Tasuta

Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.

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4.
Wie Jack zu arbeiten anfing, und wie er sich amüsirte

An demselben Abend wurde der Wagen nach der Mündung von Oakeycreek hinausgefahren, dort abgeladen, das Zelt aufgeschlagen, ein halber Hammel von dem Fleischer geholt, Holz herbeigeschafft und ein Platz für die Kessel hergerichtet, kurz, alles gethan, was nur nöthig war, das Lager und ihren künftigen Wohnort so behaglich als möglich zu machen. Beide Männer wollten sich auch nicht dem Fortlaufen vor dem Commissär preisgeben, und beschlossen schon am nächsten Morgen ihre Licenz auszunehmen.

Die Gegend, in der sie lagerten, war allerdings nicht viel besser als alle australischen Gegenden sind, deren monotoner Charakter den Wanderer mit der Zeit förmlich niederdrückt. Nichtsdestoweniger gab das rege Leben der rings umher Lagernden selbst den trostlosen Gumbäumen etwas Freundliches, und das Thal des Turon selber bot durch seinen schmalen Streifen dunkelschattiger Casuarinen doch wenigstens einige Abwechslung. Der Baumwuchs an den Bergen war übrigens spärlich; besonders schlecht zeigte es sich aber mit Gras für das Vieh bestellt, und der Alte von Bathurst, dessen Name Hall war, verkaufte auch schon zwei Tage später sein ganzes Geschirr, mit Ochsen und Wagen zu einem ziemlich mäßigen Preis, um nicht unaufhörliche Last und Mühe mit dem Vieh zu haben, und es am Ende doch noch zu verlieren.

Am nächsten Morgen zahlten sie ihre Licenz, suchten sich einen Platz aus und fingen an abzudecken; d. h. sie warfen die obere Erde ab, um zu dem mehr goldhaltigeren Grund dicht auf dem Felsen zu kommen. Indessen versuchten sie schon dann und wann einmal ein paar Pfannen voll, um zu sehen, ob sich schon Gold zeigte, und fanden auch fast in jeder ein paar Körnchen Gold, im Ganzen aber noch zu wenig, das Waschen zu lohnen. Hall, der früher einmal ein paar Monate in Californien gewesen war, meinte, das müsse ein sehr gutes Zeichen sein, daß sie Gold schon so hoch oben fänden, denn das hätten sie in Californien nur an den reichsten Stellen getroffen.

Der Sonnabend ging übrigens auch mit dieser Arbeit vorüber, ohne daß sie zum Waschen gekommen wären; sie hatten aber doch schon mit regem Fleiß ein sechs Fuß tiefes, stattliches Loch gegraben, und hofften am Montag auf die Golderde hinunter zu kommen.

Sie waren fast die letzten, die am Sonnabend ihre Arbeit verließen; denn die schon dort eingewohnten Miner hörten Sonnabend Nachmittags gewöhnlich früh auf, um ihre Provisionseinkäufe zu besorgen, und ihre Zelte ein wenig herzurichten. Die Sonne war eben im Begriff unterzugehen, als sie, ihr Werkzeug in ihrer Grube lassend, langsam heimschlenderten und sich über die verschiedenen Gruppen freuten, denen sie begegneten, oder die sie überall vor den Zelten sitzen sahen. Fast vor allen Zelten brannten und loderten tüchtige Feuer, und brodelnde Pfannen und überlaufende Theekessel und Quarttöpfe bezeugten den vortrefflichen Appetit der Goldwäscher. So weit sie sehen konnten, zählten sie fünfzehn Menschen zu gleicher Zeit, die, jeder mit einem halben Hammel auf dem Rücken, ihrer einstweiligen Heimat zuzogen. Unter einem halben Hammel schien hier gar niemand Fleisch zu kaufen, daß auch überdies billig genug war, und nur vier Pence das Pfund galt. Die Köpfe, und Herz und Leber wollte dabei noch nicht einmal Einer umsonst, und sie wurden meist alle, mit den Eingeweiden, in die Grube, oder vielmehr auf den Haufen neben der Schlachtbank geworfen.

In den Storen herrschte besonders reges Leben, von denen ein deutscher Jude, Austin, den bedeutendsten am Oakeycreek hatte, und sehr gute Geschäfte machte.

Jewell, sein Geschäftsführer – wahrscheinlich das etwas verdrehte Schmul – schien alle Hände voll zu thun zu haben und lief herüber und hinüber in seinem Zelt. Als Jack vorbeiging, versicherte er eben ein paar Käufern, was er schon alles für die Goldwäscher hier oben gethan habe, und wie er, für einen Freund, im Stande sei alles aufzuopfern. Er war dabei ausgezeichneter Laune und sang sogar den Tact zu den Hammerschlägen, mit denen er das Quarz aus den ihm zum Handel angebotenen Stückchen Gold herausschlug. Es war eine herrliche Schabbesfeier für ihn, denn er nahm ungemein viel Gold ein.

Halls Zelt stand gar nicht weit von Austins, nur etwas tiefer nach dem Fluß zu hinunter. Austins Zelt war das höchste nach den hier niedrigen und offenen Hügeln zu.

Es war unter der Zeit dunkel geworden und die Lagerfeuer leuchteten roth und glühend in die sonst stockfinstere Nacht hinaus. Ueberall von den Bergen funkelten sie herüber, hie und da einzeln, wie sich die Laune der Goldwäscher ihren Lagerplatz gesucht, hie und da in dichten leuchtenden Gruppen, wo irgend ein günstig gelegener Platz vielen Zelten zu gleicher Zeit Raum, Holz und Wasser gestattete. Muntere Lieder tönten dabei von manchen Orten her durch die stille Nacht, und Hundegebell und Viehgeblöck. Und die hellen Zelte standen weiß und schimmernd, hie und da von der flackernden Flamme grell beleuchtet, dazwischen, und dunkle Schatten glitten daran hin und wieder, und an manchen Stellen, wo das Abendbrod schon vorüber war, wurden trockene Stücke Holz aufgeworfen, daß die glühenden Funken blitzend zum dunklen klappernden Laub der Gumbäume emporstieben, und hoch in die Nacht hineinwirbelten.

Da wurde der stille Frieden dieses Abends plötzlich durch einen rauhen und wilden Lärm unterbrochen. Das Toben schallte aus Austins Zelt herüber, und Jewells Stimme, die noch vor kaum einer halben Stunde so fröhlich geklungen hatte, heulte und wehklagte:

»Weh mir, weh mir, ich bin ein geschlagener Mann – ich bin todt – ich bin todt!«

Jack war einer der ersten mit, die sich oben am Platz einfanden, zu sehen, was für ein Unglück vorgefallen wäre – die Sache wurde bald ruchbar. Irgend ein schlauer Dieb, wahrscheinlich mit anderen im Bunde, die Aufmerksamkeit der Verkäufer so lange im Innern zu fesseln, hatte hinten die Zeltwand aufgeschnitten und etwa 5 bis 600 Pfd. St. in Goldstaub, Silber und Banknoten entwendet; und dicht hinter dem Zelt lag der dunkle Hügel, über den hin der Dieb sich und seinen Raub wohl schon lange in Sicherheit gebracht.

Der arme Teufel von Jude raufte sich indessen die Haare, warf sich auf die Bündel wollener Decken nieder, die im Zelt lagen, und war in Verzweiflung – er hielt sich mit dem Verlust des Goldes, das er sich nichtsdestoweniger rasch genug verdient hatte, für rettungslos verloren.

An den Zelten wurden an diesem Abend, in der ganzen Nachbarschaft herum, nichts wie Diebesgeschichten erzählt, und Jack, der geglaubt hatte, daß dieser Platz hier oben ein Muster von Ehrlichkeit sei, erstaunte, von so vielen Einbrüchen und Diebstählen zu hören – er hatte das gar nicht für möglich gehalten. Er faßte auch den Entschluß, das nächstemal sein Werkzeug Abends mit nach Hause zu bringen, und lieber einen Stock mit einem Zettel in die Grube zu stellen.

Am nächsten Tag war Sonntag, und die Leute gingen alle gar sauber in rothen oder blauen Hemden und mit reingewaschenen Hosen und Filzhüten einher. Es herrschte ein ruhiger und stiller des Sabbaths würdiger Ton, und Hall meinte, es komme dies besonders daher, daß die Regierung keine einzige Licenz für den Branntweinverkauf in den Minen ausgegeben habe, und die Goldwäscher überhaupt einstimmig dagegen seien, daß spirituöse Getränke in die Berge hinaufgeschafft oder wenigstens verkauft würden. Oeffentliche Spieler wurden eben so wenig geduldet, jedenfalls ein Segen für die Minen, und ein paar, die den Versuch gemacht hatten, damit anzufangen, waren schnell eines besseren belehrt worden.

Es hatte sich aber auch sogar ein Geistlicher in diese unwirthbaren Berge hinaufgefunden, und schon früh am Morgen lief das Gerücht durch das Lager, daß um 11 Uhr offene Kirche gehalten werden sollte. Ein Zelt hatte man dazu freilich nicht, die Predigt mußte im Freien stattfinden. Eine sehr große Menschenzahl hatte sich gerade an der Stelle, wo gepredigt werden sollte, eingefunden, und der Prediger, eine lange dünne Gestalt, mit harten trockenen Gesichtszügen, überschaute mit einem zufriedenen Lächeln die gewiß nicht so zahlreich erwartete Schaar frommer Gläubiger, die herbeigeströmt waren, das Wort Gottes in der Wüste zu hören. Als er übrigens, nach etwa einer Viertelstunde, in der er allerdings vergebens gewartet hatte, daß die zu einer richtigen, eindrucksvollen Predigt nöthige Ruhe und Stille eintreten sollte, seine Predigt mit sehr lauter Stimme begann, die noch etwa Unruhigen darauf aufmerksam zu machen, daß von jetzt an der Prediger allein das Wort habe, trennte sich die ganze Schaar in zwei, sonst an Zahl aber sehr ungleiche Hauptmassen, von denen der Prediger leider das kleinste Häuflein um sich sah, und wenigstens drei Viertheile der übrigen nach Oakey-Point – ein paar hundert Schritte davon entfernt, zudrängten, wo gar rasch ein sicherlich sehr interessantes Schauspiel ihre Aufmerksamkeit so fesseln mußte, daß manchmal in der wogenden Menschenmasse Todtenstille herrschte, dann aber plötzlich wieder ein so tolles Jubelgeschrei ausbrach, daß der Prediger nicht einmal sein eigenes Wort, viel weniger die fromme Gemeinde die Predigt hören konnte.

An Oakey-Point fand nämlich ein Boxerkampf zwischen einem alten und jungen »Cove« statt, wie diese Leute in der australischen »Flash-« Sprache genannt werden; der Alte hatte längere Praxis und kaltes Blut, der Jüngere Stärke und Gewandtheit für sich, und der Kampf schien lange unentschieden zu bleiben – länger wenigstens als die Predigt dauerte, die zum Scandal der religiös Gesinnten ziemlich kurz abgeschnitten werden mußte.

Der Kampf bot indessen insofern weit mehr Interesse für die meisten, da ziemlich bedeutende Wetten eingegangen waren, und wer auch nicht selber mitgewettet hatte, sich doch sicher für den einen oder anderen der Wettenden so viel interessirte, daß er seine unmittelbare Gegenwart im innersten Ring für unumgänglich nöthig erachtete, und dadurch natürlich zur Vergrößerung des Lärmens und der Verwirrung sein möglichstes mit beitrug.

 

Der Sieg entschied sich endlich für den Jüngeren der beiden Kämpfer, der Alte wurde mit blau geschlagenen Augen und mit Blut bedeckt, fortgeschleppt, und die Polizeidiener, die während der ganzen Zeit mit zu den aufmerksamsten Zuschauern gehört hatten, machten jetzt, da die ganze Sache vorbei war, Miene, die beiden Kämpfer und einige der dabei am thätigsten gewesenen Personen zu arretiren. Die allgemeine Stimme war aber gegen sie, und sie hielten es wahrscheinlich für besser, am heiligen Sonntag, wo so schon Scandal genug gewesen war, nicht selber noch größeren anzufangen. Da doch nichts mehr zu sehen war, zogen sie ruhig ihrer Wege.

Der Scandal war aber mit dem Schluß des Hauptkampfes keineswegs beendet, sondern wucherte jetzt erst, da die Wetten eingefordert und bestritten wurden, nach allen Seiten hinaus, daß es ordentlich eine Lust und Freude war; dabei entwickelte sich eine Eigenschaft, die man hier oben gar nicht für möglich gehalten hätte, da scheinbar alle Mittel dazu fehlten sie hervorzurufen. Es zeigten sich nämlich, und je später es am Tage wurde desto häufiger, Betrunkene. Hie und da tauchten Flaschen auf, und wenn auch ein Uneingeweihter nirgends ein Local sehen oder finden konnte, wo derlei spirituöse Getränke öffentlich verkauft wurden, so mußten doch solche Plätze bestehen, und die »öffentliche« Meinung unterstützte sie »heimlich.«

Der Nachmittag brachte manche ärgerliche Scene, und Hall schwor, er hätte es in Californien, wo zwanzig Schenkzelte zu gleicher Zeit offen gewesen, nicht schlimmer und ärger gesehen.

Nachmittags hatte auch gepredigt werden sollen, daran war aber gar nicht zu denken.

Mitten in dem tollen Gewirr und Spectakel lief zu gleicher Zeit ein dumpfes Gerücht um, daß, gar nicht so weit entfernt, neue Minen entdeckt wären, die fabelhaft reichhaltig sein sollten. Niemand wußte noch irgend etwas Genaueres darüber anzugeben, nur das erzählte man sich, Hargreaves, der erste Entdecker der Bathurst-Minen, habe sie aufgefunden und das Gold liege dort in »Nuggets« an der Oberfläche.

Die Nacht goß es in Strömen von dem dicht und rabenschwarz überzogenen Himmel nieder. Wohl denen, die Zelte hatten, sie konnten sich in ihren trockenen warmen Decken nur etwas fester einrollen, und das Vorüberziehen des Unwetters abwarten. Wie mancher arme Wanderer mußte aber diese stürmische Nacht im Freien zubringen, und Kälte und Nässe nehmen, wie es ihn gerade überkam. Mancher verwünschte in der Nacht die Minen mit sammt dem Golde und, daß er beides im ganzen Leben nicht zu sehen bekommen hätte.

5.
Was für Geschäfte Jack und seine Nachbarn machten

Am Montag fingen unsere beiden Freunde nun richtig an zu graben, und wurden hierzu besonders von einer anderen Partei, die dicht neben ihnen arbeitete und aus drei Mann bestand, aufgemuntert. Diese versicherten sie, daß sie viel Gold da fänden und sie sollten nur den Muth nicht verlieren, wenn es sich vielleicht im Anfang nicht gleich so gut anließe, wie man erwartet hatte. In dem ersten Loch, was sie gruben, fanden sie auch wirklich nicht viel, das zweite, dicht daneben, bezahlte sich aber schon besser und sie schafften unermüdet darauf los.

So wie sie das Loch zusammen hinunter gegraben hatten und auf die Erde gekommen waren, die sie als reich genug erprobt, gewaschen zu werden, dann ging der Alte an die Maschine und wusch, und Jack schlug inwendig die Erde los und trug sie ihm zu. Ihre Arbeit wäre, da die Erde etwa fünfzehn Schritt zu tragen war, mit drei Mann wohl leichter gewesen, dann hätten sie aber auch den Ertrag mit so vielen mehr theilen müssen und sie behalfen sich deshalb lieber so.

In diesen Tagen fanden zwei Mann, die weiter oben im Creek arbeiteten, ein großes Stück von einigen dreißig Unzen, und wer nur noch irgend dort in der Nähe ankommen konnte, der drängte hinzu, und die Nachbarschaft, wo der Klumpen gefunden war, wurde im wahren Sinne des Worts aufgewühlt. Die meisten derer aber, die nachher dort suchten, machten sehr schlechte Geschäfte und mußten wieder bessere Plätze aufsuchen, um nur etwas zu verdienen. Es schien fast, als ob gerade an der Stelle all das kleinere Gold in das große Stück zusammengeschmolzen, und nun gar nichts mehr weiter übrig geblieben wäre.

In diesen Tagen kamen auch einige Arbeiter von den Ophirdiggings zurück, die damals, gleich nach dem ersten Gerücht von den großen Karrschen Klumpen – der zufällig von einem Schwarzen unter der Wurzel eines Gumbaumes gefunden wurde – hinauf gestoben waren, dort hatten sie mit schweren Hämmern jedes ihnen in den Weg kommende Stück Quarz unbarmherzig zerschlagen und versicherten unsere beiden Freunde, die ganze Gegend sei mit Goldsuchern übersäet gewesen, so daß sie zuletzt ihr Brod nicht mehr verdienen konnten. Zwei große Stücke Gold sind noch nie dicht neben einander gefunden worden, und man sollte fast die Gegend, wo ein solcher gelegen, eher vermeiden als suchen.

Das große Stück ging nach Sidney hinunter, wo es zur Schau wieder in einen Juweliersladen kam und die Menschen aufs neue anregen sollte, nach den Minen hinaufzuströmen.

Am Mittwoch, hieß es, hatten drei Leute in einem benachbarten kleinen Creek wieder ein sehr großes Stück gefunden – es war ein Store dort in der Nähe, und einige dreißig Menschen eilten hinüber. Von dem Stück war nichts zu sehen, und wenn auch der Bericht davon augenblicklich nach Sidney gesandt wurde, fanden die, welche gleich an Ort und Stelle waren, doch keins oder nur sehr wenig Gold, und mußten unverrichteter Sache wieder abziehen.

Jack und Hall hatten sich durch alles dieses keineswegs verleiten lassen, und waren ruhig bei ihrer Arbeit geblieben, wo sie allerdings keine großen »Nuggets« fanden, aber doch auch genug Gold auswuschen, ihre Kost zu bezahlen und noch etwas übrig zu behalten. Jack schüttelte aber doch schon mit dem Kopf und meinte, wenn das nicht besser käme, so hätte er so viel Gold allenfalls auch in Sidney verdienen können. Indessen war er nun einmal oben, und da auch noch in derselben Woche seine schon früher abgeschickten Sachen ankamen, beschloß er, die Sache erst einmal zu Ende zu sehen.

Das Gerücht, was am Sonntag nur erst dunkel und unbestimmt gewesen war, daß nämlich durch Mr. Hargreaves neue ungeheuer reiche Minen entdeckt sein sollten, welche die Regierung, wie es jetzt schon hieß, gar nicht wollte erlauben öffentlich zu bearbeiten, fand mehr und mehr Bestätigung, und man nannte jetzt sogar den Platz, Louisens Creek, keiner aber wußte noch recht, wo der lag. Endlich schien sich auch das herausgestellt zu haben, denn eines Nachts packte eine Gesellschaft von Goldwäschern, der wahrscheinlich heimlich der Bericht zugekommen war, auf, und wanderte mit Sack und Pack den Fluß hinunter.

Solche Geheimnisse nehmen aber immer ein schnelles Ende. Die Leute dort können unmöglich ohne Provisionen arbeiten, ein Storezelt müssen sie haben, und die ersten Vorräthe werden wohl immer heimlich genug fort und an Ort und Stelle gebracht. Der Kaufmann hat aber keinen Nutzen dabei, daß der Platz geheim bleibt, im Gegentheil, je mehr dorthin kommen, desto besser ist es für ihn, und wenn auch nicht öffentlich, so läßt er doch bald genug unter der Hand einen oder den anderen wissen, wo er hingegangen ist, und das Resultat bleibt dann stets dasselbe Gewünschte. In acht Tagen kennt die ganze Umgegend den Ort und alles was irgend mit seiner Stelle unzufrieden ist, oder sich dort zu verbessern hofft, strömt dahin.

So war es auch hier, und eines Morgens sah Jack zu seinem Erstaunen, daß Hunderte von Menschen mit ihrem Gepäck, ja manche noch außerdem mit Waschmaschinen und Werkzeug auf dem Rücken, den Fluß hinunter wanderten, und frug er sie wohin, so lautete die stete Antwort: »Nach den neuen Diggings, Jack,« nach »der Welt Ende« – wie die Gegend dort schon früher, der traurigen Wildniß von Gumbäumen und Bergrücken wegen, von den Stationshaltern genannt wurde. Es war für sie »der Welt Ende« gewesen, weil sie dort mit ihren Schaafen nicht hinein konnten.

Auch die Compagnie neben ihnen, von der man geglaubt hatte, daß sie so viel Gold fände, wollte ihren Platz verkaufen. Es fanden sich auch bald zwei Leute dazu, »Gentlemen,« wie sie oben genannt wurden, weil sie Handschuh trugen, die eben von Sidney heraufgekommen waren. Durch die vorher kluger Weise ausgesprengten Gerüchte, einer sehr reichen Stelle, glaubten sie einen ordentlichen Fund gethan zu haben, als sie den »Claim« für fünf Pfd. St. kaufen konnten, und sie gingen noch denselben Nachmittag hinein, arbeiteten aber nur drei Tage darin und ließen ihn dann, ohne ihn zu einem weiteren Verkauf auszubieten, unbenützt liegen.

Jack und sein Compagnon glaubten, daß sie vielleicht nicht recht gewußt hatten, wie sie darnach graben müßten, und gingen selbst einmal einen Tag hinein, gaben es aber auch wieder auf. Mit der reichen Stelle war es doch nicht so arg gewesen.

Hall und Jack wurden von mehreren Seiten aufgefordert, mit nach »der Welt Ende«, oder dem sogenannten Louisens Creek zu gehen, wo das Gold »obenauf« liegen sollte, sie waren aber vorsichtig genug, sich nicht überreden zu lassen, und blieben ruhig bei ihrer einmal begonnenen Arbeit. Der achtjährige Knabe konnte ihnen dabei auch insofern behülflich sein, daß er Wasser auf die Maschine schöpfte, und die Frauen kochten im Zelt und wuschen ihre Sachen. Dafür hatte Hall mit seiner Familie zwei Theile von dem Gold, was sie fanden, und Jack einen.

Das war auch ungefähr gleich genug vertheilt, die Provisionen trugen sie aber in gleicher Hälfte und – dagegen hätte Jack schon lange protestirt, wenn er sich nicht eben mit dem Gedanken tröstete, ja darin sogar eine Art Wohlbehagen fand, daß er seinen und Jane's Theil der Provisionen bezahlte, während der Alte für sich und seine Frau beisteuerte. Da Jack nichts dagegen einwandte, war Hall natürlich vollkommen damit zufrieden, und die Sache blieb wie sie begonnen war.

Hall merkte dabei recht gut, daß Jack besonders Jane zu Liebe so treu bei ihm aushielt, so fleißig arbeitete und manches kleine Opfer brachte, was ihm sonst sicherlich nicht eingefallen wäre; er ließ sich aber nichts merken und schien, wenn er es merkte, auch gar nichts dagegen zu haben. Jane konnte es ebenfalls nicht verborgen bleiben, und Frauen haben ja außerdem ein weit schärferes Auge für solch kleine Züge von Aufmerksamkeit, die sie recht gut zu deuten wissen. Wenn sie ihn aber auch nicht gerade aufmunterte, war sie doch immer freundlich gegen ihn, und beim Essen sein Platz neben ihr gedeckt – und sie hatte das selber anzuordnen gehabt. Jack wußte gewiß, daß er ihr auch nicht ganz gleichgültig sei, und er dachte oft im Stillen, »wenn er hier oben in den Minen am Ende auch keine Schätze finde, habe er doch vielleicht einen Schatz gefunden.«

So arbeiteten sie etwa vierzehn Tage länger, und was sie über die Diggings von der »Welt Ende« gedacht, schien in Erfüllung zu gehen. Die Sache war größtentheils Humbug gewesen, denn wenn sich auch Gold dort fand, so bestand der kleine Creek, den sie Louisen-Creek nannten, nur, wie die meisten Gewässer Australiens, selbst jetzt, mitten in der Regenzeit, aus einer Reihe von Waserlöchern, die durch die Maschinen in kurzer Zeit in Schlamm verwandelt wurden. Außerdem waren die Stellen auch lange nicht so reich wie man gewähnt hatte, und von den sechs bis siebenhundert Personen, die den Turon allein nach den ersten Gerüchten verlassen hatten, kamen schon Massen wieder hierher zurück. Jack hörte sagen, von sehr vielen, die schon vollkommen genug von den Minen überhaupt hatten, und ganz und gar nach Sidney zurückgekehrt waren.

Das Wetter fing jetzt auch hier oben an höchst traurig einzusetzen; Schnee und Regen wechselten mit einander ab, der kleine Fluß stieg und vertrieb viele von ihren Arbeitsplätzen; es wurde ingrimmig kalt und Provisionen stiegen der fast unfahrbar gewordenen Straßen wegen zu einer hier noch nicht gekannten Höhe. Sehr viele verließen, durch stets neue Täuschungen endlich doch entmuthigt, die Minen, wo sie das keineswegs gefunden hatten, was ihnen, mit den Zeitungsberichten zusammen, ihre eigene Phantasie vorgespiegelt, Hunderte aber kamen an ihrer Stelle wieder dafür herauf und warfen sich mit Todesverachtung in die verlassenen Gruben.

Dabei tauchten unaufhörlich andere Gerüchte von neu entdeckten Minen bald hier, bald dort auf, und hielten die Unzufriedenen stets in einer gewissen wohlthätigen Aufregung, so daß diese nie wußten, nach welcher Seite sie sich zuerst hinwenden sollten, das flüchtige Glück bei den Haaren zu fassen und endlich einmal festzuhalten – und immer und immer wieder wollte es nicht gelingen.

Hall und Jack hatten indessen ruhig in ihrem Claim fortgearbeitet, und wenn auch noch gerade ihr Glück nicht gemacht, doch so viel gefunden, daß sie ihre Arbeit gut bezahlt bekamen und zufrieden sein konnten. Von allen Seiten drängten aber frische Goldwäscher heran, und sie bekamen ordentlich zu thun, ihren eigenen Claim zu behaupten, den ihnen der Commissär schon zweimal gesucht hatte zu schmälern, aber immer glücklich zurückgeschlagen war. Eine Menge von den erst heraufgekommenen Neulingen konnte gar keinen Platz finden, und versuchte erst allerlei unnützliche Stellen, wo sie entweder, sobald sie tief genug kamen, gleich wieder vom Wasser vertrieben wurden, oder so weit von jedem Wasser entfernt waren, daß nur ein gar nicht zu erwartend reicher Boden die Arbeit des Erdeschleppens bezahlt hätte.

 

Sämmtliche Goldwäscher waren übrigens fast nur Engländer, Irländer, Schotten oder hier geborne Australier. Außer diesen arbeiteten noch hie und da Deutsche, aber doch nur sehr zerstreut, und dann und wann fand man auch einmal einen Franzosen. Am seltensten sah man Amerikaner hier, und die wenigen, die sich ja hierher verloren hatten, sollten bald den Platz für sich zu warm finden.

Um diese Zeit kamen nämlich gerade die Gerüchte von San Francisco nach Australien über das Lynchen einiger »Sidney-Coves«, und die Leute hier hörten zu ihrer unbeschreiblichen Entrüstung, welchen Ruf sie dort genossen, und wie die Männer von Sidney in Californien alle über einen Kamm geschoren wurden. Des armen Capitän Harris Bericht, der seine Behandlung in australischen Zeitungen gar nicht kläglich genug schildern konnte, fiel auf fruchtbaren Boden, und wenn Flüche und Schimpfreden die Amerikaner hätten vernichten können, es wäre nicht ein einziger von ihnen leben geblieben.

Zwei Amerikanern, die dort am Turon arbeiteten, wurde es auch bald zu heiß da oben in den Bergen, trotz Regen und Schneegestöber, und sie waren auf einmal verschwunden. Es wurde eine Zeitlang von weiter nichts als den »amerikanischen Mordthaten«, wie man sie nannte, gesprochen, und wie viel Unschuldige schon in San Francisco hingerichtet wären, und noch täglich hingerichtet würden, wenn England nicht augenblicklich eine Flotte ausrüste, und das ganze Nest mit Stumpf und Stiel ausrotte. Den einzigen Trost, den sie dabei hatten, war der, daß es von selber zweimal abgebrannt war. Darüber war man aber ebenfalls vollkommen einig, daß die californischen Minen den australischen nicht das Wasser reichen konnten, und sie freuten sich jetzt nur auf die Zeit, wo die Amerikaner zu ihnen herüberkommen müßten.

Um diese Zeit war ein paarmal Besuch bei Halls gewesen, namentlich kam ein junger Schottländer, der einen Store in Bathurst hatte und sich hier oben einen Platz aussuchen wollte, um auch Provisionen und Waaren hier heraufzuschicken. Jack hatte ihn aber nicht zu sehen bekommen; er war jedesmal, wenn er zum Essen kam, schon wieder fort gewesen.

Ihr Claim war indessen ausgearbeitet und sie mußten sich nach einem neuen umsehen. Das hatte im Anfang einige Schwierigkeiten, und sie arbeiteten fast eine ganze Woche vergebens; endlich fanden sie aber doch wieder einen ziemlich guten Platz, wo sie wenigstens etwas verdienten, und wenn auch Jack gerade kein großes Rühmen dabei fand, schien Hall doch ungemein damit zufrieden.

Jack, der indessen doch nicht umhin konnte, dann und wann das behagliche Leben, das er in Sidney geführt, mit dem jetzigen voll Mühen und Strapazen zu vergleichen, fing auch schon an Berechnungen über das, was er nun eigentlich hier oben verdient hatte, zu machen, und er mußte sich gestehen, daß er bis jetzt, wenn er alles aufzählte, was ihn die Sache gekostet und was er sich an Kleidern und Schuhwerk abgerissen, die Zeit dabei ebenfalls gerechnet, die er nothwendig hatte versäumen müssen, doch noch nicht so viel verdient habe, wie er in Sidney, in derselben Zeit, aber mit weit weniger Mühe und Arbeit verdient haben konnte. – Und was war dann das Resultat? – Aber er hatte dafür eine Familie gefunden – d. h. er meinte nicht die ganze Familie, sondern nur ein einziges Glied derselben – das auf sein späteres Leben und Lebensglück vielleicht einen wesentlichen Einfluß ausüben mochte, und konnte er seinen Eltern einen größeren Gefallen thun, ihnen einen bessern Beweis seiner künftigen Ausdauer bringen, als durch das zugleiche Zuführen einer so liebenswürdigen Schwiegertochter?

Jack baute sich ein prachtvolles Kartenhaus zusammen, und arbeitete noch volle acht Tage ruhig daran fort, als ihm eines schönen Morgens einmal die ganze Geschichte, und zwar sehr unerwartet, über dem Kopf zusammenstürzte. Es fiel ihm nämlich unversehens ein Fremder hinein, und das war der Schottländer von Bathurst, der sich ihm, als er mit keiner Silbe an solch eine Möglichkeit dachte, an einem Sonnabend Nachmittag nicht mehr als Schwiegersohn in spe des alten Hall, sondern als wirklicher angetrauter Gatte der jungen Jane Hall, jetzigen Mrs. Mac Kelly – vorstellte. Die beiden jungen Leute waren an demselben Morgen von dem ehrwürdigen Mann mit den langen trocknen Gliedern eingesegnet.

An demselben Abend rechnete Jack mit dem alten Hall und wie sie zusammen standen, und fand dabei zu seiner Beruhigung, daß sein einst gehoffter Schwiegervater keineswegs zu kurz kam.

Die Minen wollte er aber deshalb noch nicht gleich verlassen, er packte deshalb, was er selber noch von Provisionen und Geschirr hatte, auf, und ging mit einer Dray, welche Vorräthe nach der Welt Ende brachte, den Fluß etwa vier Meilen hinunter, wo er drei Bekannte von Sidney traf, die eben mit einer Quecksilbermaschine und allem Zubehör heraufgekommen waren. Diesen schloß er sich an; mit der Quecksilbermaschine wollte es aber nicht recht gehen – die goldhaltige Erde war zu schwer zu gewinnen, die Löcher mußten zu tief dazu gegraben werden, und es wollte die Auslagen an Arbeit und Quecksilber nicht lohnen. Ueberhaupt sah er, von all den Quecksilbermaschinen die an den Turon, und manche mit schweren Kosten an Auslagen und Transport hinaufgeschafft waren, auch nicht eine einzige mehr mit Quecksilber in Thätigkeit – die meisten, die noch benutzt wurden, gebrauchte man wie gewöhnliche Maschinen.

Nachher versuchten sie es mit einem sogenannten »langen Tom«, der nur aufgestellt wird ohne gewiegt zu werden, und das feine Gold mehr zusammenhält als die übrigen Maschinen. Zu einem langen Tom gehört aber auch ein steter Wasserstrom und leicht zu gewinnende Erde, sonst müssen zu viele Menschen dazu genommen werden, die Erde heranzuschleppen und der Verdienst fällt dann auch auf zu viele Theile. Wasser hatten sie nun wohl genug da, aber die Erde war, wie auch bei der Quecksilbermaschine, zu schwer zu bekommen und sie wurden immer wieder auf die gewöhnlichen Wiegen reducirt. Dabei war ein anderer Uebelstand, der, wie Jack recht gut einsah, mit jeder Woche nur noch fühlbarer werden mußte; das Wasser fiel, und wie sollte es hier oben im Sommer werden?

Jack hatte sich überhaupt die ganze Sache anders gedacht. Für Taglöhner mochte das Goldgraben recht gut und auch einträglich sein; der aber, der eben ein klein wenig höher strebt, und sich unter der rohsten Menschenclasse, mit der er hier nothwendig auf ein und derselben Stufe stehen muß, nicht zufrieden fühlt, der soll die Minen nur ruhig Minen sein lassen und seinen eigenen Geschäften nachsehen – er wird sich viel besser dabei stehen.

Jack sah das jetzt ein – einen großen Klumpen fand er nicht, und er konnte sich dabei mit tausend andern trösten – aber nur um gewöhnliches Taglohn zu arbeiten und bei dem Versuchen mit dem Umherziehen nach neuen Claims noch nothwendig viele Zeit ganz nutzlos zu versäumen, konnte ihm in die Länge nicht behagen. Er wußte, daß er sich in Sidney besser stand, und beschloß, den Heimweg anzutreten.