Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg

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Dann kam das Gold, und wo waren jetzt die Schafheerden selbst geblieben, die sonst hier Monate lang geweidet, ehe ein fremder Fuß ihren Frieden gestört hatte! Diese Höhenzüge bargen Gold, und von allen Seiten strömte das gierige Menschengeschlecht herbei; von allen Seiten drangen sie in Schlucht und Thalenge, über Hochebenen und breite Bergrücken mit Schaufel und Art, mit Flinten und Revolvern, und schrieen und knallten, und schüttelten das Geröll in ihren Waschmaschinen, daß der Urwald davon wiederdröhnte, und selbst die Schwärme kreischender Kakadus in ihrer ohrzerreißenden Melodie inne hielten und erstaunt dem Toben des noch viel geräuschvolleren Menschenvolkes horchten.

„In den Bergen lag Gold", das war das Zauberwort, das diese steinige Wildniß so plötzlich belebte, die klaren Bergwasser aufwühlte und Steine, die Jahrtausenden getrotzt, von ihren Grnndvesten brach und zu Thal rollte. In den Bergen lag Gold, und in öden trostlosen Schluchten, wo sonst an den dürftigen Gräsern nicht einmal ein einziges Schaf seinen Hunger hätte stillen können, stiegen jetzt Rindenhütten und Blockhäuser empor, und Lebensmittel und Delicatessen waren zu verkaufen, die Tausende vom Meilen über See herübergeschafft worden von Ost und West. - Wo noch nie, selbst nicht ein Lastthier, seine Spur dem Boden eingedrückt, da trieben jetzt schwer beladene Karren ihre Geleise über Quarzblock und Gumwurzel, und steile Bergwände wurden mit klingendem Instrument durchklopft und abgesucht, an denen sonst die Kängururatte und der lichtscheue Wombat nur allein in Sonnen- und Mondschein ihre Siesta gehalten und ihre Felsenwohnungen bis jetzt für unzugänglich geglaubt hatten.

Und was für ein wunderliches, geschäftiges Treiben das war unter der Schaar, die den Thalboden aufwühlte und die quarzbestreuten Hänge macadamisirte; wie das hämmerte und pochte und fluchte und lachte und keine Stunde dabei versäumte, als ob es gälte, das innerste Mark der Erde aufzugraben. Und nicht allein an den gewundenen Zügen der Bergwasser /78/ drängten sie sich, und dämmten und schöpften und suchten des Wassers soviel als möglich Herr zu werden, nein, in Felsenschlucht und Ritze hingen sie mit ihren Messern und spitzen Eisen, und schleppten Erde zu Thal unverdrossen, um die oben an irgend einem trockenen Hang ausgegrabene da unten zu waschen und zu prüfen.

Wo sich ein nur halbwegs reicher Platz gezeigt, wo irgend ein glückliches Menschenkind irgend ein großes Stück des edlen Metalls zu Tage gefördert hatte, und dadurch die Hoffnung entstand, daß der Boden noch mehr und reichere Schätze bergen könne, da wuchsen über Nacht ganze Städte von Zelten, Rindenhütten und Reisiglauben aus dem Boden. Verkaufsläden und professionirte Fleischer und Bäcker etablirten sich, eine Postoffice wurde errichtet, eine Polizeistation ward aufgethan, und nicht nach Tagen, nein nach Stunden war der Platz schon so mit allem Nöthigen versehen und in seinen Arbeitsplätzen eingetheilt, als ob hier eine Kolonie unter gewöhnlichen Umständen Monate, ja Jahre gehaust und gearbeitet hätte.

Ganz ausgezeichnet erwiesen sich dabei die Maßregeln, die der sehr umsichtige und vortreffliche Gouverneur Australiens, Sir Charles Fitz Roy5, nicht allein zum Besten der Arbeiter, nein auch um dem Staat ein festes und reiches Einkommen zu sichern, getroffen hatte. Polizeimannschaft war augenblicklich, wie nur der Reichthum der Minen erst einmal erwiesen worden, an die Haupt-Arbeitsstationen nach Macquaire-River6 und Summerhill-Creek gesandt, um von jedem Arbeiter eine monatliche License von dreißig Shilling zu erheben, und zugleich wurden alle Trink- und Spielzelte in den Bergen streng verboten, denn man war der guten Gesinnung der Mehrzahl australischer Arbeiter vollkommen sicher, und konnte die Bös- gewillten leicht mit einer verhältnißmäßig sehr kleinen Macht in Zaum und Banden halten, so lange sie eben nüchtern blieben. Aber nicht die fünfzigfache hätte genügt, wenn das Volk, von dem plötzlichen und reichen Gewinn schwindlig gemacht, seinem alten Hang zum Trinken in irgend einem Zelt Genüge leisten konnte und alle seine Laster und bösen Eigenschaften dann entfesselt hätte. /79/

Daß nicht doch in einzelnen Zelten heimlich Branntwein verkauft, oder hier und da ein Hazardspiel getrieben wurde, ließ sich natürlich nicht verhindern. Wer hätte eine solche Ueberwachung fordern wollen, die selbst das unmöglich machte? Bringt etwas Aehnliches ja nicht einmal einer unserer Muster-Polizeistaaten in seinen regulirtesten Verhältnissen fertig! Aber der eigentlichen Gefahr, die durch Erlaubniß oder auch nur Duldung öffentlicher Kneipen drohte, war die Spitze abgebrochen, und die einzelnen Uebertretungen blieben ohne Folgen.

Im Anfang liefen die meisten Goldgräber einzeln herum, weil Jeder hoffte, einen reichen Fund zu thun, den er dann mit keinem Mitarbeiter zu theilen brauchte. Gar bald aber stellten sich die Nachtheile eines solchen Verfahrens heraus, denn wenn die Leute drei, vier Tage zwischen den Steinen herumgestochert und gar nichts gefunden hatten, und dann doch zuletzt auf die Erdarbeiten angewiesen wurden, fanden sie rasch, daß sie allein und vereinzelt da nur wenig ausrichten und höchst langsam vorrücken konnten, und von da an gingen sie entweder zu Paaren oder vereinigten sich wohl auch gar zu kleinen Compagnien, die hier und da den Bergstrom abdämmten und in seinem Bett den reichen Goldsegen zu finden hofften.

Und was für eine wunderliche Mischung der Gesellschaft fand da oben statt; wie hatte das Gold, das unten in dem civilisirten Land gerade die verschiedenen Schichten des Menschengeschlechts so ängstlich von einander trennt, hier, wo man es an der Quelle suchte, alle Stände und Kasten so ängstlich nivellirt und jeden Rangunterschied fast zerstört und aufgehoben! Hier grub der sonngebräunte, rauhhändige Sohn der Arbeit, der alte Convict, der ein Verbrechen und seine Strafen hinter sich hatte, und von Jugend auf zu schwerem Schaffen und Mühen verurtheilt gewesen, nicht eifriger in dem harten Boden, wie neben ihm der zierliche Städter, der selbst jetzt noch seine Glacéhandschuhe in der Reisetasche trug, und das rauhe Gestein mit Brille und Lorgnette vorher ängstlich und sorgfältig betrachtete. - Advocaten und Kaufleute standen neben Schäfern und Hutkeepern, der Matrose des einen Schiffes neben Capitain /807 und Steuermann eines andern, und nur wer den reichsten Fund machte, war der Beneidete und Angesehenste, und die Anderen, was auch ihre sonstige Stellung im bürgerlichen Leben draußen sein mochte, schlichen scheu und still einher.

Wo aber auch hier und da ein Goldwäscher saß, die Pfanne und Spitzhacke zu seinen Füßen, den Kopf mißmuthig in die Hand gestützt und mit grollendem Herzen überlegend, daß er ein ganzes kleines Capital zu seiner Ausrüstung gebraucht, und jetzt schon vier oder fünf Tage ohne den geringsten Erfolg der ungewohnten Arbeit obgelegen, da zogen zwanzig und dreißig frische Herzen mit goldigen Hoffnungen in die Berge ein, richteten sich ihr einfaches Lager her und gingen jubelnd an die Arbeit. - Was kümmerte sie der Einzelne, der mürrisch und verzagt zwischen ihnen saß - er hatte eben kein Glück, und was er nicht gefunden, war ihnen vielleicht aufgehoben.

Wie aber nur die ersten, von dem Entdecker bezeichneten Stellen in Angriff genommen waren, zerstreuten sich besonders die Leute, die nicht nach den ersten zwei Tagen schon einen reichen Erfolg gehabt, über die benachbarten Thaleinschnitte, und die Ophir-Diggings wie der Turon wurden fast unmittelbar nach dem Summerhill-Creek und dem Macquarie-River in Angriff genommen und als außerordentlich reich befunden. Sowie aber nur solch ein neuer Name genannt wurde, lenkten sich immer gleich ganze Züge frisch Eintreffender dorthin, und nicht allein auf Lastthieren und mit Karren rückten die Miner in dem neuesten Eldorado ein, sondern paarweise sah man sie auch oft, ihre wenigen Habseligkeiten auf einer roh genug hergestellten Tragbahre schleppend, gleich den nächsten Weg über die Hügelrücken einschlagen, oder auch von der Richtung ab in irgend einer noch öden Felsspalte einkauern, um hier die Gegend vor der Hand zu exploriren und vielleicht im Stillen selber auf irgendwo eingestreute reiche Schätze zu stoßen.

Das Letztere thaten sie auch gar nicht selten, um der lästigen polizeilichen Erhebung von dreißig Shilling aus dem Wege zu gehen, der sie doch nicht offen entgegentreten konnten. Viele, ja fast Alle hätten den geringen Betrag mit Leichtigkeit zahlen können, aber - es war eine Steuer, und es liegt dem /81/ Volke nun einmal im Blut, derartigen Auflagen auszuweichen, wo es nur immer irgend möglich ist. - Die Polizei war auch nicht so überstreng, oder hatte vielmehr nicht so zahlreiche Mannschaft, um allen den weithin zerstreuten Trupps folgen zu können. Nur wo sich eine kleine Niederlassung, und hätte sie allein aus zehn oder zwölf Zelten bestanden, bildete, da erschien auch sicherlich der Commissär zwischen den überraschten Goldgräbern und bat sich ganz entschieden die Taxe aus, nach deren Bezahlung und mit deren Schein in der Tasche der Miner erst das Recht gewann, das etwa gefundene Gold auch als sein Eigenthum zu betrachten.

An einem von diesen Hängen hin, und zwar den Wassern des kaum erst in Angriff genommenen Turon zu, wand sich ein kleiner Zug von Goldwäschern, die mit ihren gleichfarbigen, brennend rothen Minerhemden und sämmtlich mit neuen Wasserstiefeln und neuen Hüten auf den ersten Blick schon die eben in Sidney ausgerüstete Compagnie verriethen. Langsam folgte ihnen das etwas schwerfällige und hochbeladene Fuhrwerk, und die Leute schienen sich nicht nur für den Augenblick hier in den Minen einrichten zu wollen, wenn man alles das betrachtete, was sie auf dem Wagen mit sich führten. Oder wollten sie vielleicht gar da oben einen Laden aufrichten? Zwei der Begleiter sahen in der That so aus, als ob sie zu einer solchen Beschäftigung besser passen würden, wie zu den schweren Handwerkszeugen, die sie trotzdem mit heraufgebracht. Die wollenen Hemden waren auf das Zierlichste gemacht und mit gelber Seide vorn ausgenäht, die Wasserstiefeln vom feinsten und weichsten Kalbleder, und die erhitzten Stirnen trockneten sie sich mit Batist-Taschentüchern.

 

Weit besser dagegen paßte der Dritte des kleinen Zuges m den Mineranzng, der sein wetterbraunes markirtes Gesicht auch forschend nach allen Seiten drehte, während er - die Hände bequem in den Taschen seines Pea-Jackets - hinter dem Wagen herschlenderte.

Er gehörte, ohne den geringsten Zweifel, zu der Klasse von Australiern, die „keine Passage bezahlt hatten", wie das Sprüchwort lautete, und ließ nun, mit einem an Erfahrungen sehr reichen Leben hinter sich, die Welt eben an sich kommen. /82/

Merkwürdig stach gegen ihn der vierte Wanderer ab, der, reichlich um einen Kopf kleiner wie er, von dünner, schmächtiger Statur, in die Wasserstiefeln aus Versehen hineingefallen schien und fortwährend vergebliche Sprünge machte, um wieder hinaus zu kommen. Er hinkte dabei etwas; das verhinderte ihn aber nicht, in seiner jedenfalls höchst ungewohnten Fußbekleidung den beladenen Wagen unaufhörlich zu umhüpfen, und bald in höchst mittelmäßigem Englisch mit dem Ochsentreiber, bald im Gespräch mit seinem „Kameraden hinter dem Wagen" gegen die rauhe Behandlung der durcheinander geschüttelten Ladung zu protestiren. Weder vom Einen noch von dem Andern bekam er aber mehr eine Antwort, denn da er es fünf Tage auf genau dieselbe Weise getrieben, waren sie es endlich Beide müde geworden, auf die ihnen überdies noch unverständlichen Ermahnungen zu erwidern. Der hinter dem Wagen Gehende

- es war unser alter Bekannter aus dem Gefängniß, Smith, - und der Ochsentreiber theilten sich nur manchmal, wenn der kleine Zachäus vor den Stieren herumhüpfte, ihre Bemerkungen gegenseitig mit. - Die Beiden schienen überhaupt alte Bekannte von früher her, wenn auch Keiner von ihnen auch nur eine Silbe von ould lang syne erwähnte. Das war eben ould lang syne und abgethan und vergessen, und die neue Zeit nahm ihre Aufmerksamkeit auch viel zu sehr in Anspruch.

„A rum cove," sagte der Ochsentreiber in der Slangsprache dieser Art Leute kopfschüttelnd zu dem alten Schäfer - „was der hier wohl in Australien will, und - daß sie ihn noch nicht gerupft haben."

„Ist den Ordentlichen noch nicht unter die Hände gekommen, Mate," erwiderte sein Kamerad und sah den Begleiter dabei mit einem so trocken-drolligen Blick von der Seite an, daß dieser laut auflachte.

Gerade hier machte der Hang eine Biegung, die durch ein vorspringendes Felsstück hervorgerufen wurde. Die Wagen mußten sich eben, so gut es anging, um dieses herum ihre Bahn suchen. Aber auch selbst dieser Felsen schien nicht unbelebt, denn oben darauf, die Beine nach außen hängend, und wie vom Marsch ermüdet, lehnte die Gestalt eines Miners /83/in grauer Jacke und Hose, einen alten, arg mitgenommenen Filzhut halb in das Gesicht hineingezogen.

Der Mann mochte vielleicht seine vierunddreißig bis sechsunddreißig Jahre zählen, aber der krause schwarze Bart mit den darüber noch dazu durch den Hut beschatteten blitzenden Augen gaben der ganzen Gestalt etwas Finsteres, ja Drohendes. Es sah fast aus, als ob er, wie ein Panther, da oben auf unten Vorbeigehende lauere und ihnen bei günstiger Gelegenheit auf den Nacken springen würde.

Sein Blick musterte auch scharf die Vorüberziehenden und haftete dann einen Moment auf dem alten Schäfer. Dieser aber, der nur flüchtig zu ihm aufgesehen hatte, drehte den Kopf halb von ihm ab, hob dann den Finger und rieb sich den rechten Nasenflügel.

Der Ochsentreiber, der gerade hier mit seinen Thieren zu thun hatte, mußte nach vorn springen, um sie in der richtigen Bahn zu halten. Jetzt war das geschehen, und er kam wieder zurück und sagte halblaut zu Smith:

„Kanntest Du den?"

„Wen?"

„Den auf dem Stein."

Der alte Schäfer schüttelte einfach mit dem Kopf. „Kennst Du ihn?" sagte er nach kleiner Pause.

„Gott bewahre," erwidert der Treiber mit einem flüchtigen, fast wie forschenden Blick auf seinen Begleiter, und das Gespräch zwischen den Beiden schien damit vollkommen abgebrochen, denn Jeder hatte augenscheinlich zu viel mit seinen eigenen Gedanken zu thun. Es dauerte auch von jetzt nicht mehr lange, so erreichten sie den letzten Hügelrücken, von wo ab der Weg direct nach dem Turon-River hinunterführte. Schon konnten sie unten im Thal dem Lauf des gewundenen Flusses mit den Augen folgen, und die dunkeln Kasuarinen erkennen, die, ganz ungleich den übrigen Waldbäumen, an seinen Ufern standen.

Das Geschirr wurde eingehemmt, Zachäus war wieder außer sich vor Angst, daß seiner Maschine etwas passiren könnte - der Treiber stieß die gotteslästerlichsten Flüche aus, um seine Thiere in Respect und Gehorsam zu halten, und /84/ zehn Minuten später etwa hielt der Wagen unfern der Mündung des Oak-Creek auf einer kleinen offenen Fläche, auf der man beschloß, für die Nacht Halt zu machen und von hier aus die weiteren Operationen zu bereden.

Ein paar Stunden vergingen jetzt damit, die Zelte aufzuschlagen, ein Feuer anzuzünden und das Abendbrod zu bereiten, wobei Smith und der Ochsentreiber die einzige wirkliche Arbeit verrichteten. Die anderen drei Miner waren in Allem, was das Buschleben betraf, so vollständig unpraktisch, daß sie selbst mit ihren Dienstleistungen nur störten, und auch bald von den Beiden gründlich beseitigt wurden. Zachäus untersuchte dann seine Maschine, die mit den vielen feinen Schrauben und Rädern allerdings auf dem rauhen Wege so hergerichtet schien, daß sie einer gründlichen Reparatur bedurfte. Aber was half sein Klagen und Jammern; sie mußte eben wieder ausgebessert werden. Während nun der Ochsentreiber, wenn er selber etwas zu essen haben wollte, Kochdienste verrichten mußte, stieg Smith, die Hände in den Taschen, wieder langsam auf den Hang hinauf, von dem sie vor kurzer Zeit erst mit ihrem Geschirr heruntergekommen waren.

Dort auf dem Stein saß noch jener wunderliche Gesell, den sie vorher passirt hatten - es war fast, als ob er auf Jemanden gewartet hätte. Erst als er den Schäfer auf sich zukommen und für den Augenblick kein weiteres menschliches Wesen in der Nähe sah, stieg er von seinem erhöhten Sitz herab und blieb dann unten an dem Felsenblock stehen, bis Jener herankam.

„Hallo, Jack," sagte Smith, als er dem jedenfalls Gesuchten gegenüber stand - „auch in den Minen?"

„Hm," meinte der Fremde mit einem eigenen forschenden Lächeln, „das könnte ich Dich weit eher fragen, Mate, denn wie ich zuletzt in der City war, hatten sie Dich hinter einer Verzierung von Eisenstäben und brachten Dir Dein Futter in einem irdenen Napf."

„Hm," sagte Smith und schob die Hände noch viel tiefer in die Taschen, „das ist besseren Leuten schon ebenso gegangen."

„Bitt' um Entschuldigung, Mate, wenn Dir die Er/85/innerung fatal war," lächelte der Fremde - „aber wen bringst Du da mit in die Minen?"

„Eine Ladung Grüner," sagte Smith trocken.

„Festes Engagement?"

Der alte Schäfer warf dem Andern wieder einen jener drolligen und verschmitzten Seitenblicke zu und sagte dann:

„Ganz fest, auf dreißig Tage gebunden als Goldsucher."

„Hm," sagte Jack, „schade - hätte Dich wahrscheinlich in diesen Tagen einmal zu einem kleinen Spaziergang einladen mögen."

„Da müßtest Du aber bald kommen," meinte Smith trocken, „sonst könntest Du mich am Ende nicht mehr zu Hause treffen."

„Ah so! - na gut denn. Bleibt Ihr jetzt hier?"

„Vor der Hand; kommt wenigstens ganz auf Euch an, und wo seid Ihr zu finden?"

„An der Fork."

„Schön — good bye Jack," sagte der Schäfer, drehte sich um und stieg wieder zu Thal hinab.

*

Von Hafften war indessen mit seiner neuen Bekanntschaft bis Bathurst marschirt, wo sie zusammen in Mrs. Black's Gasthaus einkehrten, hier aber von dem Begleiter getrennt worden, denn ein solcher Menschenschwarm durchwogte die Räume, ja die ganze Stadt, und jedes Einzelnen Interesse war so sehr und fortwährend durch die neuen, immer fabelhafter klingenden Goldberichte in Anspruch genommen, daß ein festeres Band dazu gehört hätte, zwei Personen mit einander in Verbindung zu halten, als eine flüchtige Bekanntschaft auf der Straße.

Hafften selber hörte hier zuerst von den soeben entdeckten und reich befundenen Minen am Turon, und da er noch an dem nämlichen Abend eine Gelegenheit fand, sein Gepäck dorthin zu senden, benutzte er dieselbe und wanderte wieder zu Fuß mit seinen neuen Begleitern neben dem Wagen her. War es ja doch überhaupt nur reine Glückssache, welchen Ort /86/ man gerade zu seinen nächsten Arbeiten wählte, und von Hafften lag viel mehr daran, das Leben und Treiben in diesen Minen kennen zu lernen, als wirklich selber ausdauernd nach Gold zu graben.

Und eine bunter gemischte Gesellschaft hätte er wahrlich selbst in Californien kaum finden können, als sie ihm hier auf diesem kurzen Marsch geboten wurde, denn Engländer, Deutsche und Franzosen schwatzten und lachten wild durcheinander, und der beste Geist schien die kleine Schaar zu beleben - und doch wie verschieden war es auch wieder von Californien, wo das spanische Element, das hier gänzlich fehlte, überall vortrat, und der Amerikaner allein regierte.

Spanische Abkömmlinge hatten sich hierher noch wenig oder gar nicht verloren, aber wenn so, würde man ihnen nicht das Geringste in den Weg gelegt haben, eben so wenig wie einem Deutschen oder Franzosen. Die erbittertste Stimmung aber herrschte, wenn das Gespräch diesen Gegenstand berührte, gegen die Amerikaner, da gerade das vigilance committee in Californien seine Thätigkeit begonnen und einer Anzahl von Australien herübergekommener Engländer arg mitgespielt hatte. Wo sich deshalb wirklich Amerikaner unter dem Englisch redenden Theil der Bevölkerung fanden, machten sie mit ihrer Nationalität keinen Staat, und vermieden Alles, was eine Entdeckung derselben hätte herbeiführen können.

Am Turon nahm aber, wie bei allen Wanderern, die Sorge für ein Nachtlager ihre erste Arbeit gleich in Anspruch. Vor allen Dingen mußten die verschiedenen Zelte aufgeschlagen und ein Kochherd, oder wenigstens Feuerplatz hergerichtet werden. Holz gab es damals, und bei der ersten Besiedelung des Platzes, noch genug, Provisionen waren reichlich vorhanden, und wie sich die Sonne hinter die ziemlich hohen Hügelrücken senkte, lagen die Männer schon um ihre Feuer ausgestreckt lachend und plaudernd zusammen, und träumten und phantasierten von goldenen Schätzen, die vielleicht selbst unter ihrer Lagerstätte die reichen Adern ausstreckten und nur auf Spitzhacke und Schaufel warteten, um sich geduldig der Pfanne zu überliefern.

Und was das jetzt für ein reges Leben an dem sonst so /87/ stillen, ja öden Bergstrom war, und wie die dunkeln Kasuarinen staunen mochten, als Schwarm nach Schwarm des gierigen Menschenvolkes in das Thal strömte und die klare Fluth in flüssigen Lehm verwandelte. - Die Schätze des Turon waren verrathen, und immer neue Schaaren drängten herbei, noch irgend wo am Ufer einen kleinen und freien Platz zu finden, wo sie sich einhacken konnten.

Wie das da unten am Wasser mit den Maschinen rasselte! Vor drei Tagen waren noch keine zehn Menschen an dem ganzen Wasserlauf gewesen, jetzt standen schon einige fünfzig Zelte, und nicht zehn Schritt weit von einander wühlten sich die verschiedenen Compagnien und Partien in den Lehmboden.

Und was für brillante Geschäfte die Verkaufszelte machten, wie die Händler - eine Menge deutscher Juden zwischen ihnen - ihre Waarenballen auspackten und legten, und dabei zugleich - immer nur für Goldstaub statt klingender Münze - so lustig verkauften!

Auch hierbei zeigte sich mit Californien ein gewaltiger Unterschied, und das Menschengeschlecht schien hier schlauer und gieriger als dort. In Californien nämlich wurde alles Gold für vollen Werth und voll Gewicht genommen, ob es Quarzstücke enthielt oder nicht, ja einzelne sehr hübsch mit Quarz durchwachsene, sogenannte specimans, wohl noch theurer als ihr Gewicht verkauft. Hier in Australien war das nicht der Fall. Die meisten Händler brachten sich schon einen kleinen Ambos mit in die-Minen, oder wo sie den nicht hatten, versah dessen Stelle ein großer Stein. Aber auf diesem wurde auch jedes Stück, das nur die unbedeutendste Quarzspur zeigte, erbarmungslos geklopft und gehämmert, bis alles Unedle hinaus und damit auch eine Menge von Goldsplittern mit fortgespritzt war. Dann erst legte es der Händler auf die Wage.

Und zwischen all den arbeitenden, thätigen Menschen ritt, oft allein, oft von einem Polizeisoldaten begleitet, der Kommissär, der den Preis für die auszugebende „License" einzu- kassiren hatte. Langsam suchte er das ganze Flußufer ab, bald an dieser, bald an jener Seite, und Mann für Mann /88/ mußte seine dreißig Shilling bezahlen und bekam dafür von ihm einen gewissen, meist nur sehr beschränkten Raum garantirt, auf dem er dann ungehindert arbeiten konnte. Offene Widersetzlichkeit fand auch nirgends gegen ihn statt, und Mr. Green, wie der Commissär hieß, erfüllte seine Pflicht mit so vielem Tact und, wo es Noth that, auch mit Energie, daß er sich immer freundlich mit den Minern stellte.

 

So wenig Mannschaft er aber auch selber zu gebrauchen schien, so allmälig wurde die Polizeitruppe doch da oben verstärkt, denn eines Theils war Alles noch zu neu, um gleich von vornherein zu wissen, wie sich eine Masse dort zusammengeströmter früherer Sträflinge, der Verführung des Goldes gegenüber, benehmen würde, und dann bedurfte man auch einer Anzahl von Polizeisoldaten, um die Gouvernementskasse und das Postzelt zu überwachen, wie ebenso die abgehenden Sendungen, ja selbst den Postwagen nach Sidney zu begleiten. Der letzte Ueberfall war zu frech und glücklich ausgeführt worden, und die Verführung wurde jetzt, wo eine Anzahl von Händlern stets ziemliche Summen an Waschgold der Hauptstadt zutrugen, natürlich mit jedem Tage stärker.

Außerdem hatte aber auch die Regierung angezeigt, daß sie, für gewisse Procente, die Garantie für Goldsendungen nach Sidney übernähme, und eine solche Escorte sollte nächstens nach der Hauptstadt zurückgehen. Natürlich mußte sie gerade besonders stark überwacht werden, denn bei einem solchen Goldtransport wäre die Lockung für all' jene wilden, in den Minen zerstreuten Charaktere doch sonst ein wenig zu stark gewesen. Eine Anzahl Bewaffneter aber brauchte nicht zu fürchten, daß man ihr die Spitze bieten würde.

Dadurch war eine gewisse Sicherheit in die Minen gekommen, mochten sie so entfernt von dem gewöhnlichen Verkehr liegen wie sie wollten, und jene lockeren Charaktere, deren es freilich genug und übergenug in den Bergen gab, getrauten sich noch nicht mit ihrem alten Handwerk heraus, oder waren auch vielleicht selber im Anfang neugierig, was für Glück sie bei ehrlichem Goldwäschen haben würden - den Versuch schien es immer werth. Thatsache ist, daß gerade in der ersten Zeit und in den ersten Wochen in all' den Bergen kein einziger /89/ Raubanfall oder selbst nur Diebstahl zu den Ohren der Polizei kam und verfolgt werden mußte. Es schien fast, als ob die „australischen Convicts" den Yankees da drüben in Californien beweisen wollten, daß sie den Namen keineswegs verdienten, den ihnen diese gegeben, und unter dem sich die Amerikaner auch die Freiheit genommen hatten, eine Anzahl Australier aufzuhängen.

9.

Die „English Bottom"-Station.

Vollkommen unberührt fast von dem bewegten Treiben um sie her, lag indessen Mr. Sutton's Station, denn die Schenke am Wege hatte sich, wie der endlose Zug der Miner in die Berge begann, rasch in einen kleinen Kram- und Provisionsladen verwandelt, in dem die Wanderer Alles, was sie auf dem Wege brauchten, bekommen konnten, und diese waren in viel zu großer Eile, um einen Abstecher nach einem abseits gelegenen Punkt zu machen.

Allerdings hatte Mr. Sutton ebenfalls mit der allgemeinen Noth zu kämpfen, was seine Leute nämlich betraf, denn von diesen ging ihm natürlich ein großer Theil durch und in die Minen, trotzdem daß sie gerade an diesem Platz vielleicht besser behandelt und genährt wurden, als auf irgend einer Stelle des weiten Landes. Aber die Leute konnten einmal der unausgesetzten Versuchung, da oben in kurzer Zeit reich zu werden, nicht widerstehen, und Mr. Sutton, der darauf gefaßt gewesen, schränkte sich soviel das angehen wollte ein, und verkaufte besonders an Schlachtvieh, was er irgend verkaufen konnte, um der Ueberwachung desselben vor der Hand enthoben zu sein. War der erste Rausch verflogen, so wußte er recht gut, daß er, wenn nicht seine eigenen, doch Leute genug zurückbekam, /90/ die bis dahin liegen gebliebenen Arbeiten wieder mit dem alten Ernst und Eifer aufzunehmen.

Dem Verwundeten, der sich jetzt außer aller Gefahr befand und nur noch der Ruhe bedurfte, um in einigen Wochen wieder vollkommen hergestellt zu sein, fehlte es deshalb nicht an der nöthigen Pflege, denn seine Mutter und Schwester wachten abwechselnd an seinem Lager, und die Familie selber war oft Stunden lang bei ihm drüben, um ihm die langsam dahin schwindende Zeit vertreiben zu helfen.

Die aber, die ihn gerade bis jetzt mit der aufopferndsten Sorgfalt und Freundlichkeit, unermüdet in ihren übernommenen Pflichten, gepflegt und über ihn gewacht hatte - Gertrud - ließ sich, als seine Mutter eingetroffen war und der Arzt jede Gefahr für beseitigt erklärt hatte, nicht mehr bei ihm sehen.

Sie duldete allerdings nicht, daß ihm etwas fehle, sie bereitete wie früher seinen Trank, sie kochte für ihn wie früher selber die vorgeschriebene Suppe, aber andere Hände als die ihrigen

trugen die Labung an sein Lager, und es war ordentlich, als ob sie es ängstlich vermied, in seine Nähe zu kommen.

Und doch suchte sie der Kranke, und nie öffnete sich die Thür, ohne daß nicht sein Blick rasch dorthin geflogen wäre, immer in der Erwartung, die Langvermißte endlich wieder zu sehen - aber immer und immer wieder getäuscht.

Sein Vater kam endlich, um Mutter und Tochter wieder abzuholen, denn er wollte nicht, daß sie der Sutton'schen Familie so lange zur Last lägen, wenn auch Mr. und Mrs. Sutton selber gegen ihre Abreise protestirten. Ueber Charles' Befinden konnten sie außer Sorge sein, denn wenn ihn der Arzt auch jetzt noch nicht transportirt haben wollte, gab er ihnen doch das feste Versprechen, daß er in spätens acht oder zehn Tagen mit einem bequemen Wagen recht gut nach Sidney geschafft werden könnte. Damit mußten sie sich begnügen, und am andern Morgen nach dem Frühstück kehrten Pitts nach Sidney zurück und überließen den Sohn noch für eine andere Woche der Gastfreundschaft dieser guten Menschen.

Charles konnte aber jetzt schon ganz als Reconvalescent betrachtet und seine Wartung einem jungen Burschen überlassen werden, den Mr. Sutton einst als Waise in sein Haus ge/91/nommen und aufgezogen hatte. Ueber Tag war er meistentheils mit im Familienzimmer, und Mrs. Sutton wie Rebekka, die den jungen Menschen lange seines stillen freundlichen Wesens wegen lieb gewonnen hatten, suchten dann Alles hervor, ihm die Zeit so angenehm als möglich zu vertreiben. Rebekka besonders saß oft Stunden lang bei ihm und las ihm vor, und er lehnte dann neben ihr in dem bequemen Polsterstuhl und schaute träumend auf die fernen Berge hinaus, in denen das gierige Menschenvolk nach Gold wühlte.

Gertrud hatte er seit der Zeit schon oft wieder gesehen, aber immer nur bei Tisch, in Gegenwart der Familie; selbst Abends kam sie nie herüber, sondern blieb immer auf ihrer eigenen Stube, wo sie auch mit den Wirthschaftsbüchern viel beschäftigt war.

So vergingen wieder fünf Tage, und die Sutton'sche Familie hatte eine Einladung nach einer andern Station bekommen, wo die Hochzeit der Tochter mit einem jungen Engländer gefeiert werden sollte. Charles war indessen so weit genesen, daß Mrs. Sutton sogar den Vorschlag gemacht hatte, ihn mitzunehmen, denn sie hatten kaum eine halbe Stunde zu fahren. Mr. Sutton litt das aber nicht; eine solche Anstrengung konnte üble Folgen haben, und da seine Rückkehr nach Sidney für die nächsten Tage festgesetzt war, durften sie nichts thun, was dieselbe hätte verzögern können. - Mrs. Pitt würde sich dann nur wieder geängstigt und gesorgt haben.