Tasuta

Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Band.

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Good bye Ladies!« rief er mit lauter, trotziger Stimme, und als ob er hinter einem alten Bären her auf flüchtiger Hetze den Wald durchrase, so flog er, über mehrere gestürzte Stämme hinweg, der mit so frohen Hoffnungen verlassenen Countystraße wieder zu.

Vergebens riefen ihm jetzt die Mädchen nach, zum Hause zu reiten und bei ihren Eltern zu übernachten, vergebens versprach Lucy ihn nicht zu necken und keine Sylbe des Vorgefallenen zu erwähnen, er hörte nichts von ihren versöhnenden Worten, und nur das spöttische (ihm teuflisch vorgekommene) Lachen tönte und klingelte ihm noch in den Ohren, als er schon mehrere Meilen in scharfem Trabe zurückgelegt, und nun endlich anfing, die Sache ruhig zu überdenken.

»Verdammt!« rief er, und zügelte den Eifer des schäumenden Thieres ein wenig, indem er sich zugleich erschrocken umsah, ob Niemand den gotteslästerlichen Fluch gehört habe, »kann ein einzelner Mensch größeres Unglück auf der weiten Gotteswelt haben, als ich an diesem gesegneten Morgen genossen? Aber gut – gut – spottet nur, lacht nur, meine Miß Lucy und meine Miß Betsy, verhöhnt nur den aufrichtigen Freier, der sich Euch mit treuem Herzen naht, Ihr werdet's schon noch einmal bereuen und dann will ich triumphiren; dann ist mein kleiner Neger groß geworden, mein baares Geld, meine hundert und fünfzig harten Dollars haben sich vermehrt, und die Zeit möchte kommen, wo Ihr Euch lieber Mistres Curtis als Miß Lucy oder Miß Betsy nennen hörtet.«

Er hatte sich bei den letzten Worten im Sattel umgedreht, und hob drohend den rechten Zeigefinger nach der Richtung hin auf, aus der er eben gekommen war. Seine Selbstliebe trug aber endlich den Sieg über die gekränkte Eitelkeit davon, ein mitleidiges, fast höhnisches Lächeln umspielte für einen Augenblick seine Mundwinkel, und sich dann fester im Sattel setzend, preßten seine Schenkel auf's Neue die Flanken des edlen Thieres, das mit ihm in langen Sätzen über die felsige Straße dahinflog.

Das nächste Haus, das jetzt in seinen Augen einigen Werth hatte – denn diejenigen Farmen, auf denen keine jungen Mädchen lebten, existirten gegenwärtig gar nicht für ihn – gehörte einem Leidensgefährten, einem Wittwer, Namens Ewis; der Magnet aber, der ihn dorthin zog, war des alten Ewis einziges Töchterlein, ein liebes, holdes Mädchen, schlicht und einfach, doch brav und häuslich erzogen, und eine amerikanische Jungfrau im reinsten und vollsten Sinne des Wortes. Darum war übrigens Curtis nicht gleich von allem Anfang hierhergeritten, weil – die Neger fehlten. Ewis konnte mit zu den wohlhabenderen Farmern gerechnet werden, seine Heerden weideten in allen Theilen der weitverbreiteten Rohrbrüche, sein Land trug herrliche, reichliche Frucht, und es gab in einem nicht geringen Umkreis keinen gutmüthigeren und zugleich rechtlicheren alten Mann, als eben ihn; aber die Neger fehlten, und Curtis hatte deßhalb Lucy und Bet – aber nein, er wollte gar nicht mehr an die Mädchen denken – sie verdienten es nicht.

Jetzt hatte er die äußersten Fenzen erreicht; im Osten wurden schon an dem erdunkelnden Nachthimmel einzelne, blitzende Sterne sichtbar, und nur im Westen verrieth ein schmaler bleicher Streif die geschiedene, schlummernde Sonne; aber dort wirkte und schaffte noch reges Leben; die Hunde bellten, die Kühe blökten, eine feine Kindesstimme rief das lockende »Huph – huph« in den Wald hinaus, und dazwischendurch schallten die eintönigen Schläge der Axt, die noch Feuerholz für die kühle Nacht herbeischaffen mußte.

Gleich darauf betrat er den inneren, von den verschiedenen Feldern und Gebäuden eingeschlossenen Raum, der gewissermaßen als Hof gelten konnte, und fand sich bald darauf, von fünf bellenden heulenden Rüden umgeben, vor einem einstöckigen, aber ziemlich hochgiebligen Blockhaus, aus dessen Innerem ihm schon ein freundlich gemüthlicher Lichtglanz, Wärme und Geselligkeit versprechend, entgegenleuchtete.

»Hallo Curtis!« rief der alte Ewis, als er den, wenn auch etwas fernwohnenden »Nachbar« erkannte, während er im Holzhacken einhielt und dem Ankommenden entgegentrat, – »das macht Ihr gescheidt, daß Ihr Euch endlich einmal sehen lasset; habt mir's lange genug versprochen. Komm Bill – nimm das Pferd und führ' es in den Stall; jag' nur die anderen hinaus, die haben jetzt gefressen, und wir brauchen sie morgen doch nicht; tretet ein; laßt nur den Sattel sein, Bill wird schon auf Alles Acht geben.«

Curtis athmete hoch auf – in der Thür der Hütte stand Anna, das holde liebe Kind, und lächelte ihm so freundlich entgegen, daß er vor lauter seligen Gedanken des Vaters Hand gar nicht wieder losließ. Er stieg aber vom Pferd, schüttelte die dargebotene Rechte des Alten recht derb und herzlich, und trat mit klopfendem Herzen in's Haus, wo er der Jungfrau nach alter wackerer Sitte die Hand zum Gruß bot.

»Nun, Curtis, wie gehts?« fragte Ewis, als sie sich zusammen zum Feuer gesetzt hatten und der Freiersmann emsig beschäftigt war, mit seinem Genickfänger einen Span zu zerschneiden, – »wie steht Euer Mais? schon gepflanzt? habt wohl fruchtbares Wetter abwarten wollen? ja s'ist merkwürdig trocken dieses Jahr.«

»Nicht so ganz – wenigstens nicht bei mir,« erwiederte Curtis, dem es war, als ob ihm das Herz die Brust zersprengen müsse, denn Anna stand dicht neben ihm und holte die blankgescheuerte Kaffeekanne zum am Feuer brodelnden Abendessen vom Gesims herunter – »mein Feld liegt, wie Ihr wißt, ein wenig tief, im Thalland d'rin – neun Acker urbar gemachtes Land und daneben noch ein kleines Stückchen für Rüben – eine schöne Fenz, drum – «

»Ja, ja, s'ist gutes Land, kann's aber doch mit meinem hier nicht aufnehmen.«

»Mr. Ewis«, entgegnete Curtis etwas pikirt (denn das heißt einem Ansiedler der westlichen Staaten an's Herz gegriffen, wenn man behauptet: entweder besseres Land, ein schnelleres Pferd, eine sichere Büchse oder tüchtigere Hunde zu haben), »Mr. Ewis, mein Land wurde durch die Feldmesser ausgesucht, und für das fruchtbarste im ganzen County erklärt; überdies habe ich noch ein recht gutes Wohngebäude, ein Rauchhaus, eine kleine Küche – «

»Haben Euch denn die Eichhörnchen und Truthühner dies Frühjahr viel Saat weggefressen? ich mußte an den Fenzen herum schon wenigstens zwei Mal nachpflanzen.«

»Das war bei mir nicht so bedeutend«, entgegnete Curtis, auf's Neue die Gelegenheit ergreifend, all sein bewegliches und unbewegliches Eigenthum im besten Lichte erscheinen zu lassen; »Ihr wißt, ich habe einen kleinen Neger, und der muß gehörig aufpassen; es ist sehr angenehm, einen kleinen Neger« – er sah sich schnell um, denn er konnte fast darauf schwören, es hätte Jemand hinter ihm gekichert, Anna stand aber ganz ernsthaft am Tisch, und war emsig beschäftigt, die Messer und Gabeln zu ordnen, und weiter sah er Niemand im Zimmer – »kleinen Neger zu haben«, fuhr er nach kurzer Pause in der unterbrochenen Rede wieder fort; »dabei die hundert und funfzig – «

»Wie ist's denn mit dem Brunnen geworden, den Ihr wolltet graben lassen? oder trinkt Ihr noch immer aus dem Bach? wenn ich Nancy wäre, ließ ich mir das gar nicht gefallen; im Sommer ist's ein schauderhaftes Getränk.«

»Oh bewahre – ich nahm Mowers Jim auf vierzehn Tage in Arbeit, und da ich doch hundert und sechszig Dollars in baarem, hartem Gelde liegen hatte, so wendete ich gleich zehn daran, diese wirklich nothwendige Arbeit gethan zu bekommen.«

»Hm«, sagte Mr. Ewis, und schaute den redseligen Curtis, während er mit dem Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Unterlippe beobachtend zusammenkniff, forschend an. Zum ersten mal schien die Ahnung der Absicht seines Besuchs in ihm aufzudämmern. Zu jetziger Zeit war Alles eifrig in den Feldern beschäftigt, und Curtis hatte mitten in der Woche seine Sonntagskleider angezogen und sich zu ihm verfügt, blos um bei ihm zu übernachten. —

»Hm« – sagte er dann noch einmal, und sah forschend bald seine Tochter, bald Curtis an, der, als er dies bemerkte, feuerroth wurde und mit eisernem Fleiße an seinem Spahn fortschnitzte.

Einige Minuten lang überlegte sich der Alte die Sache, und schien das pro und contra bedeutend in Betracht zu ziehen; endlich mußte aber doch wohl das pro den Sieg davon getragen haben, denn er stand auf, und verließ, unter dem Vorwand, nach den Pferden zu sehen, das Haus. Curtis war auch wirklich gar keine so üble Parthie! er hatte was er brauchte, ja von diesem wohl mehr als sieben Zehntel der übrigen Ansiedler, und die kleine, am Fourche la fave freilich ziemlich bekannte Eigenheit, daß er immer von seinem kleinen Neger erzählte, durfte, wie der Alte meinte, bei einem Mädchen auch weiter keinen Unterschied machen, wenn der Mann nur sonst brav und gut wäre.

Curtis, der nicht einmal diese Eigenschaft gegen sich, wohl aber alle die andern für sich kannte, merkte gar bald, wenn er auch sonst gerade keine übermäßigen Verstandeskräfte besaß, daß er den Alten auf seiner Seite habe, und beschloß nun mit der Tochter die Sache ebenfalls schnell in's Reine zu bringen. Wie er aber allein mit ihr war, verließ ihn auf ein Mal aller Muth; es war ihm, als ob ihm Jemand mit zwei Fingern die Nase, und mit der ganzen Hand die Kehle zuhielte, und er nun mit jedem Augenblick ersticken müsse. Anna brach auch endlich zuerst das ihm wenigstens peinlich werdende Schweigen und frug ganz unbefangen:

»Wie befindet sich Nancy, Mr. Curtis? warum kommt sie nicht einmal herauf zu uns; sie hat es mir doch schon so oft versprochen.«

Curtis rückte eine Weile auf dem Stuhl umher, faßte sich aber endlich ein Herz und frug das junge Mädchen mit einem seiner zärtlichsten Blicke:

»Wie wär's, Miß Ewis, wenn Sie dafür einmal Nancy besuchten, vielleicht gefiel Ihnen der Ort?«

»Nancy muß erst zu mir kommen,« sagte Anna, »sie hat es versprochen.«

Eine lange Pause entstand jetzt, bis endlich der zaghafte Werber auf's Neue das Wort nahm und die Unterredung mit einem leisen:

 

»Es ist heute schönes Wetter« wieder anzuknüpfen suchte.

»Ja!« sagte Anna.

Curtis sah sich im ganzen Hause um, und seine Augen flogen bald über die an der Wand hängenden Kleider, bald über die im Schornstein angebrachten Speckseiten, und haftete endlich wieder auf Anna's schlanker Gestalt, die an das Feuer getreten war, um nach dem beigestellten Maisbrod zu sehen.

»Miß Anna!« sagte Curtis.

»Mr. Curtis?« frug Anna, sich nach ihm umdrehend.

»Ich muß Ihnen nur gestehen«, stotterte der Freier, »daß ich einzig und allein darum hierher gekommen bin, um – um Sie – um mich bei Ihnen – bei Ihnen zu erkundigen, – ob Sie – «

»Ob ich?« – fragte das Mädchen, den neugierig lächelnden Blick fest auf ihn gerichtet.

Er war so schön im Zuge gewesen, wie er ihr aber wieder in das dunkle Auge sah, das ihn so schelmisch, und doch auch so – er wußte selbst nicht wie, so – so trotzig anblickte, da verließ ihn auf's Neue sein Selbstvertrauen, und er stammelte, nach einigen vergeblichen Versuchen, die Fassung wieder zu gewinnen, auf das Fleisch deutend —

»Haben Sie das selber geräuchert?«

Wohl zwei Minuten mußte er aber auf die Antwort warten, denn so lange dauerte es, ehe sich Anna erholen konnte, die bei den letzten Worten in ein fast nicht zu beschwichtigendes Lachen ausgebrochen war.

»Und deßhalb also sind Sie die zwölf Meilen geritten?« frug sie endlich mit noch thränenden Augen, »blos um sich zu erkundigen, ob ich das Fleisch geräuchert hätte? o bester Mr. Curtis, das hätten Sie bequemer haben können, Nancy war dabei, wir haben es zusammen eingesalzen.«

Curtis wurde leichenblaß – er wußte, sein böses Geschick arbeitete jetzt an seinem Verderben; dieselbe Sehnsucht nach irgend einer noch unentdeckten Felsspalte oder nach einem bodenlosen Abgrund erfaßte ihn —

»Ich habe einen kleinen Neger – «

»Und hundert und fünfzig Dollar in baarem, hartem Gelde,« kicherte Anna. »Nancy hat mir das mehr als zwanzig Mal erzählt.«

»Kinder, was habt Ihr denn?« sagte der alte Ewis, der durch das Gelächter angelockt, in die Thüre trat. »Ihr seid ja ungemein lustig – ich glaubte – «

»O Vater, denke Dir nur – « lächelte Anna – aber ein flehender Blick des Unglücklichen traf sie, und dem konnte sie nicht widerstehen. Sie hatte Curtis Absicht bei seinem ersten Eintritt gemerkt, denn wenn ein lediger Mann an einem Wochentage, noch dazu in so nöthiger Arbeitszeit, und in seinen besten Kleidern, mit dem besten Sattel auf dem Pferd, auf einer Farm übernachtet, wo junge, heirathsfähige Mädchen sind, da wird und kann fast stets ein Heirathsantrag vorausgesetzt werden. Curtis war aber überdies noch in der ganzen Ansiedlung schon gewissermaßen prophezeit worden, da er einige dunkle Worte hatte fallen lassen, was wie ein Lauffeuer von Farm zu Farm geflogen. Bei Steppdecken- und Klötzerollfesten hatten die jungen Mädchen auch schon zusammengekichert und gelacht, welche von ihnen die Glückliche sein werde, der »der kleine Neger und die hundert fünfzig Dollar« zuerst angeboten würden. Auf diese Art war gewissermaßen ein Complott gegen den armen Mann entstanden, und er glich jetzt einem Menschen, der wohlvermummt und verlarvt auf einem Maskenball umherwandert, fest überzeugt ist, daß ihn Niemand erkennen kann, und hinten auf dem Rücken, durch irgend eine boshafte Hand angeheftet, seine eigene Visitenkarte trägt.

Anna fürchtete aber fast, den Scherz zu weit getrieben zu haben, lenkte also ein, speiste den Vater mit einer ausweichenden Antwort ab, und war dann sehr beschäftigt, das Abendessen herzurichten und aufzutragen, wich aber sorgfältig jeder Erklärung von Curtis Seite aus, ja ging sogar ebenfalls hinaus, als sie merkte, daß sie der Vater nach Tische auf's Neue mit dem jungen Manne allein lassen wollte, und überzeugte die beiden Herren der Schöpfung gar bald, daß sie auf die Pläne, die sie zu brüten beliebten, nicht einzugehen gesonnen sei.

Curtis verzehrte sein Abendbrot sehr traurig – es war ihm, als ob ihm die Bissen im Munde stecken blieben, er verbrannte sich zweimal den Mund und nahm einen Löffel voll Senf statt braunem Zucker in den Kaffee; die Mahlzeit wurde auch sehr abgekürzt – der alte Ewis führte allein das Wort, erzählte ein paar lange Geschichten von einer Kuh, die ein Panther gefressen haben sollte und die nachher wieder plötzlich zum Vorschein gekommen war, und endlich konnte sich Curtis zurückziehn und sein stilles, einsames Lager suchen.

Sinnend verträumte er einen Theil der Nacht, aber auch frischen, neuen Lebensmuth sog er aus diesen Träumen. Weshalb sollte er sich bei dem zweiten, eigentlich nur ersten Versuche abschrecken lassen, denn bei Trumbells war er ja nicht einmal an's Haus geritten. Nein – noch gab es mehr und recht hübsche Mädchen in der Ansiedlung, und solche auch wahrscheinlich, die seinen eigenen Werth, wie den seines kleinen Negers und seiner hundert und fünfzig Dollar zu schätzen wußten, ohne des anderen Eigenthumes zu gedenken.

Fest entschlossen also, den Muth nicht sinken zu lassen, hüllte er sich dicht in die weiche Steppdecke ein und Gott Morpheus nahm ihn sanft in seine Arme.

Am nächsten Morgen war er schon vor Tagesanbruch auf und besorgte sein Pferd; dringende Geschäfte riefen ihn, wie er dem alten Ewis sagte, noch weiter am Fourche la fave hinauf, und Miß Anna nur einen guten Morgen durch die Thüre zurufend; als er, schon im Sattel, am Hause vorbeiritt, drückte er dem alten Manne herzlich die Hand und sprengte auf der Countystraße weiter.

»Nein Curtis,« sprach er aber dabei mit sich selber, »wegwerfen thust Du Dich auch nicht; bitten und betteln ist Deiner unwerth, Du bist ein ordentlicher Kerl und hast« – er griff plötzlich dem Pferd in den Zügel und hielt in seinem Selbstgespräch und im Reiten an. Ein Gedanke durchzuckte ihn – »ich glaube, Miß Anna hat sich über meinen kleinen Neger lustig gemacht – sie lachte auf eine höchst unanständige Art, als ich ihn erwähnte – nun gut,« fuhr er, dem Braunen den linken Sporn wieder eindrückend, fort, indem dieser einen, der Anreizung entsprechenden Seitensatz that, und dann pfeilschnell mit ihm unter den thauträufelnden, duftigen Zweigen davonflog, »nun gut – wir werden ja sehn. Doch Miß Anna – die Einzige sind Sie nicht in der Ansiedlung – Sie wahrhaftig nicht.«

Aber armer Curtis! – wieder und immer wieder solltest Du Deine Hoffnung, Dein felsenfestes Vertrauen getäuscht und betrogen sehen; wieder und immer wieder fandest Du Dich verschmäht, zurückgewiesen und ach, an vielen Orten gar verspottet.

Am rechten Ufer des Fourche la fave, kam ihm ein Ansiedler, den er noch gar nicht kannte, sogleich mit der Frage entgegen: »Ach, Sie sind der, der den kleinen Neger und die hundert und fünfzig Dollar hat, nicht wahr?« An anderen Orten liefen die Mädchen hinaus, wenn er kam, ließen sich von dem Ersten Besten ihr Pferd satteln, und galoppirten zur nächsten Ansiedlung, dahin schon die Kunde von dem wandernden Freier tragend, und Curtis hielt endlich, am dritten Tag spät Abends an der Farm eines Freundes, der, ziemlich abgelegen von den übrigen Ansiedlungen, auch wenig, selbst mit seinen nächsten Nachbarn zusammenkam und verkehrte.

Peterson hatte zwei hübsche Töchter, recht liebe und brave Mädchen, neben diesen aber noch die Tochter eines Bruders, der in Texas gestorben. Fanny, so hieß die Jungfrau, stammte aus Georgien, wo ihr Vater damals eine kleine Banmwollenplantage besaß, und war ein sehr schönes, dunkeläugiges und heißblütiges Kind, aber auch toll, wild und ausgelassen, und ihr Onkel hatte sich schon früher einmal bei Curtis darüber beklagt, daß sie es sich in den Kopf gesetzt hätte, einen jungen Bengel zu heirathen, der – Advokat wäre. »Ein Mensch, der erstlich einmal schon Advokat sei,« hatte er dabei geäußert, »solle nie, so lange er lebe und athme, eines von seinen eigenen, noch seines Bruders Kindern zur Frau bekommen, wenn er es verhindern könne – ein Advokat, der den Leuten weißmache, roth sei blau und grün schwarz! nein wahrhaftig nicht.« Hatte nicht noch überdies im vorigen Herbst derselbe Lasse seinem Nachbar durchgeholfen, der angeschuldigt war, eine von Peterson's Kühen geschlachtet zu haben? und hatte nicht er – Peterson selbst, die Haut von der Kuh, »auf die er das Sakrament nehmen wollte,« über dessen Fenz hängen sehen? nein – ein Mensch, der so etwas zu thun im Stande sei, der sei zu Allem fähig. Überdies konnte er nicht einmal einen Maiskolben von einer Waizenähre unterscheiden, und hatte ihn selbst – er konnte das beschwören – gefragt, ob die Baumwolle auf solchen Bäumen wüchse, wie sie hier im Bottom ständen und die Baumwollenbäume hießen.

Und so ein Mensch sollte einmal Besitzer von einer Baumwollenplantage werden? nein – Fanny war erst achtzehn Jahr alt, und bis zum ein und zwanzigsten müßte sie bei ihrem Onkel bleiben; nachher würde sie schon Vernunft angenommen und eingesehen haben, daß ihr alter Onkel ehrlich und trefflich für sie gesorgt, indem er sie vor einem solchen Schritte bewahrte.

Dies Haus betrat jetzt Curtis und wurde herzlich von Allen empfangen; ja so herzlich, daß er schon hoffte, jenes unglückselige Gerücht über seinen kleinen Neger sei nicht bis hierher gedrungen, und sich heimlich zuschwor, auch keine Sylbe davon zu erwähnen; aber leider schienen die beiden Misses Peterson recht gut zu wissen, was den armen Mann zu ihnen geführt hatte, und wenn sie auch, emsig mit ihrer Arbeit beschäftigt, kein Wort, keine Sylbe äußerten, so verriethen doch dem jetzt schon mißtrauisch Gewordenen einzelne verstohlene Blicke den kleinen lachenden Teufel, der in den Herzen der Waldschönen lauerte.

Ganz anders benahm sich dagegen Fanny; sie setzte sich zu ihm – plauderte mit ihm, war ernst und gesetzt und sah ihn dabei ein paar Mal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte – Curtis hatte es deutlich gemerkt – so forschend, so theilnehmend an, daß ihn einmal, als er diesem dunklen, fest auf ihn haftenden Auge begegnete, ein eiskalter, aber unendlich wohlthuender Schauer durchrieselte, und er sich schon in's Geheim drei oder vier keineswegs schmeichelhafte Ehrentitel beilegte, nicht gleich von allem Anfang an hierhergeritten zu sein. Er ließ sich diese kleinen Zeichen denn auch nicht zweimal gesagt sein lassen – rückte näher zu ihr, und fing nun an, um gleich mit etwas Schmeichelhaftem zu beginnen, das selbstgewebte Zeug zu loben, was sie trage, und meinte dabei:

»Ja Miß Fanny, es steht einem jungen Mädchen Nichts auf der weiten Welt besser, als der Stoff, den es selbst gesponnen und gewebt – das, ist der Grundstein der Häuslichkeit, und ein Mann – «

»Das Zeug hab' ich gewebt, Mr. Curtis,« sagte Kitty, die jüngste, mit einer etwas malitiösen Betonung auf dem Pronomen.

Curtis saß da wie vom Schlag getroffen, Fanny riß ihn aber schnell aus der Verlegenheit, indem sie versicherte, sie habe sich zu Hause all ihr Zeug selbst gewoben und hielte es auch für passend, daß eine Hausfrau das thun solle.

Curtis lebte wieder auf, die ganze alte Scheu verlor sich, er wurde gesprächig und hatte wirklich mehrere ausgezeichnete Einfälle, über die Fanny ganz besonders lachte, der alte Peterson sich aber ausschütten wollte. Diesen schien übrigens die Zuneigung, die seine Nichte zu dem einfachen Farmer gefaßt, herzlich zu freuen (denn daß Curtis blos darum gekommen sei, um eins der Mädchen anzuhalten, darüber war Niemand in der ganzen kleinen Gesellschaft mehr zweifelhaft). »Gott sei Dank,« dachte er bei sich selber, »hat sie doch endlich den verwünschten Advokaten vergessen; ich wußte es aber wohl, der Rechte mußte nur kommen; das ist mit allen Mädchen so.«

Das Abendessen war verzehrt – der alte Peterson hatte sich, sehr vernünftiger Weise, zu Bett begeben; dem Gast war, »wenn er sich niederlegen wolle, sein Bett gezeigt« und Kitty und Rosy beendeten ebenfalls mit manchen einander heimlich zugeflüsterten Bemerkungen ihre Arbeit, verschwanden dann urplötzlich hinter einer breiten, an den oberen Querbalken des Hauses aufgehangenen Matte, und Curtis fand sich mit klopfendem Herzen allein neben Fanny am Feuer sitzen.

Er gedachte der Zeit, wo er, ganz auf ähnliche Art, seiner ersten Frau die Leidenschaft gestanden, die er fühlte, und wieder drohte ihm ein unbeschreiblich ängstliches Gefühl die Kehle zuzuschnüren, denn wenn er auch in den letzten Tagen für solche Erklärungen etwas abgestumpft geworden war, da er die Gelegenheit gehabt mehrere zu geben, so fühlte er doch, daß hier Alles – Alles für ihn spreche, denn Fanny wäre sonst nicht allein zurückgeblieben, und die Liebenswürdigkeit selbst gewesen.

So sehr er aber auch den Augenblick herbeigesehnt, wo er mit ihr allein sein würde, so schien es doch, als ob er, der noch vor so kurzer Zeit der Redseligste gewesen, plötzlich die Sprache verloren hätte, und er nahm wieder, aus lauter Verlegenheit, sein Messer aus der Scheide und fing an zu schnitzeln.

 

Fanny saß ihm gegenüber, an der andern Seite des Kamins, also so weit wie nur irgend möglich von ihm entfernt. Curtis hätte zwar um's Leben gern ihr seinen Stuhl näher gerückt, aber er wagte es nicht, er wußte keine Ausrede, die das auch nur im Mindesten entschuldigen konnte, und doch fühlte er wie die Zeit verrann, und er sich lächerlich machen würde, wenn er noch länger so still und stumm wie der Klotz, der neben ihm zum Nachlegen lehnte, da saß.

Mit einem tiefen Seufzer sprengte er endlich die Fesseln, die seine Zunge in Banden hielten und sagte zögernd:

»Miß Fanny – sind Sie noch nicht müde?« – er fühlte, sobald ihm die Worte über die Lippen waren, daß er auf der weiten Gotteswelt Nichts Dümmeres hätte sagen können, aber es waren doch wenigstens Worte gewesen, die vielleicht den Zauber gebrochen hatten.

Um Fanny's Lippen spielte bei dieser endlichen Frage ein leises, leises Lächeln; es zuckte ihr nur so durch die Korallenlippen, und für einen Augenblick stiegen, wie Bläschen aus einem Crystallbecher, zwei leichte, wunderliebliche Grübchen empor auf den rosigen Wangen; sie verschwammen aber fast eben so schnell, wie sie entstanden in der Sammethaut und nur mit leiser Stimme sagte sie:

»Freilich würde es eigentlich Zeit sein schlafen zu gehen, und ich weiß nicht – « »Miß Fanny,« stotterte Curtis.

»Onkel schläft schon,« meinte Fanny – »wir werden ihn wieder aufwecken durch unser lautes Reden.«

Curtis ließ sich das nicht zweimal sagen; blitzesschnell war er von seinem Stuhle auf und rückte diesen neben das schöne, leichterröthende Mädchen.

»Dann brauchen wir doch wenigstens nicht so laut zu sprechen,« meinte er.

»Aber Mr. Curtis.«

»Ach Miß Fanny,« seufzte Curtis, der jetzt einmal im Gang, auch alle Furcht und Scheu überwunden hatte, »Sie müssen es lange gemerkt haben, daß ich Sie liebe; wissen Sie wohl noch das letzte Klötzeroll-Fest?« Fanny nahm die kirschrothe Unterlippe zwischen die Perlzähne und blickte still vor sich nieder. »Ich bin allein,« fuhr Curtis jetzt selbst mit niedergeschlagenem Blicke fort – »ich habe Niemanden zu Hause, der – der Theil an mir nimmt – oder der – der mich lieb hätte; ich – ich habe lange gewünscht, – lange gewünscht ein Herz zu finden, das – das gern in meiner Nähe wäre. Da bin ich denn hierher gekommen – Miß – Miß Fanny.«

Fanny spielte verlegen mit der Schnur der Kugeltasche, die an der Seite des Kamins neben ihr herunter hing. —

»Und wollte Sie fragen, Miß« – fuhr Curtis mit angehaltenem Athem fort – »ob Sie – ob Sie Ihr Schicksal mit einem Manne theilen wollten, der – der es brav und ehrlich meint, und Alles thun wird, was in seinen Kräften steht, Sie glücklich zu machen.«

Ein tiefgeholter Seufzer kündete jubelnd die vollendete Erklärung, das Abrollen des Felsengewichts, das bis zu dem Augenblick seine Brust beängstigt hatte.

Fanny sprach kein Wort, nur manchmal warf sie einen ängstlichen Blick nach der Thür und nach dem kleinen Fenster, das, mit einer dünnen weißen Gardine verhangen, dem Kamin gegenüber angebracht war.

»Miß Fanny,« flüsterte jetzt, durch dies bedeutungsvolle Schweigen kühn gemacht, der Glückliche – »Miß Fanny, ich bin auch kein hergelaufener Squatter, der Nichts hat, als seine Axt und Büchse, und mit jedem neuen Frühjahr auch wieder eine neue unbewohnte Gegend aufsucht – ich habe ein recht wohnliches Haus mit einer kleinen Küche und dem Rauchhaus – neun Acker urbar gemachtes und gut eingefenztes Land, auch ein kleines Rübenstück – zwei ausgezeichnet gute Pferde – sieben und dreißig Stück Rindvieh, einige vierzig Schweine, eine vorzügliche Stahlmühle, vier Hem – die beste Büchse im ganzen Revier und einen kleinen Neger von – «

Curtis hielt plötzlich inne; der Neger war ihm wider Willen herausgefahren, und Fanny barg plötzlich ihr Gesicht im Taschentuch und wandte sich ab – Hals und Nacken färbten sich ihr hochroth; – lachte sie ihn aus?

Eine peinliche Pause entstand – um Gotteswillen – sie schluchzte.

»Ach Gott! – Miß Fanny – was fehlt Ihnen? habe ich Sie durch irgend etwas gekränkt oder beleidigt? o mein Himmel, so reden Sie doch – Sie bringen mich zur Verzweiflung.«

»Mr. Curtis,« flüsterte endlich das schöne Mädchen noch immer hinter dem Tuche vor —

»Miß Fanny,« bat Curtis.

»Für wie eigennützig – niedrig denkend müssen Sie mich halten, daß Sie mir Ihre Reichthümer aufzählen, als ob Sie glaubten, dadurch mein Herz bestechen zu wollen.«

»Miß Fanny!« sagte Curtis, und war wie vom Schlag gerührt; Scham und Freude rangen in seiner Brust um die Oberherrschaft. Scham, da er fühlte, wie Recht sie hatte; – Freude aber, da dieser Ausbruch des Gefühls ein sicheres Geständniß ihrer Zuneigung zu ihm war. Die Freude trug aber nach kurzem Ringen den Sieg davon.

»Fanny,« flüsterte er und faltete bittend die Hände – »Fanny – wollen Sie die Meine sein?«

Fanny, mit noch immer abgewandtem, verhülltem Gesicht reichte ihm ihre Hand, die er glühend an seine Lippen preßte.

»Es wird spät, Mr. Curtis,« flüsterte endlich das holde Mädchen, indem sie leise die Hand entzog und von ihrem Stuhl aufstand – wie mit Purpur übergossen war ihr liebes Angesicht – »wir müssen uns für heute Abend trennen – sprechen Sie Morgen mit meinem Onkel.«

»Fanny,« sagte Curtis noch ein Mal und wollte seinen Arm um ihre Taille legen, »Sie haben mich zum Glücklichsten – «

Fanny stieß einen leisen Schrei aus, denn mit fürchterlichem Gepolter kam ein großer Stein zu dem niederen Kamin herunter, daß Funken und Asche weit umherstiebten; gleich darauf schlugen die draußen gelagerten Rüden an, und umbellten wüthend das Haus.

»Was um Gotteswillen?« rief Curtis.

»Sick' em!« sagte der alte Peterson im Schlaf die Hunde antreibend.

»Gute Nacht!« flüsterte Fanny dem Glücklichen zu; »gute Nacht, Mr. Curtis.«

»Gute Nacht, theuere, theuere Fanny!« rief dieser entzückt, drückte noch einen heißen Kuß auf die nicht widerstrebende, zierlich kleine Rechte und suchte dann ebenfalls das für ihn bereitete Lager.

Aber an Einschlafen war nicht zu denken, wie mit Schmiedehämmern tobte es ihm in den Schläfen, und wenn er sich auch unruhig bald auf diese, bald auf jene Seite warf, kein Schlummer kam in seine Augen; die Hähne krähten schon wieder, draußen im Walde kullerte der wilde Truthahn und die Eule heulte ihr Morgenlied, als er endlich in einen leisen Schlaf der Ermattung sank, aus dem ihn bald wieder das Holzschlagen des alten Peterson weckte, der gleich darauf mit einem schweren Klotze auf der Schulter in das Haus trat, und diesen, als Rückstück, in's Feuer warf.

Er sprang auf, kleidete sich an und folgte dem Alten vor die Thür. Hier gestand er ihm denn seine Liebe für dessen Nichte, behauptete ihrer Einwilligung gewiß zu sein und bat um seinen Segen und seine Zustimmung.

Peterson hatte es, nach Allem was er am vorigen Abend gesehen, erwartet, sprach sich aber recht herzlich gegen den Farmer aus, wie er sich freue, daß seine Nichte so vernünftig gewesen, eine so kluge Wahl zu treffen, und versprach ihm dafür zu sorgen, daß es ihm fortan recht gut und wohl gehen solle, da Fanny keineswegs unvermögend, dem Manne ihrer Wahl nicht allein ihre liebreizende Gestalt, sondern auch ein recht ansehnliches Grundeigenthum wie verschiedenes anderes bewegliches Besitzthum mitbrächte.

Noch an demselben Morgen ward Alles geordnet und Curtis wünschte nun mit seiner jungen Braut den Fourche la fave hinunter zu Mr. Houston, dem nächsten Friedensrichter, zu reiten, um dort mit ihr für immer vereinigt zu werden; Fanny aber bat den Bräutigam, ihr den Gefallen zu thun, und sie den Fluß hinauf zu dem etwa fünfzehn Meilen entfernten Richter Welmot zu begleiten, der, ein Freund ihres verstorbenen Vaters, stets den innigsten Antheil an ihr genommen und jetzt auch dem wichtigsten Schritte ihres Lebens beiwohnen solle.