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Der Teufelssumpf

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Ich versteh' Euch, Germain, antwortete Leonard ganz gelassen; Ihr habt Euren Sinn geändert, weil Ihr meine Tochter in Gesellschaft anderer Freier gesehen habt. Haltet es nach Belieben. Euch scheint gerade das abzuschrecken, was die Uebrigen lockt, und es steht Euch so vollkommen frei, Euch zurückzuziehen, zumal Ihr Euch noch gar in nichts eingelassen habt. Wenn es Euch wirklich ernst ist mit dem Ochsenhandel, will ich Euch zur Weide hinführen; dort können wir das Weitere besprechen; aber ob nun aus dem Geschäft was wird, oder auch nicht, jedenfalls müßt Ihr noch mit uns zu Mittag essen, bevor Ihr heimreitet.

Ich möchte nicht, daß Ihr Euch meinethalben bemüht, entgegnete Germain; Ihr habt vielleicht hier Mancherlei zu besorgen; mir wird beim Zusehen und Nichtsthun die Zeit ein wenig lang. Ich will Euer Vieh in Augenschein nehmen, und werde Euch hernach in Eurem Haus aufsuchen,

Hiemit entfernte er sich rasch und ging auf die Wiese zu, wo ihm Leonard in der That einen Theil seines Viehs von fern gezeigt hatte. Der alle Maurice hatte wirklich ein paar Stück nöthig, und Germain dachte, daß man ihm, wenn er ein schönes Paar Ochsen zu einem billigen Preis mitbrächte, um so bereitwilliger verzeihen würde, daß er den Zweck seiner Reise absichtlich verfehlt habe.

Er schritt wacker aus und befand sich bald in der Nähe des Ulmenhofs. Da empfand er das Bedürfniß, sein Söhnchen zu umarmen, und nebenbei auch die kleine Marie wiederzusehen, wiewohl er mit der letzten Hoffnung den Gedanken aufgegeben hatte, durch sie glücklich zu werden. Alles, was er so eben gesehen und gehört hatte, dieses gefallsüchtige, eitle Weib, ihr eben so pfiffiger wie beschränkter Vater, der sie in der angewöhnten dünkelhaften Unehrlichkeit bestärkte, dieser städtische Aufwand, der seiner Meinung nach gegen die Würde der ländlichen Sitten verstieß, die in nichtssagenden, albernen Worten vergeudete Zeit, diese von den seinen so grundverschiedenen Familienverhältnisse und namentlich jenes tiefe Mißbehagen, das den Bauersmann befällt, wenn er aus seiner ordnungsgemäßen Thätigkeit gerissen wird, – mit Einem Wort Alles, was ihm seit einigen Stunden Verdrießliches und Beschämendes widerfahren war, drängte Germain zu seinem Kind und seiner kleinen Nachbarin hin. Wäre er auch in diese nicht verliebt gewesen, er hätte sie nichts desto weniger aufgesucht, um sich von seinen Eindrücken zu erholen und seine Gedanken und Empfindungen wieder ins gewöhnliche Geleise zurückzuführen.

Er schaute sich indessen umsonst auf den nächstliegenden Wiesen um; weder die kleine Marie noch der kleine Peter kamen ihm zu Gesicht, und um die Stunde pflegte doch, wer das Vieh hütete, draußen zu sein. Auf einem brachliegenden Acker erblickte er eine große Heerde und fragte den Knaben, der sie überwachte, ob das nicht die Schafe vom Ulmenhof wären.

Ja, antwortete das Kind.

Bist du der Hirt? Hüten denn bei euch zu Lande die Buben die Schafe der Bauernhöfe?

Nein. Ich hüte sie nur heut, weil die Magd fort ist: sie ist krank geworden.

Aber es ist doch diesen Morgen eine Neue hergekommen?

Ja; die ist auch schon fort.

Wie so – fort? Hatte sie nicht ein Kind bei sich?

Ja, einen kleinen Buben, der geheult hat. Kaum waren sie zwei Stunden da, so sind sie wieder gegangen.

Gegangen – wohin?

Dahin wahrscheinlich, von wo sie hergekommen waren. Ich hab' sie nicht d'rum gefragt.

Aber weßhalb sind sie denn fort? fragte Germain, immer unruhiger.

Wie kann ich das wissen?

Hat man sich etwa über den Lohn nicht geeinigt? Der war doch eine vorher abgemachte Sache.

Ich weiß von nichts. Ich sah sie kommen und wieder gehen, mehr nicht.

Germain begab sich nun auf den Hof und – fragte bei den Pächtersleuten an.

Niemand konnte ihm Aufschluß geben; so viel aber stand fest, daß das Mädchen, nachdem es mit dem Bauern gesprochen, mit dem weinenden Kind fortgegangen war, ohne ein Wort zu sagen.

Hat man meinem Buben was gethan? rief Germain mit blitzenden Augen.

Der Bube gehörte also Euch? Wie kam's denn, daß er bei dem Mädel war? Wo seid Ihr zu Haus, und wie ist Euer Name?

Als Germain merkte, daß man anfing, seine Fragen, nach Landesbrauch, durch andere Fragen zu beantworten, verlangte er, vor Ungeduld mit dem Fuß stampfend, den Bauern zu sprechen.

Der war auch nicht mehr da: auf diesem Hof hielt er sich nie einen ganzen Tag auf. Er war fortgeritten, wahrscheinlich um einen andern von den Höfen zu besichtigen, die er besaß. – welchen, konnte man nicht sagen.

Aber habt Ihr denn gar keine Ahnung, fragte Germain, dem sehr bang geworden war, warum das Mädel fortgegangen ist?

Der Pächter tauschte mit seiner Frau ein eigenthümliches Lächeln aus; dann antwortete er, daß er von nichts wisse, und daß ihn die ganze Geschichte nichts angehe. Das Einzige, was Germain ermitteln konnte, war, daß das Mädchen mit dem Kinde die Richtung nach Fourche eingeschlagen hatte. Er lief also nach Fourche: die Wittwe und ihre Freier waren noch nicht zurück, auch der alte Leonard nicht. Die Magd erzählte Germain, es habe ein Mädchen mit einem Kinde nach ihm gefragt, aber sie habe die Beiden nicht ins Haus lassen wollen, da sie sie nicht kannte, und habe sie nach Mers geschickt.

Und weßhalb habt Ihr sie nicht einlassen wollen? fragte Germain ärgerlich. Treibt man denn hier zu Land das Mißtrauen so weit, daß man seinem Nebenmenschen, die Thür vor der Nase zuschlägt?

Ja, mein Gott! erwiderte die Magd, in einem so reihen Haus hat man's nöthig, recht auf der Hut zu sein. Ich muß für Alles einstehen, wenn die Herrschaft fort ist, und kann den Ersten Besten nicht hereinlassen.

Das ist eine garstige Hausordnung, sagte Germain, und lieber möcht' ich arm sein, als so in ewiger Angst zu leben. Ich geh' schon, Mädel! In eurer unfreundlichen Gegend mag ich gar nicht bleiben!

Er erkundigte sich nun in der Nachbarschaft. Man hatte das Mädchen und das Kind gesehen. Da dieses, weil es heimlich aus dem väterlichen Hause fortgelaufen war, nur seinen etwas zerrissenen Kittel und sein kleines Schaffell trug, und da die kleine Marie zu allen Zeiten, aus leicht zu begreifenden Gründen, sehr ärmlich gekleidet ging, hatte man die Beiden für Bettelleute gehalten und ihnen Brod dargereicht, wovon das Mädchen für das hungrige Kind auch ein Stück angenommen hatte; hierauf waren sie eilig dem Walde zugeschritten.

Germain besann sich einige Augenblicke; dann fragte er, ob der Ulmenhofbauer nicht nach Fourche gekommen sei.

Ja wohl, lautete die Antwort; kurz nachdem das kleine Mädchen fort war, ritt er vorbei.

Ihr nach?

Aha! Ihr kennt ihn also? lachte der Schenkwirth, an den sich Germain gewendet hatte. Gewiß, gewiß; der ist Euch auf die Mädel versessen, wie der Teufel auf die armen Seelen. Aber ich glaube doch nicht, daß er die gefangen hat, wiewohl, wenn er sie gesehen hätte . . .

Genug – ich dank' Euch! Mit diesen Worten rannte oder vielmehr flog Germain auf und davon, nach Leonard's Stallung. Dort warf er der Grauen den Sattel über, schwang sich auf und sprengte in gestrecktem Galopp in der Richtung des Chantelouber Waldes fort.

Das Herz sprang ihm in der Brust auf und nieder vor Angst und Wuth, und von seiner Stirne rieselte der Schweiß. Wie ein Verzweifelter spornte er die Graue an, die schon ohnedies mit Windeseile hinsaus'te, weil sie merkte, daß es nun heimwärts ging in den ersehnten Stall.

* * *

Germain war sehr bald wieder an der Stelle, wo er bei der Pfütze die Nacht zugebracht hatte. Das Feuer qualmte noch; ein altes Weib war gerade damit beschäftigt, die Ueberbleibsel des Holzvorraths aufzulesen, den die kleine Marie herbeigeschleppt hatte. Germain hielt an, um das Mütterchen zu befragen. Es war taub, und verstand Alles falsch.

Ja, mein Sohn, sagte es, das hier ist der Teufelssumpf – ein schlimmer Ort, dem man sich nie nähern darf, ohne mit der linken Hand drei Steine hineinzuschleudern und mit der Rechten ein Kreuz zu schlagen: das verscheucht die bösen Geister. Wer's aber unterläßt, und doch um das Moor herumgeht, dem widerfahren schreckliche Dinge.

Davon ist ja die Rede nicht, sagte Germain, zu der Alten hintretend; dann schrie er ihr ins Ohr: Habt Ihr nicht ein Mädel mit einem Kinde durch den Wald gehen sehen?

Ja, antwortete die Alte, es ist einmal ein kleines Kind darin ertrunken.

Germain überlief es kalt; glücklicher Weise fuhr die Alte fort:

Aber das ist schön sehr lange her; sie haben ein schönes Kreuz zum Angedenken gestiftet, allein die bösen Geister haben es über Nacht, wie ein großer Sturm war, ins Wasser geworfen. Ein Endchen davon kann man noch sehen. Wer das Unglück hätte, bei Nacht hieherzugerathen, der fände vor Tag nun und nimmermehr hinaus, und wenn er sich auch die Füße abliefe; zweihundert Wegestunden dürfte er machen, und käme dennoch immer auf denselben Fleck zurück.

Unwillkürlich wirkte das Geschwätz auf Germain's Einbildung, und die Vorstellung des Unglücksfalls, der vielleicht die Versicherungen der Alten noch bestätigen sollte, bohrte sich so in seinen Kopf, daß ihn von oben bis unten ein Frost schüttelte. Da er nicht hoffen konnte, nähere Auskunft zu erlangen, setzte er sich wieder aufs Pferd und durchstreifte den Wald, sein Kind aus Leibeskräften beim Namen rufend; er pfiff, knallte mit der Peitsche, knickte Zweige ab, damit seine Anwesenheit recht weit vernommen werden müsse; dann lauschte er, ob ihm nicht etwa eine Stimme Antwort gäbe; aber er hörte nichts als die Glocken der Kühe, die rings im Gehölz zerstreut weideten, und das erbos'te Grunzen der Schweine, die sich um ihren Eichelfraß zankten.

Endlich drang der Hufschlag eines Pferdes an sein Ohr, das hinter ihm hergetrabt kam, und bald darauf wurde er von einem Manne angerufen in mittleren Jahren, von der Sonne gebräunt, stämmig von Gestalt, halb bäurisch und halb städtisch gekleidet. Germain hatte den Ulmenhofbauern nie gesehen, aber seine Wuth brachte ihn instinctmäßig auf den Gedanken: das muß er sein! Er kehrte sich um, maß ihn vom Wirbel bis zur Sohle mit dem Blick und wartete auf die Anrede des Mannes.

 

Habt Ihr nicht ein fünfzehn- oder sechzehnjähriges Mädel mit einem kleinen Buben, da herum gesehen? frug dieser scheinbar gleichgültig, ohne jedoch seine Aufregung vollständig verbergen zu können.

Was wollt Ihr von ihr? erwiderte mit unverhohlenem Grimm.

Darauf kann ich Euch zwar antworten, daß Euch das nichts angeht, mein Freund; weil ich aber keinen Grund habe, es Euch zu verschweigen, so mögt Ihr erfahren, daß ich die Dirne, ohne sie zu kennen, auf ein Jahr zum Schafhüten gedungen hatte . . . Als ich sie nun von Angesicht sah, kam sie mir für die sonstige Arbeit auf dem Hof zu jung und schwächlich vor. Ich schickte sie deßhalb fort, wollte ihr jedoch ihre Reisekosten vergüten; sie aber hat sich geärgert und ist hinter meinem Rücken davongelaufen . . . So eilig hat sie's gehabt, daß sie sogar Einiges von ihren Siebensachen und ihren Geldbeutel im Stich ließ – na, in dem steckt gewiß nicht viel, ein paar lumpige Sous vermuthlich! . . . Kurz, weil ich doch des Wegs mußte, dacht' ich mir: vielleicht triffst du sie an und kannst ihr dann zurückgeben, was sie vergessen hat, und was du ihr schuldig bist.

Germain war ein so grundehrliches Gemüth, daß er beinah in seinem Verdacht irre wurde bei dieser wenn nicht sehr wahrscheinlichen, so doch nicht unmöglichen Erklärung. Er heftete auf den Ulmenhofbauern einen durchdringenden Blick, den dieser mit größter Unbefangenheit oder Unverschämtheit ertrug.

Ich muß durchaus klar sehen, dachte Germain, und seine Entrüstung unterdrückend sagte er:

Das Mädel kenne ich; es ist aus unserm Dorf und wird wohl hier herum zu finden sein. Versuchen wir's, und reiten wir selbander weiter.

Ihr habt Recht, antwortete der Ulmenhofbauer. Reiten wir selbander . . . Aber wenn sie bis zum Kreuzweg dort nicht zum Vorschein kommt, so geb' ich's auf, denn ich muß noch hinüber nach Ardentes.

Oho! dachte Germain, dich lass' ich nicht weg, und müßt' ich vierundzwanzig Stunden lang mit dir um die Teufelspfütze herumreiten.

Halt! rief er plötzlich, das Auge auf einen Ginsterbusch heftend, der sich ganz sonderbar hin- und herbewegte: Holla, holla. Peterle! Kind, bist du's?

Da Peterle die Stimme seines Vaters erkannte, hüpfte er wie ein junges Reh hinter dem Busch hervor. Doch als er sah, daß der Ulmenhofbauer dabei war, blieb er verdutzt und unschlüssig stehen.

Komm, mein Peterle! komm her! Ich bin's! rief Germain; er ritt auf ihn zu und sprang dann vom Pferd, um ihn in seine Arme zu schließen.

Aber wo ist denn die kleine Marie?

Dort drüben hat sie sich versteckt, weil sie sich vor dem bösen schwarzen Mann fürchtet; ich fürchte mich auch.

Ei, sei nur ganz ruhig; ich bin ja da . . . Marie! Marie! Ich bin's!

Marie war vorsichtig herbeigeschlichen, und sowie sie Germain, dem der Ulmenhofbauer gefolgt war, erblickte, lief sie zu ihm hin und warf sich an seine Brust.

Nicht wahr, guter Germain, sagte sie, indem sie sich an ihn schmiegte wie ein Kind an seinen Vater, nicht wahr. Ihr werdet mich schützen? Bei Euch hab' ich keine Furcht.

Germain zitterte. Er betrachtete Marie: sie war bleich, und ihre Kleider waren von den Dornhecken zerrissen worden, zwischen denen sie sich durchgedrängt halte, als sie sich wie ein gehetztes Wild ins Dickicht flüchtete. Aber in dem Ausdruck ihres Gesichts lag weder Scham noch Verzweiflung.

Dein Herr will mit dir reden, sagte Germain, der kein Auge von ihren Zügen wendete.

Mein Herr! erwiderte sie stolz; der Mensch dort ist mein Herr nicht, und wird es auch nie sein! Mein Herr seid Ihr, Germain. Ihr müßt mich mit Euch nehmen. Ich will Euch ganz umsonst dienen!

Der Ulmenhofbauer war näher herangeritten und stellte sich etwas ungeduldig:

Da. Kleine, bring' ich Euch Einiges, was Ihr bei uns habt liegen lassen.

Nichts da, Bauer, entgegnete die kleine Marie; ich habe nichts liegen lassen und will nichts von Euch . . .

Tretet nur ein wenig näher, hub der Bauer wieder an; ich muß Euch etwas sagen. Na, wird's bald? So habt doch keine Furcht! . . . Bloß auf zwei Worte . . .

Die mögt Ihr mir nur laut sagen . . . Ich habe mit Euch keine Geheimnisse.

Nehmt denn zum Mindesten Euer Geld in Empfang.

Mein Geld? Ihr seid mir gottlob keins schuldig.

Ich hab' mir's gleich gedacht, flüsterte ihr Germain zu; aber gleichviel – hör' ihn an, Marie . . . Ich möchte wissen, was er dir zu sagen hat. Du wirst mir's berichten; ich habe meine guten Gründe. Tritt nur an sein Pferd hin . . . Ich verliere dich nicht aus den Augen.

Marie gehorchte, und der Ulmenhofbauer sprach mit gedämpfter Stimme, indem er sich zu ihr niederbeugte:

Da hast du einen blanken Louisd'or, Kleine! Nichts ausplaudern – verstanden? Ich werde sagen, daß ich dich für die gröbere Arbeit nicht kräftig genug fand . . . Und jetzt lassen wir Alles auf sich beruhen . . . Dieser Tage komme ich wieder durch, euer Dorf geritten, und wenn du wirklich nicht geschwätzt hast, schenk' ich dir noch etwas . . . Solltest du übrigens auf klügere Gedanken gerathen, so brauchst du bloß zu reden: dann nehm' ich dich wieder zu mir, oder wir treffen einander bei Nacht auf der Wiese . . . Was könnt' ich dir wohl für ein Präsent mitbringen?

Dies nehmt einstweilen von mir als Präsent! antwortete die kleine Marie mit lauter Stimme und schleuderte ihm seinen Louisdor mit aller Kraft ins Gesicht. Ich dank' Euch recht sehr und bitt' Euch, mich nur vorher wissen zu lassen, wann Ihr wieder bei uns vorüberkommt: alle Burschen aus dem Dorf sollen Euch empfangen, denn bei uns stehen die Leute hoch in Ehren, die armen Mädchen nachstellen! Ihr werdet schon sehen; es soll Euch nicht fehlen.

Ihr seid ein Lästermaul und eine Klatschschwester! rief der Bauer zornig, indem er seinen Stecken drohend erhob. Ihr möchtet den Leuten gern Dinge weißmachen, an denen kein wahres Wort ist; aber von mir sollt Ihr keinen Heller erpressen: man durchschaut Eure Schliche!

Marie war erschrocken zurückgetreten; doch Germain war auf das Pferd des Bauern losgestürzt und zerrte es beim Zügel hin und her.

Jetzt liegt Alles am Tag! rief er, und wir sehen genugsam, wo Barthel den Most holt . . . Herunter vom Gaul, Kamerad! Abgesessen und Rede gestanden!

Der Bauer, der keine Lust hatte, weiter auf den Streit einzugehen, gab seinem Pferde die Sporen, um sich frei zu machen, und versuchte mit dem Stock auf die Hände des Gegners loszuschlagen, damit dieser die Zügel fahren lasse; aber Germain wich dem Streich aus, packte den Bauern am Bein und riß ihn vom Sattel herunter, daß er auf die Farrenkräuter hinstürzte; dort warf er den wieder Aufgesprungenen und sich tapfer Wehrenden nieder, und als er ihm das Knie auf die Brust gedrückt hatte, sagte er:

Du ehrloser Mensch, ich könnte dich jetzt zu Schanden prügeln, wenn mir's gefiele! Doch ich habe keine Freude daran. Andern Uebles anzuthun, und dein Gewissen kann ich dir doch nicht wachprügeln . . . Aber du sollst mir nicht von dieser Stelle, bevor du das Mädel da fußfällig um Verzeihung gebeten hast.

Der' Bauer, dem dergleichen schon öfter zugestoßen war, wollte der Sache eine komische Wendung geben. Er erklärte, daß er kein gar so großer Sünder sei, da er ja nur in Worten gesündigt, und daß er gern bereit wäre, Abbitte zu leisten, wenn er nachher das Mädel küssen dürfte, und wenn man schließlich in Gutem aus einander gehen würde, nachdem man noch zuvor im nächsten Wirthshaus einen Versöhnungsschoppen zusammen getrunken.

Eigentlich bist du mir zu erbärmlich! erwiderte Germain, indem er ihm den Kopf ins Farrenkraut hineindrückte, und ich mag dein Galgengesicht gar nicht länger vor Augen haben. Schäme dich, wenn du's noch kannst, und wenn dich dein Weg, über unser Dorf führt, so schleiche ja seitwärts vorüber, wie es einem lichtscheuen armen Sünder ziemt.

Er hob den Knotenstock des Bauern von der Erde, brach ihn über das Knie entzwei, um auch den letzten Zweifel an der Ueberlegenheit seiner Muskelkraft zu zerstören, und warf die Stücke verächtlich von sich. Dann nahm er sein Söhnchen an die eine Hand, die kleine Marie an die andere, und entfernte sich, vor lauter Entrüstung noch an allen Gliedern zitternd.

* * *

Ein Viertelstunde darauf hatten sie die Haide bereits hinter sich und trabten auf der Landstraße weiter; die Graue wieherte jedem bekannten Gegenstand ihren Gruß zu, und der kleine Peter erzählte dem Vater in seiner Weise die Erlebnisse des Tages.

Kaum waren wir da, so kam der Mann zu uns in den Stall, wo wir die schönen Schafe betrachteten, um mit meiner Marie zu reden. Ich war in die Krippe hinaufgeklettert, um zu spielen, und der Mann sah mich nicht. Er hat meiner Marie guten Tag gesagt, und hat ihr ein Küßchen gegeben.

Das hast du geduldet, Marie? sprach Germain bebend vor Zorn.

Ich hab's für eine bloße Höflichkeit gehalten, für einen dort gebräuchlichen Willkommsgruß, wie bei euch die Großmutter die Dirnen ja auch küßt, wenn sie ihren Dienst antreten, gleichsam um ihnen zu zeigen, daß sie sie freundlich aufnimmt und ihnen eine andere Mutter sein will.

Und dann, fuhr Peterle fort, ganz stolz, einmal etwas recht Wichtiges erzählen zu können, dann hat der Mann etwas Garstiges zu dir gesagt, Marie, etwas, von dem du mir gesagt hast, ich soll's nie selber sagen und mich auch nie mehr dran erinnern: ich hab's auch gleich wieder vergessen; aber wenn der Papa verlangt, daß ich ihm sage, was es war . . .

Nein, Peterle, ich will es nicht hören und verlange, daß du dir's für alle Zeiten aus dem Sinn schlägst.

Wenn es so steht, will ich's ganz und gar vergessen, erwiderte das Kind. Und dann ist der Mann zornig geworden, weil ihm die Marie gesagt hat, sie wolle fortgehen. Er hat ihr gesagt, er wolle ihr Alles geben, was sie begehre, hundert Francs! Und dann ist meine Marie auch zornig geworden. Dann ist er auf sie zugegangen, als wollte er ihr etwas zu Leid thun. Da bekam ich Furcht und sprang zu der Marie herunter und schrie. Und dann hat der Mann gesagt: Was soll das heißen? Wo kommt das Kind her? Hinaus mit ihm! Und er schwang seinen Stock, um mich zu schlagen. Aber meine Marie hat ihn dran verhindert und hat zu ihm gesagt: Später reden wir noch mit einander, Herr; jetzt aber muß ich das Kind nach Fourche führen; nachher komme ich zurück. Und sowie der Mann aus dem Stall gegangen war, hat meine Marie zu mir gesagt: Mein Peterle, hat sie gesagt, wir müssen fortlaufen und machen, daß wir so rasch wie möglich von hier fortkommen, denn der Mann da ist bös und würde uns etwas zu Leide thun. Dann sind wir hinter der Scheune vorbeigegangen und über eine kleine Wiese gegangen und nach Fourche gegangen, um dich zu suchen. Aber du warst nicht da, und man hat uns nicht erlauben wollen, auf dich zu warten, und dann ist der Mann auf einem Rappen hinter uns hergeritten, und wir sind vor ihm fortgelaufen und haben uns im Wald versteckt. Und dann ist auch er in den Wald gekommen, und wenn wir ihn kommen hörten, versteckten wir uns wieder. Und wenn er dann vorübergeritten war, liefen wir wieder weiter, um heimzukommen; und dann bist endlich du gekommen und hast uns gefunden, und so ist Alles gewesen. Nicht wahr, meine liebe Marie, ich habe nichts vergessen?

Nein, Peterle, genau so trug sich's zu, und Ihr, Germain, müßt nun bei uns im Dorfe Zeugniß für mich ablegen und Jedermann erklären, daß der Grund, warum ich's dort nicht aushielt, gewiß nicht Unwilligkeit oder Arbeitsscheu war.

Und dich, Marie, sagte Germain, bitte ich, an dich selbst die Frage zu stellen, ob ein Mann von achtundzwanzig Jahren zu alt ist, um ein Weib zu beschützen und einen unverschämten Menschen zu züchtigen. Ich möchte doch wissen, ob der Bastian oder irgend ein anderer schmuckerer und um zehn kommende Lebensjahre reicherer Bursche durch »den Mann«, wie ihn Peterle nennt, nicht zermalmt worden wäre; meinst du nicht auch?

Ich meine, Germain, daß Ihr mir einen großen Dienst geleistet habt, für den ich Euch Zeit meines Lebens dankbar bleiben werde.

Weiter hast du mir nichts zu sagen?

Lieber Papa, sagte das Kind, ich habe nicht daran gedacht, mit der kleinen Marie zu reden, wie ich dir versprach. Ich habe gewiß keine Zeit gehabt, aber zu Haus will ich's ihr schon sagen und der Großmutter auch.

Dieses kindliche Versprechen brachte Germain wieder auf andere Gedanken. Zunächst handelte es sich für ihn um die Auseinandersetzung mit den Schwiegereltern, wobei die Gründe, die er gegen die Wittwe Guerin geltend machen konnte, aufgezählt, hingegen diejenigen, die seinen Blick zu so strengem Richten geschärft hatten, verschwiegen werden mußten. Das stolze Glück fragt nicht lange, woher es den Muth hernehmen soll, seine Anerkennung bei Anderen zu erstreben; aber für den, der von einer Seite her abgestoßen und von der anderen, abgewiesen wurde, ist die Sachlage so bequem nicht.

 

Glücklicher Weise schlief der kleine Peter, als sie heimkamen, und Germain legte ihn, ohne ihn auszukleiden, auf sein Bett. Dann gab er alle zulässigen Erklärungen ab. Vater Maurice, der auf seinem Schemel mit drei Füßen vor der Hausthüre saß, hörte ernsthaft zu, und als Germain, nachdem er ihm die systematische Koketterie der Wittwe vorgehalten hatte, ihn fragte, ob ein Bauersmann Muße genug habe, alle zweiundfünfzig Sonntage im Jahr die Cour zu schneiden, auf die Gefahr hin, zu guter Letzt mit einem Korbe heimgeschickt zu werden, da sagte der Schwiegervater, so wenig ihn auch der Erfolg der Reise befriedigte, mit einem beistimmenden Kopfnicken: Unrecht kann ich dir nicht geben; es hat eben nicht sein sollen. Und als Germain dann auch berichtete, wie er die kleine Marie schleunigst wieder habe zurückbringen müssen, um sie den Beschimpfungen, ja vielleicht sogar der Gewaltthätigkeit eines niederträchtigen Dienstherrn zu entziehen, da nickte Vater Maurice abermals mit dem Kopf und sagte: Auch darin geb' ich dir nicht Unrecht, Germain; das warest du ihr schuldig.

Nachdem Germain mit seiner Erzählung und der Begründung seiner Ansicht zu Ende war, stießen der Schwiegervater und die Schwiegermutter gleichzeitig einen tiefen Seufzer der Ergebung ins Unabänderliche aus und schauten einander an. Dann stand das Familienoberhaupt auf: In Gottes Namen! sprach er; Sein Wille geschehe! Das Gefühl läßt sich nicht erzwingen.

Kommt mit zum Abendessen, sagte die Großmutter. Es ist schade, daß es seinen bessern Verlauf genommen hat; aber was hilft's? Gott wird's wohl nicht so gewollt haben. Wir werden uns eben wo anders umsehen.

Ja, setzte der Alte hinzu; meine Frau hat Recht: wir werden uns wo anders umsehen.

Damit war die Sache abgethan, und als Peterle am andern Tag mit den Lerchen beim Morgengrauen erwachte, hatte sich die Aufregung, in die ihn seine außerordentlichen Erlebnisse gebracht, bereits gelegt, und er verfiel wieder in die Gleichgültigkeit seiner Alters- und Standesgenossen für das Vergangene, vergaß Alles, was durch den kleinen Kopf gefahren war, und dachte nur daran, sich mit seinen Geschwistern herumzutummeln oder den Ochsen und Pferden gegenüber »den Mann« zu spielen.

Germain suchte das Vergessene in der gewohnten Thätigkeit, war aber so traurig und zerstreut, daß es Jedermann auffiel. Mit der kleinen Marie sprach er kein Wort; er sah sie nicht einmal an, und dennoch, wenn man ihn gefragt hättet wo sie arbeite oder welchen Weg sie gegangen sei, und er hätte sich zu einer Antwort herbeigelassen, so würde er's zu jeder Tageszeit genau gewußt haben. Er hatte nicht gewagt, seine Schwiegereltern aufzufordern, sie möchten sie über den Winter zu sich ins Haus nehmen, obwohl er denken mußte, daß sie allen möglichen Entbehrungen ausgesetzt war . . . Aber merkwürdig! Dies Mal fand sich das Elend bei der Guillette nicht ein, und das Mütterlein konnte gar nicht begreifen, wie es sich fügte, daß ihre bescheidener Holzvorrath nie kleiner wurde; ja daß der Schuppen, der am vorigen Abend beinahe leer gewesen, in der Frühe wieder gefüllt war. Eben so ging es auch mit dem Korn und mit den Kartoffeln. Es stieg offenbar Jemand bei Nacht zum Dachfenster herein und schüttete den Inhalt eines Sacks geräuschlos aus, ohne irgend eine andere Spur seines Kommens zu hinterlassen. Die alte Frau fand dieses Treiben einerseits zwar unheimlich, aber andrerseits wieder sehr erfreulich; sie schärfte ihrer Tochter ein, von dem Wunder nichts verlauten zu lassen, denn sie fürchtete, man möchte sie, falls die Sache ruchtbar würde, als Hexe verschreien. Im Stillen dachte sie wohl, daß der Teufel dabei die Hand im Spiel haben müsse, doch sie hatte es so eilig nicht, es mit ihm zu verderben und den Herrn Pfarrer herbeizurufen, damit er ihn austreibe; es sei ja noch immer früh genug, meinte sie, wenn der Satan einmal anfangen sollte, ihr Gegenleistungen für seine Wohlthaten zuzumuthen.

Die kleine Marie aber wußte, daß es mit rechten Dingen zuging; nur wagte sie nicht, mit Germain darüber zu sprechen, weil sie ihm keinen Anlaß bieten wollte, seinen Heirathsantrag aufs Neue zu stellen; so gab sie sich denn, wie er, den Anschein, als ahne sie von dem ganzen Handel nichts.

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