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Werner von Siemens

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Die indo-europäische Telegraphenlinie

Kurz bevor die Brüder Werner und Wilhelm Siemens sich zur Auslegung ihres ersten transatlantischen Kabels besonders eng zusammengetan hatten, war von ihnen bereits ein anderes großes Werk gemeinschaftlich vollbracht worden. Sie hatten, gleichfalls unter tätiger Mitwirkung von Karl Siemens, eine Landlinie zustande gebracht, welche bei weitem die größte ihrer Zeit war, und die, noch heute fortbestehend, als ein Denkmal Siemensscher Tatkraft anzusehen ist.

Das englische Mutterland suchte, sobald dies technisch möglich war, eine telegraphische Verbindung mit seiner größten und wichtigsten Kolonie, mit Indien, herzustellen. Der erste Versuch, Indien zu erreichen, wurde über Ägypten gemacht. Wir haben Werner Siemens auch hierbei schon am Werk gesehen, denn jenes Kabel durch das Rote Meer, nach dessen Auslegung er Schiffbruch erlitt, war ein Teil der englisch-indischen Verbindungslinie. Es fand seine Fortsetzung durch ein zweites Kabel, das von Aden bis nach Karatschi an der Mündung des Indus verlegt wurde, von wo aus Landtelegraphenlinien sich über ganz Indien erstreckten. Wie wir wissen, hörte das Kabel im Roten Meer schon im Jahre 1861 zu arbeiten auf, und ähnlich ging es manchen anderen Teilstrecken, weil die Leitungen in der Fabrik noch nicht nach den Siemensschen Methoden hergestellt worden waren.

Nun suchte man, da die Wichtigkeit der Verbindung immer deutlicher wurde, Indien über Land zu erreichen. Nur von England zum Kontinent und durch den Persischen Golf von Buschir bis nach Karatschi sollte wieder das Kabel benutzt werden. Schon jetzt wurden die Brüder Siemens von den Regierungen, durch deren Länder diese Telegraphenlinie hindurchging, als Berater herangezogen. Aber man kam hier zu keinem befriedigendem Ergebnis. Hatte man doch keine geschlossene Linie von England bis Indien, sondern es mußten in den verschiedenen Ländern Umtelegraphierungen stattfinden. Dadurch, daß die in englischer Sprache abgefaßten Telegramme in Deutschland, in Rußland und in Persien aufgenommen und von den oft des Englischen nicht kundigen Beamten weiter telegraphiert werden mußten, entstanden sehr böse Störungen. Häufig kamen die Telegramme derartig verstümmelt an, daß sie nicht mehr zu entziffern waren, und ihr Weg dauerte manchmal mehrere Wochen.

Werner Siemens faßte darauf den Plan, eine eigene durchgehende Linie von England nach Indien zu schaffen, die ausschließlich diesem Verkehr dienen und ein direktes Abgeben der Telegramme von London bis Karatschi und Kalkutta ermöglichen sollte. Er schrieb im Jahre 1867:

»Eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart von der weittragendsten merkantilen und politischen Bedeutung ist die sichere und schnelle telegraphische Verbindung Europas mit Indien. Betrachten wir Indien mit seiner ungeheuren Bevölkerung und seiner steigenden Produktion – für sich allein schon eines der wichtigsten Handelsgebiete der Erde – zugleich als Durchgangspunkt des europäischen Verkehrs nach China, Japan, Australien und ganz Polynesien, eines Verkehrs, der unübersehbare Dimensionen annehmen wird: so leuchtet die Notwendigkeit einer für alle Eventualitäten gesicherten telegraphischen Verbindung hervor, besonders seitdem die große Aufgabe der atlantischen Telegraphenverbindung mit Amerika so glänzend und mit so überaus günstigem finanziellen Erfolge gelöst worden ist.

»Der Verkehr Europas mit Indien und seinen Hinterländern ist an sich für Europa von größerer Bedeutung, als der mit Amerika. Dies gilt in noch höherem Maße vom Telegraphenverkehr. Der Nutzen, den dieser dem korrespondierenden Publikum darbietet, ist der Zeit proportional, welche durch eine telegraphische Mitteilung einer brieflichen gegenüber erspart wird. Da nun ein Brief von London nach Neuyork durchschnittlich nur etwa 11 Tage, nach Kalkutta aber 30 Tage braucht, so ergibt sich der verhältnismäßig weit größere Nutzen einer telegraphischen Depesche nach Kalkutta im Vergleich zu der nach Neuyork aus dieser weit größeren Zeitersparnis.

»Seit die telegraphische Verbindung mit Amerika in so gutem Betriebe ist, daß, gespornt von den brillanten ökonomischen Resultaten derselben, bereits Konkurrenzlinien in Aussicht genommen werden, durch welche die bisher übermäßig hohen Gebühren wahrscheinlich eine bedeutende Herabsetzung erfahren werden, seitdem wird die Bedeutung der direkten indo-europäischen Telegraphie noch wesentlich dadurch erhöht, daß sie künftig auch den bedeutenden Depeschenverkehr Amerikas mit dem östlichen Asien und Australien vermitteln wird. Ist die Depeschenbeförderung zuverlässig, schnell und nicht unverhältnismäßig kostspielig, so wird sie sich sowohl der Handels-, als auch der persönlichen und politischen Mitteilungen in noch weit höherem Maße bemächtigen, als es bei anderen kürzeren und daher weniger Zeit ersparenden Linien der Fall ist.

»Es wird dann kaum ein irgend bedeutenderes Handelsgeschäft ohne telegraphische Verständigung mehr zustande kommen können, da der telegraphische Korrespondent dem brieflichen schon bei einem einfachen Angebot und Akzept um Monate voraus ist. Eine sichere indo-europäische Telegraphie wird aber nicht nur dem bereits bestehenden Verkehr großen Nutzen bringen, sondern auch sehr viel zur schnelleren Entwicklung desselben beitragen.«

Werner Siemens besprach diesen Plan mit seinen Brüdern Wilhelm und Karl, und sie beschlossen, jeder in seinem Gebiet die Vorverhandlungen zu beginnen. Wilhelm arbeitete für das Unternehmen in England, Werner verhandelte mit der preußischen Regierung, Karl suchte Rußland für den Plan zu gewinnen. Drei Jahre lang dauerten die Erörterungen. Dann erklärten sich alle beteiligten Regierungen bereit, die Konzession zu erteilen.

Technisch wurde die Anlage einer solchen, fast 10000 Kilometer langen durchgehenden Linie nur dadurch möglich, daß Werner Siemens wiederum neue, besonders empfindliche Übertragungs- und Empfangsapparate schuf. Sie gestatten das Übergehen der Telegramme von einem Leitungsteil zum andern ohne das Dazwischentreten von Menschen.

Im Jahre 1868 wurde die Indo European Telegraph Company mit einem Kapital von 9 Millionen Mark gegründet. Mit Stolz sagt Werner, es sei ein ehrendes Zeichen für das Ansehen gewesen, welches die Siemensschen Firmen schon damals genossen, daß das erforderliche beträchtliche Kapital ohne Vermittlung von Bankhäusern, nur auf die direkte Aufforderung hin, in London und Berlin gezeichnet wurde.

Der Bau der Linie war am 10. Dezember 1869 beendet. Die Strecke besteht bis zum heutigen Tag unverändert fort. Ihr Arbeiten ist natürlich mit dem Beginn des Weltkriegs unterbrochen worden. Der Weg, den sie durchzieht, ist folgender:

Von London läuft eine Landlinie bis an die englische Küste nach Lowestoft. Von dort führt ein Kabel durch die Nordsee nach Norderney und setzt sich nach Emden fort. Hier schließt die riesige Landlinie an. Sie läuft über Berlin bis Thorn, wo das russische Gebiet erreicht wird. Von dort geht es über Warschau nach Odessa, dann zur Krim und darauf über Tiflis und Täbris nach der persischen Hauptstadt Teheran. Bis dorthin hatte die indische Regierung im Anschluß an das Kabel Karatschi-Buschir ihren Telegraphen vorgestreckt.

Bis die Linie in praktische Benutzung genommen werden konnte, gab es noch mancherlei Verdruß, weil es schwer hielt, den Überwachungsdienst in den verschiedenen Ländern richtig zu organisieren. Erst am 12. April 1870 konnte die von Werner Siemens gewünschte Generalprobe stattfinden. Auf seine Einladung versammelte sich, wie Ehrenberg berichtet, in der Londoner Station der indo-europäischen Linie eine Anzahl hervorragender Interessenten. Darauf wurde Teheran angerufen. Zu Werners nicht geringem Verdruß gelang die Verständigung mit der persischen Hauptstadt zunächst nicht. Dann aber ging alles gut.

»Major Smith, Chef der englischen Telegraphenverwaltung in Teheran, fragte: »Was ist dort die Zeit?« London antwortete: »11 Uhr 50, und dort?« – »3 Uhr 27 nachmittags.« General Sir William Baker, Mitglied des Council of India, depeschierte um 12 Uhr 45 nach Kalkutta: »Sir William Baker an Oberst Robinson, Kalkutta; bin entzückt über die Leistungen der indo-europäischen Linie.« Antwort kam schon um 1 Uhr 50: »Kalkutta, 7 Uhr 7 nachmittags. Betriebsdirektor an Sir William Baker, London. Dank für Ihre Botschaft, die in 28 Minuten hier angelangt ist.«

Damit war der größte Erfolg erzielt, den der Überlandtelegraph bisher erreicht hatte; über eine Entfernung hinweg, die ungefähr einem Siebentel des Erdumfangs entspricht, hatte man in kürzester Zeit Nachrichten getauscht. Es war ein neuer großer Sieg des Siemensschen Hauses.

Die Erfindung der Dynamomaschine

Wir gelangen nunmehr zur Darstellung jener Erfindung, die den Höhepunkt in dem Schaffen von Werner Siemens bedeutet.

Die menschliche Kultur könnte das, was sie heute ist, nicht sein ohne die Einwirkung und Mitwirkung des elektrischen Starkstroms. Die Möglichkeiten, die uns die Ausnutzung der Naturkraft Elektrizität in dieser Form erschlossen hat, sind so zahlreich und so innig mit dem gesamten Dasein und Treiben der heutigen Menschheit verwebt, daß das zwanzigste Jahrhundert ohne sie nicht denkbar wäre.

Starkstrom-Elektrizität treibt gewaltige Maschinen an; sie gestattet – und das ist ihre ureigenste grandiose Eigenschaft – Energie, die an einem geeigneten Punkt erzeugt wird, weithin zu leiten und überallhin zu verteilen; das elektrische Kraftzentrum liefert nach Belieben vier Formen der Energie: Kraft, Licht, Wärme und chemische Zerspaltungs- oder Verbindungsenergie.

Elektrische Bahnen sind das bequemste und vorteilhafteste Beförderungsmittel geworden. Der Elektromotor hebt die schwersten Lasten. Die Elektrometallurgie scheidet Metalle aus dem Erz, die elektrochemische Industrie bereitet das Aluminium, sie entnimmt Stickstoffverbindungen aus der Luft. Millionen und aber Millionen Menschen sind bei der Fabrikation elektrischer Maschinen und aller derjenigen Einrichtungen beschäftigt, die durch sie erst möglich geworden sind. Fast die ganze zivilisierte Menschheit genießt heute die Segnungen, die von den elektrischen Leitungsdrähten ausgehen. Nicht lange mehr, und kein Ort in einem Kulturstaat wird ohne öffentlich nutzbare Elektrizitätsquelle sein.

 

Daß wir diese unvergleichliche Kraft zu unserer Verfügung haben, verdanken wir Werner Siemens. Er hat die Maschine erfunden, durch die allein es bis zum heutigen Tag möglich ist, nutzbare elektrische Ströme im großen zu erzeugen.

Sowenig wie in irgendeinem anderen Bezirk entspringt im Reich der Technik ein großer Gedanke plötzlich und unvermittelt dem Gehirn eines Menschen, wie Athene fertig gepanzert dem Haupt des Zeus entstieg. Generationen sind gewöhnlich nötig, um das Feld zu düngen, aus dem dann endlich die Wunderblume des abschließenden genialen Gedankens erblüht. Es ist erstaunlich, daß der ganze Werdegang der Dynamomaschine vom ersten Aufblitzen des theoretischen Gedankens, der zur Grundlage ward, bis zu ihrer Fertigstellung kaum mehr als drei Jahrzehnte gebraucht hat.

Wir haben schon in dem kurzen Bericht über die Entwicklung der Telegraphie von der Entdeckung Aragos gehört, daß elektrische Ströme Eisen, das sie in darumgelegten Windungen umfließen, magnetisch machen. Es währte mehrere Jahre, bis der geniale Entdecker der elektrischen Induktion, Michael Faraday, auf den Gedanken kam, daß diese Wechselwirkung zwischen Elektrizität und Magnetismus auch umkehrbar sei. Durch bloße Überlegung erkannte Faraday, daß, wenn Elektrizität Magnetismus zu erzeugen vermöge, Magnetismus auch imstande sein müsse, Elektrizität hervorzurufen. Im Jahre 1831 vermochte er diese Behauptung durch ein Experiment zu beweisen. Er schrieb darüber:

»Es erschien mir sehr sonderbar, daß, während jeder elektrische Strom von einer magnetischen Wirkung rechtwinklig zum Strom von entsprechender Intensität begleitet war, nicht auch in guten, in den Bereich dieser Wirkung gebrachten Elektrizitätsleitern irgendein Strom oder etwas einem solchen Strom an Kraft Äquivalentes durch sie induziert werden sollte.

»Diese Erwägungen und die daraus erwachsende Hoffnung, Elektrizität aus gewöhnlichem Magnetismus zu gewinnen, regten mich zu verschiedenen Zeiten an, die Induktionswirkung elektrischer Ströme durch Experimente genauer zu untersuchen. Vor kurzem habe ich denn auch positive Resultate erreicht, und meine Hoffnungen sind in Erfüllung gegangen.«

Faraday fand, daß ein Magnetstab, den man in eine Drahtspule hineinstößt, in dieser einen Strom erzeugt, und daß dasselbe geschieht, wenn man den Magnet wieder herauszieht. Während der Magnetstab in der Spule ruht, entsteht jedoch kein Strom. Man vermag ebenso eine Stromerzeugung zu bewirken, wenn man einen weichen Eisenkern, der fest in der Spule steckt, abwechselnd magnetisiert und wieder entmagnetisiert.

Zunächst waren die Wirkungen, die Faraday auf diese Weise erhielt, nur gering. Bei der ersten Vorführung seiner Entdeckung vor der Royal Institution sagte er: »Der Funke ist so gering, daß Sie ihn kaum bemerken können, aber andere Funken werden folgen, welche diese Kraft für höchst wichtige Zwecke verwendbar machen.« Er selbst verfolgte als reiner Wissenschaftler die praktische Verwendung seiner Entdeckung nicht weiter. »Mir war es mehr darum zu tun,« sagte er später, »neue Tatsachen und weitere Beziehungen, die auf der magneto-elektrischen Induktion beruhen, ausfindig zu machen, als die Kraft der bereits erzielten Ströme zu vermehren, da ich der festen Überzeugung war, daß diese ohnedies im Laufe der Zeit zu ihrer vollen Entwicklung gebracht werden würden.«

Und wirklich wurden sehr bald von anderen Maschinen gebaut, welche die magnet-elektrische Induktion ausnutzten. Der Franzose Pixii und der Italiener Dal Negro konstruierten schon im Jahre 1832 Maschinen, bei denen die Magnetinduktion dadurch hervorgerufen wurde, daß Induktionsspulen den Polen von Magneten durch Drehung fortwährend genähert und wieder von ihnen entfernt wurden. 1853 gelang es Nollet, eine sehr große Maschine dieser Art zu bauen. Nachdem sie durch Holmes verbessert und ausgestaltet worden war, geschah es am 8. Dezember 1850 zum erstenmal, daß Strom für elektrisches Licht durch Maschinenkraft erzeugt wurde. Es brannte in dem Leuchtturm auf South-Foreland.

Die so gebauten Maschinen erlangten bald eine gewisse Bedeutung. Der ihnen zugrunde liegende Gedanke war, die von dauernden Stahlmagneten erzeugten Kraftfelder zur Induzierung von Strömen in Spulen zu benutzen, die durch die Magnetfelder hindurchgedreht wurden. Den drehbaren Teil, auf dem die Spulen saßen, nannte man Anker.

Um eine möglichste Steigerung der induzierten elektrischen Kraft hervorzurufen, kam es darauf an, den Anker so zu bauen, daß möglichst viele Spulenwindungen sich zu gleicher Zeit im Bereich des magnetischen Felds befanden. 1856 erfand Werner Siemens eine in dieser Hinsicht sehr wichtige Neuerung. Er baute damals einen Anker, der die Form eines Zylinders mit zwei parallelen Einschnitten in der Längsrichtung hatte. Nach der Form, die der Querschnitt dieses Ankers besitzt (T), nannte er ihn Doppel-T-Anker. Es sind hier die Spulenwindungen parallel zur Achse des Zylinders in den Einschnitten aufgewickelt.

Da man den dringenden Wunsch hatte, recht starke und dauernde elektrische Ströme zu erhalten, so wurden immer umfangreichere magnet-elektrische Maschinen gebaut. Man nahm jedoch bald wahr, daß deren Leistungsfähigkeit durchaus nicht im Verhältnis zu ihrer Größe wuchs. Es wurde im Gegenteil die Kraft der induzierenden Stahlmagnete durch den im Anker entstehenden induzierten und entgegengesetzten Magnetismus immer mehr geschwächt.

Daraus erwuchs der Gedanke, an Stelle der Stahlmagnete Elektromagnete zur Erzeugung der Induktion zu benutzen. Man versuchte dies zuerst in der Weise, daß man die Elektromagnete durch Batterieströme erregte. Aber auch hier arbeitete die Maschine sich selbst bis zu einem gewissen Grad entgegen. Wilde in Birmingham benutzte dann an Stelle der Batterie zur Erregung der Elektromagnete eine kleine magnet-elektrische Maschine, die mit Siemensschem Doppel-T-Anker ausgerüstet war. Hierdurch konnte man schon recht kräftige Ströme erzeugen, aber eine genügende Steigerung war auch hier nicht möglich. Die richtige Anordnung brachte erst das dynamo-elektrische Prinzip, das von Werner Siemens im Jahre 1866 gefunden wurde.

Siemens faßte den großartigen Gedanken, daß man für die Erregung der Magnete, die dann im Anker der Maschine den Strom hervorrufen, doch nicht notwendigerweise von außen her gelieferten elektrischen Strom verwenden müsse. In jedem einmal magnetisierten Eisen, also auch in den Erregern, bleibt immer etwas Magnetismus zurück. Dieser genügt, um im Anker, wenn man ihn dreht, elektrischen Strom hervorzurufen. Führt man nun diesen schwachen elektrischen Strom um die Wicklungen der erregenden Magnete herum, so muß deren Magnetismus verstärkt werden, wodurch nun wieder die Stromentwicklung im Anker gesteigert wird. Das wirkt von neuem auf die Erregermagnete, von da wiederum auf den Anker, und so muß sich immer weiter eine Steigerung der Maschinenleistung ergeben, bis die für ihre Bauart höchstmögliche Leistung erreicht ist.

Das Ergebnis war, als Siemens das Prinzip praktisch ausprobte, in der Tat so, wie er es erwartet hatte. Er nannte den so entstandenen wunderbaren Apparat dynamo-elektrische Maschine, von dem griechischen Wort Dynamis = Arbeit, weil hier die Arbeit, die dazu verwendet wurde, um den Anker zu drehen, sich direkt in elektrischen Strom umsetzte. In trefflicher Weise ist die Anordnung in der Maschine so getroffen, daß der Magnetismus immer den Strom und der Strom den Magnetismus verstärken muß. Technische Konstruktionen sind, wie Graetz sagt, immer genial und hervorragend leistungsfähig, wenn sie es verstehen, Anordnungen zu treffen, durch welche sich Ursache und Wirkung gegenseitig verstärken. Das ist bei dieser Maschine in besonderem Maß der Fall.

Werner Siemens erwähnt seine große Erfindung, nach Pole, zum erstenmal in einem Brief, den er am 4. Dezember 1866 an seinen Bruder Wilhelm schrieb:

»… Ich habe eine neue Idee gehabt, die aller Wahrscheinlichkeit nach reussieren und bedeutende Resultate geben wird.

»Wie Du wohl weißt, hat Wilde ein Patent in England genommen, welches in der Kombination eines Magnetinduktors meiner Konstruktion mit einem zweiten, welcher einen großen Elektromagnet anstatt der Stahlmagnete hat, besteht. Der Magnetinduktor magnetisiert den Elektromagnet zu einem höheren Magnetismus, wie er durch Stahlmagnete zu erreichen ist. Der zweite Induktor wird daher viel kräftigere Ströme geben, als wenn er Stahlmagnete hätte. Die Wirkung soll kolossal sein, wie in »Dinglers Journal« mitgeteilt.

»Nun kann man aber offenbar den Magnetinduktor mit Stahlmagneten ganz entbehren. Nimmt man eine elektromagnetische Maschine, welche so konstruiert ist, daß der feststehende Magnet ein Elektromagnet mit konstanter Polrichtung ist, während der Strom des beweglichen Magnetes gewechselt wird; schaltet man ferner eine kleine Batterie ein, welche den Apparat also bewegen würde, und dreht nun die Maschine in der entgegengesetzten Richtung, so muß der Strom sich steigern. Es kann darauf die Batterie ausgeschlossen und entfernt werden, ohne die Wirkung aufzuheben.«

Der welthistorische Augenblick, in dem eine elektrische Maschine mit Fremderregung zum erstenmal so geschaltet wurde, daß ihr eigener Strom um die Erregermagnete lief, ist uns durch einen Augenzeugen geschildert worden. Siemens, der ungeduldig auf die Feststellung harrte, ob sein Gedanke auch durch den praktischen Versuch bestätigt werden würde, hat damals die ausschlaggebende Umschaltung selbst vorgenommen. Der Werkmeister Karl Müller, der ihm dabei behilflich war, lebt heute noch in Schöneberg, und er hat in einer Unterredung, die Heintzenberg mit ihm anläßlich des 50jährigen Jubiläums der Dynamomaschine hatte, die Vorgänge, die ihm noch nach einem halben Jahrhundert sehr gut erinnerlich waren, geschildert. Heintzenberg hat diese Darstellung Müllers in der »Täglichen Rundschau« wiedergegeben. Müllers Erzählung lautete demnach ungefähr so:

Eines Tages war »der Alte« zu ihm in die Werkstatt hinuntergestürmt und hatte ihm in seiner lebhaften Art den Auftrag gegeben, nach einer Handskizze so schnell wie möglich eine Maschine zusammenbauen zu lassen, bei der die Erregung nicht durch Stahlmagnete, sondern durch Elektromagnete hervorgerufen werden sollte. Die Eisenkerne für die Elektromagnete, die Polschuhe und die Wicklung mußten neu hergestellt werden. Müller ging eifrig an die Arbeit. Es konnte jedoch dem Prinzipal nicht schnell genug gehen. Schon nach wenigen Tagen gab er in heftiger Weise seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, daß die Maschine immer noch nicht fertig sei.

Endlich war es nun so weit.

»Die Maschine stand bereit in der Werkstatt; ob sie allerdings den Anforderungen des gestrengen Herrn genügen würde …? Es war eine tolle Hetzjagd gewesen, und manches hätte in ruhigerer Arbeit sorgfältiger gemacht werden können. Müller hatte auch mehrfach versucht, den Anker der Maschine zu drehen und dabei gefunden, daß dies verdammt schwer ging. Auch die Anker seiner gewöhnlichen Induktoren setzten der Drehung einen gewissen Widerstand entgegen, aber doch nicht in dem Maße. Er hatte die Maschine wieder auseinandernehmen und die Lager nachsehen lassen, aber niemand hatte einen Fehler finden können; so sah Müller mit etwas gemischten Gefühlen dem Augenblick entgegen, in dem Werner Siemens kommen würde, um die neue Maschine zu prüfen.

»Ein Gehilfe bat um eine Auskunft, und als sie zusammen in die Werkstatt traten, sah Müller, daß Werner Siemens bereits an der Versuchsmaschine stand. Die Stirnfurche, von der man nie recht wußte, ob sie ein Zeichen von schlechtem Wetter oder nur die Folge von angestrengtem Nachdenken war, schien heute noch tiefer als sonst. Manchmal war ihm recht ungemütlich in der Nähe dieses Feuergeistes, wenn er sich auch immer wieder sagte, daß dieses aufbrausende Wesen nie lange andauerte, und wenn er auch ahnte, daß es nur ein Schild war, hinter dem der Alte gegen seine eigene große Gutmütigkeit Deckung suchte.

»Werner Siemens hatte kaum bemerkt, daß Müller mit ehrerbietigem Gruß zu ihm getreten war. Die Hände fest in den Taschen verankert, stand er vor der Maschine und ließ seinen scharfen Blick von einem Teil zum anderen gleiten. Dann versuchte er zu drehen.

»Na, nun geht das Donnerwetter los, dachte Müller; aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, die Stirnfalte war zweifellos etwas geglättet. Nun sollte Müller die Drahtverbindung zwischen der Batterie und dem Elektromagneten lösen. Das ging dem Alten aber zu langsam, und schon hatte er Müller den Schraubenschlüssel aus der Hand genommen, warf die abgeschalteten Drähte beiseite wie etwas sehr Überflüssiges und verband nun die freien Enden der Magnetwicklung irgendwie mit den Schleiffedern am Kommutator. Das alles ging so schnell, daß Müller kaum die geänderte Schaltung zu erkennen vermochte. Nachdem in den Ankerstromkreis noch ein Galvanoskop eingeschaltet war, mußte Müller drehen.«

 

Das Galvanoskop erhielt sofort so viel Strom, daß es für immer dahin war. Müller dachte, der Prinzipal würde über die Vernichtung des kostbaren Instruments verdrießlich sein. Aber Werner Siemens klopfte im Gegenteil dem verdutzten Werkführer auf die Schulter und sprach zu ihm wie zu einem Freund, was er früher nie getan hatte. »Er sprach und sprach, und seine Augen leuchteten noch mehr als sonst.« Was er eigentlich sagte, verstand Müller nicht recht vor lauter Verwunderung über das veränderte Wesen des Prinzipals.

Wir verstehen diese Erregung Werner Siemens' heute sehr gut. Es war eben der Augenblick gewesen, in dem die Richtigkeit des dynamo-elektrischen Prinzips praktisch erwiesen wurde. Das Galvanoskop war das erste Opfer des dynamo-elektrisch erzeugten Stroms geworden. Aber es sollte nicht umsonst gestorben sein.

In einer schönen Zeitverkettung fällt das 50jährige Jubiläum der Dynamomaschine genau in die Zeit, in welcher der Geburtstag des Meisters sich zum hundertsten Mal jährt.

Kurz vor Weihnachten des Jahres 1866 führte Werner Siemens seine neue Erfindung den Professoren Dove, Magnus und Du Bois-Reymond sowie mehreren anderen ersten Physikern Berlins vor. Professor Magnus erbot sich sogleich, der Berliner Akademie der Wissenschaften eine Beschreibung der Erfindung vorzulegen. Dies konnte jedoch wegen der Weihnachtsferien erst am 17. Januar 1867 geschehen. In der Arbeit, die Professor Magnus damals der Akademie übergab, schrieb Werner Siemens am Schluß: »Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben, elektrische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel ist. Diese Tatsache wird auf mehreren Gebieten derselben von wesentlicher Bedeutung sein.« Das ist denn auch in großartigster Weise eingetroffen.

In England wurde die Erfindung dadurch bekanntgemacht, daß Wilhelm Siemens am 14. Februar 1867 einen Vortrag darüber in der Royal Society unter dem Titel »Über die Umsetzung dynamischer in elektrische Kraft ohne Hilfe von permanentem Magnetismus« hielt. Er sagte darin:

»Seit Faradays großer Entdeckung der Magneto-Elektrizität im Jahre 1830 haben die Elektriker für den Zweck der Erzeugung ihrer kraftvollsten Effekte ihre Zuflucht zu mechanischer Kraft genommen, jedoch die Kraft der magneto-elektrischen Maschine scheint in gleichem Maße von der verausgabten Kraft einerseits und von dem permanenten Magnetismus andererseits abhängig zu sein.

»Mein Bruder, Dr. Werner Siemens in Berlin, hat mich aber vor kurzem auf ein von ihm angestelltes Experiment aufmerksam gemacht, wodurch nachgewiesen wird, daß der permanente Magnetismus zur Umsetzung von mechanischer in elektrische Kraft nicht erforderlich ist, und das durch dieses Experiment erzielte Resultat ist höchst bemerkenswert, weil dasselbe nicht nur diese, bis dahin unbekannte Tatsache feststellt, sondern vor allem auch, weil es uns ein einfaches Mittel an die Hand gibt, um höchst kraftvolle elektrische Nutzeffekte hervorzubringen.«

Er gab hierauf eine Beschreibung des Apparats. Und dann geschah in der Versammlung etwas, das in der Geschichte der Erfindungen ewig denkwürdig bleiben wird.

Unmittelbar nachdem Wilhelm Siemens seinen Vortrag beendet hatte, stellte Professor Wheatstone der Royal Society einen Apparat vor, der gleichfalls auf Grund des dynamo-elektrischen Prinzips gebaut war. Die Erfindung war also von ihm fast gleichzeitig gemacht worden. Ja es stellte sich heraus, daß bereits im Dezember 1866, also gerade in den Tagen, in welchen Werner Siemens seine Maschine vollendete, ein Ingenieur namens Varley ein englisches Patent auf den gleichen Apparat nachgesucht und hierbei dem Patentamt eine provisorische Beschreibung in versiegeltem Umschlag eingereicht hatte.

Es war also, wie man das bei großen Gedanken nicht selten beobachten kann, die Zeit der Reife für diese Erfindung gekommen gewesen. Nun mußte sie der Menschheit in den Schoß fallen. Das Verdienst von Werner Siemens wird hierdurch nicht im geringsten gemindert. Jeder, der sich nicht durch nationalistische Beweggründe in seiner Meinung beirren läßt, muß zugeben, daß dem deutschen Meister das Recht der Priorität zusteht. Selbst der Engländer Tyndall erklärte am 17. Januar 1879 in einem Vortrag über das elektrische Licht, den er vor der Royal Institution hielt:

»Eine Abhandlung über denselben Gegenstand von Dr. Werner Siemens wurde am 17. Januar 1867 vor der Akademie der Wissenschaften in Berlin verlesen. In einem Brief an die Zeitschrift »Engineering«, Nr. 622, Seite 45, behauptet Mr. Robert Sabine, daß Professor Wheatstones Maschine in den Monaten Juli und August 1866 von Herrn Stroh gebaut worden sei. Ich bezweifle Herrn Sabines Aussage keineswegs; es ist jedoch im allerhöchsten Grade gefährlich, von dem alten Grundsatz, den Faraday stets in aller Strenge befolgt hat, abzuweichen, daß das Datum der Geburt einer Erfindung mit dem Datum der Veröffentlichung identisch sei.«

Werner Siemens selbst nahm die Priorität durchaus für sich in Anspruch mit dem Hinweis darauf, daß das Prinzip zum erstenmal in den gedruckten Verhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften veröffentlicht worden sei. Auch ist der Name, den er dem Apparat gegeben hat, dynamo-elektrische Maschine, allgemein üblich geworden, und er wird noch heute in der Praxis in der abgekürzten Form Dynamomaschine überall gebraucht.

Werner Siemens durfte sich um so mehr auf diese erste Veröffentlichung als die ausschlaggebende Tatsache stützen, als ihm selbst während seiner langen Erfindertätigkeit oft genug die Vaterschaft an einer Erfindung nur aus dem Grund nicht zuerkannt wurde, weil er im Drang der Geschäfte die Veröffentlichung unterlassen hatte und ein anderer ihm damit zuvorgekommen war. Auch in diesen Fällen, wo es für ihn ungünstig war, hielt er den Grundsatz, daß die erste Veröffentlichung die Priorität begründe, für einzig richtig. Er schreibt darüber einmal in den »Lebenserinnerungen«:

»Es erscheint zuerst zwar hart und ungerecht, daß jemand durch frühere Publikation die Ehre einer Entdeckung oder Erfindung sich aneignen kann, die ein anderer, der schon lange mit Liebe und gutem Erfolge an ihr gearbeitet hat, erst nach vollkommener Durcharbeitung publizieren wollte. Andererseits muß man jedoch zugeben, daß irgendeine bestimmte Regel über die Prioritäten festgesetzt werden muß, da für die Wissenschaft und die Welt nicht die Personen, sondern die Sache selbst und deren Bekanntmachung in Betracht kommt.«

Es ist kein Zweifel, daß der Gedanke, den Werner Siemens im dynamo-elektrischen Prinzip ausgesprochen hat, uns heute außerordentlich naheliegend erscheint. Aber gerade die großen Vereinfachungen pflegen stets zuletzt gefunden zu werden, und eben sie bewirken durch ihre unvergleichliche Klarheit, daß die Konstruktion dann selbstverständlich erscheint. Durch die Schaffung der Dynamomaschine erst gelang es, die Elektrizität aus dem Anfangsstadium herauszuheben, in dem sie nur Gedanken übermittelte, gewissermaßen nur den Kommandeur spielte. Von jetzt ab konnte sie auch Kraft übertragen und selbst dienstbar schaffend dem Menschen zur Hand gehen.

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