Tasuta

Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.

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»Und seid Ihr auch sicher, daß er wirklich kommt?« frug Tolmer endlich, als sie wohl schon eine Stunde regungslos in ihrer Stellung verharrt hatten, aus dem Haus heraus, »hol' s der Henker, mir wird die Zeit lang, und ich fürchte fast, Gentleman John war klüger wie wir Beide zusammen.«

»Nur keine Furcht, Camerad,« flüsterte ihm sein Genosse zurück, »wenn ich nicht gewiß wüßte, daß unser Vogel auf die Leimruthe geht, hätte ich Euch wahrhaftig nicht hierher geführt. Daß ihm der Böse das Licht halte, thut er es doch nur, mich desto sicherer zu machen. Aber ich kenne ihn, den Hallunken;« setzte er mit fest zusammengebissenen Zähnen und wie mit sich selber redend hinzu, »der Rothkopf ist ihm nach und nach zu klug geworden, und daß der fragen konnte, was aus all dem Geld geworden, hat ihm nicht gefallen. Aber warte, mein Bursch – hast jetzt einen Seemann an Bord, nicht wahr, der etwa ein Schiff in offener See zu halten weiß und glaubst, du könntest den Rothkopf entbehren. Was dann aus dem hier und den Anderen auf der Insel wird, was kümmert's dich. – Willst dasselbe Spiel hier wieder spielen, das du drüben am Murray den armen Teufeln eingebrockt. O ich kenne dich, Hallunke, vergißt aber, daß der Rothkopf damals selber mit dabei war und dir in die Karten gesehen hat.«

»Dort kommt Jemand den Hang herunter,« flüsterte Tolmer, der durch eine Spalte der Wand, hinter der er versteckt lag, die offene Höhe vor sich übersehen konnte.

»Das ist er,« flüsterte Rothkopf, fast unwillkürlich zusammenfahrend, »geht es, fangen wir ihn lebendig, riecht er aber Lunte, dann haltet ihm nur um Gotteswillen sicher auf den Bug, wir sind sonst Beide verloren.«

»Fürchtet Ihr ihn?« frug Tolmer spöttisch.

»Fürchten?« brummte der Buschrähndscher ärgerlich in den Bart, »wenn Ihr, wie ich, Zeuge gewesen wäret, wie der Mann da – doch das ist vorbei,« brach er kurz ab, »und zum Plaudern keine Zeit mehr. Habt jetzt Acht – es gibt kaum einen stärkeren, und wahrhaftig keinen schlaueren und verwegeneren Burschen in sämmtlichen Colonien als den, der da so sorglos den Hügel herab in sein Verderben geht – und jetzt kein Wort mehr. Er hat ein Auge wie ein Falke und ein Ohr so scharf wie ein Känguruh – macht Euch fertig.«

Rothkopf hatte ganz recht; es gab wohl kaum einen schlaueren und verwegeneren Verbrecher innerhalb wie außer den Colonien, als diesen Gentleman John, der jetzt gerade im Begriffe stand, mit einem von seinem Raube angekauften Schiffe die Colonien zu verlassen, um jedenfalls sein Unwesen in irgend einem anderen Lande auf's Neue zu beginnen.

So glücklich und erfolgreich er aber bis jetzt, jedes Mittel gut heißend, das ihn seinem Ziele entgegen führte, diesen einen Zweck verfolgt, so sollte er sich plötzlich aus seiner geträumten Sicherheit aufgerüttelt, und der früheren Verfolgung preisgegeben sehen. Sein Lieutenant Rothkopf hatte ihn allerdings nur zu gut durchschaut; Gentleman John war seiner überdrüssig und wollte mit den Ausgewählten seiner Schaar so rasch als möglich die Känguruh-Insel verlassen. Was aus den Cameraden, von denen sich ein großer Theil erst hier zu ihm gefunden, werden würde, kümmerte ihn nicht. Selbst auf diesen Abend war die Abfahrt bestimmt. Der Schooner lag, mit Proviant und Wasser versehen, vor seinem Wurfanker, und Mr. Bloome, der Squatter, ahnte nicht, welch' gefährlichem Compagnon er einen großen Theil seines Eigenthums im Begriff war zu vertrauen.

Nur um seinen bisherigen Lieutenant zu beruhigen und die kurze Frist zu gewinnen, in der dieser mit der erhaltenen Munition zu den Uebrigen zurückkehren würde, hatte er sich dazu verstanden, ihm selber das Verlangte zu überbringen. Durfte er ja doch auch keinem seiner anderen Leute trauen, die mit Rothkopf allein gelassen, vielleicht gar gemeinschaftliche Sache mit ihm gemacht hätten.

Daß ihm die Polizei schon auf der Fährte sei, ahnte er allerdings nicht, trotzdem näherte er sich nur mit äußerster Vorsicht dem von ihm selber bezeichneten Hause, von dem er schon aus der Ferne seinen Lieutenant erkannte. Er trug sein Gewehr in der Hand und die versprochene Munition in einer umgeschnallten Tasche, und hing sich die bereit gehaltene Waffe erst über die Schulter, als er Rothkopf vollkommen unbewaffnet ihn erwarten sah. Nur daß dieser ruhig vor dem Hause sitzen blieb, und ihm nicht entgegen kam, erregte wieder seinen rasch geweckten Verdacht.

»Nun, Camerad,« rief er ihn an, indem er, etwa fünfzig Schritt vom Haus entfernt, Halt machte, seine Tasche auf den Boden warf und, das Gewehr im Arm, daneben stehen blieb, »da bin ich. Aber Ihr scheint es verdammt kaltblütig zu nehmen. – Hier ist Euer Pulver und Blei, das mir schwer genug geworden – ich dächte, Ihr könntet's die übrige Strecke selber tragen.«

»Dank Euch, Capitän,« rief Rothkopf, der ihn gern näher zum Haus gehabt hätte, indem er jetzt von seinem Sitze aufstand und langsam auf ihn zuging, »ich wußte im Anfang gar nicht, ob Ihr's wäret. Aber kommt herein – ich habe ein Feuer darinnen angemacht und ein Stück saftig Wallobi daran stecken – oder – habt Ihr keinen Hunger?«

Gentleman John horchte hoch auf – sein scharfes Ohr hatte das Knacken eines Hahnes – ein ihm nur zu wohlbekannter Laut – erreicht, und im Nu erkannte er die Gefahr, in der er sich befand.

»Hunger?« rief er zurück, »gewiß. Ich bin vor dem Frühstück vom Haus fortgegangen und Euer Wallobi soll mir vortrefflich schmecken. Ist sonst noch Jemand bei Euch?«

»Keine Seele,« erwiderte Rothkopf, indem er zu ihm trat und auf die am Boden liegende Tasche zuschritt.

»Gut – so nehmt Euer Pulver und Blei mit zum Haus,« sagte der Capitän, indem er sich so stellte, daß er den Lieutenant fortwährend zwischen sich und dem vermutheten Hinterhalt behielt. »Ihr hättet Euch Jemanden mitbringen sollen; das Zeug ist verwünscht schwer.«

»Allerdings,« sagte Rothkopf, die Tasche etwas lüftend und dann über die linke Schulter hängend, »doch es ist nicht so weit bis zu unserm Lager und ich werde sie schon fortbringen.«

»Rothkopf,« sagte da Gentleman John, indem er ihm vertraulich auf die Achsel klopfte, »ich habe Euch nicht umsonst hierherbeschieden – ich habe noch ein Geheimniß, das ich Euch anvertrauen möchte – wenn ich eben auf Euere Verschwiegenheit und Treue rechnen könnte.«

»Und das wäre?« rief Rothkopf, indem er überrascht zu seinem Hauptmann aufsah.

»Ich habe hier in der Nähe Geld vergraben,« flüsterte ihm dieser zu, indem er sich wie scheu und vorsichtig dabei umsah.

»Alle Teufel,« rief Rothkopf mit unterdrückter Stimme, »und wo da?«

»Wir wollen zum Haus gehen, dort will ich Euch den Fleck beschreiben.«

»Zum Haus? – hm,« sagte der Buschrähndscher, »ja – recht gern – aber könnt Ihr es mir nicht hier sagen?«

»Hab' ich Dich, Bursche?« lachte da John, indem er einen Schritt von ihm zurücktrat und sein Gewehr aufgriff, aber dabei noch immer vorsichtig ihn zwischen sich und dem Hause hielt. »Rühr' Dich jetzt von der Stelle und Du bist –«

»Teufel!« rief der also überlistete Lieutenant, indem er den sich dessen nicht gleich versehenden Buschrähndscher unterlief und mit seinen Armen umschlang, »hierher zu Hülfe – hierher – verdammt wenn ich Dich nicht –«

»Danke Dir,« sagte Gentleman John ruhig. Mit raschem Griff hatte er aber auch in demselben Moment ein Pistol aus seiner Tasche gerissen, und während er es in das Ohr seines Lieutenants abdrückte, flog sein Blick schon nach dem Haus hinüber, aus dem jetzt Tolmer mit gespannter Flinte herbeisprang, seinem Verbündeten beizustehen.

Gentleman John wollte rasch sein eigenes Gewehr aufgreifen, Rothkopf aber riß es, durch das Gewicht seines stürzenden Körpers, mit sich zu Boden nieder, daß sich beide Läufe entluden, und der Buschrähndscher sah jetzt sein Heil gegen den besser bewaffneten Feind nur in rascher Flucht. Den anderen Angreifer hielt er natürlich für Einen der im Busch verlassenen Bande, der nicht wagen durfte, ihm weit gegen die Ansiedlung hin zu folgen, und in schnellem Sprung einen Baum zwischen sich und den Verfolger bringend, floh er mit raschen Sätzen den nur hie und da bewaldeten Hang hinauf.

Tolmer feuerte allerdings sein Rohr auf ihn ab; das Gestrüpp entzog aber den Flüchtigen gleich darauf seinen Blicken, und es blieb ihm jetzt keine andere Wahl, als so rasch als möglich seine Leute zu erreichen und den offenen Kampf gegen den Verbrecher und seinen Trupp zu beginnen.

Sein Schuß war aber doch nicht ohne Wirkung geblieben, denn wenn er den Räuber auch nicht in seiner Flucht hemmte, hatte ihn doch ein einzelner Rehposten in die Seite getroffen. Trotzdem, und den Schmerz verbeißend, gewann er bald die offene Stelle der Ansiedlung und eilte in die Hütte, in der er Jenny ihn erwartend wußte.

Die unglückliche Frau saß am Kamin, das Haupt auf die Lehne des Stuhles gedrückt, auf dem sie ruhte, und regte sich nicht, als er die Thüre öffnete.

»Jenny!« rief da John mit von Leidenschaft heiserer, nur gewaltsam gedämpfter Stimme, »komm – der Augenblick zur Flucht ist erschienen – mein Schiff liegt bereit, uns aufzunehmen. Komm, Herz, ermanne dich und laß das dumpfe Brüten – Todt ist todt, und alle Thränen erwecken dein armes Kind doch nicht zum Leben wieder.«

»Todt ist todt,« stöhnte da die arme Frau, indem sie das bleiche Antlitz und thränenlose starre Auge wild zu ihm erhob. »Sagst Du mir das, Mörder meines Kindes.«

»Unsinn, Schatz!« rief der Räuber, in aller Hast seine im Zimmer umhergestreuten wenigen Habseligkeiten und Waffen zusammenraffend. »Was kann ich dafür, daß das schwache Ding die Strapatzen unseres Marsches nicht ertragen konnte. Hab' ich es nicht den halben Tag geschleppt? – Aber eile Dich – weiß der Teufel, wie die Kunde so rasch über die Insel gekommen ist, aber Dein Mann, mein Schatz ist hinter uns her, und wir müssen wahrhaftig machen, daß wir an Bord kommen.«

»Dort liegt es,« rief da plötzlich die Frau, den Arm von sich gestreckt, das glanzlose Auge in die Leere starrend, »dort, dort, in seinem armen kalten Bett – in der harten, erbarmungslosen Erde, die es hält und nimmer, nimmer wiedergeben will – kein warmes Tuch dabei, seine zarten Glieder einzuhüllen – kein Kissen selbst, das kleine liebe Haupt darauf zu betten – nicht einmal einen kahlen, harten Sarg für das Wesen, für das ich mit Freuden mein Leben hingegeben hätte. Fort – fort von mir!« schrie sie plötzlich, seine nach ihr ausgestreckte Hand mit Abscheu zurückstoßend, »fort, oder beim ewigen Gott da droben, ich schlage meine Zähne in Dein Fleisch und würge Dich, wie Du mein Kind gewürgt.«

 

»Wahnsinnig, bei Allem was da lebt,« brummte der Buschrähndscher vor sich hin, »und der ganze Aufenthalt umsonst. Da bleibt mir freilich nichts Anderes übrig, als –«

Die Thüre wurde in diesem Augenblicke aufgerissen und Broadley's erschrecktes, todtenbleiches Gesicht zeigte sich darin.

»Unke,« rief ihm der Capitän entgegen, »was bringst Du?« –

»Der Schooner ist genommen!« rief der Unglücksbote, den Verdacht und sein Aussehen vollkommen rechtfertigend. »Polizeiboote haben ihn geentert und die Masten gekappt.«

»Die Masten gekappt?« rief John erschreckt.

»Es ist Alles vorbei,« drängte aber der Bursche, »und die Boote rudern schon wieder an Land. Uns bleibt keine andere Zuflucht als der Busch.«

John knirschte die Zähne wild auf einander, aber das einmal Geschehene ließ sich nicht mehr ändern, die solcher Art abgeschnittene Flucht zu Wasser konnte nach dieser Richtung hin nicht mehr erzwungen, sondern mußte auf andere Weise versucht werden. Deshalb seine Waffen aufgreifend, warf er noch einen Blick auf die wild und erstaunt zu ihm aufschauende Frau, und winkte dann Broadley, ihm zu folgen.

Wie er nur vor die Hütte trat, sah er schon, daß sein Begleiter Wahrheit gesprochen. Der Schooner draußen an der Point lag, ein Wrack, vor seinem Anker, und während Bewaffnete aus einem schon gelandeten Boot an's Ufer sprangen, eilten Andere von dem Hauptstationshaus auf seine eigene Wohnung zu. Kamen sie als Freunde oder Feinde? – er hatte nicht Lust ihr Kommen abzuwarten, und flüchtete, von Broadley dicht gefolgt, mit langen Sätzen dem nächsten Dickicht zu.

Schon hatte er dieses erreicht, schon verbargen ihn die nächsten Gumbüsche den Augen der Verfolger, als dicht vor ihm eine dunkle Gestalt sich wie aus dem Boden hob, und ihm die Arme bittend entgegenstreckte. Es war Lloko, sein schwarzes Weib, den Opossum-Mantel locker um die Schulter geschlagen, die schwarzen Haare wirr die Stirn umflatternd.

»Halt!« rief sie ihm mit mehr drohend als bittender Stimme entgegen, da er fast scheu vor ihr zurückweichen und an ihr vorübereilen wollte, indem sie seinen Rock ergriff und hielt. »Halt! falscher weißer Mann – wo ist dein ander Weib, mit den bleichen Wangen und dem lichten Haar – wie? und wo ist das Kind, das Du ihr auf dem Wege todt und in den Boden gedrückt hast – wie? Wohin gehst Du jetzt? – wieder zu meinem Stamm? – nimm mich mit, nimm mich mit. Lloko hungert hier und Niemand giebt ihr zu essen.«

»Ist denn der Teufel heute in die Weiber gefahren?« rief John, mit eiserner Faust die schwache Hand der Frau ergreifend und von sich werfend. Aber schon hatte Lloko die andere in seinen Gürtel gekrallt und schrie mit wilder, gellender Stimme:

»Teufel – ja, das ist Euer Wort für Alles, was bös und schlecht –Teufel. Das ist Dein Name Gentleman John, und wenn da droben so ein Wesen wohnt –«

»Fort mit Dir!« rief zwischen den Lippen durchzischend der gereizte Räuber, und sein Faustschlag traf die Unglückliche so rauh an die Stirn, daß sie den Gürtel loslassen mußte und halb bewußtlos auf den Boden zurücktaumelte. Im nächsten Augenblick waren die beiden Männer auch im Busch verschwunden.

Gentleman John hätte übrigens nicht in so großer Eile zu sein brauchen, denn die aus der Station zu ihm hinüber Springenden waren nur Bloome und dessen Bruder gewesen, die ihr Fahrzeug im ersten Augenblick von Buschrähndschern überfallen glaubten, und den vermeintlichen Capitän zu Hülfe holen wollten. Nur zu bald sollten sie aber aus solchem Irrthum gerissen werden, denn wenn sie schon die übereilte Flucht des vermeinten Freundes stutzen machte, benahmen ihnen die rasch erkannten Uniformen der Polizeisoldaten den letzten Zweifel.

Tolmer hielt sich jedoch nicht mit langen Erklärungen auf. Er glaubte nämlich sicher, daß sich der entflohene Räuber nach dem Tode Rothkopf's auch ohne weiteres seiner Bande wieder anschließen würde, um mit dieser vereint verzweifelten Widerstand zu leisten. Wußte er doch nicht, daß ihn Gentleman John selber für einen seiner eigenen Schaar gehalten, und in jedem jetzt den Verräther glauben mußte. Hier nun lag für die kleine Truppe Polizeisoldaten der einzige Vortheil darin, die erste Ueberraschung der Buschrähndscher zu benutzen, einen entscheidenden Schlag gegen sie zu führen. Einmal zersprengt, hoffte er ihrer dann schon leicht Meister zu werden.

Kaum im Busch angelangt, trafen sie da auf die noch immer halb betäubte Schwarze, an der die Leute, ohne sie weiter zu beachten, rasch vorbeistürmen wollten. Tolmer erkannte aber augenblicklich in ihr das frühere Weib des Räubers, und der Scene an dem Hause eingedenk, rief er seinen Leuten ein Halt zu, das arme, hülflose Wesen erst wieder zu sich zu bringen. Einer der Constabler hatte eine Flasche mit Brandy bei sich, und Lloko, wie ihr die Schläfe damit gerieben und ein paar Tropfen eingegeben waren, erholte sich bald genug, sich selber aufzurichten.

Erstaunt sah sie sich inmitten der vielen fremden weißen Männer, und ihr erstes Gefühl war, in den Busch zu fliehen, um denen zu entgehen. Tolmer aber trat ihr in den Weg und sagte freundlich:

»Fürchte Nichts von uns. Wir wollen das Land nur von denen säubern, die Haß und Feindschaft zwischen schwarzen und weißen Stämmen säen, von Raub leben und von Blut sich nähren. Weißt Du, wen ich meine?«

Das Weib sah ihn mit großen stieren Augen an und rief:

»Ihr sucht Gentleman John!«

»Allerdings,« sagte Tolmer rasch, »weißt Du, wo hinaus er ist?«

»Fluch ihm!« rief da Lloko, während die Erinnerung an die erlittene Schmach das Blut in ihre dunkle Schläfe jagte, »er hat mich geschlagen, und die Hand möge sein Gott dort oben verdorren lassen, die gegen meine armen Schläfe traf.«

»Das soll unsere Sorge sein, ihm das zu besorgen,« lachte Morris. »Hier auf der Insel haben wir ihn sicher, und er kann uns nicht entgehen.«

»Und wißt Ihr, wo Ihr ihn findet?« frug da Lloko plötzlich, während ihr dunkles Auge rasch und forschend von einem der Männer zum Andern flog.

»Ich denke ja,« erwiderte Tolmer, »er wird wohl am Torrensberg wieder zu seinen Freunden geflohen sein.«

»Freunden?« rief Lloko, verächtlich den Kopf zurückwerfend. »Der Verräther hat keinen Freund, seit er Lloko geschlagen. Kommt – kommt!« rief sie plötzlich, sich gewaltsam empor raffend, und den Arm Tolmers ergreifend, »ich will Euch führen. Wie ein Dingo auf der Fährte des speergetroffenen Känguruh, will ich an seinen Schritten hängen. – Kommt – er hat mich geschlagen – der Kopf brennt mir, wo mich seine Hand traf – wenn der Schmerz nachläßt, hab' ich die Rache vielleicht vergessen.«

Ihren Mantel dabei fester um sich herschlagend, drückte sie die ihr nachstehenden Männer zurück, dort wo Gentleman John vorbeigesprungen, die frischen Spuren wieder aufzufinden.

Morris hielt es nun freilich für bedenklich, der Führung einer Schwarzen, die sie eben so gut zum Besten haben konnte, zu vertrauen. Tolmer aber kannte die Eingebornen besser. Er begriff, welche Leidenschaft in diesem Augenblick in dem Herzen des armen, verrathenen Weibes wühlte, und bedachte sich keinen Augenblick, den, ihrem Zweck günstigen Moment zu benutzen.

Lloko hatte indessen, trotz des trockenen Bodens und darüber gestreuten dürren Laubes die Spuren der beiden Männer rasch aufgefunden, und folgte ihnen, ohne sich nach den Weißen auch nur weiter umzusehen. Diese waren indessen durch den größten Theil des letzten Trupps der Polizeisoldaten noch verstärkt worden, da der seeuntüchtig gemachte Schooner den etwa am Strand befindlichen Verbrechern keinen Weg zur Flucht mehr bot, und nur erst, als Lloko an dem Pfad vorbei eilte, der, wie Tolmer recht gut wußte, nach dem Versteck des Torrensberges hinüber führte, hielt er es für nöthig, ihre schwarze Führerin darauf aufmerksam zu machen.

Lloko erwiderte aber kein Wort. Nur mit der ausgestreckten Hand deutete sie auf den Boden vor sich, auf dem die Weißen allerdings auch nicht das Zeichen einer Fährte mehr entdecken konnten, und schritt weiter. – Folgte doch kein Schweißhund je der Spur des angeschossenen Wildes sicherer als sie den Fährten des Mannes, für den sie einst Vater, Mutter und Stamm verlassen, und der es jetzt gewagt hatte, sie zu mißhandeln.

So blieben sie in den Spuren des Räubers bis der Abend dämmerte und eine weitere Verfolgung unmöglich machte. Das wildeste Dickicht hatten sie dabei zu passiren, Stellen, an denen sich die Weißen in den Känguruhdornen oft nur so Bahn brechen konnten, daß sie sich mit Schulter und Rücken hindurch preßten. Die halbnackte Indianerin achtete nicht darauf. Ihren Fellmantel um sich geschlagen und rücksichtslos, ob ihr die Dornen Arm und Füße wund rissen, war sie den Spuren gefolgt, bis sie die Dunkelheit zwang, davon abzugehen, und in der Fährte selber kauerte sie nieder unter einen Baum, verhüllte ihren Kopf mit dem Opossum-Mantel und weigerte sich sowohl zu dem bald darauf von den Weißen entzündeten Feuer zu kommen, als irgend eine Nahrung von ihnen anzunehmen.

Tolmer, der die Schwarze übrigens sich vollkommen selber überließ, begriff allerdings noch nicht recht, wo hinaus zu die beiden Verbrecher geflohen sein könnten, denn daß Gentleman John mit seinem Begleiter nach Marsden Point zurückkehren würde, war ihm nicht wahrscheinlich. Nichts desto weniger vertraute er dem Scharfsinn der Schwarzen genug, nicht an ihrer richtigen Führung zu zweifeln und beschloß, jedenfalls noch bis morgen Mittag ihrer Leitung zu folgen.

Am nächsten Morgen waren sie schon vor Sonnenaufgang wieder gerüstet, und sobald nur der dämmernde Tag Licht genug in den Wald warf, die Spuren wieder zu erkennen, folgte ihnen Lloko mit altem Eifer.

Kaum eine Stunde aber war sie darauf hingegangen, als sie plötzlich stehen blieb und die Nase emporhob, wie ein Hund es thut, wenn er das Wild wittert.

»Komm, komm, Lubra,«11 sagte aber Morris, der es bemerkte, und dem das nicht gefallen mochte, »guck auf den Boden und laß die Faxen. Daß Du ein Auge wie ein Falke hast, kann ich bezeugen, denn wo nur irgend der Boden weich war, haben wir die Fährten der beiden Schufte hinter Dir gefunden; aber auf das Riechen wollen wir uns doch lieber nicht verlassen.«

»Ich rieche Rauch,« sagte aber die Frau, ohne die Worte des Fremden zu beachten oder ihn auch nur eines Blicks zu würdigen.

»Das kann wohl möglich sein,« flüsterte Tolmer. »In dem verzweifelten Dickicht hier haben die Burschen auch nicht bei Nacht und Nebel fortkommen können, und sind jedenfalls liegen geblieben. Vielleicht treffen wir sie im Lager.«

Vorsichtig setzten sie ihren Weg fort. Wenn aber auch Lloko den Rauch richtig gespürt, fanden sie nur noch das halb niedergebrannte Feuer. Die beiden Buschrähndscher hatten ihre Flucht wahrscheinlich, wie sie ihre Verfolgung, mit anbrechendem Tage fortgesetzt. Von hier aus schienen sie aber eine andere Richtung genommen zu haben, und Lloko, die derselben eine Zeitlang folgte, faßte plötzlich Tolmers Arm und flüfterte:

»Das Boot! – Sie sind nach dem versteckten Boot!«

»Und so wird's auch sein!« rief Tolmer, ärgerlich mit dem Fuße stampfend, »und wir kommen nachher gerade zeitig genug an den Strand, sie in der Ferne absegeln und uns auslachen zu sehen. Daß ich an das verdammte Boot nicht früher gedacht, und eines von den unseren hier herum geschickt habe, ihre Flucht abzuschneiden.«

»Kommt,« sagte da Lloko, die sich indessen nach allen Seiten umgesehen, als ob sie erkennen wollte, wo sie sei, »kommt mit mir.«

»Hallo, Schwarze,« brummte aber Morris, als er sah, daß sie links von der Fährte abbog, »da hinaus geht's nicht. Hier im offenen Sande kann ich die Spuren auch erkennen, und die führen dort hinaus.«

»Kommt,« rief aber die Eingeborene noch einmal, ohne sich an den Widerspruch zu kehren. »Wir treffen ihn, ehe er das Boot besteigt.«

 

»Die Schwarze ist nicht mit Gold zu bezahlen,« lachte Tolmer, sich vergnügt die Hände reibend, vor sich hin. – »Was meint Ihr, Bill? es wäre ein Hauptspaß, wenn wir ihm die Flucht so vor der Nase abschnitten.«

Bill, der frühere Mailführer, der sich bei der Polizei hatte anwerben lassen und die Expedition als Freiwilliger seinem alten Groll gegen den Buschrähndscher zu Liebe mitmachte, nickte mit dem Kopf und brummte:

»Bringt mich ihm nur in Sprungnähe, und verdammt will ich sein, wenn er mir diesmal wieder aus den Klauen soll.«

»Dazu kann Rath werden,« rief Tolmer, »aber vorwärts mit Euch, Ihr Leute. Die Schwarze, seit sie nicht mehr nach den Fährten zu sehen braucht, läuft wie der helle Teufel.«

Er hatte recht. Lloko glitt wie das Wallobi ihrer Wälder rasch und behend durch das niedere aber dichte Gestrüpp der Waldung, daß ihr die Weißen wirklich kaum zu folgen vermochten, und Tolmer sie mehrmals anrufen mußte, nur so lange wenigstens zu halten, bis sie nachkämen. Eine fieberhafte Ungeduld schien sich der Schwarzen bemächtigt zu haben, die sie nur vorwärts, immer vorwärts drängte, bis sie endlich das Seegestade erreichte, das hier seine niederen Gumbüsche über kurz abgebrochene Felswände bis fast zu den Flutwogen niederhing.

Eine kleine, dürftige Quelle rieselte hier dem Meere zu, deren Lauf Lloko die letzten zehn Minuten gefolgt war, und das Wasser des in der Regenzeit wohl manchmal stark angeschwollenen Baches hatte hier eine kleine Bucht ausgewaschen, in der das eifersüchtige Weib damals, als sie den Fährten des Buschrähndschers und der unglücklichen Frau nachspürte, das hier versteckte Boot des Gentleman John entdeckt hatte.

Fremd auf der Insel, fand ihr Fuß doch leicht und sicher wieder mit jenem wunderbaren Ortssinn der Eingebornen den Weg dahin zurück, und ein triumphirendes Lächeln zuckte über ihre Züge, als sie, auf einen der vorragenden Felsen springend, das Fahrzeug noch dort entdeckte, wo es der Räuber gelassen; aber kein Laut kam über ihre Lippen.

»Ist es da, Lkoko?« rief Tolmer mit unterdrückter Stimme.

»Bst!« warnte aber die Schwarze mit aufgehobenem Finger, indem ihr jubelnder Blick und der niederdeutende Arm den Fund verkündete. Vorsichtig horchte sie dabei nach der Richtung hin, in der sie die Flüchtigen erwartete. Ihr Auge glühte, ihre ganze Gestalt zitterte, und die angstvoll geöffneten Lippen schienen die Luft einzusaugen, die von dort herüberwehte.

»Sie kommen!« flüsterte Tolmer den ihm Nächsten zu, »fort mit Euch – drückt Euch hinter Stein und Busch.«

»Alle Teufel!« brummte Morris, und glitt hinter einen der Ufersteine, auf dem er gerade stand. Nur Lloko regte sich nicht, und das Weib, wie es da lauschend dicht am Ufer stand, glich einer aus schwarzem Marmor gehauenen Statue, einer dunklen Najade, die eben scheu und zitternd der Meeresflut entstiegen.

»Nieder mit Dir, Lubra,« flüsterte ihr da Tolmer zu, »wenn er Dich sieht, ist Alles verrathen und unsere ganze Arbeit umsonst.«

Die Eingeborne antwortete ihm nicht, aber an der Stelle, wo sie bis jetzt gestanden, sank sie in die Knie und barg ihr Antlitz in den beiden Armen.

»Zum Henker noch einmal, ich sage Dir aber ja, dies muß die Stelle sein,« rief da eine rauhe Stimme ganz in der Nähe, »oder ich habe den ganzen Platz versehen und finde den verdammten Ort gar nicht wieder.«

»So weit sind wir aber doch gar nicht mit dem Boot gesegelt,« wandte Broadley's Stimme dagegen ein. »Wir müssen wahrlich noch eine Strecke voraus.«

»Und hier ist der Bach,« rief da Gentleman John, nicht zehn Schritte mehr von der Lichtung entfernt, an deren Rand seine Feinde versteckt lagen. »Ich wußte, daß ich recht hatte – und da ist auch die See. Gott sei Dank, daß wir aus den vermaledeiten Dornen endlich herauskamen. Das ist der Platz, ich kenne ihn an den Felsen, ha, ha, ha – jetzt mögen sie da drinnen herumkriechen und den Torrensberg und dessen Nachbarschaft belagern wie sie wollen. Bis sie uns auf die Fährte kommen, sind wir drüben in Sicherheit. – Ha, was ist das!«

»Halt!« donnerte ihm da Tolmers Stimme entgegen, der mit dem von Rothkopf erhaltenen Gewehr im Anschlag dicht vor ihm wie aus dem Boden herausstieg. »Ergib Dich, oder Du bist eine Leiche.«

»Ergeben?« rief John, eine Pistole aus seinem Gürtel reißend, »für den Galgen, wie?« – In demselben Augenblick traf aber sein Blick auf rechts und links aufspringende Gestalten, und die Pistole auf's gerathewohl mitten hineinfeuernd in die Feinde, wollte er mit flüchtigem Satz das Dickicht wieder gewinnen. Hier aber verrannte ihm Bill, der Kutscher, den Weg.

Mit allem Respect vor Feuerwaffen, mit denen er selber nur höchst mittelmäßig umzugehen wußte, bückte er sich allerdings bei dem Schuß, fuhr aber auch gleich in demselben Moment, einer früher erhaltenen Lection eingedenk, in derselben Stellung auf den Buschrähndscher zu, den er an dem einen Bein erwischte und mit sich zu Boden riß.

Wieder fiel ein Schuß, aber diesmal aus Tolmers Rohr, dem davon springenden Broadley nach, der einen wilden Schrei ausstieß, seitab und willenlos in den Busch hinein taumelte und dort zur Erde stürzte. Tolmer aber, ohne den Verwundeten weiter eines Blicks zu würdigen, sprang jetzt auf den gestürzten Buschrähndscher zu, über den sich schon drei oder vier der anderen Polizeisoldaten geworfen hatten.

Gentleman John machte indessen seinen Gegnern viel zu schaffen, denn mit einem plötzlichen Ruck seinen Arm frei bekommend, hatte er ein breites Messer gezogen, mit dem er rechts und links um sich stieß und seine Sieger zu verwunden suchte. Tolmer sah die Gefahr, in der sich die Seinen befanden, und riß das Gewehr an den Backen, mit dem zweiten Schuß den zur Verzweiflung getriebenen Räuber unschädlich zu machen; im nächsten Moment aber änderte er seinen Plan. Der Lauf des Gewehres hob sich, der Schuß donnerte in die Luft hinein, und den Kolben dann umdrehend hieb er den wüthend um sich Stoßenden mit solcher Gewalt über den Schädel, daß der Schaft in Splittern auseinanderfuhr, der Getroffene aber bewußtlos und wie todt in sich zusammenbrach.

Im Nu war er jetzt an Händen und Füßen gebunden, seiner Waffen beraubt und in's Boot geworfen, wo zwei der Leute, Bill und noch ein Anderer, zu seiner Bewachung blieben. Broadley, der zum Tod getroffen im Busch lag, wurde dann ebenfalls hineingeworfen, und als die von dem Räuber Verwundeten nothdürftig ihre Risse verbunden hatten, wollte Tolmer eben vom Land abstoßen, seine Beute nach Cap Borda hinüber zu rudern. Da fiel sein Blick auf Lloko, die bis dahin regungslos, wie sie das Nahen ihres früheren Gatten erwartet, dicht am Ufer gekniet hatte.

Jetzt erst, als das Boot zur Abfahrt bereit war, richtete sie sich empor, warf einen flüchtigen Blick auf die Gefangenen und war mit einem Sprung an Tolmers Seite.

»Alle Wetter, das wird zu viel im Boot!« rief Morris, der hinten am Steuer saß und sich eben bemühte, das kleine schwanke Fahrzeug vom Lande freizubringen.

»Laßt sie,« erwiderte ihm aber Tolmer, »der Bursche hat sie ihrem Stamm entführt, und sie mag mit uns, wenn wir die übrige Bande aufgerieben, nach Adelaide zurückkehren. – Alles klar da vorn?«

»Alles klar, Sir.«

»Gut, dann stoßt ab, und jetzt so rasch als möglich diesen Burschen in Sicherheit gebracht; der andere Theil der Bande soll uns dann leichte Beute werden.«

Das kleine Fahrzeug schoß in See hinaus, den Bug nach Westen wendend. Mitten darin aber, des Räubers blutiges, bleiches Haupt auf dem Schooß, saß Lloko, und große, helle Thränen rollten ihr die dunklen Wanden nieder und mischten sich dem Blut auf des Gefangenen Stirn, den sie dem Galgen überliefert hatte.

11Lubra, Name für schwarze Frau.