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Während der Fahrt hat der Zug eine gestreckte Form. Bei Personenzügen sind die Pufferfedern fast ganz, bei den lose gekuppelten Güterzügen vollständig entlastet. Die Kupplungen sind gestrafft. Wenn jetzt eine Ungleichmäßigkeit beim Bremsen auftritt, z. B. die vorderen Wagen bereits stark gehemmt sind, während die Bremsung am Zugende gerade erst einsetzt, dann entsteht ein Zusammendrücken des Zugs, indem die letzten Wagen auf die vorderen auflaufen. Die gepreßten Pufferfedern üben alsbald einen Rückstoß aus, und es entsteht so eine hin und her gehende Bewegung, ein Zucken im Zug, das leicht ein Zerreißen von Kupplungen herbeiführen kann. Wenn die für den Zug verwendete Bremsart ungleichmäßiges Abstoppen befürchten läßt, muß langsam gebremst werden. Der Bremsweg wird hierdurch länger.

Man unterscheidet heute in der Hauptsache drei Arten von Bremsen: die Einzelbremsen, bei denen die auf jeden Wagen ausübbare Bremskraft unabhängig von der bei jedem anderen ist, die durchgehenden Bremsen, die eine zusammenhängende Einwirkung auf den ganzen Zug ermöglichen und die zwischen diesen beiden Arten liegenden Gruppenbremsen, welche gestatten, mehrere aufeinanderfolgende Wagen eines Zugs von einer Stelle aus gleichzeitig zu bremsen; die einzelnen Gruppen sind dann durch nicht bremsbare Wagen getrennt. Die Gruppenbremse kommt hauptsächlich für gemischte Züge in Betracht, also für solche, in die Personen- und Güterwagen durcheinander eingestellt werden.

Es ist selbstverständlich, daß die durchgehende Bremse die gleichmäßigste Wirkung hat. Werden doch hier von Einer Stelle aus alle Wagen des Zugs zur selben Zeit gebremst. Die Stelle, von der aus die Bremsung eingeleitet wird, ist naturgemäß die Lokomotive. Damit aber auch eine wirklich gleichmäßige Bremsung eintritt, muß das Bremsmittel so beschaffen sein, daß seine Wirkung überall möglichst zu gleicher Zeit eintritt. Die auf der Lokomotive eingeleitete Bremsung muß raschest auch am letzten Wagen zu wirken beginnen. Das ist nur möglich, wenn die Durchschlagsgeschwindigkeit des Bremsmittels sehr groß ist.

Als Kräfte zur Ausübung der Bremsung werden heute angewendet: die Kraft des menschlichen Arms, die lebendige Kraft des Zugs, Gewichtsdruck, Dampf, Druck der atmosphärischen Luft gegen Kolben in Räumen mit verdünnter Luft (Luftsaugebremse) und gepreßte Luft (Druckluftbremse).

Obgleich die Technik heute bestrebt ist, den Menschen von schwerer körperlicher Arbeit, soweit es irgend möglich ist, zu entlasten, und obwohl die Anwendung von Maschinenkräften für die Zugbremsung aufs beste bewährt ist, herrscht seltsamerweise in Deutschland die von Menschenhand betätigte Eisenbahnbremse heute noch vor. Wegen der geringen Kraft, die der Mensch auszuüben vermag, ist die Handbremse nur als Einzelbremse verwendbar.

Die Betätigung der Handbremse geschieht meistens dadurch, daß der Bremser eine wagerecht stehende Kurbel im Sinn des Uhrzeigers bewegt. Hierdurch dreht er eine senkrecht stehende Spindel, die an ihrem Ende ein kräftiges Gewinde hat. Auf diesem Gewinde wird eine Mutter emporgeschraubt. An dieser sind Hängeeisen befestigt, welche die Bewegung der Mutter auf das Bremsgestänge übertragen und so das Andrücken der Klötze bewirken. Die Anordnung ist auf (am Schluß des Buchs) oben links zu erkennen.

Auch die Wagen der Personenzüge sind fast sämtlich mit Handbremsen ausgerüstet, die dann benutzt werden sollen, wenn die durchgehende Bremse versagt. In den D-Wagen befinden sich keine wagerechten Kurbeln, sondern es ist zur Ersparung von Platz an der einen Stirnwand jedes Wagens im durchlaufenden Gang ein senkrecht liegendes Handrad mit umlegbarem Griff angebracht. Die Drehung wird durch Kegelräder auf die senkrechten Spindeln übertragen.

Seltener werden Handbremsen durch Gewichtshebel betätigt. Hierbei wirkt ein auf dem langen Arm eines ungleicharmigen Hebels aufgeschraubtes Gewicht nach Umlegen des Hebels so, daß es die mit dem Bremsgeschirr verbundene Stange anhebt. Für Tender in Preußen sind derartige Gewichts- oder Wurfhebelbremsen vorgeschrieben.

In Deutschland werden heute noch sämtliche Güterzüge, ausgenommen die Eilgüterzüge, mit Handbremsen gefahren. Eine durchgehende Bremse ließ sich hier bisher nicht anwenden, weil noch bis vor kurzem keine solche vorhanden war, deren Durchschlagsgeschwindigkeit für die bei Güterzügen üblichen, sehr bedeutenden Längen genügte. Eine großartige Änderung steht aber in diesem Bezirk bevor; wir werden hiervon am Ende dieses Abschnitts hören.

Die Handbremse hat sehr viele Nachteile. Zunächst verursacht ihre Bedienung große Kosten, da zu diesem Zweck eine zahlreiche Mannschaft über den ganzen Zug verteilt sein muß. Auf jedem mit Bremse versehenen Wagen muß sich ein Mann befinden. Obgleich also bei dieser Anordnung menschliche Denkkraft über jeder einzelnen Bremse waltet, tritt doch die Bremswirkung nirgend so unregelmäßig ein wie gerade hier.

Der Befehl zum Anziehen der Bremsen wird durch den Lokomotivführer gegeben. Nach der Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands hat er zunächst mit der Dampfpfeife einen langen Ton abzugeben, der „Achtung!“ bedeutet. Ein darauffolgender kurzer Pfiff befiehlt mäßiges Anziehen der Bremsen, drei kurze Töne schnell hintereinander fordern zu kräftiger Bremsung auf. Das Lösen wird durch zwei lange Töne anbefohlen.

Es ist leicht einzusehen, daß ein gleichmäßiges Bremsen auf diese Weise nicht erwirkt werden kann. Das Pfeifensignal wird nicht überall zu gleicher Zeit gehört, da mancher Bremser draußen auf der Plattform steht, während andere in ihren fest verschlossenen Häuschen sitzen. Sehr häufig verschlingt das Rasseln des Zugs, insbesondere auf eisernen Brücken und in Tunneln, den Ton der Pfeife vollständig. Nebelige Luft wird von den Schallwellen nur schwer durchdrungen. So kommt es, daß schon der Befehl die einzelnen Bremser zu ungleicher Zeit erreicht. Dann aber ist auch die Geschwindigkeit verschieden, mit welcher der einzelne Mann sich zur Kurbel begibt. Während der eine rasch heranspringt, wird der andere sich, insbesondere im Winter, wenn schwere Bekleidung die Bewegungen hemmt, nur langsam von seinem Sitz erheben und die Kurbel erst anfassen, wenn andere die Bremse schon fest angezogen haben. Auch die Geschwindigkeit der Kurbeldrehung ist ungleich. Stöße beim Bremsen sind daher in Güterzügen ganz unvermeidlich. Darum kann ihre Geschwindigkeit über 30 bis 40 Kilometer in der Stunde nicht gesteigert werden. Die Besprechung der neuen Güterzugbremse wird uns noch Gelegenheit geben, zu erörtern, welchen unliebsamen Einfluß diese langsamen Güterzugfahrten auf den gesamten Eisenbahnverkehr ausüben. Die Lokomotiven könnten ohne Schwierigkeiten schwer und stark genug gemacht werden, um auch mit den längsten Zügen sehr viel schneller zu fahren.

Eine Zeitlang haben die Eisenbahntechniker ihre Aufmerksamkeit der Ausnutzung der lebendigen Kraft der Züge für die Herbeiführung der Bremsung zugewendet. Diese lebendige Kraft ist es ja gerade, die beim Bremsen vernichtet werden soll, sie bietet sich also zur Verwendung für die Hemmung von selbst an. Stephenson bereits hat das Zusammendrücken des Zugs bei Verlangsamung der Lokomotivfahrt zum Aufhalten der Wagen benutzt. Beim Eindrücken der Stoßvorrichtungen wurden die Bremsgestänge bewegt, und die Klötze dadurch angezogen. Aber da die Wirkung einer solchen Bremse erst eintritt, wenn das Auflaufen der Wagen bereits stattgefunden hat, so ergaben sich sehr starke Stöße, die schon bei geringen Zuggeschwindigkeiten Zerreißungen der Kupplungen herbeiführten. Diese Bremsart ist deshalb alsbald verlassen worden.

Günstigere Ergebnisse brachte bereits die Anordnung von Heberlein. Hier ist auf eine Achse jedes Bremswagens eine besondere runde Scheibe geschraubt. Wenn gebremst werden soll, senkt sich eine Vorrichtung so lange, bis sich eine daran befestigte Rolle gegen die Scheibe auf der Achse legt. Sobald diese Rolle sich mitdreht, wickelt sie eine Kette auf, die über eine Übertragung hinweg eine zweite am Bremsgestänge angreifende Kette anzieht. Auch bei uns ist die Heberlein-Bremse einstmals ziemlich viel verwendet worden; sie ist noch heute auf Nebenstrecken bei ganz langsam fahrenden Zügen in Gebrauch. Zahlreiche Schwächen, die sie besitzt, verhindern jedoch ihre Verwendung auf Hauptbahnen.

Zunächst ist bei dieser Anordnung die Bremswirkung abhängig von dem Zustand der Scheiben und Rollen, die sich gegeneinander pressen. Feuchtigkeit, Eis und Schnee setzen den Reibungswert stark hinunter. Das Absenken der Bremsvorrichtungen erfolgt durch Nachlassen eines Seils, das über die Dächer der Wagen hinläuft. Eis macht das Seil steif und zerstört es schnell. Für das Auf- und Abrollen ist eine Haspel auf der Lokomotive aufgestellt. Da jedesmal große Seillängen auf- oder abgewunden werden müssen, so ermüdet häufiges Bremsen die Lokomotivmannschaft ganz bedeutend. Bei Zügen mit vielen Wagen werden die Seillängen allzu groß. Die Durchschlagsgeschwindigkeit ist naturgemäß so gering, daß ein gleichmäßiges Abbremsen solcher Züge unmöglich wird.

In ähnlicher Weise wirkt die Gewichtsbremse, die in der durch von Borries geschaffenen Form auf Nebenbahnen heute noch hier und da verwendet wird. Hier ist gleichfalls ein Seil über die Wagendächer gespannt. Bei seinem Nachlassen drückt ein hinuntergehendes Gewicht die Bremsklötze durch unmittelbare Beeinflussung des Gestänges an. Eine Abhängigkeit der Bremskraft von der Witterung ist hier nicht mehr vorhanden. Die Haspel wird meist im Gepäckwagen aufgestellt, wo der Zugführer sie, entsprechend den durch die Pfeife gegebenen Befehlen des Lokomotivführers, zu bedienen hat. Der Anwendungsbereich der Gewichtsbremsen wird ebenfalls durch geringe Durchschlagsgeschwindigkeit und schwere Bedienbarkeit eingeschränkt.

Zur Betätigung einer kräftig wirkenden, durchgehenden Bremse scheint auf den ersten Blick der Dampf besonders geeignet. Ist er doch im Kessel stets in großen Mengen vorhanden, seine Leistungsfähigkeit außer Zweifel. Dennoch wird er für Zugbremsung nirgend angewendet. Der Dampf hat ja die störende Eigenschaft, durch Erkalten seine Wirksamkeit rasch zu verlieren und sich zu Wasser niederzuschlagen. Da die Bremsleitungen nur absatzweise, nach oft sehr langen Pausen, benutzt werden, so würde bei Anwendung von Dampf sich in ihnen rasch sehr viel schädliches Wasser bilden, das nicht schnell genug entfernt werden könnte. Für die Lokomotive selbst werden Dampfbremsen jedoch häufig verwendet, da die vom Kessel kommenden Leitungen hier nur kurz sind und stets warm gehalten werden können. In Notfällen kann der Dampf als überaus kräftige, freilich mit starken Stößen wirkende Bremse dadurch verwendet werden, daß der Führer die Steuerung der Maschine rasch für die entgegengesetzte Fahrtrichtung umlegt, also Gegendampf gibt. Alsdann wirkt der in die Zylinder tretende Dampf der Kolbenbewegung stets entgegen und verlangsamt sie sehr geschwind.

 

Durch eine nunmehr in vier Jahrzehnten des Eisenbahnwesens gewonnene Erfahrung hat sich herausgestellt, daß einzig Luft, gepreßt oder verdünnt, das geeignete Mittel für die Schaffung einer durchgehenden Bremse ist. In Deutschland wird fast ausschließlich Preßluft oder Druckluft angewendet, weshalb wir hier nur die Druckluftanordnungen ausführlicher besprechen wollen. Es besteht bei uns die Vorschrift, daß auf Hauptbahnen alle Züge, die mit 60 und mehr, auf Nebenbahnen alle Züge, die mit mindestens 30 Kilometern Stundengeschwindigkeit fahren, durchgehende Bremsen haben müssen; diese Anordnung ist tatsächlich gleichbedeutend mit der Bestimmung, daß alle Züge dieser Art mit Druckluftbremsen ausgerüstet sein müssen. Wagen, die in solchen Zügen laufen sollen, müssen entweder Bremsvorrichtungen besitzen oder mit Rohren und Kupplungsschläuchen zur Fortleitung des Bremsmittels versehen sein. Sie heißen dann Leitungswagen.

Eine durchgehende Bremse, die allen Anforderungen des neuzeitlichen Zugbetriebs entsprechen soll, muß viele Bedingungen erfüllen. Eine Anordnung, die tatsächlich sämtliche erwünschten Fähigkeiten besitzt, ist im Augenblick noch nicht in Anwendung. Aber auch die bei den deutschen Bahnen schon heute allgemein verbreiteten Bremsarten sind ganz vorzüglich. Sie genügen vollständig zur Aufrechterhaltung eines auf Einhaltung größter Pünktlichkeit gestellten Betriebs und zur Abwendung vieler Gefahren, soweit dies überhaupt durch eine Bremse möglich ist.

Eine vollkommene durchgehende Bremse müßte den folgenden Ansprüchen genügen:

1. Die Handhabung muß einfach sein;

2. die Bremswirkung muß an allen Wagen möglichst gleichzeitig auftreten;

3. die Bremse muß die Möglichkeit geben, den Zug für gewöhnlich durch stufenweise Erhöhung der Bremskraft langsam und stoßfrei anzuhalten (Betriebs-Bremsung);

4. im Gefahrfall muß der höchstmögliche Bremsdruck sofort hervorgerufen werden können (Schnellbremsung);

5. die angezogenen Bremsen sollen stufenweis lösbar sein;

6. die Bremsen sollen unerschöpfbar, das heißt das Bremsmittel auch nach noch so vielen Anwendungen stets in genügender Menge vorhanden und für eine neue Bremsung bereit sein;

7. die Bremse muß selbsttätig sein, also bei Beschädigung der Leitung oder Zerreißung des Zugs auch ohne Mitwirkung des Führers in Tätigkeit treten.

Die erste Anforderung versteht sich von selbst. Die zweite ist wegen des sonst entstehenden Auflaufens der Wagen notwendig, was bereits erörtert wurde.

Die Abstufbarkeit der Bremsung (Forderung 3) macht den Führer erst wirklich zum Herrn des Zugs. Er kann hierdurch die Schnelligkeit der Fahrt nach seinem Belieben abdrosseln, dem Zug eine mäßige Geschwindigkeit geben, ohne ihn anzuhalten, und auch in langen Gefällen vermag er ihn vollkommen unter seine Botmäßigkeit zu zwingen.

Die Schnellbremsung (Forderung 4) ist das beste Mittel zur Abwendung plötzlich auftretender Gefahren, und sie allein gewährt die Möglichkeit, noch rechtzeitig anzuhalten, wenn ein Signal, das Fahrt Frei zeigt, kurz bevor die Maschine an ihm vorbeigeht, plötzlich auf Halt gestellt wird.

Die stufenweise Lösbarkeit (Forderung 5) ist in langen Gefällstrecken besonders wichtig. Wo sie nicht vorhanden ist, muß der Führer, wenn er zu stark gebremst hat, so daß der Zug unbeabsichtigt stehen bleibt, die Bremsen vollständig lösen, ehe er eine neue, schwächere Bremsung einleiten kann. Während des Lösens kann der nun ungehemmte Zug aber leicht eine zu große Geschwindigkeit erlangen, so daß Entgleisungsgefahr entsteht. Auch für die Einfahrt in Bahnhöfe ist die Lösbarkeit sehr erwünscht, weil sonst bei zu stark verzögerter Einfahrgeschwindigkeit oder gar bei verfrühtem Anhalten stets die Einleitung einer neuen Bremsung notwendig ist, die leicht zum Überfahren der vorgeschriebenen Haltestelle führen kann, da bis zum Eintritt ihrer Wirkung ja stets eine gewisse Zeit vergehen muß. Auch der starke Luftverbrauch durch das gänzliche Ablassen der einmal benutzten Bremsluft und die notwendige Verwendung stets neuer Druckluft kommen in Betracht, da für deren Bereitung viel Kraft und eine entsprechende Menge Kohle verbraucht wird.

Eine vollkommene Bremse muß stets in voller Bereitschaft sein (Forderung 6). Auch nach Vornahme mehrerer Betriebsbremsungen, ja selbst nach einer Schnellbremsung, muß immer wieder sofort ein neuer Bremsvorgang möglich sein, denn jede Sekunde kann neue Gefahren bringen. Die Eigenschaft steter, unbedingter Bereitschaft kann aber nur eine solche durchgehende Bremse besitzen, deren Kraftquelle unerschöpfbar ist.

Als ganz besonders wichtig ist Forderung 7, die Selbsttätigkeit der durchgehenden Bremse, überall anerkannt. Ohne diese Eigenschaft ist jede Anordnung solcher Art unbrauchbar. Der Führer muß sich ja auf die Bereitschaft seiner Bremse stets verlassen können. Es wäre schlimm, wenn diese schon bei jeder in einem Schlauch auftretenden Undichtigkeit versagte. Die Selbsttätigkeit bringt nun mit sich, daß bei starken Undichtigkeiten und noch vielmehr beim Zerreißen des Zugs die Bremsen überall von selbst anschlagen. Abgetrennte Zugteile bleiben von selbst stehen, da sie festgebremst werden. Sie können also auf Steigungen nicht rückwärts rollen, was schwerste Gefahren hervorrufen würde. Die Selbsttätigkeit gibt ferner die Möglichkeit, den Zug von jedem Abteil aus durch Ziehen an einem Handgriff abzubremsen.

Man sieht aus diesen sieben Forderungen, daß es keineswegs leicht ist, eine wirklich brauchbare durchgehende Bremse zu bauen. Die Bremsarten, die heute überhaupt noch in Betracht kommen können, dürfen allenfalls die Forderungen 5 und 6 (stufenweise Lösbarkeit und Unerschöpfbarkeit) unerfüllt lassen. Allen übrigen aber muß restlos entsprochen werden.

Wenn man Druckluft als Bremsmittel verwendet, so wäre die folgende Bauart am einfachsten:

Auf der Lokomotive befindet sich eine dampfangetriebene Pumpe, die gepreßte Luft in einem Behälter speichert. Unter Einschaltung eines durch den Führer steuerbaren Ventils geht von diesem Behälter eine Rohrleitung ab, die den Zug bis zu seinem Ende durchläuft. Unter jedem Fahrzeug befindet sich eine Abzweigung zu dem an das Untergestell gehängten Bremszylinder. In diesem ist ein luftdicht eingesetzter Kolben beweglich angeordnet. Sobald der Führer durch Öffnen des Ventils Druckluft in die Leitung läßt, wird der Kolben im Zylinder vorgetrieben, er bewegt das Bremsgestänge und drückt die Klötze an. Durch das gleiche Führerventil in anderer Stellung kann die Leitung unter Abschluß vom Behälter mit der Außenluft in Verbindung gebracht werden. Je nach der Menge der Druckluft, die man hierbei austreten läßt, findet ein stufenweises Lösen der Bremsen statt. Auch für das Anziehen ist eine Abstufung ohne weiteres erreichbar, und desgleichen kann eine Schnellbremsung durch Eröffnung einer weiten Verbindung mit dem Druckluftbehälter leicht herbeigeführt werden.

Dadurch wird den Forderungen 1, 3, 4, 5 und, bei sehr großem Speicherbehälter, auch der Forderung 6 entsprochen. Aber das Anziehen der Bremsen erfolgt nicht gleichzeitig unter allen Fahrzeugen, und die Vorrichtung ist nicht selbsttätig. Die Forderungen 2 und 7 bleiben also unerfüllt. Ihre Wichtigkeit ist aber so bedeutend, daß Bremsen der eben geschilderten Art heute für Vollbahnen nicht mehr in Betracht kommen können.

Bei der eben beschriebenen Anordnung muß die Luft, um die Bremsung auch des letzten Wagens herbeizuführen, jedesmal die ganze Leitung von der Lokomotive an durcheilen und sämtliche Bremsbehälter anfüllen. Hierzu braucht sie Zeit. Und sind es auch nur wenige Sekunden, so genügen diese doch schon, um ein schädliches Auflaufen herbeizuführen. Tritt eine Beschädigung der Leitung ein, so spricht die Bremse nicht mehr an. Eine Notbremsung von den einzelnen Abteilen aus ist nicht möglich. Auch das Lösen der Bremsen geht sehr langsam vor sich, da die Luft ja nur eine einzige Austrittsöffnung im Führerventil hat. Der Verbrauch an Luft ist außerordentlich groß, was viel Geld kostet.

Aus all diesen Gründen ist man von der an sich einfachen Bauart mit unmittelbarer Wirkung der Druckluft ganz abgekommen. Alle heute gebräuchlichen Luftbremsen haben mittelbare Wirkung. Ferner ist kennzeichnend für sie die Aufspeicherung der Bremskraft unter jedem Wagen.

Die in Deutschland zuerst angewendete durchgehende Bremse mit mittelbarer Wirkung und Selbsttätigkeit war die in früheren Jahrzehnten bei uns weit verbreitete Bauart nach Carpenter. Es war eine Zweikammerbremse.

Bei der Fahrt- und Lösestellung der Bremse befand sich der Kolben im Zylinder in einer Mittelstellung, so daß er den Zylinder in zwei Räume oder Kammern teilte. Wenn die Leitung unter Druck gesetzt wurde, so strömte Druckluft unter den Kolben und durch eine schmale Nut in der Zylinderwandung auch über den Kolben, so daß auf dessen beiden Seiten gleicher Druck herrschte. In diesem Zustand, wenn also Hauptleitung und beide Zylinderkammern unter Druck standen, war die Bremse geladen, das heißt zur Arbeit bereit.

Sobald der Führer bremsen wollte, stellte er sein Bremsventil so, daß die Hauptleitung mit der Außenluft in Verbindung kam. Alsbald verminderte sich der Druck in der Hauptleitung und auch in der Kammer auf der Unterseite des Kolbens, die mit der Leitung in unmittelbarer Verbindung stand. Hierdurch wurde der Kolben einseitig entlastet. Die in die obere Kammer gesperrte Druckluft bewegte den Kolben nach unten, und sogleich entfernte sich dieser aus dem Bereich der kurzen Verbindungsnut zwischen den beiden Kammern. Fortab war also die Oberkammer luftdicht abgeschlossen. Je nach dem Grad der Druckverminderung in Hauptleitung und Unterkammer wurde der Kolben mehr oder weniger weit vorgeschoben, und die Bremse dementsprechend angezogen. Eine stufenweise Lösbarkeit war ohne weiteres durch Wiederaufpumpen von Leitung und Unterkammern möglich.

Obgleich die Carpenter-Bremse also ganz vorzügliche Eigenschaften hatte, ist sie heute doch von den Vollbahnen gänzlich verschwunden. Um ein kräftiges Anziehen der Bremsen herbeizuführen, mußte nämlich bei ihr eine sehr große Luftmenge durch das Führerbremsventil entweichen, da ja der gesamte Inhalt der Hauptleitung und der Unterkammern durch die einzige Öffnung im Führerbremsventil hinausgelassen werden mußte. Naturgemäß entleerten sich die Unterkammern der vorderen Wagen geschwinder als die der hinteren, wodurch ungleichmäßige Bremsung eintrat. Diesen Fehler hat man zwar durch Anbringung einer Hilfseinrichtung, nämlich von Auslaßventilen an den einzelnen Wagen, schließlich zu beseitigen vermocht, aber der Bremsvorgang in seiner Gesamtheit ging, insbesondere bei Gefahrfällen, doch nicht schnell genug vor sich. Bei den heutigen langen und schnellfahrenden Zügen ist aber eine solche Verzögerung ganz unzulässig, weil sie schwere Gefahren bringen kann. Auch der Druckluftverbrauch der Zweikammerbremse war sehr groß, was den Bremsbetrieb verteuerte und erschwerte.

Man ist darum zur Einkammer-Bauart übergegangen, die heute bei uns alleinherrschend ist.

Auch hierbei befindet sich die durchgehende Hauptleitung stets unter Druck. Außer dem Bremszylinder, welcher hier an der einen Kolbenseite, nämlich dort, wo die Stange hinausgeht, offen ist, befindet sich unter jedem Wagen noch ein Hilfsluftbehälter, in dem die Bremsluft gespeichert wird. Dieser Behälter kann durch das Steuerventil sowohl mit der geschlossenen Kammer des Bremszylinders wie mit der Hauptleitung verbunden werden.

In dem Steuerventil finden wir die Seele der gesamten Anordnung eingeschlossen. Obgleich es mit seinem Gehäuse kaum größer als zwei Fäuste ist, vermag es doch außerordentliches zu leisten. Nur der aufs höchste verfeinerten mechanischen Kunst unserer Tage ist es zu verdanken, daß einem schmächtigen Apparat so viele wechselnde Verrichtungen überlassen werden können. Die kleinen Kolben der Steuerventile allein sorgen für die Sicherheit des Zugs. Von ihrer Verläßlichkeit, die trotz der schweren Erschütterungen aller Fahrzeuge gewahrt bleiben muß, hängt es ab, ob der Zug dem auferlegten Zügel gehorcht oder nicht.

 

In der Fahrt- und Lösestellung sind bei der Einkammerbremse die Hauptleitung, der Hilfsluftbehälter und das Gehäuse des Steuerventils mit Druckluft geladen. Die Kammer des Bremszylinders (das heißt immer die geschlossene Kammer) steht mit der Außenluft in Verbindung. Eine gegen die andere Seite des Kolbens drückende Feder hält diesen eingezogen und damit die Bremsklötze in Abstand von den Radkränzen.

Wenn gebremst wird, verbindet der Lokomotivführer durch geeignete Stellung des Bremsventils wiederum die Hauptleitung mit der freien Luft. Sobald hierdurch der Druck in der Hauptleitung nachläßt, vermindert er sich auch im Gehäuse des Steuerventils; dessen Kolben, der nun einseitig entlastet ist, macht eine kleine Bewegung, wodurch er den Hilfsluftbehälter von der Hauptleitung abschaltet, die Verbindung der Kammer des Bremszylinders mit der Außenluft unterbricht und gleichzeitig eine Verbindung zwischen Hilfsbehälter und Bremskammer herstellt. Die in ihrem Druck nicht verminderte Luft aus dem Hilfsbehälter tritt darauf in die Bremskammer über, drückt den Kolben je nach der Höhe der Druckverminderung, die in der Hauptleitung eingetreten ist, mehr oder weniger stark vor sich her, wodurch ein entsprechendes Anziehen der Bremsen stattfindet. Das Lösen erfolgt durch erneute Erhöhung des Drucks in der Hauptleitung. Hierdurch legt sich das Steuerventil wieder um, stellt die Verbindung zwischen Bremskammer und Außenluft von neuem her, so daß die dort hineingelangte Druckluft hinaus kann. Zugleich wird der Hilfsluftbehälter wieder mit der Hauptleitung verbunden, so daß auch er von neuem aufgefüllt werden kann.

Die Selbsttätigkeit dieser Bremsbauart ist gewährleistet. Die Gleichmäßigkeit des Bremsenanzugs ist sehr groß, da durch die Öffnung im Führerbremsventil ja nur ein Teil der in dem dünnen Hauptleitungsrohr enthaltenen Luft zu entweichen braucht, dagegen keine Entleerung großer Kammern mehr stattfinden muß wie bei der Carpenter-Bauart. Rückwärtige Lösbarkeit aber ist nicht möglich, da die Luft aus den Bremszylindern nur ganz, aber nicht teilweise hinausgeschafft werden kann.

Nachdem wir uns so über die Wirkungsart der Einkammerbremse im allgemeinen unterrichtet haben, wollen wir die wichtigsten Einzelheiten ihres Baus an dem Beispiel der bei uns weitverbreiteten Knorr-Bremse besprechen. (Siehe die Klappblätter am Ende des Buchs.)

Wie bei allen Druckluftbremsen wird die Preßluft auch bei der Knorr-Bremse durch eine auf der Lokomotive aufgestellte Pumpe bereitet. Nach dem Öffnen eines Ventils im Führerstand tritt eine kleine, senkrecht stehende Dampfmaschine in Tätigkeit, deren Kolbenstange nach unten über den Dampfzylinder hinaus verlängert ist und einen zweiten Kolben trägt, der sich gleichfalls in einem Zylinder bewegen kann. Durch das Hin- und Hergehen der Kolben wird Luft in dem zweiten Zylinder zusammengepreßt und in dem Hauptluftbehälter gespeichert, der unter dem Kessel der Maschine aufgehängt ist. In diesem Behälter herrscht gewöhnlich ein Druck von 8 Atmosphären.

Durch das Zusammenpressen auf so hohen Druck wird die Luft im Pumpenzylinder sehr stark erhitzt, was das Arbeiten der Vorrichtung ungünstig beeinflußt. Man ist daher neuerdings dazu übergegangen, die Pressung bis zur Höhe von 8 Atmosphären nicht in Einem Arbeitsvorgang stattfinden zu lassen, sondern die Druckerhöhung in zwei Stufen zu zerlegen. Die Luftpumpe hat dann zwei Luftzylinder, die untereinander liegen. Die Außenwandungen der Zylinder sind mit Rippen versehen, damit sie bei der Fahrt möglichst stark abgekühlt werden. Der zweite, kleinere Zylinder ist bei manchen Luftpumpen von außen her nicht ohne weiteres zu sehen, da er oft schon in und unter dem Rahmen der Lokomotive liegt.

Das Anstellen der Pumpe bei zu tiefem Sinken des Drucks im Hauptluftbehälter findet entweder von Hand statt oder vollzieht sich mittels eines Regelventils selbsttätig; in gleicher Weise kann die Abschaltung bei genügend hohem Druck herbeigeführt werden. Der Abdampf der Luftpumpe wird durch ein Rohr in den Schornstein geleitet, wo er mit einem stöhnenden Geräusch zu entweichen pflegt. Man hört dieses taktmäßige Stöhnen regelmäßig an Maschinen, die abfahrtbereit vor einem Zug liegen.

Vom Hauptluftbehälter geht die Hauptleitung ab, die unter allen Fahrzeugen des Zugs durchläuft. Sie wird zunächst zum Führerbremsventil geführt.

Dieses ist wiederum eine höchst verwickelt gebaute Vorrichtung, ein feinmechanisches Kunstwerk wie das Steuerventil. Der Führer ist imstande, den Bremshebel sechs verschiedene Stellungen einnehmen zu lassen.

1. Füllen und Lösen;

2. Fahrtstellung;

3. Mittelstellung;

4. Abschlußstellung;

5. Betriebsbremsung;

6. Schnellbremsung.

Wenn der Bremshebel sich in Stellung 1 befindet, ist der Hauptluftbehälter mit der Hauptleitung verbunden. Durch den hierbei infolge des hohen Hauptbehälterdrucks von 8 Atmosphären in der Bremsleitung erzeugten Druckstoßes wird ein rasches Auffüllen der Leitung, der Hilfsluftbehälter und der Steuerventilkästen bewirkt.

Der Führer darf den Hebel aber nicht lange in Stellung 1 lassen, da der Betriebsdruck in der Leitung und in den Hilfsluftbehältern nicht mehr als 5 Atmosphären betragen darf. Er muß deshalb den Hebel rechtzeitig in Stellung 2 bewegen, bei der die unmittelbare Verbindung zwischen Hauptluftbehälter und Leitung aufgehoben ist.

Auch während der Fahrt nimmt der Hebel diese Stellung ein. In ihr ist die Hauptleitung mit dem Hauptluftbehälter nur noch über ein selbsttätiges Druckminderungsventil verbunden, das in der Hauptleitung den vorgeschriebenen Betriebsdruck von 5 Atmosphären aufrecht erhält. Beim Sinken des Drucks in der Hauptleitung unter den Betriebsdruck, das durch kleine Undichtigkeiten hervorgerufen werden kann, läßt dies Ventil genügend Druckluft aus dem Hauptluftbehälter selbsttätig nachströmen.

Die dritte Stellung, Mittelstellung, wird nur verwendet, wenn die Maschine bei Vorspann als zweite Lokomotive fährt, von der aus der Zug nicht gebremst wird. Alsdann ist das Führerbremsventil nur ein Teil der bis zur ersten Lokomotive durchlaufenden Hauptleitung.

Nach jeder Betriebsbremsung wird der Hebel des Führerventils in die vierte, die Abschlußstellung, gebracht. Alsdann bleibt in der Leitung die durch die Betriebsbremsung herbeigeführte Druckverminderung bestehen, die gewollte Bremsstufe erhalten.

Bei Betriebsbremsung wird in Stellung 5 gegangen. Je nach der Länge der Zeit, während welcher der Führer den Hebel hier dauern läßt, entweicht mehr oder weniger Luft aus der Leitung, und es tritt eine entsprechende Bremsstufe ein. Die Hauptleitung wird bei diesem Vorgang jedoch nicht unmittelbar mit der Außenluft in Verbindung gebracht, das Führerbremsventil läßt vielmehr nur Luft aus einem Ausgleichbehälter abströmen. Erst ein zwischen diesen Behälter und die Hauptleitung geschaltetes Ausgleich-Ventil verbindet dann die Hauptleitung solange mit der Außenluft, bis Druckausgleich zwischen Hauptleitung und Ausgleichbehälter stattgefunden hat.

Dieser zunächst merkwürdig erscheinende Umweg ist eine ganz besondere Feinheit der Bremsanordnung. Würde das Führerbremsventil der Luft in der Hauptleitung ohne weiteres den Ausweg eröffnen, so müßte der Führer, um bei verschiedenen Zügen die gleiche Bremsstufe herbeizuführen, den wechselnden Zuglängen entsprechend jedesmal anders bremsen. Damit in einem Zwölfwagenzug die gleiche Druckverminderung in der Leitung entsteht wie bei einem Sechswagenzug, muß natürlich mehr Luft abgelassen werden, was länger dauert. Eine solche wechselnde Anpassung der Betriebsbremsung an die verschiedenen Zuglängen wäre aber zu schwierig. Das Bremsen, das schon ohnedies eine Kunst ist, würde alsdann niemals mehr mit der notwendigen Genauigkeit ausgeführt werden können. Der Ausgleichbehälter aber, aus dem der Führer durch sein Ventil die Druckluft unmittelbar abströmen läßt, verändert seine Größe niemals. Der Führer hat gelernt, das Bremsen ein für allemal der Größe des Behälters entsprechend auszuführen. Der in diesem hervorgerufene Unterdruck besorgt das verschieden lange Offenhalten des Auslaßventils für die Leitung alsdann von selbst, sowie es den wechselnden Zuglängen entspricht.

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