Handbuch Wandertourismus

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2.3.2 Wanderarten

Wanderarten lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen: nach Konzeption der Tour als Rund- oder Streckentour bzw. nach Länge bzw. Dauer der Tour; nach der Höhenlage in Flachland, Mittelgebirge und Hochgebirge; nach der Motivation zur Wanderung sowie den Themen der Wanderwege.

Fürs Praktische ist die Unterscheidung in Rund- bzw. Streckentour von großer Bedeutung. Bei einer Rundtour kommt man zum Ausgangspunkt – meist dem Parkplatz, auf dem das Auto steht – zurück. Bei einer Streckenwanderung wird die Rückkehr zum Ausgangspunkt, dem Parkplatz oder die Anbindung an den ÖPNV von fundamentaler Bedeutung. Bei der Länge und damit der Dauer einer Wanderung unterscheidet man zwischen Halbtages-, Tages- und Mehrtageswanderung. Die besondere Herausforderung bei Mehrtageswanderungen ist die Anbindung an Übernachtungsmöglichkeiten, dass diese möglichst nah an der Strecke liegen oder dass es einen Hol- und Bringservice gibt.

Die Differenzierung nach Höhenparametern wirkt sich in erster Linie auf unterschiedliche Anforderungen an den Wanderer und seine Ausrüstung aus; es macht einen großen Unterschied, ob man im Flachland, Mittelgebirge oder Hochgebirge unterwegs ist. „Hauptargument dafür ist, dass sich alleine durch wechselnde Höhenlagen die geographischen (u. a. Höhenprofil, Steigungen) und klimatischen (u. a. Luftdruck, Temperatur) Bedingungen stark ändern. Die Belastungsanforderungen an das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat sind dementsprechend unterschiedlich hoch.“ (SCHEUMANN (2003), S. 110; zit. in: DREYER (2010), S. 32)

Den drei Höhenregionen ordnen SCHEUMANN/DREYER verschiedene körperliche Anforderungen zu. Das Wandern im Flachland bedeutet die geringste körperliche Belastung, wenn man daraus nicht gerade eine Marathon-Tour macht. „Die Gelenke werden geschont und der Blutdruck steigt nicht übermäßig an.“ (a. a. O.) Als eine eigenständige Art des Wanderns im Flachland stellt DREYER das Wattwandern heraus, da sich durch das Gehen im morastigen Untergrund spezielle körperliche Anstrengungen ergeben sowie ein erhöhtes Risiko, durch die Abhängigkeit von den Gezeiten bzw. die Gefahr, während einer Tour von der Flut überrascht zu werden und nicht mehr sicher an Land zurückkehren zu können. Im Mittelgebirge sind die Belastungen für den Körper schon deutlich stärker, ein größerer Kraftaufwand wird durch das Relief der Landschaft mit dem häufigen Bergauf- und Bergabgehen gefordert. Dadurch wird die Atemfrequenz erhöht, der Bewegungsapparat wird stärker beansprucht, die lokale muskuläre Ermüdung setzt früher ein und die Körperwärme steigt schneller an (vgl. a. a. O.). Letzteres muss vor allem bei der Wahl der Wanderkleidung (→ Kap. 10.2) berücksichtigt werden, auch an das Schuhwerk sind höhere Erwartungen zu stellen – an passenden Wanderschuhen geht hier kein Weg mehr vorbei! Wesentlich größer als bei Touren im Mittelgebirge sind die Anforderungen an Ausrüstung und Körper bei Wanderungen im Hochgebirge. Beim Wandern im alpinen Raum – das Bergsteigen sei hier nicht berücksichtigt – sind die Belastungen für den Wanderer deutlich größer. Die Höhenunterschiede und größeren Höhenlagen, in denen sich untrainierte Wanderer bewegen, verursachen häufig Atemprobleme, die das allgemeine Wohlbefinden schmälern. Das steilere Gelände strapaziert den Bewegungsapparat wesentlich mehr. Aus diesen Fakten können sich so genannte subjektive Gefahren ergeben, Gefahren, die in erster Linie im Wanderer begründet liegen. Mangelnde Trittsicherheit, verstärkt durch körperliche Belastung bis hin zur Erschöpfung, eventuell fehlende Erfahrungen im alpinen Gelände und deshalb falsche Einschätzung oder Nicht-Erkennen von Gefahren, zum Beispiel bei Wetterveränderungen, oder auch ein Überschätzen der eigenen Fähigkeiten, können sich bei Wanderungen im Hochgebirge fatal auswirken. Hinzu kommen die objektiven Gefahren, die vom Naturraum vor allem oberhalb der Wald- und Almenstufe den Bergwanderer betreffen können. Ein heikler Komplex beim Wandern im Hochgebirge kann das Wetter sein, mit einem plötzlichen Wetterumschlagen, verminderter Sicht und sich rapide verschlechternden Wegverhältnissen zum Beispiel bei nassen, rutschigen Pfaden vor allem im Schrofengelände.

Das Wandern lässt sich auch nach der Motivation und den Intentionen der Wanderer unterscheiden, wie den „freiwilligen“ Formen des Genusswanderns, dem sportlichen Wandern, der Gesundheitswanderung (→ Kap. 7.1) sowie den oftmals „weniger freiwilligen“ Formen der Schulwanderung (→ Kap. 7.1.1), Lehrwanderung oder Exkursion.

Das Genusswandern, d. h. Wandern ohne sportliche Ambitionen, dafür Landschaft kennenlernen und Gemeinschaft erfahren, sei es in der Gruppe oder mit Partner/in, steht hoch im Kurs und gilt als die aktuell beliebteste und häufigste Form des Wanderns, so DREYER (vgl. a. a. O., S. 34). „Das gemeinsame Erleben schöner Aussichten, lange Pausen, Picknick am Waldesrand, der Genuss regionaler Produkte oder Entdeckungen am Wegesrand schärfen die Sinne.“ (a. a. O.) Aus diesen Wünschen und Erwartungen der Wanderer lassen sich in den Wanderdestinationen passende Wege, auch Themenwege und entsprechende Angebote entwickeln. Das gestiegene Interesse der Wanderer daran, die Region authentisch wie kulinarisch zu erleben, schlägt sich bereits in den Kriterien für zertifizierte Qualitätsgastronomie Wanderbares Deutschland und den entsprechenden Gastgebern nieder (→ Kap. 6.2).

Das sportliche Wandern stellt im Unterschied zum Genusswandern die Bewegung und die körperlichen Anforderungen mehr in den Vordergrund – was jedoch nicht bedeuten soll, dass diese anstrengenderen Formen auch ein Vergnügen sein können und Befriedigung geben! Mehr die Selbstverwirklichung und Erfolgserlebnisse als der Genuss stehen hier im Fokus. Die sportliche Herausforderung, die natürlich einen trainierten Körper voraussetzt, kann sich durch längere Strecken, schwierigeres Gelände, überwundene Höhenmeter und ein schnelleres Gehtempo ergeben. Zahlen signalisieren Leistungen, mit denen sich Eindruck schinden lässt und man sich Anerkennung in der Freizeit verschaffen kann!

Zu den sportlichen Varianten des Wanderns nach DREYER (a. a. O., S. 34ff.) gehören Gipfel- und Höhenwanderungen (zusammengefasst im hochalpinen Wandern), das Fern- und Weitwandern – Pilgern auf dem Jakobsweg wäre das klassische Beispiel dafür –, das Trekking sowie die Expedition. Das hochalpine Wandern lässt DREYER (a. a. O.) in Regionen ab 1500 m NN beginnen, doch diese Grenze scheint für den Alpenraum zu niedrig; mindestens die höher liegende Waldgrenze sollte als Richtwert genommen werden, da erst darüber und eigentlich auch noch über der Höhenstufe der Almen, die schwierigere und typisch alpine Zone beginnt, die einem anspruchsvollen und sportlichen Wandern das passende Gelände bietet. Schmale steile Pfade oder auch Wegeabschnitte, die nur durch die Markierung im Schrofengelände vorgegeben sind, oder auch Passagen über gesicherte Klettersteige erfordern vom Wanderer Konzentration, Trittsicherheit, körperliche Eignung und Fitness, eine gewisse alpine Erfahrung sowie die notwendige Ausrüstung und eine Vorbereitung der Tour.

Wenn es auch Fernwanderwege im Hochgebirge, beispielsweise die ausgeschilderte Alpenüberquerung von München nach Venedig oder auch in West-Ost-Richtung von Monaco nach Triest als Via Alpina, gibt, so ziehen sich die längsten in Europa durch viele, auch flache und niedrig gelegene Landschaften, wie der E 1, der vom Nordkap bis nach Sizilien führen und derzeit bis Salerno markiert sein soll. Der berühmteste und geschichtsträchtigste der europäischen Fernwanderwege ist das Netz des Jakobswegs (→ Kap. 7.7). An diesem gibt es teilweise eine bis ins Mittelalter zurückreichende Infrastruktur, vor allem Übernachtungsmöglichkeiten, wie sie für einen „modernen“ Fernwanderweg untypisch ist. Der Fernwanderer trägt entweder sein leichtes Zelt samt Zubehör für Übernachtung und Campingküche im Rucksack und/oder er nutzt die Möglichkeiten, die sich am Wegesrand bieten. Doch es gibt inzwischen auch schon von Spezialreiseveranstaltern Touren auf Fernwanderwegen als Pauschalangebote mit vorgebuchten Übernachtungsmöglichkeiten und Gepäcktransfer. Es liegt in der Natur der Sache, dass Fernwanderwege per se nicht irgendwelchen Qualitätsansprüchen an Wanderwege genügen können, denn sie nutzen das bestehende Wegenetz in den Regionen/Ländern und müssen zwangsläufig auch auf längeren Abschnitten, zum Beispiel in städtischen Großräumen, über unattraktive Wege und Straßen führen. Über eine Definition des Fernwanderns zu diskutieren, ist angesichts des großen Spielraums eher müßig; „zumeist spricht man von einer Fern- bzw. Weitwanderung, wenn die Wanderung mindestens drei Tage dauert oder eine Wanderstrecke von mindestens 100 km zurückgelegt wird.“ (a. a. O., S. 35)

Eine Gruppe von Weitwanderungen, bei denen die Streckenführung besser den Idealen von Wandererlebnissen angepasst werden kann, sind die Trekkingtouren. Sie führen in der Regel in bzw. durch wenig erschlossene Regionen; zum Abenteuercharakter gehört hier die Fortbewegung auf oftmals nicht ausgebauten Wegen bzw. nicht gespurtes Gelände. Wasserläufe werden häufig nicht trockenen Fußes auf Brücken überwunden, sondern man muss seine Furt selber finden. Bei beliebten Trekkingtouren im Himalaya, dem Everest-Trek zum höchsten Berg der Welt beispielsweise, kann man jedoch auch auf viele wandernde Zeitgenossen treffen und den möglichen einsamen Charakter eines Trekkings sehr vermissen! Dafür lässt die Infrastruktur hier kaum einen Wunsch offen. Grundsätzlich geht es beim Trekking um intensivere bis extreme Naturerlebnisse, dem Hauch von Abenteuer jenseits der gewohnten Zivilisation und der Bewährung und Selbsterfahrung des modernen Menschen in der Wildnis.

Der Vollständigkeit halber seien als „Meisterklasse“ und extremste Form des Wanderns noch die Expeditionen erwähnt. Auch wenn die Teilnahme an „Bergexpeditionen“, zum Beispiel mit der Besteigung der höchsten Gipfel in den Hochgebirgen weltweit, nach Katalog gebucht werden kann, so lässt es sich trotzdem rechtfertigen, diesen höchst sportlichen Typ der Fernwanderung in diesem Buch auszuklammern.

 

Eine bedeutende Rolle spielt das Wandern heutzutage für die Gesundheit, auch schon vor der Erfindung des so genannten Gesundheitswandern (→ Kap. 7.1.2). „During the past quarter of a century there has been a social movement in the Western world toward more active living, including healthier food, increased exercise and natural health care approaches. With the realization that sedentary lifestyles are contributing to increased obesity and related health problems, trails have been fingered as one of the most salient exercise venues for this movement toward healthier lifestyles.” (TIMOTHY, BOYD (2015), S. 110) Eine Reaktion auf die zunehmenden Gesundheitsprobleme und das Bewusstsein, präventiv etwas unternehmen zu wollen oder zu es müssen, ist das Gesundheitswandern.

Die Bewegung bzw. der Spaziergang gehören traditionsgemäß zum Heilungsprozess bei einer Reihe von Krankheiten; sie waren schon immer ein Teil einer Kur – sichtbar und praktiziert in der Wandelhalle und dem vor Wind und Wetter geschützten Gang mit dem Trinkbecher voll heilenden Wassers bis zu den Spaziergängen durch Kurparks und auf entsprechend gestalteten Promenaden. Im heutigen Kurbetrieb wird das Wandern zielgruppengerecht und unter Anleitung eingesetzt, entsprechend ausgeschilderte Wege mit Informationen über objektive Schwierigkeiten und Belastungen ermöglichen es, aber auch ohne eine medizinische/therapeutische Begleitung Gesundheitswanderwege zu gehen und die ergänzenden Übungen auszuführen. Außerhalb des klassischen Kurbetriebs bietet man oftmals Gesundheitswanderwege auch als Fitnesswege oder als entsprechende Variante der Trimm-Dich-Pfade an.

Zu den Wanderarten zählen ebenso die verschiedenen Formen von Lehrwanderungen. Im besten Fall hat die Lehrperson die Wanderung vorbereitet, in den Unterricht oder eine andere Veranstaltung eingebettet, dort einen Bezug zum Lerngegenstand in der Natur geschaffen und dazu passend eine Wanderstrecke gefunden oder selbst erarbeitet. Für den zweiten Teil der pädagogischen Arbeit gibt es inzwischen viele professionelle Angebote von Wanderführungen, „Klassenzimmern draußen“, Workshops in der Natur oder Ähnlichem in Zusammenarbeit mit Naturpark-, Geopark-, Nationalpark-Zentren oder ähnlichen Institutionen.

Durchaus lehrreich und für das „Selbststudium“ vor Ort in der Landschaft können Themenwanderungen (→ Kap. 7.5) sein. Doch dabei muss es nicht nur um die Vermittlung von Aspekten zur Wanderregion, sei es zu geowissenschaftlichen, historischen, kulturgeschichtlichen oder anderen sichtbaren Zeugnissen gehen, sondern auch um Geschichten, Sagen und Mythen, die mit bestimmten Plätzen verbunden sind. Die Inhalte der Themenwege werden in der klassischen Art mit Informationstafeln vermittelt, aber es gibt auch kreativere Lösungen, vor Ort Wissen unter die Wanderer zu bringen, zum Beispiel durch Erlebnisstationen, die zum Ausprobieren, Experimentieren einladen oder durch „sprechende“ Steine.

Literatur

DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München.

TIMOTHY, D. J.; BOYD, S. W. (2015): Tourism and Trails. Cultural, Ecological and Management Issues. Aspects of Tourism 64, Channel View Publications, Bristol.

2.4 Aktuelle Trends im Wandertourismus

Als ein erster Überblick seien hier die aktuellen Trends im Wandertourismus zusammengestellt, in den genannten Kapiteln wird tiefer darauf eingegangen. Die Reihenfolge der Nennung beinhaltet keine Rangfolge in einer – ohnehin wissenschaftlich kaum zu ermittelnden – Bedeutung. Außerdem sind bei dem weit verbreiteten Verhalten multioptionaler Gäste ohnehin keine lupenreinen Trennungen zwischen dem Ausleben der verschiedenen Trends möglich, da man je nach Lust und Laune oder aus anderen Gründen mal das eine, dann das andere Angebot präferiert und nutzt. Nicht minder problematisch ist es, den geographischen Raum und die Akteure dafür abzugrenzen. Deshalb sei als Ausgangspunkt der Betrachtungen der Wandertourismus in Deutschland und den Nachbarländern gewählt. In den gefragten ausländischen Wanderdestinationen wird man sich an den Erwartungen der deutschen Wanderer orientieren, denn Gästewünsche zu befriedigen, gehört schließlich zum Grundverständnis touristischer Arbeit! Am Trend Qualität und Premium (→ Kap. 6) ist zu beobachten, dass die Qualitätsoffensiven und Zertifizierungen, die vom Deutschen Wanderverband ausgingen, inzwischen auch in anderen europäischen Ländern nach dem deutschen Vorbild übernommen wurden. Das Bestreben, möglichst viel Qualität in die Wanderszene zu bringen, hat auch zur „Entdeckung“ der neuen Zielgruppen Kinder (→ Kap 7.3) und Hunde mit ihrem Rudel Zweibeiner (→ Kap. 7.4) geführt – auch für sie werden nun Wanderwege geschaffen und zertifiziert. Ihre Wünsche nach Beschäftigung in der Natur versucht man alters- wie artgerecht zu befriedigen und damit allen Beteiligten gemeinsamen Spaß am Aufenthalt draußen zu vermitteln.

Positive Erlebnisse rund um das Wandern werden gesucht und angeboten, die Freude am Wandern, der Genuss der Landschaft allein reicht nicht immer – mancher moderne Wanderer scheint mehr Erlebniswert zu fordern. Eine Antwort auf diesen Gästewunsch ist das Storytelling, wie es mit Beginn der Wandersaison 2014 in der Allgäuer Trilogie (→ Kap. 7.6) in die Tat umgesetzt wird. Als Vorläufer und immer noch aktuelle Form der Wanderung, Informationen über die verschiedensten Aspekte einer Landschaft und dabei auch die eine oder andere geistige Anregung zu geben, bietet das breite Spektrum der Themenwanderwege (→ Kap. 7.5). Das Bestreben, Landschaft mit allen Sinnen erleben, fördert u. a. das Interesse an der regionalen und saisonalen Küche im Wandergebiet, so dass dies bereits in den Kriterienkatalog für zertifizierte Wandergastronomie aufgenommen wurde (→ Kap. 6.2). Neben der Suche nach kulinarischen Entdeckungen passt dieser Wunsch auch zum umfassenderen Trend, Authentisches kennenlernen zu wollen. Die Gesundheit zu fördern, einen Ausgleich für den in der Regel bewegungsarmen Alltag zu finden oder auch gezielt als Vorbeugung, Linderung oder Heilung bestimmter Beschwerden oder Krankheiten nicht nur des Bewegungsapparats, brachte das Gesundheitswandern (→ Kap. 7.1.2) hervor, zu dem es nicht nur die passenden Wanderwege, sondern auch die entsprechend zertifizierten Gesundheitswanderführer gibt.

DREYER (2010, S. 274ff.) fasst die aktuellen Trends folgendermaßen zusammen und deutet mögliche Reaktionen auf der Anbieterseite an – „Mögliche Werkzeuge im Rahmen der zunehmenden Segmentierung und Ausdifferenzierung auf dem Wandermarkt sind Themenmarketing und Zielgruppenansprache unter der Beachtung zukünftiger Wandertrends.“ Sein Trend 1: Gesünder liegt nicht nur im Zeitgeist begründet, dem Fakt, dass sich Gesundheit zu einem „eigenständigen Konsumgut“ entwickelt hat, sondern auch als Folge des demographischen Wandels, der Industrialisierung – sinnvoller wäre es vielleicht von der Arbeitswelt allgemein zu sprechen – sowie den Veränderungen im Gesundheitswesen. Da Krankenkassen schon seit geraumer Zeit ihre Leistungen zurückfahren, liegt es stärker in der Verantwortung des Einzelnen, bewusster mit seiner Gesundheit umzugehen und u. a. auch manchem eigenverantwortlich und auf eigene Kosten vorzubeugen. Aber auch Reiseveranstalter haben sich auf die Veränderungen im Gesundheitswesen eingestellt und bieten innerhalb gesundheitsorientierter Urlaubsreisen Präventionsmaßnahmen an, die von Krankenkassen bezahlt werden. Welchen Stellenwert Gesundheit in der Gesellschaft bekommen hat, zeigt sich in der neuen Kundengruppe der LOHAS (lifestyle of health and sustainability).

Trend 2: Spiritueller betrifft die wieder modern gewordene Sinnsuche, die für eine Wiederbelebung der traditionsreichen Fernwanderungen auf Pilgerwegen, allen voran dem Jakobsweg, gesorgt hat. Dabei steigt nach Schätzungen die Zahl derer, die sich nicht aus religiösen Gründen auf Pilgerschaft begeben. Diese Wege und damit verbundenen Fernwanderungen werden zunehmend für die persönliche Sinnsuche und als Chance genutzt, wieder einmal zu den natürlichen Wurzeln zurückzukehren und dabei neue Kräfte zu tanken oder die Wanderschaft als „Reise zum Ich“ zu verstehen und davon physisch wie psychisch zu profitieren. Darin spiegelt sich die Sinngesellschaft nach Romeiß-Stracke (http://kupoge.de/kongress/2005/dokumentation/romeiss-stracke.pdf) wider. Das Verlangen und Bedürfnis nach einer Auszeit durchaus auch im religiösen Kontext wird bei allgemeinen Lebensbedingungen in der westlichen Gesellschaft vermutlich zunehmen. Die gestiegenen Angebote und Nachfragen nach Auszeiten in Klöstern gehören ebenfalls zu den Trends der neuen Sinngesellschaft.

Als eine Reaktion auf unseren bewegungsarm gewordenen Alltag ist Trend 3: Aktiver zu sehen und so DREYER (a. a. O., S. 277): „Es entwickelt sich eine neue Bewegungs- und Körperkultur, die auch dem Wandertourismus hilft. Und die als Triebfeder der Sportartenentwicklung bekannte Sportartikelindustrie trägt mit immer funktionellerer Kleidung dazu bei, dass bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, Kälte oder Hitze, die Freude am Wandern nicht leidet.“

Das weiter verbreitete Anspruchsdenken spiegelt sich im Trend 4: Anspruchsvoller wider. Hohe Erwartungen an Qualität und Service finden ihren Niederschlag im Festlegen von Standards und den darauf folgenden Zertifizierungsaktionen, einem großen Betätigungsfeld des Deutschen Wanderverbands.

Zu den gestiegenen Ansprüchen in Sachen Qualität kommt noch die Erwartung hinzu, einen höheren Erlebniswert, als es die Natur allein bieten kann, beim Wandern zu bekommen. Trend 5: Erlebnisreicher fordert vor allem die Touristiker vor Ort heraus, den Wanderwegen mehr als einen gelenkschonenden Belag und eindeutige Markierungen zu geben. Möglichst viele Sinne des Wanderers sind anzusprechen, um ihm einen größeren Eindruck von einem „Erlebnisort“ zu vermitteln. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, auch die Emotionen – natürlich im positiven Sinne – anzuregen. „Erfolgreich sind die Inszenierungen themenbezogener Wegekonzepte, bei denen entlang eines ‚roten Fadens‘ der Erlebnisinhalt in Form von Geschichten, ,,Storytelling“, Möblierung etc. vermittelt wird. Dies kann in Form von Inszenierungen einzelner Orte (Erlebniszonen) auf dem Weg geschehen.“ (a. a. O., S. 279)

Der Trend 6: Kultureller bedeutet, dass der Wanderer nicht unbedingt nur das Erlebnis in der Natur sucht, sondern die Landschaft, in der er sich bewegt, umfassender kennenlernen möchte, vor allem die Suche nach dem Typischen, dem Authentischen treibt ihn an. Und dies beschränkt sich keinesfalls auf ein Abhaken von Sehenswürdigkeiten am Wegesrand, auch das Erlebnis der regionalen Alltagskultur von kulinarischen Spezialitäten bis zu Festen und Traditionen gehört dazu. Der Wunsch, mehr über die Wanderregion zu erfahren, steht im Einklang mit Ergebnissen von Studien über das Bildungsniveau von Wanderern. Dieses ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt weit über dem Bundesdurchschnitt. (vgl. a. a. O.) „Waren es im Jahr 2000 gerade noch 25 Prozent der Wanderer mit Hochschulabschluss, so sind es in 2005 bereits 41 Prozent“ (a. a. O., S. 279f.). Natürlich geht es bei jeglicher Wissensvermittlung nicht darum, diese umfassend oder gar schulmeisterlich zu gestalten, sondern der Erlebniswert und ein gewisser Spaßfaktor sind hier bei Didaktik und Methodik gefragt – egal ob es sich um die Informationstafeln am Wegesrand handelt oder ob ein Wanderführer das Thema präsentiert. Zu den in der Landschaft unübersehbaren Zeichen dieses Trends gehört die wachsende Zahl von Themenwegen, von der Halbtages-Tour bis zum Fernwanderweg unter einem bestimmten Motto.

Die zunehmende Verbreitung von Hightech-Geräten, von digitaler Kommunikation und Information schlägt mit dem Trend 7: Technischer auch im Wandertourismus nieder. Neben den üblichen Informationsmöglichkeiten rund um den Tourismus gibt es bereits sehr spezialisierte Websites von Wanderdestinationen, auf denen sich der Wanderer bereits zu Hause bei der Vorbereitung Karten, Höhenprofile sowie anderes nützliches Wissen um seine geplante Tour herunterladen kann. Daneben findet man auf überregionalen Wanderportalen ebenfalls Tourenvorschläge und praktische Informationen, auf derzeit noch wenigen Bewertungsportalen und Wander-Communities können Wanderer sich austauschen. Großes Potenzial sieht DREYER (a. a. O., S. 281) in diesem Bereich unter anderem zur Darstellung der Destinationen, zur Kundengewinnung und -ansprache oder auch, um dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit bei der Urlaubsplanung nachzukommen. „Es gilt, mit neuen, innovativen Technologien und Angeboten an den ,neuen Wandergast‘ heranzutreten. So würden sich über die Hälfte der Wanderer (57 %) über das Angebot von ,Wanderfernsehen‘ freuen, 27 % können sich ein Internetportal für Last-Minute-Wanderreisen vorstellen und 12 % der Wanderer wünschen sich eine Wanderreisepartnervermittlung über das Internet.“ (a. a. O.) Deutliche Zeichen für den Technik-Trend draußen in der Landschaft und in der Hand des Wanderers sind zum einen das zunehmend beliebte Geocaching und zum anderen die häufigere Orientierung mit Navigationsgeräten anstelle der „altmodischen“ Wegesuche mit Karte und Kompass.

 

Literatur

DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München.

Ein Wandel im Zeitgeist, der sich auch im Tourismus niederschlägt: Von der Spaßgesellschaft zur Sinngesellschaft.

http://kupoge.de/kongress/2005/dokumentation/romeiss-stracke.pdf

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