampf strömt frei ab, er kann keine Druckwirkung mehr üben, und Kolben und Klöppel fallen herunter, wobei der Schlag gegen die Glockenschale bewirkt wird. Nun drückt der Dampf wieder gegen den Kolben, und so wiederholt sich das Spiel stets von neuem wie bei dem klappernden Deckel eines Teekessels.

Der Führer erhält den Befehl, das Läutewerk durch Öffnen eines Ventils anzustellen, durch große, mit einem L versehene Tafeln zur Seite der Strecke. Diese L-Tafeln sind ein Ausrüstungsgegenstand, der für „Bimmelbahnen“ kennzeichnend ist.

Damit der Führer stets imstande ist, die Druckverhältnisse in allen Teilen des gewaltigen Lokomotivkörpers zu beobachten und seine Maßnahmen danach einzurichten, ist in seinem engen Haus eine Reihe von Zifferblättern angebracht, auf denen unter dem Einfluß zahlreicher Vorgänge in der Maschine Zeiger bewegt werden.

Die wichtigste Vorrichtung dieser Art ist der Druckmesser, welcher die Pressung im Lokomotivkessel anzeigt. Durch die Zahl, die den zulässigen Höchstdruck angibt, ist ein roter Strich gezogen. Sobald der Zeiger diesen Strich überschreitet, schlägt das Sicherheitsventil auf und verhütet weitere Drucksteigerung. Eine zweite Meßvorrichtung zeigt den Dampfdruck im Schieberkasten an, wodurch der Führer darüber aufgeklärt wird, ob nicht etwa bei dem Weg vom Kessel zum Zylinder der Dampf eine unzulässige Drosselung an irgendeiner Stelle erfahren hat.

Weiter werden die Luftpressungen im Bremshauptbehälter und in der durch den Zug gehenden Bremsleitung selbst gemessen. Desgleichen kann jederzeit auf einem Zifferblatt der Dampfdruck in der ja so wichtigen Zuleitung zur Speisewasserpumpe festgestellt werden. In das Rohr, welches den Heizdampf zu den Wagen überführt, ist ein weiterer Druckmesser eingeschaltet. Die elektrische Anzeige-Vorrichtung für den Grad der Überhitzung wurde bereits erwähnt.

Die Gebilde, welche man heute mit dem Wort „Dampf-Lokomotive“ bezeichnet, sind gewiß nicht alle gleicher Gattung. Diese große Familie besitzt vielmehr Mitglieder äußerst verschiedener Arten, deren Aussehen, Leistungsfähigkeit und Arbeitsgebiete sehr stark voneinander abweichen. Die Riesenmaschine vor dem Schnellzug ist eine Lokomotive, das kleine puffende eiserne Tier auf dem Bauplatz ist es gleichfalls. Damit man nun leichter die Fähigkeiten der einzelnen Lokomotive kurz und schlagend benennen kann, ist eine Gliederung notwendig gewesen. Man hat Bezeichnungen eingeführt, welche die Grenzen der Benutzungsmöglichkeit in einfacher Weise angeben. Von dem früher üblichen Brauch, jede Maschine mit einem Namen zu versehen und gleichartige dadurch zu kennzeichnen, daß man ihnen Namen von leicht erkennbarer Zusammengehörigkeit beilegte, wird neuerdings abgesehen; dafür ist die Familie längst zu vielköpfig geworden. Man bezeichnet die Lokomotiven heute in sehr geschickter Weise durch Buchstaben und Zahlen.

Die Maschinen gliedern sich zunächst in Lokomotiven mit Schlepptender und solche, die keinen besonderen Tender besitzen; diese heißen Tender-Lokomotiven, abgekürzt T. Die drei Hauptgruppen, Schnellzug-, Personenzug-, Güterzug-Lokomotiven, werden durch die Buchstaben S, P, G gekennzeichnet. V bedeutet, daß auf der Lokomotive Verbund-Wirkung angewendet wird, H, daß sie mit Heißdampf-Erzeugung versehen ist. Eine Zusammenstellung solcher Buchstaben ergibt schon eine ganz brauchbare Kennzeichnung. So bedeutet G H T, daß es sich um eine Güterzug-Tender-Lokomotive mit Dampfüberhitzung handelt.

Am allerwichtigsten ist es aber für die Betriebsleiter auf der Eisenbahn, die Achs-Anordnung jeder Lokomotive aus ihrer Bezeichnung entnehmen zu können. Hieraus ist ja am besten auf ihre Leistungsfähigkeit zu schließen, sowohl was die Zugkraft wie auch was die Beweglichkeit in Krümmungen betrifft. Bis vor wenigen Jahren war es üblich, die Achsanordnung durch einen Bruch anzugeben, in dessen Zähler man die Zahl der gekuppelten Achsen, in dessen Nenner man die Gesamtzahl der Achsen setzte. 35 bedeutete also eine Maschine mit fünf Achsen, von denen drei gekuppelt sind. Hieraus konnte man jedoch noch nicht die Lage der Achsgruppen zueinander erkennen. Aus diesem Grund ist neuerdings eine Reihung von Zahlen und Buchstaben eingeführt, die erschöpfendes über die Achsen aussagt.

Hierbei wird jede Laufachse mit einer Ziffer, jede Kuppelachse durch einen Buchstaben bezeichnet. Mit wachsender Achszahl schreiten die Ziffern und Buchstaben in ihrer üblichen Folge fort. Ziffern und Buchstaben liegen zueinander wie die Achsgruppen unter der Lokomotive, von vorn nach hinten gesehen. So bedeutet 1 A 1 eine Lokomotive, die hinter dem Schornstein zuerst eine Laufachse, dann die Treibachse, dann wieder eine Laufachse hat. 2 B 1 ist eine Maschine mit zwei Laufachsen, zwei darauf folgenden Kuppelachsen und wieder einer Laufachse. 2 C bedeutet zwei Laufachsen, drei Kuppelachsen. E ist eine Lokomotive, die ausschließlich fünf gekuppelte Achsen besitzt, also, wie wir uns leicht denken können, eine schwere Güterzug-Maschine ist. Die Lokomotive auf ist also eine 2 B 2-Maschine, stellt eine 1 D-Maschine dar, eine 1 C 1-Maschine und eine 1 F 1-Tender-Lokomotive. Bei solchen Maschinen, die zwei getrennte Triebwerke besitzen, also z. B. bei der großen Mallet-Maschine auf dem vor dem Titel dieses Buchs, werden die Achs-Bezeichnungen für jedes zu einem Triebwerk gehörige Laufwerk gesondert zusammengestellt, und beide Gruppen durch ein Pluszeichen verbunden. Die schwerste Lokomotive Europas auf jenem Bild ist also eine D + D-Maschine.

 

Die wichtigsten Ziffern, die sonst noch über Lokomotiven angegeben zu werden pflegen, sind ihr Leergewicht, das heißt also die Zahl der Kilogramm, die eine Wägung ohne Vorräte ergibt, ferner das Dienstgewicht, also das Ergebnis der Wägung bei gefüllten Vorratbehältern, und das Reibungsgewicht, das heißt derjenige Teil des Gewichts, der auf die gekuppelten Achsen entfällt. Dies allein ist maßgeblich für die Zugkraft.

Der vielgegliederte Körper der Lokomotive muß ständig unter sorgfältigster Aufsicht gehalten werden. Nach Beendigung jeder Fahrt sind alle Teile sorgfältig zu überprüfen und jeder entstandene Schaden sofort auszubessern, damit die Maschine wieder vollgewappnet den neuen Dienst antreten kann. Wenn größere Eingriffe am Kessel notwendig sind, muß freilich erst das Abkühlen abgewartet werden, wodurch es erforderlich wird, die Maschine für längere Zeit aus dem Betrieb zu ziehen. Das Ablassen des Dampfs, das nur langsam geschehen darf und meist durch Öffnen des Heizleitungs-Anschlusses geschieht, dauert mehrere Stunden.

Die kleinen Gebrechen pflegen sich jedoch weit häufiger als an dem auf dem Rahmen ruhenden Kesselbau an den bewegten Maschinenteilen einzustellen, wo sie schneller ausgebessert werden können.

In bestimmten Abständen findet ein Auswaschen des Kessels statt, um ihn von dem Schlamm zu befreien, der sich stets aus dem Speisewasser niederschlägt, wenn dieses auch noch so gut vorgereinigt ist. Es muß hierbei außerdem der Kesselstein entfernt werden, das ist eine stark kalkhaltige Schicht, die sich insbesondere um die Heizrohre bildet und die Dampf-Erzeugung mindert. Sie schlägt sich aus dem Wasser dadurch nieder, daß dessen chemische Beimengungen bei der Dampfbildung ausgeschieden werden. Beim Auswaschen werden zahlreiche, hierfür vorgesehene Öffnungen am Kessel freigemacht, warmes Wasser wird unter starkem Druck eingespritzt und ferner mit besonderen Kratzvorrichtungen möglichst in alle Ecken und über sämtliche Rohre gefahren.

Spätestens acht Jahre nach Inbetriebsetzung jeder Lokomotive findet eine Hauptuntersuchung statt. Hierbei wird die Maschine vollständig auseinandergenommen, und auch der Kessel wird im Innern untersucht. Damit man diese Prüfung vornehmen kann, müssen sämtliche Heizrohre entfernt werden. Eine Wiederholung der Hauptuntersuchung hat alsdann alle sechs Jahre stattzufinden.

In engem Zusammenhang mit der sorgfältigen Unterhaltung der Lokomotive steht eine betriebliche Streitfrage, die bis heute noch nicht entschieden ist. In den Fachzeitschriften finden noch immer Erörterungen darüber statt, ob es besser ist, jede Lokomotive nur mit Einer Mannschaft zu besetzen oder der einzelnen mehrere Mannschaften zuzuordnen. Ist die Lokomotive nur einmal besetzt, so werden die Ruhepausen, die sie einhalten muß, durch die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit bestimmt. Die Beamten müssen ja nach einer längeren Zahl von Dienststunden stets Gelegenheit haben, sich eine Zeitlang auszuruhen. Sie ermüden weit schneller als die Lokomotive.

Wenn eine Schnellzug-Maschine nach langer Fahrt von der Schlacke befreit worden ist, die sich auf dem Rost gebildet hat, wenn sie nachgesehen, frisch geschmiert und mit neuen Vorräten versehen worden ist, so kann sie alsbald wieder auf die Reise gehen. Die Mannschaft aber ist hierzu nicht immer fähig. Während deren Ruhezeit steht die Lokomotive also für gewöhnlich unnötigerweise still, die für sie aufgewendete Anschaffungssumme trägt während dieser Zeit keinen Nutzen. Andererseits aber bildet sich durch die Besetzung jeder Lokomotive mit nur Einer Mannschaft ein gewisses Freundschaftsverhältnis zwischen Menschen und Maschine heraus. Führer und Heizer haben sich nur mit „ihrer“ Lokomotive zu beschäftigen. Sie kennen deren Eigenheiten sehr genau, wissen, in welcher Beziehung sie besonders schonungsbedürftig ist, und durch welche Maßnahmen man das Letzte der Kraft aus ihr herausholen kann. Wenn die Mannschaften wechseln, wird leicht einmal eine Ausbesserungsarbeit nicht vorgenommen, weil einer diese gern dem andern überläßt, zumal die Verantwortlichkeit nachher nicht mehr mit Sicherheit festzustellen ist.

Die Dinge liegen heute so, daß bei jeder deutschen Bahnverwaltung stets eine große Anzahl von Lokomotiven doppelt oder dreifach besetzt ist. Bei den meisten Verwaltungen ist die mehrfache Besetzung noch in der Minderzahl. So waren in Preußen im Jahre 1913 41 vom Hundert aller Lokomotiven mehrfach besetzt, auf den gesamten deutschen Bahnen 45 vom Hundert, in Baden allerdings bereits 78 vom Hundert. In Amerika steht die mehrfache Besetzung weit voran.

Der Dauerbetrieb übt natürlich einen nachteiligen Einfluß auf das Alter der Lokomotiven aus. Ihre Lebensdauer wird dadurch hinuntergesetzt. Aber das ist kein durchschlagender Gesichtspunkt für die Beibehaltung einfacher Besetzung. Denn infolge der heute sehr rasch aufeinanderfolgenden Neuerungen veralten Lokomotiven meist weit früher als sie infolge Verfalls ihrer Hauptteile reif zum Abwracken werden. Es ist deshalb anzunehmen, daß die mehrfache Besetzung noch immer weiter zunehmen wird.

Schon heute ist das Durchschnittsalter der Lokomotiven sehr gering. In Preußen beträgt es jetzt nicht mehr als zehn Jahre. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie rasch diese Verwaltung alle neuen Errungenschaften ihrem Maschinenpark dienstbar macht. Das Durchschnittsalter aller deutschen Lokomotiven ist zwölf Jahre. Es gibt aber auch unter ihnen sehr ehrwürdige Erscheinungen, deren Fortleben bis in unsere Tage für die sehr bedeutende Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit auch der älteren Lokomotivbauten spricht.

Die älteste Lokomotive, die bei Kriegsbeginn vorhanden war, stammte erstaunlicherweise aus dem Jahre 1862. Sie gehörte der sächsischen Staatsbahn. Die badischen Staatsbahnen besitzen eine Maschine, die 1863 das Licht der Schienenwelt erblickte, ferner zwei aus dem Jahre 1864. Das gleiche Geburtsjahr haben drei heute noch in Betrieb befindliche württembergische Lokomotiven. Die ältesten bayerischen Maschinen, fünf an der Zahl, wurden 1866 gebaut, die älteste preußische stammt aus dem Jahre 1873.

Aus den Angaben, die in diesem Abschnitt gemacht worden sind, geht wohl deutlich hervor, welch ein großartiger Bau eine neuzeitliche Lokomotive ist. Was hier an tatsächlichen Leistungen und an wirtschaftlicher Ausnutzung des Brennstoffs geleistet wird, muß um so mehr in Erstaunen setzen, als gerade die Lokomotiv-Maschine gezwungen ist, unter den ungünstigsten Umständen zu arbeiten. Die ortsfesten Dampfmaschinen sind größtenteils in schmucken Häusern untergebracht, sie ruhen auf riesigen, unerschütterlichen Grundvesten und befinden sich unter ständiger fachmännischer Aufsicht. Jeder ihrer Pulsschläge wird in jedem Augenblick behorcht, stets ist der Wärter bereit, bei eintretender Unregelmäßigkeit des Laufs sofort einzugreifen. Die Lokomotiv-Maschine muß dagegen stundenlang fahren, ohne daß sie für eine menschliche Hand zugänglich ist. Sie ist allen Unbilden des Wetters ausgesetzt, sie muß durch Staub und Schmutz hindurch, grausame Stöße erschüttern fortwährend ihren Leib. Dabei ist es notwendig, alle die zahlreichen Bauteile auf geringstem Raum unterzubringen und sie so weit zu verfeinern, daß ein engbegrenztes Gesamtgewicht nicht überschritten wird.

Man muß das wirtschaftlich verhältnismäßig günstige Arbeiten der Lokomotiven aber noch mehr bestaunen, wenn man weiß, daß ihnen eine Einrichtung vollständig fehlt, die jede ortsfeste Dampfmaschine zur Erleichterung ihrer Arbeit besitzt.

Schon James Watt hatte erkannt, daß die Wirkung des Dampfdrucks auf die eine Kolbenseite dadurch vermindert wird, daß, wenn besondere Vorrichtungen fehlen, die andere Kolbenseite dem Gegendruck der Außenluft in Höhe von 1 Atmosphäre ausgesetzt ist. Läßt man den Dampf, nachdem er im Zylinder tätig gewesen, ohne weiteres in die Luft entweichen, arbeitet die Maschine also mit Auspuff, so ist dieser Gegendruck der Atmosphäre stets vorhanden. Man kann ihn aber fortschaffen, wenn man den benutzten Dampf zu besonderen Gefäßen leitet, in denen er mit kalten Wänden in Berührung kommt und sogleich niedergeschlagen wird. Der Raum, den er einnimmt, wird dadurch stark verkleinert. Wenn in den Kondensator, wie man die Einrichtung zum Niederschlagen des Dampfs technisch benennt, keine Luft nachströmen kann, so muß sich in diesem ein Unterdruck ausbilden. Dieser Unterdruck hilft nun dem auf der anderen Kolbenseite arbeitenden Dampf, indem er eine saugende Wirkung auf den Kolben ausübt.

Die Einrichtung an den ortsfesten Maschinen ist so getroffen, daß jede Zylinderseite durch den Schieber wechselnd bald mit dem Kessel, bald mit dem Niederschlagsraum in Verbindung gebracht wird. Zur Kühlung verwendet man Wasser, das entweder in das Abdampfgefäß eingespritzt wird oder es durchzieht, indem es durch zahlreiche Röhren läuft. Hierbei erwärmt sich das Wasser und muß, da man es aus wirtschaftlichen Gründen gern stets von neuem verwendet, gekühlt werden. Man leitet das Wasser zu diesem Zweck in Türme, auf deren Höhe es hinaufgepumpt wird, um dann in Tropfenform über zahlreiche quergestellte Bretter wieder hinabzufließen, wobei es reichlich Gelegenheit hat, seine Wärme an die Außenluft abzugeben. Für jede große, ortsfeste Dampfmaschinen-Anlage sind heute die oft ganz gewaltigen, hölzernen Kühltürme ein besonderes Kennzeichen.

Es braucht nicht gesagt zu werden, daß an der Lokomotive Kühltürme nicht angebracht werden können, ja es fehlt selbst jede Möglichkeit, an ihr einen Niederschlagsraum vorzusehen, weil dieser nur einen Zweck hat, wenn er räumlich sehr ausgedehnt ist. Die Lokomotive ist also eine Dampfmaschine, die ohne Kondensation, das heißt gegen den Atmosphärendruck arbeiten muß, was ihre Tätigkeit lebhaft erschwert.

Um so mehr ist das, was mit dieser in ihren Einzelteilen eng zusammengeballten und sozusagen verkrüppelten Dampfmaschine erreicht wird, als eine Meistertat der Technik zu bezeichnen.

Der immer weiter herabgeminderte Kohlenverbrauch für die Pferdekraftstunde wurde schon erwähnt. Die höchste Schnelligkeitsleistung in Europa vollbrachte am 2. Juli 1907 die auf dargestellte 2 B 2-Lokomotive von J. A. Maffei in München auf der Strecke München-Augsburg. Sie entfaltete hierbei während einiger Minuten eine Stunden-Geschwindigkeit von fast 155 Kilometern. Man hatte geglaubt, daß die Dampflokomotive mit ihren hin und her gehenden Teilen eine so bedeutende Schnelligkeit nicht würde entfalten können. Durch diesen Versuch wurde aber bewiesen, daß diese Maschine noch lange imstande sein wird, allen Geschwindigkeits-Anforderungen, die man an sie stellt, zu entsprechen.

Stundengeschwindigkeiten von 120 bis 125 Kilometern während längerer Zeit kommen heute schon häufig vor. Garbe sagt, es müsse als bald erreichbares Ziel betrachtet werden, daß mittelschwere Züge im Flachland mit einer Durchschnitts-Geschwindigkeit von 100 Kilometern sicher gefahren werden können. Hierzu sind vorübergehende Stundengeschwindigkeiten von 110 bis 120 Kilometern erforderlich. Auch von Stockert ist der Meinung, daß die Dampflokomotive hierfür durchaus geeignet sei.

Die Dampflokomotiv-Fabriken sind, getrieben insbesondere durch den immer stärkeren Wettbewerb der elektrischen Lokomotiven, heute aufs lebhafteste bemüht, das Letzte aus den von ihnen erbauten Maschinen herauszuholen. Jeder Monat bringt neue Verbesserungsvorschläge. Die Durchführung einer sehr gründlichen Maßnahme, durch die man mit verhältnismäßig einfachen Maschinen-Anordnungen große Leistungssteigerungen erreichen kann, hängt jedoch nicht von den Fabriken ab. Es ist die Erhöhung des zulässigen Achsdrucks. In Amerika ist man hierbei heute bereits bis auf 30 000 Kilogramm hinaufgegangen, gegen 18 000 Kilogramm bei uns, die erst in neuester Zeit zugelassen sind.

Hochgetürmte Lokomotiven werden durch Vergrößerung des Achsdrucks ausführbar. Aber auch die Länge, und damit die Achszahl, wächst in Amerika unausgesetzt. Notwendig muß eine Vergrößerung der Feuerungsfläche hiermit Hand in Hand gehen; wegen der engen Spurweite kann diese nicht nach den Seiten, sondern nur in Richtung der Längsachse stattfinden. Schon ist man drüben zu so langen Rosten gelangt, daß deren Versorgung mit Kohle von Hand nicht mehr möglich ist. Der Heizer kann durch seinen Schaufelwurf die hinteren Rostteile nicht mehr sorgfältig versehen. Die Amerikaner sind mit ihrer raschen Entschlossenheit nicht davor zurückgeschreckt, nun sogleich mechanische Beschickungsvorrichtungen einzuführen. Man hat sich in Europa zu dieser Beschwerung der Lokomotive mit einem neuen Bauteil noch nicht entschlossen und dürfte das auch in absehbarer Zeit nicht tun.

 

Vielfältig sind auch die Maßnahmen, die dem Führer der Lokomotive seine Arbeit dadurch erleichtern wollen, daß sie ihm einen günstigeren Aufstellungsort geben, als er ihn bis heute für gewöhnlich hat. Der Blick auf Strecke und Signale aus dem kleinen Führerhausfenster ist bereits jetzt sehr beengt. Die Blickbegrenzung wird immer störender, je höher die Kessel sich emporwölben. Die kurzen Schornsteine lassen Rauch und Dampf allzusehr in das Gesichtsfeld des Führers dringen. Man strebt darum eine grundsätzliche Neuanordnung des Führerstands an, indem man ihn nach vorn hin verlegt.

Es gibt bereits hier und da Lokomotiven, auf denen sich der Platz des Führers vor dem Schornstein über der vordersten Pufferbohle befindet. Der Blick des Beamten kann von dorther, unbehindert durch den sonst so störenden Vorbau des Kessels, die Strecke nah und fern vollkommen umfassen. Notwendig muß man dem Führer auf seinen neuen Posten die Haupthebel für die Regelung der Geschwindigkeit mitgeben, also wenigstens den Regler, die Schiebersteuerung und das Führer-Brems-Ventil, wodurch in Rücksicht auf die unbedingte Sicherheit bei der Bedienung technisch nicht ganz einfach zu bewältigende Neuanordnungen notwendig werden. Unerläßlich ist ferner die Möglichkeit einer Verständigung mit dem Heizer, der ja den Platz vor der Feuertür nicht verlassen darf. Es zeigt sich hierbei rasch, daß die Dampflokomotive in der freien Beweglichkeit der Mannschafts-Aufstellung gegenüber der elektrischen Lokomotive ganz bedeutend im Nachteil ist.

Die Aufstellung des Führers im Vorderteil der Lokomotive bringt es auch mit sich, daß der Beamte sich dort allein befindet, was als unzulässig bezeichnet werden muß. Man kann die Führung des Zugs nicht Einem Menschen ausschließlich anvertrauen, da dieser körperlichen Zufälligkeiten ausgesetzt ist, die seine Entschluß- und Handlungskraft zu mindern imstande sind. Es ist darum eine Dampflokomotive durchgebildet worden, die einen Verbindungsgang zum vorderen Führerstand besitzt, dem Zugführer also die Möglichkeit gibt, den Lokomotivleiter während der Fahrt häufig aufzusuchen. Diese Lokomotive ähnelt in ihren äußeren Formen schon sehr der elektrischen, sie gewährt dem Führer einen angenehmen Aufenthalt in vollständig geschlossenem Haus.

Auf italienischen Bahnen sind Lokomotiven im Gebrauch, die ständig rückwärts fahren und gleichfalls einen völlig geschlossenen Führerstand mit verglaster Vorderwand besitzen. Die Kohlen sind, wie bei den Tender-Lokomotiven, in Taschen rings um den Stand untergebracht, der an der Schornsteinseite angehängte Tender ist nur noch Wasserwagen und demgemäß als runder Behälter ausgebildet.

Es sind nun noch einige Lokomotiv-Abarten zu erwähnen, die besonderen Zwecken dienen.

Häufiger müssen Geleise in Bezirken befahren werden, für deren Bereich die Anwendung offenen Feuers unzulässig ist. In Betracht kommen hierfür große Lagerschuppen, in die beladene Eisenbahnwagen mit Lokomotivkraft gebracht werden, Schiffsanlegeplätze mit hölzernen Bollwerken, Fabrikgrundstücke und ähnliches. Lokomotiven gewöhnlicher Art können hier nicht verwendet werden, da sie ja die geborenen Brandstifter sind. Wenn man trotzdem in solchen Bereichen auf ihre straffe Kraftwirkung nicht verzichten will, dann bedient man sich einer Sonderart: der feuerlosen Lokomotive.

Dies sind Dampfmaschinen ohne eigene Feuerung. Ihr Dampfkessel weicht in seinem Bau von der gewöhnlichen Art ab, was auch schon äußerlich dadurch erkennbar wird, daß der Schornstein fehlt. Der zum Antrieb der Kolben erforderliche Dampf wird aus einem ortsfesten Erzeuger fertig eingefüllt. Wir haben also hier eine Dampfmaschine zweiter Art vor uns, eine Speicher-Einrichtung, vergleichbar den elektrischen, durch Stromerzeuger gespeisten Batterien. Die Abhängigkeit von einem fremden Dampferzeuger bringt es mit sich, daß der Fahrbereich der feuerlosen Lokomotiven beschränkt ist. Sie können nicht über ungezählte Kilometer hinwegrollen, sondern müssen immer rechtzeitig zur Versorgungsstelle zurückkehren können.

Alle vom Dampf berührten Flächen sind bei dieser Lokomotivart besonders gründlich geschützt, weil hier die einmal verlorene Wärme bei derselben Füllung nicht mehr erneuert werden kann. Die Zylinder sind darum häufig im Innern des Rahmens zwischen den Rädern angebracht, wo sie von der kalten Außenluft schwerer erreicht werden können. Der Kessel, der nichts anderes ist als ein einziges weites Rohr, wird, wie bei den eigentlichen Lokomotiven, mit einem Blechmantel zur Erzeugung einer schützenden, ruhenden Luftschicht umgeben, darauf wird aber noch eine Filzlage gepackt und ein neues Umhüllungsblech über das Ganze gelegt. Auf diese Weise hat der Kessel der feuerlosen Maschine ein warmes Kleid an, und dieses umhüllt ihn so gut, daß abends eingefüllter Dampf am nächsten Morgen häufig noch eine Spannung von mehreren Atmosphären hat.

Wo kein Dampf für die Füllung zur Verfügung steht, oder wo leicht entflammbare Gase die Anwendung von Maschinen mit heißen Flächen verbieten, wie z. B. in Bergwerken mit Schlagwettergefahr, verwendet man kalte Lokomotiven. Der Antrieb der Kolben erfolgt hier durch Luft, die in große Stahlflaschen gepreßt ist. Auch hier ist eine Erneuerung des Antriebsmittels nach einer gewissen Zeit notwendig, wenngleich die großen Behälter in dem ohnehin beschränkten Gebiet einer Grube eine recht lange Nutzung gestatten.

Es gibt aber auch feuerlose Lokomotiven, die über unbegrenzte Strecken zu fahren vermögen. Ihr Antrieb schöpft aus der gleichen Quelle wie die Maschine des Kraftwagens. Es sind Lokomotiven mit Verbrennungsmotoren. Die Motor-Lokomotive hat sich zwar nicht die Vollbahn erobert, obgleich Versuche mit großen, durch Diesel-Motore angetriebenen Maschinen – ganz abgesehen von den noch zu behandelnden Triebwagen – bereits gemacht worden sind. Aber in Bergwerken, auf Waldbahnen, im Verschiebedienst und auch auf Kleinbahnen mit Personenbeförderung bieten sie viele Vorteile. Die Motor-Lokomotiven sind von einer bestimmten Füllstelle unabhängig, da der im Behälter mitgeführte Betriebsstoff sehr lange ausreicht und an vielen Orten erneuert werden kann, sie stehen jederzeit betriebsfertig da, bedürfen, weil ihre Wartung sehr einfach ist, nur Eines Manns zur Bedienung und brauchen nicht die Last großer Vorräte mitzuschleppen.

Das neueste Triebmittel im Bereich der Welt auf Schienen und zugleich dasjenige, dem sich die größte Zukunft eröffnet, ist die elektrische Lokomotive. An sie knüpfen sich alle Hoffnungen für eine grundsätzliche Weiterbildung des Eisenbahnwesens. Wir werden die großartigen Eigenschaften dieser neuen Maschine später in einem besonderen Abschnitt unseres Buchs ausführlich zu behandeln haben.

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